Die thüringische Gewerbeausstellung auf Schloß Friedenstein in Gotha

Textdaten
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Autor: Friedrich Georg Wieck
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Titel: Die thüringische Gewerbeausstellung auf Schloß Friedenstein in Gotha
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 39, 41, 42, S. 425-427, 448-450, 459-461
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1853
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[425]

Aus der Gewerbswelt.

Mitgetheilt von Friedrich Georg Wieck.

Die thüringische Gewerbeausstellung auf Schloß Friedenstein in Gotha.
I.

Der Glaspalast in London war ein stolzes Gebäude, der seine kristallene Wölbung hoch über die Gipfel der Bäume im Hydepark ausstreckte; aber es war doch kein Schloß Friedenstein, das seine Zinnen dem herrlichen Thüringer Wald entgegenstreckt! Die Aussicht im Glaspalaste war bewältigend, der große Mittelgang verlor sich in grauen Duft. Hohe Waldbäume standen im Transept. Aber was ist diese beschränkte Aussicht gegen den Blick von den Fenstern des Friedensteins auf die sich von der Höhe in’s Thal hinabziehende Stadt, auf den Park mit seinem Wald von ehrwürdigen Tannen, Buchen und Eichen, auf das blaue Gebirge, das sich in so reizenden Umrissen am nahen Horizonte erhebt.

Hier auf diesem weitschauenden Schlosse breitete im August und September dieses Jahres die Industrie Thüringens ihr Festgewand aus und von den Höhen und Thälern brachte man Beiträge ihrer Kunst und ihres Fleißes zu der Feier.

Schon längst ist der Friedenstein eine Schatzkammer von Leistungen der Wissenschaft und Kunst, seit der Zeit, als Herzog Ernst der Fromme in der Mitte des 17. Jahrhunderts ihn auf der Stelle der früheren Burg Grimmenstein erbaute; jene alte Veste, welche in Folge der Grumbach’schen Händel 1566–1567, nach der Landfriedensordnung „als eine Herberge der Landfriedensbrecher, Mörder und Straßenräuber“ geschleift wurde.

Der Friedenstein wuchs aus den Trümmern hervor. Die Künste des Friedens fanden dort von nun an eine bleibende Freistätte. Wichtige und seltene Sammlungen von Büchern, Schriften, alten Münzen, merkwürdigen Erzeugnissen des Gewerb- und Kunstfleißes entfernter Länder und früherer Zeiten, Alterthümer, Antiken, Kupferstiche und Gemälde, Naturalien sind dort aufgestellt und der Beschauung und Durchforschung gewidmet.

Gab es einen würdigern Platz für die Festfeier der Thüringischen Industrie? Eine Versammlung von fast tausend Gewerbtreibenden, welche dort ihre Leistungen in schönen Proben entfalteten, bejaht diese Frage. Das war gewiß ein schönerer Anblick, als wenn ehemals auf dem finstern Grimmenstein tausend Ritter ihre Banner entfalteten; und die melodischen Klänge der trefflichen Musikinstrumente im großen Saale wurden gewiß von den durch die Räume Lustwandelnden lieber gehört, als in jener blutigen Zeit die Kriegstrompeten von den Thürmen. Die Errungenschaften des Friedens vereinten sich auf dem Schlosse. Die alte Kunst gab der neueren die Hand, bewillkommnete sie und zog sich dann wieder in selbstbeschauliche Ruhe zurück. Sie überließ der in frischester Jugend blühenden Urenkelin die schönsten Räume, wo das beste Licht auf ihre Reize fiel.

Ehe wir aber der jungen Industrie, die sich wie eine Braut an ihrem Hochzeitstage geschmückt hatte, einige schmeichelhafte Worte sagen – wer möchte nicht gern gefallen! – wollen wir einen Blick hinauswerfen auf das Land umher, das wir theils mit leiblichem, theils mit geistigem Auge von den zahlreichen Fenstern [426] des Friedensteins aus vor uns liegen sehen. Unter uns gegen Norden liegt die rege Stadt mit ihren von der Hand eines wackern Baumeisters im edlen Style aufgeführten Gebäuden, u. a. Theater, Marstall, und namentlich jene herrlichen Sitze der beiden Banken, welche, vom ehrwürdigen E. W. Arnoldi zu dauerndem Ruhme von Gotha gestiftet, manche Thräne getrocknet, viel Unheil wieder gut gemacht haben. Diese Banken hätten ihre Jahresberichte ausstellen können, um die höchste Anerkennung zu finden. Ihr Einfluß auf die Industrie tritt zwar nicht unmittelbar hervor, aber er ist nichtsdestoweniger gedeihlich vorhanden. Weiter nach Norden schweift unser Blick nach Langensalza, dessen ursprüngliche zurückgehenden Webereizweige durch umsichtige Fabrikanten wieder neu und frisch belebt wurden, dann nach der alten Reichsstadt Mühlhausen am Fuße des Eichsfeldes, nach Bleicherode, nach Nordhausen und Sondershausen, wo man sich überall rührt, um auf absterbende Stämme neue Triebe zu pfropfen. Namentlich ist dies für das Eichsfeld zu wünschen, wo eine schlechtlohnende Hand- und Hausindustrie sich mühsam das Leben fristet; von wo aus im Verein mit Genossen des Rhön und einiger Orte des Thüringer Waldes zu Zeiten viele Männer ihre Hütten verlassen, um in mehr begünstigten Gegenden des Vaterlands Arbeit und besseren Lohn zu suchen. Gewerbsbildung und muthige Unternehmungslust müssen sich die Hände reichen zur Verbesserung der Zustände. Glücklicher ist die Aue, wo sich die goldenen Aehren in der Sonne wiegen.

Schloß Friedenstein.

Wir stellen uns nun an ein anderes Fenster und schauen nach Eisenach und Umgegend, der Wiege unserer deutschen Kammgarnmaschinenspinnerei. Christian Weiß in Langensalza führte dieselbe ein. Dort blickt Ruhla aus seinem Bergkessel heraus mit Cigarrenspitzen und Pfeifenköpfen, womit es die Raucher erfreut; aber zugleich zieht es die Augen der Künstler auf sich durch die reizenden Köpfe seiner Jungfrauen mit ihren feurigen Augen und schwarzen Flechten, um welche turbanartig ein Tuch gewunden ist, als wären die Trägerinnen die Ur-Urenkelinnen jener schönen Orientalin, welche den Grafen Ernst von Gleichen aus der Gefangenschaft der Ungläubigen in sein Schloß ohnweit Gotha begleitete, dessen Ruinen mit zwei andern Ueberresten alter Burgen auf hohem Bergkegel vereint die drei Gleichen genannt werden. Dort auf dem Schlosse Gleichen stand noch vor wenig Jahren die große breite Bettsponde des Grafen. Ob sie aber so schön geschnitzt war wie das berühmte Bett im Londoner Glaspalast, das der Kaiser von Oestreich der Königin Victoria schenkte, wissen wir nicht. Vom Grafen Gleichen, seinem merkwürdigen Abenteuer und häuslichem Leben steht eine hübsche Geschichte in Musäus’ Volksmärchen. Aber wir schließen das Schloßfenster nach West, öffnen es nach Ost und schauen mitten hinein in die blaugrüne Bergwand des Thüringer Waldes, durch den man einen Tunnel von 6000 Fuß Länge brechen will, um vom Bahnhof von Gotha aus das Werrathal unweit Schmalkalden zu erreichen. Dort sehen wir das reizende Reinhardsbrunn, das wurst- und spielzeugreiche Waltershausen. Wir hören im Geiste die unermüdlichen Hämmer der Eisenwaarenarbeiter in Brotterode, Schmalkalden, Mehlis und das Schnauben der Glas- und Porzellanöfen in Tambach und Dietharz, in Ohrdruf und Elgersburg, in weiterer Ferne das Schlagen der Weberschiffchen in den Barchentstühlen von Suhl, untermischt mit Probeschüssen aus den dortigen vortrefflichen Gewehren, herausfordernd [427] beantwortet von denen in Zella und Schmalkalden. Wir blicken tief in das Coburger Land hinein, dessen rege Gewerbsthätigkeit wir nur spärlich auf der Ausstellung vertreten sahen, und weiter nach Sonnenberg und Gräfenthal, von deren Kinder beglückenden Spielwaaren und Glasbläsereien gar Nichts auf dem Friedenstein zu sehen war. Deswegen schlagen wir auch das Fenster zu, nachdem wir noch einen Blick auf das reizende, baumumkränzte Arnstadt, auf das an Gewerbsblüthen reiche Remda, auf Saalfeld geworfen haben. Nun öffnen wir den Flügel nach Osten nach dem bewehrten Erfurt, wo trotzdem die friedliche Gewerbthätigkeit manche herrliche Frucht treibt neben der allervortrefflichsten Brunnenkresse. Mit Wehmuth aber gedenken wir des Aufhörens eines bedeutenden Fabrikgeschäfts dort, das der ganzen Gegend zur Ehre und zum Vortheil gereichte. Weimar, Jena, Blankenhain pflegen mit Glück keimende und bereits schon längere Zeit sprossende Gewerbszweige. Die überall beliebten Schals und Jübchen von Apolda waren zu stolz, um sich auf dem Friedenstein zu zeigen. Aber Gera, Altenburg, Schmölln waren stolz, daß sie ihre ausgezeichneten Waaren zeigen konnten. Wer hatte nicht von den Thibets in Gera und Schmölln, von den Altenburger Garnen und sonstigen vorzüglichen Gewerbsartikeln gehört? Noch einen Blick werfen wir, bei Leipzig vorbei, auf Halle, wo neben der Gelehrsamkeit auch in manchen Fächern der Kunstfleiß wohnt. Endlich bleibt das Auge, zurückkehrend, auf Sömmerda ruhen, dort wo die Betriebsamkeit und das Talent eines Mannes die Welt mit seinem Werk, der Zündnadelflinte, erfüllte. Möge sie allen Feinden Deutschlands ein Schrecken sein! Als wir diesen herzlichen Wunsch dachten, fühlten wir einen leisen Schlag auf die Schulter. „Wollen Sie nicht die Güte haben, das Fenster zuzumachen? es zieht den Damen,“ flüsterte eine freundliche Stimme. Noch einen Blick rings umher! Auf der Leipziger Messe sehen wir uns wieder! Das Fenster flog zu.

[448]
II.

Wir haben in unserm Artikel in Nummer 39 einen Blick im Geiste aus den Fenstern des Schlosses Friedenstein in Gotha auf das herrliche Thüringen rings umher geworfen und einige leichte Andeutungen über dessen Gewerbsentwicklung gegeben. Heute wollen wir die inneren Räume des Schlosses rasch durchwandern und uns die ausgestellten Leistungen der thüringischen Gewerbsthätigkeit im Fluge betrachten. Denn es fehlt uns an Raum zu Mehrerem, wie es überhaupt trotz Kristallpalästen an Raum fehlt, die volle reiche Industrie in allen ihren unendlichen Verzweigungen und Kundgebungen in einer bestimmten übersichtlichen Begränzung zur Anschauung zu bringen. Man hat zu dem Ende Industrie- oder Gewerbausstellungen in’s Leben gerufen. Aber selbst die größte Ausstellung, welche noch je dagewesen ist, nämlich in London, ließ noch sehr viel zu wünschen übrig. Für den Kundigen hatte sie große Lücken. Mögen sich daher alle Unternehmer kleinerer Gewerbausstellungen über mangelhafte Vertretung mancher Gewerbszweige in ihrem Bereich trösten, wie wir uns trösten müssen, daß wir nur wenige Worte über die Ausstellung selbst sagen können, während wir viele Bogen darüber schreiben möchten.

Die erste thüringische Gewerbeausstellung in Gotha, abgehalten in den Monaten August und September dieses Jahres, ist als das erste Unternehmen seiner Art und trotz der Schwierigkeiten, die sich seiner Ausführung entgegenstellten, und der kleinen Mängel, als gelungen zu bezeichnen. Jene Schwierigkeiten lagen zum Theil in der Neuheit des Unternehmens und in den verschiedenen politischen Gränzen Thüringens, wodurch die Auffindung eines Mittelpunktes für die Aufstellung erschwert wurde. Die Mängel fanden statt, wie mehr und minder bei allen Ausstellungen, in der Vertretung mehrer wichtigen Gewerbszweige. –

Wenn es Coburg-Gotha gelang – begünstigt durch die Schwerkraft der ersten Idee, durch herrliche Räumlichkeiten, dargeboten durch herzogliche Hochsinnigkeit, durch aufopfernde Hingebung der Ausstellungskommission und besonders ihres Präsidenten des Regierungsassessors Müller – in Gotha, die Blüthe der Leistungen thüringischen Kunst- und Gewerbfleißes auf dem Schlosse Friedenstein zu entfalten, so muß auf’s Lebhafteste anerkannt werden, daß die hohen Regierungen der mit in die Ausstellung hereingezogenen Gebietstheile Thüringens und einiger angränzenden Länder das Unternehmen thatkräftig förderten. Wäre dies nicht geschehen, so hätte nicht im Entferntesten ein Ergebniß erreicht werden können, wie es erreicht worden ist, indem fast Tausend Aussteller erschienen sind.

Die Länder, welche sich an der thüringischen Ausstellung mehr oder minder beteiligten, sind: die königl. preußischen Regierungsbezirke Erfurt und Merseburg bis zur Saale und Elster, jedoch Halle mit eingeschlossen, der kurfürstlich hessische Kreis Schmalkalden, das Großherzogthum Sachsen-Weimar-Eisenach, die Herzogthümer Sachsen-Coburg-Gotha, Sachsen-Meiningen und Sachsen-Altenburg, die Fürstenthümer Schwarzburg-Sondershausen und Schwarzburg-Rudolstadt, endlich die Fürstenthümer Reuß.

Wir wollen anderen Blättern die streng statistische Richtung der Aussteller nach Land und Gewerbsfächern überlassen. Auch wollen wir uns nicht vertiefen in die Aufzählung der 24 Waarenklassen, in welche die Ausstellung systematisch getheilt war.

Nichts, geliebte Leser, ist für einen gewerblichen Schriftsteller langweiliger, als das Aufzählen von Waaren, ohne sie vorzeigen, verbildlichen, oder wenigstens doch genau beschreiben zu können.

Solche Aufzählung ist aber noch viel langweiliger zu hören. Waaren muß man sehen, anfassen, in Fällen sogar riechen und schmecken können. Da aber in der Regel in den Gewerbausstellungen überall angeschrieben steht, daß man die ausgestellten Gegenstände nicht berühren dürfe, des Probirens ganz und gar zu geschweigen, so haben für den raschen Besucher solche Gegenstände vorzugsweise Bedeutung, welche sich durch Form und Farbe bemerklich machen.

Umgekehrt ist es mit dem, der eine Ausstellung in Worten schildern soll. Er kann die Pracht der Farben [449] nicht malen, die schönen Muster und Formen nicht hinstellen und ausprägen. Das Alles muß gesehen werden. Was aber ein gewerblicher Schriftsteller vermag, das ist: unterrichten von den Quellen der Erzeugnisse, erzählen von den Bevölkerungen, die sich nähren gut oder böse von der Arbeit, die da prangt und prunkt in reichen Sälen und auf vollen Tischen. – Hinweisen kann er ferner auf Vorzüge und Mängel ganzer Gewerbsbetriebe. während er sich wohl zu hüten hat, den einzelnen Gewerbsmann oder Fabrikanten öffentlich zu tadeln, denn dieser ist kein Künstler auf den Bretern. Ihn tadeln die Käufer, oder vielmehr seine Waare, wenn sie es verdient, und sind nicht gewohnt ihn zu schmeicheln, wenn sie wirklich kaufen wollen. Denn bekanntlich lobt nur derjenige die Waare, der sie nicht zu kaufen Lust hat.

Nein! wohlwollender Leser, der Du schon so viele Rücksicht gegen einen etwas ernst beginnenden gewerblichen Aufsatz geübt und bis hierher gelesen hast, nicht will ich Deine Geduld mit Herrechnung von allerlei Waarennamen länger auf die Probe stellen, oder etwa gar bei einer holden Leserin den Wunsch nach dem Besitze herrlicher Zeuge und Geräthe durch begeisterte Schilderung anregen, ohne ihn befriedigen zu können. Freilich muß zugestanden werden, daß bei der Schilderung weniger Gefahr ist, als beim Anschauen der Sache selbst. Diese Gefahr wünschte aber der Aussteller herbeizuführen. Sein Wunsch ist zum Ankauf seiner Waare zu verführen. Er ist bereit, in jedem Augenblicke alle Wünsche zu befriedigen, natürlich gegen Entschädigung; ohne die aber auch der Kunstfleiß, und die Kunst, ja selbst die Wissenschaft nichts vollbringen können. Denn – wir wollen leben, wir wollen behaglich leben, wir wollen rühmlich leben. Eine Gewerbeausstellung ruft uns diese Lebenswünsche in tausend und aber tausend Ausdrucksweisen zu! – Es kommt nicht darauf an, ob die Ausstellung groß oder klein ist: überall sehen wir Waaren für den nothwendigsten Lebensbedarf, Gegenstände für den verfeinerten Lebensgenuß und endlich Geräthe, Werkzeuge, Waffen und Instrumente, dem Dienst der Kunst und Wissenschaft gewidmet, wodurch man Ansehen und Ruhm gewinnt. Die gewerbliche Schaustellung in Gotha war, unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, nicht minder belehrend und anregend als die Weltausstellung in London und für den eifrigen Freund deutscher Industrie jedenfalls erfreulicher. Denn er fühlte sich hier nicht so beengt von der überschwenglichen Fülle englischer und französischer Waaren, die sich alle Mühe geben, um mit ihnen ihre Freunde in Deutschland, die vaterländische Industrie zu überwuchern.

In etwa 30 Räumen im zweiten und dritten Stockwerk und im Erdgeschoß des Schlosses waren die verschiedenen eingesandten Gewerbsgegenstände begünstigt von dem trefflich einfallenden Licht der Korridorfenster ausgestellt. Nach Ersteigung von 3 Treppen trat man zuerst in ein Zimmer, angefüllt mit den Erzeugnissen der Gerberei, Sattlerei und Riemerei; und in den Stuben neben an breiteten sich die Luxusleder, die Tischler- und Tapezierarbeiten aus, worunter sich die Altenburger Geschirre, das Geraische Schuhmacherleder, Halle’sche Sättel, Mühlhausener bunte Leder und Erfurter Möbel und Pergamente auszeichneten. Die Luxus-Korbwaaren wetteifern mit denen von Berlin und Leipzig. Ueberrascht ist man von der Wohlfeilheit der kleinen Korbwaarenartikel, wie sie von der Bevölkerung von Kleinschmalkalden und Umgegend gefertigt werden.

Die nun folgende Gallerie breitet die Rohstoffe, welche zur Weiterverarbeitung, zur Verzierung und zur Nahrung dienen vor uns aus. Thüringen besitzt schönen Braunstein, Kobalt und Spießglanzerz, außer trefflichen Eisenerzen und werthvollen sonstigen Mineralien, welche noch einer größeren Verwerthung fähig sind, wenn mehr Kapitalien, Maschinen und Kohlen dem Gewerbfleiße zugeführt werden, als es bis jetzt noch der Fall ist. Schwerspath und Flußspath sind belangreiche Erzeugnisse der Gruben. Wo das Innere der Erde reich ist, fehlt es nicht an Chemikalien, an Farben, Cementen, Salzen und Säuren etc. Von allem Diesem sah man hübsche Muster. Ferner von den altberühmten Thüringen Handelssämereien, von dem sich frisch kräftig entwickelnden Flachsbau nach belgischem Verfahren, von Kartoffelfabrikaten aus Langensalza, Stärkewaaren aus Halle, Graupen aus Erfurt, Leim aus Mühlhausen. Die bedeutende Wurstfabrikation zu Gotha und Waltershausen war wenigstens vertreten. Mit ihr der thüringische Wein, der mir nicht so gut schmeckt, als das Helle kräftige Thüringer Bier. Die unvermeidlichen Cigarren hatten ebenfalls in Havannakisten Platz genommen.

Durch die Erfrischungshalle, deren gute und billige Bewirthung rühmlich anzuerkennen ist, begab man sich in's zweite Geschoß hinunter und begegnete dort zunächst den wissenschaftlichen Instrumenten, in denen Erfurt, Jena, Halle den Vortritt nahmen. Hier sah man u. A. die trefflichen Karten und Werke, so wie die galvanoplastischen Platten der geographischen Anstalt in Gotha. Hier lassen die bedeutendsten Kupferstecher Deutschlands ihre Platten galvanoplastiren. Ein Reliefglobus von seltener Größe aus Schmalkalden erregte gerechte Bewunderung. Die ausgestellten Blech- und Holzblasinstrumente aus mehreren Orten ermuntern die Musikinstrumenten-Fabrikation des sächsischen Voigtlandes zum Fortschritt, wie die starke Fabrikation von Pianofortes in Gotha, Saalfeld, Erfurt, Zeitz, Weimar die Leipziger zur – Aufmerksamkeit auffordert. Sie hatten sich neben den Waffen hingestellt, jenem uralten Gewerbe von Suhl, in früheren Zeiten, die Rüstkammer von Deutschland. Zu wahren hat sich dasselbe jetzt gegen das In- und Ausland. Zella und Schmalkalden liefern aus Fabriken vorzügliche Waaren. In Sömmerda strecken sich die Zündnadelflinten entgegen. Zwei ähnliche Fabriken legt der preußische Staat im Norden und Osten an. Außerdem concurrirt Lüttich.

Eine schöne Fabrikation Thüringens ist die des glatten, gemalten und vergoldeten Porzellans. Sie hatte sich aus Gotha, Elgersburg, Ohrdruf, Plaue bei Arnstadt, Pösneck, in den nun folgenden Zimmern ausgebreitet. Mit ihrer Vertretung konnte man zufrieden sein. Bezeichnend – auch hier – ist die Zunahme von Terra-Cotta-Waaren, farbige Thonwaaren [450] mit mannichfaltiger Verzierung und Glasur, in Deutschland als freies Gewerbe. Der innungsmäßigen Töpferei bleibt das allerschlechteste Geschirr, wenn sie sich nicht in einzelnen ihrer Genossen erhebt.

Die Thonwaaren von Erfurt, Kahla, Eisenach, zeigten offenbaren Fortschritt auch im Geschmack. Groß ist hier noch das Feld der Bearbeitung.

Neben den Porzellan- und Irdenwaaren sah man die Gläser schwach vertreten. Hübsches Tafelglas, ordinäres Hohlglas, aber Nichts von Kristallglas mit Schliff und Verzierung! Hat Thüringen darauf verzichtet, mit Böhmen, Schlesien, selbst Baiern zu wetteifern? Selbst die Glasperlen und Glasbläsereien des Thüringer Waldes hatten sich versteckt gehalten. Warum? Weil sie sich auf dem Augustusplatz in Leipzig ausbreiten? –

Man kann es nicht gut begreifen, warum die Glasfabrikation in Thüringen sich in so enge Schranken hält? Fortschritt ankündigend zeigten sich die Tafelglaswaaren von Dietharz, die Hohlglaswaaren von Gehlberg.

[459]
III.

Mit dem Gold und mit dem Glanz der Porzellane wetteiferte der Lack, die Farbe und die Vergoldung jener Luxuspapiere, derer wir jetzt gar nicht mehr entrathen können zur Verzierung von Kästchen und Karten, süßen Briefchen und heißen Neujahrswünschen. Kleider machen Leute, und Appretur und Accomodage machen die Waare verkäuflich heute. Dies weiß man in Thüringen so gut als in Amerika. Daher sahen [460] wir auch dort viel schönes Papier aller Art aus Neudietendorf und Gera, aus Heiligenstadt und der berühmten Papierfabrik Flinsch in Blankenberg. Die Buchbinder und Futteralarbeiter schwelgen ordentlich in Musterpapier und leichtem Leder und jede Gewerbe-Ausstellung zeigt sauberere Schachteln, Dosen, Kästchen, Gedenkbücher und Stammbücher – Vornehme sagen Albums. Die gewichtigen Handelsbücher, Geldtaschen, vulgo Portemonnaies, die Damen- und Cigarrentaschen spielen immer eine große Rolle dabei. Die Fabrikation der Stahlbügel, derer man zu solchen Taschen bedarf, hat, zumal in Solingen, eine riesenhafte Ausdehnung gewonnen. Erfreulich ist es, daß sie nun auch in Ruhla sammt den Taschen fabrikmäßig und recht hübsch gemacht werden.

Neben den Luxuspapieren, den vortrefflichen Fischbeinen, Siegellacken und edlen Gänsekielen (Federposen) von Lilliendahl in Neudietendorf, erhohen sich schäkerhaft und schäferhaft die bunten Nipptisch-Porzellanfiguren von Schierholz in Arnstadt, Eberlein in Pößneck und Kling in Ohrdruf. Alles dran ist reizender Zopfstyl! Doch irren wir nicht, so haben wir auch Eisele und Beisele, Müller und Schulze, Breetenborn und Nudelmüller gesehen. Die Fabrikation der Figürchen, der Pfeifenköpfe, Cigarrenspitzen, Waschkinder und Puppenköpfe, der Arme und Beine von Porzellan ist auf dem Thüringer Wald jetzt sehr in der Woge.

Wir scheiden nun von der zweiten Gallerie und wenden uns links in die dritte Abtheilung zu den Gespinnsten und Geweben nebst den Bekleidungsgegenständen aller Art. Verträglich gruppiren sich ihnen gegenüber in den Fensternischen die Stahl- und Metallwaaren, die Bein-. Horn- und Holzwaaren. Die Bürsten- und Pinselmacher sind unzertrennliche Gefährten auf allen Gewerbeausstellungen. Aber die Haarkräusler sträuben sich jederzeit mit ihnen zusammen zu halten, obgleich sie auch in Haaren arbeiten, und flüchten sich lieber unter die Obhut der künstlichen Blumen, Federn und Putzwaaren, dort wo die Duftsalben, Haaröle und Riechwasser Platz genommen haben. Schade, daß diese ihre Büchsen und Gläser stets zugebunden halten. Sie sollten sich öffnen und ihren Duft ausströmen lassen vor den Nasen.

Die Gespinnste werden von den gewöhnlichen Besuchern der Ausstellungen in der Regel übersehen. Sie sehen auch gar so unscheinbar aus in ihren graupapiernen Bündeln, aus denen sie mit den Köpfen widerwillig hervorgucken, als ob sie wüßten, daß man sie nicht beachte. Und doch verdient kein Fabrikat bezüglich seiner gewerblichen Bedeutung und der Schwierigkeiten seiner Herstellung wegen eine höhere Beachtung als das Garn neben dem Eisen. Denn Eisen und Garn sind jene großen Manufakturartikel, oder wie man sich auszudrücken pflegt, das „Brod der Industrie,“ zu dessen Gunsten England große Flotten segeln läßt und sich vor Constantinopel legt. Die große Spinne England umgarnt die Welt und bombardirt die deutschen Fabrikplätze mit Twistballen und Ganzeisen. Thüringen ist berühmt wegen seines feinen Kammgarns, dessen Spinnerei zuerst dort eingeführt wurde. Aus jenem Garne werden die herrlichen, farbenreichen deutschen Kammgarngewebe gefertigt in Gera, Greiz, Schmölln, Meuselwitz und mehreren Orten des Königreichs Sachsen, welche man mit französischen Namen zu belegen die – Bescheidenheit hat, wie z. B. Atlas de Laine, Satin broché, Satin moiré en soie, Islymode, Satin italien, quarré, rayé Jaconné, Thibet, Cachemir, Bêge croisé, Coràme, Robes à Bayadère, Shawls façonnés, Mousselin, Armures etc. Mit allen diesen ächt deutschen Kammgarngeweben waren die Wände der dritten Gallerie in Gotha glänzend behängt. Neben der Weberei der glatten zum Theil glänzenden Kammgarne blüht auch die Weberei der rauhen Streichgarne ohne Glanz, wie sie zu Rock- und Beinkleiderzeugen verwendet werden und die Eigenschaft haben, sich im Gewebe mehr oder weniger dicht zusammenwalken zu lassen. Mit den Niederlanden, den Ersten in jenen Artikeln, wetteifert das Haus Gräser in Langensalza, sowie Mühlhausen durch Müller und durch Lutteroth rühmlich vertreten, sich in der Fabrikation von leicht gewalkten bunten Wollstoffen für Mäntel, Frauenkleider und in Flanellen auszeichnet. In Tuchen machen u. a. Jena, Schmalkalden bedeutende Fortschritte. Hier war auch Raum für die wichtige Strumpfzeugmanufaktur von Apolda gelassen. Leider war diese, wie wir bereits beklagt haben, nicht erschienen.

Die Thüringer Weberei baumwollener Waaren, so wie der Mischgewebe, steht gegen Sachsen sehr zurück, doch ist die Kraft dazu vorhanden. Nur langsam entwickelt sich auch die Leinweberei, um den Ansprüchen der Neuzeit vollkommen zu genügen. Auch sie verschuldet es mit der ganzen deutschen Leinwandmanufaktur vereint, daß England und Irland uns fast ganz aus den Schranken des großen Welthandels verdrängt haben. Doch lassen wir heute diese ernsten Betrachtungen und erfreuen uns an den Beweisen manchen Fortschrittes, den wir an den Stahlwaaren von Zella, Schmalkalden und Mehlis wahrnehmen. Diese Orte mit ihrer Umgebung, u. a. Steinbach, Brotterode, Asbach, Oberschönau. Seligenthal liefern vielleicht die wohlfeilste preiswürdigste Stahl- und Eisenwaare in der ganzen Welt. Man muß unter diesen Umständen dann schon in Bezug auf die Qualität ein Auge zudrücken. In jenen Orten an der südlichen Abdachung des Thüringer Waldes regieren die Ahlen- und Zweckenschmiede, die Messerschmiede und Zangenschmiede, die Zeug-, Bohr- und Waffenschmiede, die Nagelschmiede und Schnallenschmiede, die Striegel- und Spicknadelmacher. Ueberall herrscht ein reges Leben. Form und Aeußeres der Stahl- und Eisenwaaren vervollkommnen sich. Wir haben Sachen gesehen, deren sich der feinste Galanterieladen nicht zu schämen hat. Ganz besonders aber haben wir uns gefreut einer Fabrik von Stahlfedern (der einzigen im Zollverein) von Fack in Schmalkalden zu begegnen, dessen Erzeugniß dem englischen nichts nachgiebt. Er begründete sein Unternehmen nachdem er sich selbst von den Arbeitsweisen in England unterrichtet hatte, mit Hülfe eines englischen Werkführers. Dieser aber wurde ihm durch englische Intrigue wieder entführt, in der Hoffnung, daß die deutsche Fabrik nun wieder eingehen werde. Das ist [461] aber gottlob nicht der Fall gewesen, sondern sie dehnt sich immer weiter aus.

Die Thüringer Industrie hat Talent und Neigung für die sogenannten Kurzwaaren, für die Artikel der sogenannten Tabletterie und Quincallerie. Allerliebste Kleinigkeiten und zuweilen Nichtsnützigkeiten können wir allenfalls mit ihren ursprünglichen französischen Namen bezeichnen. Elfenbein, Perlamutt und Meerschaumschnitzereien, Kämme und Körbchen von Horn und Fischbein, wohlriechende Seifen in allerlei Formen, lackirte Dosen und muschelnverzierte Kästen, Hamburger Zuckerbilder und jene Fülle der Fruchtbonbons, wie sie jetzt unsere Kinderchen so lüstern machen, Honigkuchen und Chocolade, Brochen, Ringe und Nadeln in bunter Mannigfaltigkeit waren von einer Menge Orten her ausgestellt. Wo, wie in Thüringen, des Kinderspielzeugs so mancherlei gefertigt wird, kann es nicht fehlen, daß man für allerlei Damenspielzeug sorgt. Nun gut, wenn es keine Männerherzen sind! – Damenschuhe und Stiefelchen von Gotha und Erfurt sind fast am ganzen Rhein, sogar überm Rhein und über See berühmt. Hunderte von Mädchen beschäftigen sich in diesen Städten mit der Schuhmacherarbeit, so weit es ihnen von der hochmögenden Innung gestattet wird. Denn die fleißige und geschickte Frauenhand wird von den gestrengen Meistern der Frauenschneider und Damenschuster sehr unliebsam angesehen, wenn sie sich beigehen läßt, Arbeiten zum Behufe weiblicher Bekleidung zu machen, für die sie doch so recht eigentlich geschaffen ist. Dahingegen hat die Frauenarbeit die Handschuhe so ziemlich allein in Beschlag genommen.

Wir hätten in den oberen Räumen der Ausstellung nun noch gern eine hübsche Auswahl von allerlei Damenputz, Stickerei, Pelzwaaren, Kleider und Mäntel, Borden und Bänder, Knöpfchen und Schnuren betrachtet, aber wir müssen uns beschränken auf die weitverbreitete Manufaktur der Zwirn- und Leinenhemdeknöpfe in Ohrdruf und Waltershausen, sowie auf die in große Ferne vertreibende Fabrikation von hanfenen Schlauchwaaren von Burbach in Gotha, Schaft in Waltershausen hinzuweisen. Thüringischen Spritzenschläuchen und Feuereimern begegnet man überall. Ueber den geräumigen Schloßhof, auf dem ein zweiter Glaspalast stehen könnte, wandeln wir hinweg in die Hallen, wo die Maschinen landwirthschaftlicher Geräthe, Wagen und größere Gegenstände der Kunst-Eisengießerei ausgestellt sind. Hier bemerken wir mit Vergnügen die Leistungen der Maschinenfabrik, der Eisengießerei und Kesselschmiede von Moritz Jahr in Gera, so auch der Maschinenwerkstatt von J. Quera und Comp. in Erfurt. Die Industrie Thüringens wartet mit Verlangen auf Maschinenunterstützung, wenn Einzelne dies auch noch nicht recht zugestehen wollen und sich eher der Maschinen erwehren möchten.

Der Thüringischen Landwirthschaft wird von Eduard Wolf in Gotha eine Reihefolge vortrefflicher Acker- und Hofgeräthe geboten, welche eine Zierde der Ausstellung waren. Es ist nöthig, daß wir auf diese und ähnliche Dinge der Ausstellung hinweisen, weil sie gemeiniglich von der großen Zahl der Lustwandelnden in den Ausstellungsräumen übersehen werden, deren Augen mehr auf Gegenstände des Luxus und des unmittelbaren Gebrauchs fallen.

Am Ausgange stehend werfen wir noch einmal den Blick auf jene hohen Räume denkend zurück, in welchen der deutsche Kunst- und Gewerbfleiß in den Thüringischen Marken so gastfreundlich aufgenommen wurde und dann schauen wir auf das herrliche wald- und bergreiche Gelände rings umher, in dem so viele rüstige Männer, so viele liebe Menschen wohnen.

Lebt wohl! in München nächsten Jahres, will’s Gott, sehen wir uns wieder!