Textdaten
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Autor: Ernst Meier
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Titel: Donner, Blitz und Wetter
Untertitel:
aus: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben, S. 29-38
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1852
Verlag: C. P. Scheitlin
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Erscheinungsort: Stuttgart
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google und Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[29]
6. Donner, Blitz und Wetter.

Es war einmal ein alter König, der hatte einen Sohn und drei Töchter und verordnete, als er seinen letzten Willen aussprach, daß die Töchter erst sechs Jahre nach seinem Tode heirathen sollten. Dem Sohne aber legte er’s recht an’s Herz, dafür zu sorgen, daß dieser sein letzter Wille genau vollzogen werde. Das versprach ihm der Sohn denn auch. Und als später nach dem Tode des Königs gar viele Prinzen kamen, und die schönen Prinzessinnen heirathen wollten, so gab es der junge König nicht zu und sagte, daß sie warten müßten, bis die sechs Jahre herum seien.

So waren schon drei Jahre vergangen, und mancher [30] Prinz war abgewiesen worden, da kamen eines Tags drei vornehme Brüder, von denen hieß der eine Donner, der andre Blitz und der dritte Wetter, und bewarben sich um die drei Schwestern. Allein sie erhielten dieselbe Antwort wie die früheren Freier; blieben aber doch in der Nähe des Schloßes wohnen und gaben sich Mühe, daß sie so oft als möglich die schönen Prinzessinnen zu sehen kriegten.

Da geschah es eines Tags, als der König eben verreist war, da drangen die drei Brüder in’s Schloß, nahmen jeder eine der Schwestern, und dann gieng’s zu Pferde und davon durch Felder und Wälder, daß Niemand wußte, wo sie geblieben waren. Der König aber war ganz untröstlich, als er heimkam und seine drei Schwestern nicht mehr da fand. Er machte sich sogleich auf den Weg, um sie zu suchen, und sollte er gehen bis an’s Ende der Welt.

Nach langer langer Zeit kam er endlich in einen großen Wald, und gieng immer weiter fort, und sah sich überall nach seinen Schwestern um; konnte aber nirgends auch nur die geringste Spur von ihnen entdecken. – Auf einmal traf er ein schönes Schloß mitten im Walde, und wie er darauf zugieng, rief ihm aus dem Fenster eine Stimme entgegen: „O Bruder! zu einer unglücklichen Stunde bist Du ausgezogen und hieher gekommen! Mach, daß Du fortkommst. Es wohnt hier der Blitz, und der ist mein Mann. Wenn er heimkommt und Dich findet, wird er Dich umbringen.“ Und wie der König diese Worte hörte und genau hinsah, erkannte er seine älteste Schwester, und freute sich über die Maßen und wollte nicht von ihr weichen, sie mochte ihm [31] noch so viel zureden. Während die beiden nun so mit einander sprachen und sich gegenseitig erzählten, wie es ihnen seit der Trennung ergangen war, kam der Blitz nach Haus, begrüßte den König freundlich und lud ihn ein, da zu bleiben, so lange es ihm gefallen möge. Das that der König denn auch gern, um seiner Schwester willen.

Nun suchte der Blitz den König zu unterhalten und mit allerlei Spielen ihm die Zeit zu vertreiben. Gewöhnlich kegelten sie mit einander. Die Kegelbahn aber war eine Stunde lang; dabei hatte die Kugel die merkwürdige Eigenschaft, daß sie immer von selbst wieder zurückkam, und dazu brauchte sie jedesmal zwei volle Stunden. Der König konnte sich nicht genug darüber wundern, zumal der Blitz so heftig warf, daß die Kugel weit über das Ziel hinausgieng und tief in einen Felsen drang, und dennoch immer wieder zurückrollte. Indes nach acht Tagen reiste der König weiter, um seine andern beiden Schwestern aufzusuchen.

Er gieng immer gerades Wegs in dem Walde fort und kam endlich an ein Schloß, da rief ihm aus dem Fenster eine Stimme zu: „O Bruder, zu einer unglücklichen Stunde bist Du ausgezogen und hieher gekommen! Mach daß Du fortkommst! Es wohnt hier der Donner und der ist mein Mann; wenn der Dich hier fände, würde er Dich gewiß umbringen.“ Da freute sich der König, daß er sein zweites Schwesterlein wieder gefunden und ließ sich nicht bang machen und blieb da. Und als der Donner heimkam und den Bruder seiner Frau erblickte, war er freundlich gegen ihn und that ihm kein Leid an, bat ihn vielmehr, daß er [32] eine Weile da bleiben und sich vergnügen möchte. Dann führte er ihn auf seine Kegelbahn, die war ebenso lang wie die seines Bruders, und die Kugel kam auch nach jedem Wurfe von selbst wieder zurück, dazu brauchte sie aber immer zwei volle Stunden.

Nachdem der König acht Tage lang bei seinem Schwager, dem Donner, sich aufgehalten hatte, zog er abermals weiter, um seine dritte Schwester zu suchen, und traf schon nach einigen Tagen in demselben Walde ein drittes Schloß, daraus rief ihm von ferne eine Stimme entgegen: „O Bruder! zu einer unglücklichen Stunde bist Du ausgezogen und hieher gekommen. Rette Dich, so gut Du kannst! Dieß Schloß gehört meinem Mann, der heißt Wetter, wenn der Dich hier fände, so würde er Dich umbringen.“ Der König aber beruhigte seine Schwester und blieb getrost bei ihr, bis ihr Gemahl kam; der freute sich ebenfalls über den Besuch des Königs, und suchte ihm den Aufenthalt so angenehm als möglich zu machen, und weil er selbst die Jagd über Alles liebte, so lud er den König ein, daß er ihn begleiten und ihm jagen helfen möge. Das that denn der König auch gern.

Als sie nun eines Tages im Walde jagten, erblickte der König plötzlich einen Hirsch, der war so wunderschön, wie er noch nie einen gesehen zu haben meinte; deshalb gab er sich alle Mühe, ihn zu erlegen. Allein der Hirsch schien ihn ordentlich zu necken. Er ließ den König immer ganz nah herankommen, und wenn dieser dann seinen Pfeil abschoß, so sah er alsbald in der Ferne den Hirsch ganz munter weiter spazieren, und das gieng mehre Stunden lang [33] so fort, indem der König nicht merkte, daß er seinen Jagdgefährten schon lange verloren hatte. Plötzlich war auch der Hirsch verschwunden und der König wußte nicht, wo aus noch wo ein, bis er endlich auf einen großen freien Wiesgrund kam und daselbst einen Schäfer fand, der eine Heerde Schaafe hütete. Bei diesem erkundigte er sich nach dem Wege und hörte, wie weit er sich schon verirrt hatte. Und als er dem Schäfer die Geschichte mit dem Hirsch erzählte, sagte der: „das war kein gewöhnlicher Hirsch, sondern Wetter, Euer Schwager, war es, der diese Gestalt angenommen hatte, um Euch zu täuschen und irre zu führen.“

Der König gedachte nun heimzugehen und ein großes Kriegsheer zu sammeln, und dann seine Schwestern zu befreien. Der Schäfer aber gab ihm Anweisung, wie er in sein Land kommen könne und sagte: „Ihr müßt durch jenen Wald, der gehört dem Wolfskönig und müßt diesem, so wie Ihr den Saum des Waldes betretet, rufen und ihm sagen: Wolfskönig, ich bringe Dir da ein Schaaf! sonst werdet Ihr von wilden Thieren zerrißen werden.“ Darauf schenkte der Schäfer dem König ein Schaaf und das brachte er dem Wolfskönig; der bedankte sich freundlich und hieß ihn ohne Furcht durch den Wald gehen und sagte: „wenn Dir je einmal ein Unfall zustößt und Du einer Hilfe bedarfst, so denke nur an mich, dann werde ich gleich Dir zu Diensten sein.“

Das merkte sich der König und zog wohlgemuth weiter, und wie er nun so in dem Walde des Wolfskönigs fortgieng, kam er an einen See, da lag ein schöner rother Fisch [34] auf trockner Erde und schlug mit dem Schwanze. Der König nahm ihn voll Mitleid und setzte ihn wieder in’s Waßer, worauf der Fisch sich bedankte und sprach: „wenn Du einmal in Noth bist, so denke nur an den Fischkönig; dann werde ich gleich zu Deiner Hilfe bereit sein.“

Der König setzte dann ungehindert seine Reise fort. Da sah er am andern Tage vor seinen Füßen eine Horniß („Hurnauß“) liegen, die konnte sich nicht allein in die Luft erheben, und weil er ein gutes Herz hatte, hob er sie auf und ließ sie fliegen. Ehe sie aber fortflog, sagte sie ihm noch: „ich bin der Hornißkönig! wenn Du je einmal in Noth bist, so denke nur an mich, dann werde ich gleich zu Deiner Hilfe bereit sein.“

Nach mehren Tagen erreichte der König alsdann das Ende des Waldes; er kam auf eine Wiese, und fand daselbst eine Hütte und darin ein altes Mütterchen, das nahm ihn freundlich auf, und weil er müd und hungrig war, so blieb er da, um sich zu erholen. Diese alte Frau war aber eine Zauberin und war die Mutter von den drei Söhnen: Donner, Blitz und Wetter; die kamen in der Nacht zu ihr. Und weil sie meinten, daß der König schon fest schliefe, so sprachen sie in dem Nebenzimmer ganz laut mit einander, und der König hörte Alles, was sie da redeten. Da sagte denn das alte Mütterchen: „wenn wir dem König nicht eine Arbeit aufgeben, die er nicht ausführen kann, so ist es um uns und unsere Herrschaft geschehen.“ Dann sagte sie weiter, daß der König in den nächsten Nächten ihre Pferde hüten solle und bat ihre Söhne: „versteckt Euch aber im [35] Wolfswalde nur recht, daß Euch Niemand finden kann, denn sonst ist es aus mit uns.“

Das Alles hatte sich der König wohl gemerkt. Und als nun am andern Morgen das alte Mütterchen ihm sagte: für das Nachtquartier, das sie ihm gegeben, müße er in den nächsten drei Nächten ihre Pferde hüten, so sagte der König ja, das wollte er wohl thun und blieb da und bekam am Abend drei prächtige Pferde, die sollte er auf der Wiese weiden laßen. „Sieh aber wohl zu, daß Dir keins verloren geht!“ sagte das alte Mütterchen, und der König meinte, er wolle wohl Acht geben, trieb die Pferde auf die Wiese und wandte kein Auge von ihnen ab.

So weideten die Pferde einige Stunden lang ganz ruhig, indem der König immer dicht bei ihnen blieb; aber auf einmal waren alle drei verschwunden und nirgends mehr zu sehen noch zu hören. „Wie wird dir’s gehen?“ dachte der König, und suchte die Pferde überall bis daß der Tag anbrach. Da überfiel ihn eine große Angst und er seufzte: „wenn jetzt nur der Wolfskönig da wäre und dir helfen könnte.“ Kaum hatte er das Wort gesagt, so stand der Wolfskönig auch schon da und fragte ihn, was er wünsche. Der König klagte ihm seine Noth; der Wolfskönig aber beruhigte ihn und gieng fort und sandte sechstausend Diener aus, die mußten den ganzen Wolfswald durchlaufen und durchsuchen; fanden aber die Pferde nicht und kamen leer wieder heim. Darauf schickte der Wolfskönig zwölftausend Diener aus und befahl ihnen streng, daß sie die Pferde finden müßten und nicht ohne dieselben wieder heimkommen [36] dürften. Und da dauerte es auch nicht lange, da fanden sie tief in einer Felsenhöhle die drei Pferde und brachten sie ihrem Herrn, und der führte sie dem Könige zu.

Das alte Mütterchen aber staunte nicht wenig, als der König ihr die Pferde wieder brachte; dann legte er sich in sein Bett, um ein wenig auszuruhen und hörte alsbald, wie die Frau mit ihren Söhnen zankte, daß sie nicht beßer sich versteckt hätten; denn die drei Pferde waren eben ihre Söhne Donner, Blitz und Wetter, die sie in diese Thiere verwandelt hatte. Die Söhne aber sagten: „hätte der Wolfskönig nicht zwölftausend Diener ausgeschickt, so hätte uns gewiß Niemand gefunden.“ Dann sagte die Mutter: „so versteckt Euch in der folgenden Nacht tief im Waßer, da können die Boten des Wolfskönigs Euch nicht suchen.“

Am Abend bekam der König wieder die drei Pferde, und das Mütterchen sagte, daß er ja keins verlieren möchte, und der König meinte, er wolle wohl Acht geben und die Pferde wieder heimbringen. Darauf gieng es ihm aber gerade so wie in der ersten Nacht. Ein paar Stunden lang weideten die Pferde und er hatte sie beständig vor Augen; dann aber waren sie plötzlich wie der Blitz verschwunden. Der König aber blieb ganz ruhig und dachte: der Fischkönig wird dir wohl helfen; und kaum hatte er dieß still gedacht, so war der Fischkönig auch schon da und fragte ihn, was er wünsche. Nachdem der König es ihm gesagt, entbot er alle Fische, die mußten alle Gewäßer durchschwimmen und durchsuchen, und fanden am Ende auch richtig tief auf dem Grunde des Meers unter einem gewaltigen Steine die [37] drei Pferde und brachten sie dem Fischkönig, der übergab sie dem König der sie hatte hüten müßen und der sie nun wohlgemuth dem alten Mütterchen zuführte.

Der König legte sich dann wieder in’s Bett, um auszuruhen und hörte, wie die Mutter ihre Söhne schalt, daß sie nicht beßer sich verborgen hätten; sie aber sagten: der Fischkönig hat ihm geholfen. „So versteckt Euch in der nächsten Nacht,“ sagte die Mutter, „hoch in den Wolken, denn dahin kann der Fischkönig nicht kommen. Ich bitte Euch aber, laßt Euch dießmal nicht finden, denn sonst hat unsre Macht ein Ende.“

Der König, der alle diese Reden wohl vernommen hatte, bekam am Abend wieder die drei Pferde zu hüten und trieb sie auf die Wiese, und sah ihnen mehre Stunden lang zu wie sie fraßen; aber auf einmal waren sie wieder spurlos verschwunden. Nun wußte der König schon, wo sie zu suchen waren und dachte: da wird dir der Hornißkönig wohl aushelfen können, und kaum hatte er dieß gedacht, so war der Hornißkönig auch schon da und fragte, wie er ihm dienen könne. Und als er erfuhr, daß er die drei Pferde vermiße, so befahl er allen Hornißen, sie sollten die Luft durchstreifen und alle Wolken durchsuchen, bis sie die drei Pferde fänden. Das thaten sie auch; und nachdem sie lange vergeblich umhergeschwärmt, fanden sie endlich hoch oben in einer dichten Wolke die drei Rosse und brachten sie ihrem Herrn und Meister, und der übergab sie dem Könige. Als dieser sie heimführte und dem alten Mütterchen auslieferte, ward sie sehr traurig und sagte: „zum Lohn für Deine [38] Dienste will ich Dir da ein anderes merkwürdiges Pferd schenken, auf dem Du heimreiten kannst.“

Dieß Pferd, was die alte Frau ihm zeigte, hatte vier Köpfe und war ein hölzernes Bildwerk; die Köpfe aber stellten eigentlich ihre drei Söhne vor, und der ihrige war der vierte. Wie der König nun das seltsame Gebilde betrachtete, so rief ihm eine Stimme vom Himmel zu: „nimm das Schwert, welches das eine Pferd im Munde hält, und haue dem Zauberthier die vier Köpfe ab, so werden Deine Schwestern erlöst sein.“ Das that denn der König auch auf der Stelle, und so wie er den letzten Kopf abgeschlagen, stand ein wirkliches wunderschönes Pferd da, das bestieg er und ritt eilig zurück zu seinen Schwestern.

Da war die Freude groß; alle waren frei und sahen und hörten nichts mehr von den drei Brüdern, die sie entführt hatten. Der König aber nahm unermeßliche Schätze aus den drei Schlößern mit in seine Heimath, also, daß er der reichste König in der Welt geworden, und behielt seine drei Schwestern bei sich bis an ihr Ende.

Anmerkung des Herausgebers

[301] 6. Donner, Blitz und Wetter. Mündlich aus Kirchheim an der Teck. Wahrscheinlich sind hier drei verschiedene Götter ursprünglich gemeint mit drei verschiedenen Spielen, während jetzt Donner und Blitz Dasselbe treiben. Der Donnergott ist hier gar nicht zu verkennen. [302] Thor’s Hammer (der Donnerkeil) hatte die Eigenschaft, daß er immer von selbst wieder in die Hand des Werfenden zurückkam wie hier die Kegelkugel. Zu beachten sind die Redensarten: Petrus kegelt und ähnliche, wenn es donnert. Vgl. bei Grimm die Bienenkönigin.