Die dreizehn verwünschten Prinzessinnen
[340]
Drei Handwerksbursche waren des Arbeitens müde, ließen sich ihren Lohn auszahlen und gingen auf die Wanderschaft. Vorm Thor standen drei andere Handwerksbursche, welche grade in die Stadt gehn wollten. „Wohinaus ihr Brüder?“ frugen sie. „Auf die Wanderschaft, denn in der Stadt ist's schlecht,
Kein Brod im Schrank,
Wasser zum Trank.“
„Dann gehn wir miteinander“ sprachen die zweiten Drei und also schlenderten sie die Straße daher. Im nächsten Ort wollten sie doch wissen, ob der Wirth zum grünen Hund noch immer so guten Aepfelwein habe und kehrten ein. Da saßen drei Handwerksbursche in der Stube und ließen die Flügel hängen. „Guten Morgen ihr Brüder!“ riefen die Sechs; „wohin des Wegs?“ „Wir wissen's nicht,“ sprachen die Drei und klagten über die schlechten Zeiten. „Was da, schlechte Zeiten hin, schlechte Zeiten her,“ sagten die Sechs, „geht mit uns, wir halten zusammen und theilen Alles, bis die Zeiten wieder gut werden.“ So zogen sie ihrer neun dahin und sangen ihre Lieder so lustig, als ob sie statt ihrer alten Kleider lauter Kronenthaler im Tornister hätten. Ein Stück Wegs weiter fanden sie drei Handwerksbursche, [341] die lagen unter einem Baum und schliefen, wie die Säcke. „Das ist ein guter Einfall“ sprachen sie, langten ihre Tornister vom Rücken und legten sich auch hin. Die Drei wachten bald nachher auf und machten große Augen, als sie sich in so großer Gesellschaft fanden. Dann aber beschlossen sie kurz und gut, da sie einmal mit den Brüdern zusammen seien, wollten sie auch zusammen bleiben. Das geschah und die Neun waren herzlich froh über den neuen Zuwachs. So ging's nun dahin mit Sang und Klang und je weniger sie hatten um so lustiger waren sie. Sie fanden aber nirgendwo Arbeit, das Fechten konnte auch nicht ewig so fortdauern, darum hielten sie einen Rath und das Ende vom Liede war, daß sie beschlossen, alle zwölf unter die Soldaten zu gehn.
Nun bekamen sie die Flinte noch zum Tornister zu tragen, mußten marschiren Bauch herein Brust heraus Kopf zurück, mußten exerciren aufs Commando eins zwei drei, mußten auch fechten, aber nicht so gemächlich wie früher, sondern mit der schweren Flinte, daß ihnen der Schweiß auf der Stirn stand. Das Alles behagte ihnen schlecht und sie wurden immer trauriger, bis sie endlich wieder einen Rath hielten und beschlossen sammt und sonders zu desertiren. Der Jüngste von ihnen bekam aber Gewissensbisse und verrieth die Sache dem Feldwebel. „Das war recht und schön von dir, mein Sohn, daß du mir das sagtest,“ sprach der Feldwebel, „ich danke dir für die Meldung. Wann wollen sie denn durchbrennen?“ „Morgen früh.“ „Dann sage ihnen, ich wolle mit durchbrennen, denn ich bin auch des Dienstes satt.“ [342]
Der Feldwebel hielt sein Wort und damit sie vorerst nicht ohne Geld seien, nahm er das Traktament der ganzen Compagnie mit. Das war nun ein Leben! Sie trieben's wie die Vögel im Hanfsamen, nur schade, daß es nicht lange dauerte. Als ihr Geld fast alle war und der eine und andere schon anfing, sich Sorgen zu machen, wie das enden werde, kamen sie eines Tages in einen großen Wald, der wollte gar kein Ende nehmen. Sie gingen und gingen den ganzen Tag, aber es ließ sich kein Wirthshaus sehn, wo sie ihre letzten Batzen hätten unterbringen können. Müd und matt vor Hunger und Durst schliefen sie am Abend unter einer großen Eiche ein, alle bis auf den Feldwebel. Der konnte nicht einschlafen und stieg aus Langeweile auf den Eichbaum um bei dem schönen Mondschein sich umzuschauen, ob nicht Haus oder Hof in der Nähe seien. Er sah unfern aus einem hohen Kamin Rauch in die Höhe wirbeln und die hellen Funken dazwischen heraus fahren. Wie schnell mein Feldwebel wieder herunter war! So schnell war er nie auf den Feind losgestürmt, als er nach der Gegend hin lief, wo der Rauch aufstieg. Es war aber ein Schloß, das lag in einem Berge und war ganz erleuchtet. Als er hinein und in die Küche trat, da protzelte, kochte und briet und schmorte Alles drunter und drüber; in einem großen Saal war für dreizehn Mann gedeckt, zwölf Messer, Gabeln und Löffeln von Silber und ein Besteck von Gold, im ganzen Schloß war aber keine Seele zu sehn. „Das ist keinem Tauben gepfiffen,“ sprach der Feldwebel, trank ein paar Flaschen Wein und schnitt sich einen tüchtigen Fetzen Braten ab, denn als guter Commandant
[343]
wollte er sich wenn auch mit eigener Lebensgefahr überzeugen, daß die Speisen und Getränke gut seien und kein Gift oder anderes schädliche Wesen sich darin befinde. Davon war er jetzt vollkommen sicher, denn er war so kreuzfidel geworden, daß er seine Mannschaft vor lauter Freude durchprügelte, so daß sie meinten in Räuberhände gefallen zu sein und einer nach dem andern um Pardon und Gnade schrie. Als sie aber ihren Feldwebel erkannten und von seiner Entdeckung hörten, da faßten sie sich zu sechs und sechs in die Arme und zogen den Helden voran in das Schloß hinein. Als sie auf den Schloßhof kamen, rief der Feldwebel: „Rangirt euch!“ aber prosit die Mahlzeit, die rangirten sich nicht eher, als bis sie im Saal waren, da exercirten sie mit Messer, Löffel und Gabel, daß es eine Art hatte und hieben in die Rinds- und Hammelsbraten ein, als ob sie die schlimmsten Feinde vor sich hätten. Es war auch eine wahre Lust, zu sehn, wie das Essen heranmarschirt kam; sowie eine Keule verzehrt war, stand schon wieder eine andere auf dem Tisch und war eine Flasche Wein leer, dann standen gleich zwei volle dafür da. Aber die besten Bissen kamen immer vor den Feldwebel, der sie dann stets brüderlich mit den andern theilte. So saßen sie und tafelten und tranken so viel Gesundheiten, bis sie vor lauter Gesundheit nicht mehr wußten, wo ihnen der Kopf stand. Nur der Feldwebel hatte sich als ordentlicher Commandant tapfer gehalten, zwar scharf drein gehauen und manche Flasche ausgeblasen, aber er war bei voller Besinnung, so daß er die ganze Mannschaft in das Schlafzimmer bringen konnte, wo zwölf Betten in einer
[344]
Reihe standen, recht wie in der Kaserne, nur daß über jedem Bett ein seidener Thronhimmel hing. Dann suchte er sein Kämmerchen auf, denn für ihn war ein Bett in einem besondern Zimmer zurecht gemacht und das war viel schöner, wie die andern. Als er so da stand und sich eben zum Schlaf rüsten wollte trat plötzlich eine schöne Jungfrau herein, die hatte ein goldnes Krönlein auf dem Haupte und trug ein goldgesticktes Kleid. Sie sprach freundlich: „Guten Abend, mein lieber getreuer Johannes Erlöser, ach wie lange habe ich auf dich geharrt! Du und deine zwölf Kameraden ihr sollt mich und zwölf andere Königstöchter erlösen, die alle in diesem Schloß verwünscht sind. Haltet ihr zwölf Jahre treu bei dem Schlosse aus und folgt ihr treulich meinem Rath, dann erlöset und gewinnt ihr uns zu euren Gemahlinnen. Thut ihr es aber nicht, dann steht ihr euch selbst im Licht und es ist euer Verderben. Ihr dürfet hier im Schloß überall herumgehn, auch hinausziehn auf die Jagd und braucht euch keine Freude zu versagen, aber ihr dürft das Schloß nicht verlassen.“ Wie war der Feldwebel mit dem Versprechen so flott bei der Hand! Er wollte in seiner Freude darüber, daß er ein Prinz werden solle, der schönen Königstochter um den Hals fallen und sie drücken und herzen und küssen, aber sie wehrte ihm mit der Hand und da war er alsbald mäuschenstill. „Berühren darf uns keiner von euch“ sprach sie „sonst ist Alles verloren“ und sie grüßte den Feldwebel freundlich und verschwand.
Am folgenden Morgen erzählte der Feldwebel der Mannschaft die ganze Geschichte und das war ein Jubel! Jeder eine Prinzeß, [345] sie hätten sich vor lauter Freude zu Tode lachen und springen mögen. Aber wie die Menschen nun einmal sind, es dauerte nicht lange, da wurde es zweien von der Mannschaft zu langweilig, zwölf Jahre auf die Prinzessinnen zu warten und sie machten zusammen aus, sie wollten desertiren. Da kam am Abend die schöne Königstochter zu dem Feldwebel und sagte ihm den ganzen Plan, damit er ihn vereitle. „Fällt euch die Zeit so lang, dann sage mir,“ sprach sie, „wie lange ihr nach eurer Meinung schon hier seit.“ „Vierzehn Tage,“ antwortete der Feldwebel. „Du irrst sehr,“ sagte die Königstochter, „was dir nur vierzehn Tage dünken, sind vier ganzer Jahre.“ Am andern Morgen nahm der Feldwebel die Mannschaft vor, warnte sie alle vor der Desertion und sagte ihnen, wie die Zeit so schnell vergangen sei. Da waren sie sämmtlich wieder guter Dinge, aber wiederum nicht für lange Zeit, denn das Menschenherz ist ein sonderbares Ding und nimmer zufrieden mit dem, was es hat. Kaum vierzehn Tage später zogen ihrer sieben auf die Jagd hinaus und unterwegs beschlossen fünf, den andern Morgen allein auszugehn und zu desertiren. Das war wohl sehr heimlich verabredet, doch die Königstochter wußte es im selben Augenblick und sagte es am Abend ihrem lieben getreuen Johannes Erlöser wieder, frug ihn auch, wie lange er nun glaube schon da zu sein. „Etwa vier Wochen“ sprach er. „Du irrst sehr,“ erwiederte sie, „es geht bereits ins neunte Jahr und denke, ihr habt nur noch so kurze Zeit auszuhalten.“ Als der Feldwebel der Mannschaft die Sache vorhielt, war für einen Augenblick wieder Alles gut, bald aber wurden sie wieder rebellisch, [346] gingen zum Feldwebel und sprachen, er könne nicht wissen, ob die Königstochter ihn und sie zu Narren halte; am Ende sei die ganze Geschichte erlogen und statt seiner Prinzessin hätte jeder einen Dreck; sie wollten sich von der Wahrheit überzeugen und ihre künftigen Gemahlinnen sehen. Der Feldwebel mahnte sie davon ab, denn es schwante ihm nichts Gutes, doch sie bestanden darauf, er müsse es der Königstochter sagen und wenn sie nicht ihren Willen thäte dann gingen sie allesammt ihres Weges.
Als der Feldwebel Abends der schönen Jungfrau Alles vortrug, seufzte sie und sprach: „Ach, wenn sie es doch nicht verlangten, da sie aber nicht anders wollen, so sage ihnen, sie sollten morgen Mittag um zwölf Uhr zum Fenster hinaus sehn, dann sähen sie uns in unserer Verwünschung.“ Die Mannschaft freute sich, als der Feldwebel ihr das mittheilte und am folgenden Mittag wollte jeder der erste am Fenster sein. Und was sahen sie da? Lauter Löwen, Tiger, Drachen und dergleichen Unthiere sahen sie, so daß sie nichts Eiligeres zu thun hatten, als in das Zimmer zurückzueilen und sie wollten nicht mehr hinausgucken. Statt sich nun zufrieden zu geben, gingen sie am andern Tage zu dem Feldwebel und sprachen, das sei eine schöne Geschichte, daß sie lauter Drachen und grimmige Katzen zu Frauen haben sollten, deren gebe es genug und darum wollten sie keine zwölf Jahre lang in dem Schlosse hocken; wenn sie die Prinzessinnen nicht in menschlicher Gestalt sehen könnten, dann gingen sie alle ihres Weges. Vergebens versuchte der Feldwebel sie davon abzubringen, es half ihm nichts und er war gezwungen, Abends der Jungfrau das [347] Begehren der Mannschaft mitzutheilen. Da seufzte sie tief auf und sprach: „Ach wenn sie es doch nicht verlangten! Da sie aber nicht anders wollen, so sage ihnen, sie würden uns morgen Abend sehen und wir wollten mit ihnen zu Nacht essen; keiner aber dürfe reden und noch weniger eine der Jungfrauen berühren.“
Der Feldwebel sagte der Mannschaft Alles, was die Königstochter ihm gesagt und warnte sie wohl, dem guten Rathe zu folgen und nicht Alles zu verderben. Sie waren mit dem Versprechen rasch bei der Hand, doch vom Versprechen bis zum Halten ist ein großer Schritt. Abends war die Tafel für sechsundzwanzig Personen gedeckt und als das Essen aufgetragen wurde, da kam die schöne Königstochter mit den zwölf Prinzessinnen und es war immer eine schöner als die andere. Sie setzten sich zu Tische jede neben ihren zukünftigen Gemahl. Da war es nun eine schwierige Aufgabe, ganz still zu schweigen und sich nicht zu rühren und Alles hätte gut gegangen, wenn der Jüngste, dem der Wein nach und nach zu Kopfe stieg nicht plötzlich aufgesprungen wäre und seiner Prinzessin einen herzhaften Kuß gegeben hätte. Das war gefehlt, denn nun that es einen Donnerschlag, daß Allen die Besinnung verging, die Lichter erloschen und als die Dreizehn wieder zu sich kamen, waren die Prinzessinnen verschwunden und nichts mehr von ihnen zu hören noch zu sehn. Ach du liebe Zeit, jetzt ging das Jammern an, aber zu spät ist zu spät. Am folgenden Abend kam die schöne Königstochter zum Feldwebel und sprach: „Ach, daß sie es nicht anders gewollt [348] haben! Zehn Jahre hatten sie schon ausgehalten und die Erlösung wäre sogleich vollendet gewesen. Jetzt aber mögen sie nur machen, daß sie fortkommen, so lieb ihnen ihr Leben ist. Jeder mag sich einen zweispännigen Wagen mit Gold nehmen und nur sich hüten, hierher zurück zu kehren.“ Dieß verkündigte der Feldwebel ihnen, doch nun wollten sie den Prinzessinnen zum Trotz dableiben. Als es aber zum Mittagsessen ging, da war für den Feldwebel allein gedeckt, für die Zwölfe nicht. Sie hatten Hunger und baten ihn, er möge ihnen etwas vom Seinigen geben. Das that er auch gern, aber was er ihnen auch gab, wurde im selben Augenblick zu Stein. Es blieb ihnen also nichts anderes übrig, als ihre Wagen mit Gold zu beladen und weg zu fahren, was sie auch noch am selben Tage thaten.
So saß der gute Feldwebel allein auf dem einsamen Schloß und sah nur jeden Abend die schöne Königstochter. Mit der Zeit wurde es ihm jedoch allzu einsam und er wünschte sich wieder in die Welt zurück. Das bemerkte die Jungfrau alsbald und als sie Abends wieder zu ihm kam, sprach sie: „Ich sehe dir an, daß es dir hier nicht mehr gefällt; so gehe denn, wohin es dir beliebt. Zum Dank dafür, daß du so treu ausgehalten hast, schenke ich dir den Mantel, welcher dich hinträgt, wohin du willst und die Geldbörse, welche nie leer wird. Nun leb wohl und vergiß das Wiederkommen nicht.“ Der Feldwebel wollte ihr danken, sie war aber schon verschwunden; auf dem Tische lagen der Mantel und die Geldbörse.
Kaum war er am folgenden Morgen aufgestanden, als er [349] auch schon seine Börse in den Sack steckte, den Mantel umhing und sich in die Hauptstadt von Spanien wünschte. Im selben Augenblick flog er durch die Luft daher, daß es rauschte und fünf Minuten drauf stand er vorm Thor der Hauptstadt. Da kief er sich alsbald prächtige Kleider und zog ins erste Wirthshaus der Stadt, welches hart neben dem Schloß des Königs lag. Er nahm Bediente in Menge an, kaufte Wagen und Pferde und führte ein Leben, wie der erste König und Kaiser der Welt.
Die königliche Familie ging täglich auf den Paradeplatz um dem Exerciren der Soldaten zuzusehn, und da war ein Kaufmann, der stellte ihr Stühle vor seine Thür, worauf der König und die Königin nebst der Prinzessin sich setzten, denn der König ritt nicht mehr, weil er zu alt war. Auch mein Feldwebel ritt oder fuhr jetzt alle Tage auf den Platz und das hatte seinen guten Grund: er war in die schöne Prinzessin verliebt. Eines Tages ging er in einen Laden und kaufte Tuch und zwar zwanzig Ellen, jede Elle zu zwanzig Goldstücken. Zufällig kam die Prinzessin dazu und verwunderte sich nicht wenig darüber, daß der Feldwebel so kostbares Tuch kaufte. Wie sie ihn so in der Nähe sah, da gefiel er ihr gar wohl und je länger sie ihn ansah, um so schöner kam er ihr vor. Er war aber auch ein schöner Mann und nun vollends in seiner Prinzenmontur, ach die stand ihm zu gut. Sobald die Prinzessin nach Hause kam, bat sie ihren Vater, er möge den schönen Prinzen doch einmal zur Tafel einladen. Das geschah und kurz und gut, der Feldwebel und die Prinzessin gefielen sich immer besser, bis sie sich endlich heiratheten. Das gab [350] eine Hochzeit! Etwas Schöneres als das Brautkleid ist nie gesehn worden. Daran haben hundert Stickerinnen Jahr und Tag gearbeitet.
Die jungen Eheleute lebten recht glücklich zusammen und der Himmel segnete sie so, daß sie alle Jahr zwei Buben bekamen und im Herbst noch einen Spätling, bis es ihrer zwölf waren. Alle wurden gleich wie sie auf der Welt waren, zu Feldwebeln ernannt und in die Montur gesteckt. Sobald sie laufen konnten, lernten sie exerciren und gingen sie jeden Tag mit auf die Wachtparade, welcher der Feldwebel stets beiwohnte, denn er war Soldat von Kopf bis zu Fuß. Als der neunte Bub eben auf die Welt kam, starb der alte König und die Königin überlebte ihn nicht lange. Der Feldwebel wurde also zum König gekrönt und war bald so geliebt, daß jedermann im Volke sich für ihn hätte todtschlagen lassen.
Als er eines Tages mit seiner Familie wieder auf der Wachtparade war, kam ein Kerl in Lumpen daher und bettelte ihn an. Er gab ihm ein groß Stück Geld, als er ihm dabei aber unter die Augen sah, erkannte er ihn sogleich: es war nämlich einer von seiner alten Mannschaft. Am folgenden Tage kam wieder einer und so ging es fort, bis sie alle zwölf da waren und jeden Tag bettelten. Da ließ er sie zu sich bescheiden und als sie zitternd und zagend vor ihm standen, weil sie nicht anders glaubten, als der König wolle sie wegen ihres Bettelns hernehmen, gab er sich ihnen zu erkennen. Das gab lange Gesichter und große Augen! Nachdem er ihnen erzählt hatte, wie er es bis zum [351] König gebracht, fingen sie auch an zu erzählen, wie sie es von steinreichen Leuten zu elenden Lumpen gebracht und Alles verliederlicht hatten. Endlich verlangten sie von ihm, er müsse sie wieder in das Schloß führen, sie wollten jetzt die Prinzessinnen erlösen. „Dazu rathe ich euch nicht,“ sprach er, „es wäre euer Unglück,“ denn er hatte keine besondere Lust, sich wieder unter die Kerle zu mischen. Als sie aber so baten, da fiel ihm ein, wie die schöne Königstochter ihn auch zur Wiederkehr ermahnt hatte und er folgte seinem guten Herzen. Er schrieb seiner Gemahlin einen Brief, worin stand, er müsse auf eine Weile weg, um die andern Städte des Königreichs zu besuchen, bald werde er aber wiederum bei ihr sein. Dann setzte er sich mit der alten Mannschaft auf den Mantel und fort ging's wie der Wind, so daß sie in Zeit von zehn Minuten vor dem Schlosse standen.
Es war Abends und als sie hereintraten fanden sie die Tafel gedeckt, doch kam nur für den Feldwebel, das heißt jetzt für den König Essen auf den Tisch, die andern konnten sich hungrig zu Bette legen und das gefiel ihnen schlecht, aber damit war es noch nicht gethan. Als sie weg waren und der König in sein Kämmerlein trat, da erschien die Königsjungfrau und sprach freundlich: „Schönen guten Abend mein lieber getreuer Johannes Erlöser, du thatest recht daran, wieder zu kommen, die andern aber thaten übel dran und es gereut sie schon. Nimm morgen am Tage die zwölf Karfunkelsteine, welche auf dem Tische liegen und bringe sie deinen zwölf Prinzen, bleibe auch nicht länger hier in dem Schlosse.“ Also sprach sie, reichte ihm ihre Hand und verschwand. [352] Der König that, wie sie gesagt; als er aber an dem Thor des Schlosses vorüberflog, da hing die ganze Mannschaft an einem himmelhohen Galgen und grinzte ihn an; die hatten ihre verdiente Strafe.
Was das für eine Freude war, als der König so schnell wieder heimkehrte und die zwölf prachtvollen Karfunkelsteine den Prinzen schenkte! Gleich sollte er sagen, wo er dieselben her habe, es wurde ihm keine Ruhe gelassen und da platzte er zuletzt heraus. Nun hatten die Prinzen keine Ruhe und wollten alle zwölf auch in das verwünschte Schloß, doch das wollte er nicht zugeben, denn er mußte unaufhörlich daran denken, wie die Mannschaft an dem Galgen baumelte und ihn angrinzte. Da träumte ihm dreimal, die schöne Königstochter stehe vor seinem Bette und bäte ihn mit Thränen, er möge doch die zwölf Prinzen in das Schloß bringen, das sei ja ihre Erlösung. Als er es trotzdem immer nicht that, da träumte ihm in der vierten Nacht, die Thür seines Schlafzimmers öffne sich und die zwölf Prinzessinnen kämen mit der schönen Königsjungfrau herein, fielen vor ihm auf die Kniee nieder und bäten ihn alle, doch ihrer Erlösung nicht im Wege stehen zu wollen; den Prinzen geschehe nichts, im Gegentheil, sie würden glücklich auf Lebenszeit. Da wurde ihm das Herz weich, er sagte Alles seiner Gemahlin, setzte sich mit seinen Söhnen auf den Mantel und stand vorm Schloß.
Als sie eintraten, war die Tafel prächtig gedeckt, viel schöner als ehemals für die Mannschaft, alles blitzte und glitzerte von purem Gold. Des Abends, als die Prinzen zu Bette waren, [353] flog des Königs Thüre auf und die schöne Jungfrau trat mit freudelachenden Blicken herein und sprach: „Schönen Dank, mein lieber getreuer Johannes Erlöser, daß du kommst. Unsere Erlösung ist nahe, morgen essen wir alle mit euch an Einem Tische und schlafen mit euch in denselben Betten, doch darf keiner mit uns sprechen und keiner uns berühren. Thuet so wie ich sage und wir alle sind glücklich auf ewige Zeiten.“ Der König versprach es mit Freuden und schärfte am Morgen seinen Söhnen wohl ein, wie sie sich zu verhalten hätten. Mittags war die Tafel für sechsundzwanzig Personen gedeckt und zur bestimmten Zeit traten die Jungfrauen ein, grüßten stumm sich verneigend die Prinzen und setzten sich mit ihnen zu Tische, die Aelteste zum Aeltesten und so fort bis zur Jüngsten, welche neben dem Jüngsten saß. Die Prinzen thaten jeder, als sei er ganz allein am Tische und sahen kaum die Jungfrauen an und wenn einer oder der Andere etwa einen Blick wagte, dann klopfte der König mit dem Messerstiel auf den Tisch und alsbald sahen sie wieder vor sich. Abends durften sie nicht einmal ihre Kleider ablegen; als sie schon einige Zeit zu Bette gegangen waren, machte der König die Runde und winkte jedem noch einmal mit dem Finger, da lagen sie steif und starr, wie die Bildsäulen. So ging Alles gut bis gegen Morgen. Da knallte es, als wenn zehnmalhunderttausend Kanonen losgeschossen würden, zugleich stürzten die Prinzessinnen den Prinzen um den Hals und küßten sie und begrüßten sie als ihre Erlöser, nur die schönste Jungfrau, welche bei dem Könige lag, küßte ihn nicht sondern reichte ihm bloß ihre [354] Hand und dankte ihm unter bittern Thränen, denn sie liebte ihn so sehr. Jetzt war der Jubel groß und wollte kein Ende nehmen. Während die Prinzen mit ihren Bräuten in dem Schlosse herum gingen, setzte sich der König auf seinen Mantel und flog nach Hause, um seiner Gemahlin Alles zu erzählen, aber ach, da kam er in Jammer und Leid, denn am Tage vorher hatte die Königin ausfahren wollen und war aus dem Wagen gestürzt; die Pferde waren scheu geworden und sie kam unter die Räder, welche ihr über Hals und Brust fuhren. So traf er seine liebe Frau als Leiche wieder. Er betrauerte sie tief ein ganzes Jahr lang, dann vermählte er sich mit der wunderschönen Königstochter, die er erlöst hatte und die Prinzen heiratheten zugleich ihre zwölf Bräute, deren jede ein Königreich als Mitgabe von ihren Aeltern erhielt.