Die gefesselten Musen
Es herrscht’ ein König irgendwo
In Dazien oder Thrazien,
Den suchten einst die Musen heim,
Die Musen mit den Grazien.
Geruhten sie zu nippen,
Die Seele des Barbaren hing
An ihren sel’gen Lippen.
Erst sang ein jedes Himmelskind
Dann schritt der ganze Chor im Tact
Und trat den blüh’nden Reigen.
Der König klatschte: „Morgen will
Ich wieder euch bestaunen!“
„Das hangt an unsern Launen.“
Begann zu schmähn und lästern.
„Ihr Knechte,“ schrie er, „Fesseln her!“
Der König wacht’, um Mitternacht
Vernahm er leises Schreiten,
Geflüster: „Seid ihr alle da?“
Und Schüttern zarter Saiten.
Ergreift, getreue Wächter!“
Die Schergen griffen in die Luft
Und silbern klang Gelächter.
Am Morgen war der Kerker leer,
Drin hingen statt der Ketten schwer
Zerrißne Blumenkränze.