Dionysius und der Dichter
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Dionysius und der Dichter.
Dem Dionysius, der durch Gewalt die Krone
Von Syrakus gewann, der Bürger Schrecken war,
Und selbst voll Todesfurcht auf dem geraubten Throne
Erbebte, stellte sich ein armer Dichter dar,
Sein Glück und Recht, die Wohlfahrt seiner Staaten,
Und sein großmüthig Herz besang.
Der gute Dichter hofft auf einen goldnen Dank:
Doch der Tyrann, der selbst mehr Schätze zu bekommen,
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Dem Zevs[2] den schweren Mantel abgenommen,
Und alles für den Lohn der Leibtrabanten spart,
Will auf die Dichtkunst nicht ein Drachma wenden;
Nimmt aber — (selbst ein Dichterlein)
Liest unverdientes Lob, und ruft: Wer kann so fein,
So rührend, so erhaben singen?
Das Würdigste muß man der Gottheit bringen,
Zum Opfer ihr des besten Sängers Zunge weihn.
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Die Zunge, die sein Lob so schön gelogen,
Wird abgeschnitten, dem Tyrannen überbracht,
Der sie dem Feuer schenkt und lacht.
Ihr Fürsten unsrer Zeit, verabscheut solch ein Lachen!
Ein leichter Mittel giebt’s die Schmeichler stumm zu machen:
Gebt ihnen nichts, so schweigen sie.