Die graue Frau von Hohenbaden

Textdaten
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Autor: Ignaz Hub
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Titel: Die graue Frau von Hohenbaden
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aus: Badisches Sagen-Buch II, S. 180–184
Herausgeber: August Schnezler
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Creuzbauer und Kasper
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Erscheinungsort: Karlsruhe
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Quelle: Commons und Google
Kurzbeschreibung:
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Indexseite
[180]
Die graue Frau von Hohenbaden.

Habt ihr gehört von der grauen Frau
Im Bergschloß Hohenbaden?
Bethört von finstrer Macht, dem Gau
War sie zu Schreck und Schaden;

[181]
5
     Ließ schwingen zur Frohn

     Die Geißel mit Hohn
Aufs Volk, ach! mit Bürden beladen.

Der Herrschaft Zügel hielt sie straff
In frevler Willkür Launen;

10
Mit ihr zu Rathe saß der Pfaff,

Ihr Unrecht zuzuraunen.
     Wie wetternder Strahl,
     So schmettern ins Thal
Befehle zu Bangen und Staunen.

15
Wer gab hier Trost dem armen Mann,

Wo fanden Schutz Bedrängte?
Der Büttel nur auf Qualen sann,
Der in den Block sie zwängte.
     Recht fordert der Knecht?

20
     Kaum Gnade für Recht

Vergönnt sie, fürs schmählich gekränkte.

Ihr Herz, so liebeleer und kalt,
Wenn Schmerzensthränen flossen,
Der Mutterliebe Allgewalt

25
Nur blieb es nicht verschlossen;

     Ihr einziges Kind
     Nur liebte sie blind,
Den blühenden, fürstlichen Sprossen

Einstmal, im Abendsonnenglanz

30
Sich wieder frisch zu laben,

Der Warte höchsten Zinnenkranz
Erstieg sie mit dem Knaben.
     Sie zeigt ihm das Land
     Im Segensgewand

35
Voll prangender, köstlicher Gaben.


„Mein Kind, mein adlig Fleisch und Blut,
Herr du von Gottes Gnaden!
In dessen Händen einstens ruht

[182]

Mein reiches Wittthum Baden:

40
     Dort kocht dir der Wein

     Am strahlenden Rhein,
Hier die Quelle mit heilendem Schwaden.

Und Alles ist dir unterthan,
So weit du blickst von dannen;

45
Dein Wink gebeut; im Staube nah’n

Vasallen dir und Mannen,
     Die niedere Brut
     Mit eiserner Ruth’
In scheue Verehrung zu bannen.

50
Regiere stark, dem starren Trutz

Des Volkes zum Entsetzen!
Nie soll sein schnöder Eigennutz
Am Kronengut sich letzen!
     Dein göttliches Recht

55
     Durch Geburt und Geschlecht,

Das reiße dir Keiner in Fetzen!

Siehst du den Falken siegeskühn?“
– Sie hob empor den Knaben –
„Aus ihren Purpurrändern glühn

60
Die Augen stolz; erhaben

     Beherrscht er das Blau!
     Wie ducken zur Au
Die Schufte, die Häher und Raben!

Die Macht verleiht wohl Kraft und Muth

65
Dem scharfen Krallenschläger,

Wie fühlt er sein altadlig Blut,
Der hohe Schwingenträger!
     Ho hussa zur Hetz’!
     Ihm gilt nur Gesetz

70
Sein eigener Wille, dem Jäger.


So herrsch’ auch Du!“ … da fasset jach
Ein Schwindel ihre Sinnen,
Aus ihrem Arm entstürzet, ach!

[183]

Das Knäblein von den Zinnen;

75
     Zerschmettert im Fall

     Am felsigen Wall. …
Da fühlt sie das Blut sich gerinnen.

O qualenvoller Augenblick,
O grausenhafte Stunde!

80
Wem schlug des Himmels Strafgeschick

Je tiefre Herzenswunde?
     Von Schmerzen durchrast,
     Die Augen verglast,
So starrt sie zum schaurigen Grunde.

85
So starrt die Aermste, sprachberaubt,

Hinunter auf die Klippen,
Die Finger krampfhaft eingeschraubt,
Verzerrt die fahlen Lippen.
     Wie malmendes Erz,

90
     So schallt ihr das Herz

Und hämmert und pocht an die Rippen.

Verzweiflung gibt ihr endlich Kraft
Und Worte ihrem Jammern,
Das bricht in wirrer Leidenschaft

95
Aus ihres Herzens Kammern.

     Woran, ach woran
     Soll nun sich fortan
Ihr mütterlich Hoffen noch klammern?

Sie rafft sich auf, sie fliegt hinab

100
Der Treppe Steingewinde,

Zu spähn nach ihres Lieblings Grab;
Nach eilt das Hofgesinde.
     Umsonst sie durchsucht
     Die waldige Schlucht,

105
Nie fand sie die Spur von dem Kinde. –


Noch heut entsteigt, ein Bild von Eis,
Sie Nachts des Schlosses Hallen
Im grauen Kleid, die Haare weiß,

[184]

Die Wangen eingefallen.

110
     Im klagenden Wind

     Ach! wähnt sie das Kind
Zu hören, sein Wimmern und Lallen.

* * *

     Das ist die Mähr von der grauen Frau
Im Bergschloß Hohenbaden;

115
So büßt sie schwer, was sie dem Gau

Verübt zu Schreck und Schaden.
     Nicht findet sie Ruh
     In marmorner Truh, –
Gott wolle der Seele genaden!

Ignaz Hub.     
(Originalmittheilung.)