Die entführten Götter
O Römerinnen, Römer nicht!
Wo ist die Heldenkraft der Ahnen?
Vergessen habt ihr Nahmen, Ruhm und Pflicht,
Und tief erröthen jene großen Manen.
Verräth ein Priester eure Götter?
Für uns zu sterben macht euch unser werth:
Der Feig’ allein erkennt uns nicht als Retter.
Du, ewig nun zu eigner Schmach!
Bald stürzt dein ödes Pantheon uns nach,
Uns aber leiht der Sieg die leichten Flügel.
Vom Himmel lockten uns herab
Die freundlich bildenden Hellenen;
Vermählten sie das Göttliche dem Schönen.
Als Freyheit mit der Tugend starb
Erloschen Hellas Rosenschimmer,
Und Stärke, die ein grauses Recht erwarb,
Doch sahn wir, im Vernichten groß,
Mit Lust, der Wölfin Pflegesöhne;
Wir theilten gern der hohen Roma Loos,
Daß sie uns Herrscher über Herrscher kröne.
Empfing Quirinus seine Brüder;
Das Kapitol ward ein Olymp: da fiel
Vor seinem Raub der Sieger betend nieder.
Zeus Adler flog dem Heer voran,
Senat und Volk ward Einem unterthan,
Und schnell entartet sanken die Geschlechter.
Wild schwärmten an der Tiber Strand
Des Nordens Riesen, sie zu strafen.
Schien ein Jahrtausend unsre Macht zu schlafen,
Bis mit dem jungen Morgenroth
Entwohnte Hymnen uns umwallen.
Es war die Kunst, die Huldigung uns bot,
Auf! feßle jetzt uns noch, o Rom,
Durch große Thaten, schöne Werke!
Versank auf ewig in der Zeiten Strom
Der Bildner Geist, so wie der Helden Stärke?
Prahlst du mit gähnenden Ruinen:
Du bist der Vorwelt eingesunkne Gruft,
Auf der noch Rosen blühn, noch Lorbern grünen.
Ihr aber, die ihr, siegberauscht.
Gleich euerm Rhodan wogend überrauscht,
Und einem Brennus folgt auf Brennus Spuren!
Ruft uns mit reiner Opfer Glut,
So soll euch unsre Huld belohnen.
Und wollt uns zwingen, unter euch zu wohnen?
Habt ihr für uns ein Heiligthum?
Und läßt sich Hellas Reiz erfechten?
Sind Götter auch ein menschlich Eigenthum?
Wer würdig uns zu ehren weiß,
Trägt uns in seiner Brust, sein eigen.
Doch trittst du ungeweiht in unsern Kreis,
So deckt uns Nacht und die Orakel schweigen.