Die zwölf Brüder (Ploennies)
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Es war einmal ein armer Mann, der hatte zwölf Buben und Nichts zu essen für sie. Da sagten die Buben ihrem Vater Adies und ließen sich anwerben als zwölf Husaren in einer Schwadron, und der Rittmeister hatte seine Freude an ihnen, weil sie gar wackere Soldaten waren. Eines Tags aber hatte der Jüngste Etwas versehen und ward vom Corporal darob geschlagen. Er erzählte es seinen Brüdern, und als es Nacht wurde, sattelten sie ihre Pferde und gingen alle Zwölfe durch, mit Sattel und Zeug. Als sie über der Grenze in einem Wirthshaus eingekehrt waren, kam der Rittmeister zu ihnen und gab ihnen die himmelsbesten Worte, daß sie doch wieder mit ihm gehn sollten. Sie thaten's aber nicht, sondern ritten weiter, auf gut Glück in die Welt hinein.
So kamen sie denn eines Tages in einen Wald, wo es nicht geheuer war, und an ein schönes Schloß, das mitten darin stand. Davor war ein tiefer Graben und die Zugbrücke war aufgezogen. Sie ritten rings herum, um einen andern Eingang zu suchen; als sie wieder an die Zugbrücke kamen, war sie niedergelassen. Da faßten sie sich ein Herz und ritten hinüber. An dem Thore aber stand eine Dame in schwarzen Kleidern, mit schwarzem Gesichte und schwarzen [128] Händen, und empfing sie gar liebreich. Sie hieß sie absteigen und führte sie die breite Schloßtreppe hinauf und durch eine große Halle in einen Saal, wo für zwölf Mann gedeckt war und winkte, sie sollten sich zu Tische setzen. Dann fing sie an, die herrlichsten Gerichte und den köstlichsten Wein aufzutragen. Das behagte den Brüdern nicht schlecht und sie brachen in helles Jubiliren darüber aus. Da sprach die schwarze Dame: „Also sollt ihr es immer haben, wenn ihr drei Jahre hier bleiben und nicht vor die Thüre gehen wollt. Haltet ihr die Zeit treu aus, dann werdet ihr reicher belohnt, als sich mit Worten sagen läßt; thut ihr es aber nicht, dann erwartet euch schwere Strafe.“
Das waren die zwölf Husaren gern zufrieden. Wie sie am ersten Tage angefangen, so lebten sie fort. Bei Tage aßen und tranken sie und waren guter Dinge. Des Abends gingen sie in die Schlafkammer, die ihnen die schwarze Dame gezeigt hatte, und schliefen in seidnen Betten. Die Pferde wurden im Stall auf das Beste gefüttert und gepflegt, ohne daß sie sich darum zu kümmern brauchten. Als aber zwei Jahre um waren, schmeckte ihnen das Essen und Trinken nicht mehr so gut, als von Anfang, und sie machten einen Anschlag, daß sie sich aus der Schatzkammer des Schlosses ihre Taschen mit Gold füllen und damit fortreiten wollten; nur der Jüngste wollte Nichts davon wissen und ermahnte die Andern gar sehr, sie sollten ablassen von ihrem bösen Vorhaben und der schwarzen Dame das Leid nicht anthun, für all' das Gute, so sie ihnen gethan. Die ließen sich aber Nichts einreden, stopften des andern Tages ihre Taschen und Mantelsäcke [129] mit Gold und ritten fort. Der Jüngste ermahnte sie noch unter dem Thore; aber als es Nichts half, sprach er: „Wo ihr seid, will ich auch sein,“ füllte auch seinen Sack mit Gold und ritt mit ihnen.
Sie kamen wieder in dasselbe Wirthshaus, wo sie eingekehrt waren, ehe sie in den Wald ritten, und hier fingen sie jetzt an in Saus und Braus zu leben. Ueber ein Kurzes hatten sie Alles verzehrt und beschlossen nun weiter zu gehen in die Welt hinein und ihr Glück zu versuchen. Nur der Jüngste hatte von Anfang an dem Wirth sein Geld aufzuheben gegeben und wollte das wüste Treiben nicht mitmachen. Er sagte, er wolle lieber dableiben und verdingte sich dem Wirth als Aufwärter. Die andern Eilfe zogen nach allen Weltgegenden auseinander, immer zwei oder drei zusammen; nach Jahr und Tag wollten sie wieder Alle im Wirthshaus zusammen kommen.
Der Jüngste that seinen Dienst so gut, daß er von Allen wohlgelitten wurde und der Wirth, der keine Kinder hatte, ihn endlich an Sohnes Statt annahm. Als die Zeit um war, kamen auch die Brüder wieder, Einer nach dem Andern und immer Einer schmutziger und zerlumpter als der Andre; ihre Falschheit hatte ihnen keinen Segen gebracht. Wie sie nun wieder Alle beisammen waren, pflegten sie Rathes mit einander und beschlossen einstimmig, wieder in das Schloß zu gehen und ihr Glück noch einmal mit der schwarzen Dame zu versuchen. Der Jüngste wollte sie davon abbringen, sie ließen ihm aber keine Ruhe, bis er mit ihnen fortzog. Sie kamen wieder durch den Wald und an das [130] Schloß, und die Zugbrücke war wieder niedergelassen. An dem Thor stand die schwarze Dame, sprach aber kein Wort und sah Keinen mit einem Auge an. Sie ging ihnen voran in den Speisesaal, wo wieder für zwölf Mann gedeckt war, und trug ihnen alles Gute und Köstliche auf, immer aber, ohne den Mund auf zu thun oder einen der Brüder anzusehen. Anfangs war ihnen unheimlich zu Muthe, bald aber fingen sie an zu trinken und guter Dinge zu sein und waren fröhlich bis in die Nacht hinein. Wie sie nun schliefen, kam die schwarze Dame und weckte den Aeltesten und hieß ihn mit vor die Thür gehen, sie habe ihm was zu sagen. Und hernach rief sie den Zweitältesten hinaus und so fort, bis sie an den Jüngsten kam. Den führte sie mit sich in die Küche und zeigte ihm am Gossenstein ein Loch, da solle er hinabschauen. Da lagen in einem schwarzen Abgrund die eilf Brüder, Einer über dem Andern, und war Allen das Genick gebrochen. Die schwarze Dame fragte ihn, ob er jetzt noch einmal drei Jahre dableiben, oder auch hinuntergestürzt sein wolle zu den Andern? Die todten Brüder aber hoben ihre blutigen Köpfe in die Höhe und riefen unten herauf aus dem Loch, es wäre nicht wahr, daß sie todt wären, er solle sich Nichts daran kehren, was das schwarze Weib zu ihm spreche. Er ließ sich jedoch nicht irre machen und sagte zu. Die Dame führte ihn wieder zurück in das Bett, und von dem folgenden Tage an sprach sie wieder mit ihm und bediente ihn noch besser als zuvor.
Als nun die drei Jahre beinahe um waren, kam sie eines Abends zu ihm und sprach, jetzt habe er noch drei Tage auszuhalten, [131] die seien schlimmer als die drei Jahre. Was aber auch in den drei Nächten geschehe, er solle fest bleiben und sich durch Nichts irre machen lassen, denn wenn er ein Wort spreche, so sei Alles verloren.
In der ersten Nacht, als es zehen Uhr schlug, ging die Thür auf und die eilf Brüder kamen in die Schlafkammer zu ihm und lachten und sprachen, jetzt sehe er wohl, daß sie noch lebendig wären und daß die schwarze Dame ihn nur angelogen habe, und er solle mitkommen und sich lustig mit ihnen machen. So redeten sie ihm zu, zwei Stunden lang, und wollten ihn auf jede Art zum Sprechen bringen, er aber blieb fest, und mit dem Schlage Zwölf mußten sie wieder fort. Des andern Morgens kam die Dame und war weiß zum dritten Theil. Sie dankte ihm und bat ihn gar sehr, daß er auch die zweite Nacht fest bleiben und sich nicht irre machen lassen solle.
In der zweiten Nacht ging wieder mit dem Schlag Zehen die Thüre auf und die Brüder kamen herein und brachten die alten Eltern und den Wirth mit. Der redete zuerst seinen Aufwärter gar freundlich an, wie sehr er sich freue, ihn zu finden und wie es ihm gegangen sei und so fort. Der junge Mensch gab ihm aber keine Antwort, so hart es ihm wurde. Nun fingen sein Vater und seine Mutter an, ihm gute Worte zu geben, wie sie schon so viel um ihn gemeint hätten, seit er fort wäre, und er solle doch nun ein tröstliches Wort zu ihnen sprechen. Als er still blieb, sagten sie, wenn er nicht einmal ein gutes Wort für seine alten Eltern habe, so wollten sie Nichts mehr von ihm wissen, [132] und er solle ihr Kind nicht mehr sein. Das that ihm so weh, daß ihm die Thränen an den Backen herunterliefen, er blieb aber fest und sprach kein Wort und um zwölf Uhr war Alles verschwunden.
Des andern Morgens kam die Dame und war zu zwei Drittheilen weiß geworden. Sie dankte ihm, daß er sie nun beinahe ganz erlöst habe und bat ihn gar sehr, daß er doch auch die dritte und letzte Nacht standhaft bleiben möge. Als es Abend ward, führte sie ihn in ein anderes, gar köstlich ausgeschmücktes und ganz rundes Zimmer. In der Mitte desselben aber stand ein runder Tisch und mitten darauf mußte er sich setzen. Ehe die Prinzessin wieder fortging, gab sie ihm eine Ruthe in die Hand und sagte, es würden diese Nacht allerlei Thiere kommen und an ihn wollen. Er solle aber fest bleiben und nur, wenn eines davon zu nahe komme, mit der Ruthe darauf schlagen.
Mit dem Schlag Zehen sprang die Thür auf und die Thiere stürzten herein. Sie sahen so schauderhaft und furchtbar aus, daß es nicht zu sagen ist und drängten sich immer mehr um den Tisch herum; sobald aber eins ihm zu nahe kam, schlug der Husar es mit seiner Ruthe, daß es zurückweichen mußte. Trotzdem wurden sie je länger, je zudringlicher, denn wenn er eins von den Thieren schlug, dann streckten und reckten zehn andre zu seinen Seiten und hinter ihm ihre langen Hälse nach ihm aus und sperrten ihre schrecklichen Mäuler auf, so daß er sich ihrer kaum mehr erwehren konnte. Seine Kräfte verließen ihn mehr und mehr und es wurde ihm endlich ganz schwindlich vor den Augen, so daß [133] ihm schien, Alles drehe sich mit ihm, da schlug es zwölf Uhr, es krachte, als ob das Schloß versinken solle und er stürzte besinnungslos auf dem Tische zusammen.
Als er wieder erwachte, fand er sich auf einem prächtigen Lager wieder und vor ihm standen reichgekleidete Diener. Die halfen ihm, sich anziehen und führten ihn in einen hohen Saal, darin saß ein König auf einem goldnen Thron, neben ihm die Königin und herum standen zwölf schöne Prinzessinnen und die schwarze Dame, welche jetzt schneeweiß war, war die älteste davon. Der König aber sprach: „Durch dein treues Aushalten hast du das Schloß und uns erlöst, dafür darfst du dir jetzt eine von meinen Töchtern wählen und ich schenke dir Krone und Königreich dazu.“ Der junge Husar besann sich nicht lange und wählte die Aelteste, welche er während der drei Jahre von Herzen liebgewonnen hatte. Jetzt war großer Jubel und Freude, die Hochzeit wurde prächtig gefeiert und der Husar und die Prinzessin waren das schönste Paar, was man noch je gesehen hat.