Die deutsche Turnwelt
[452 d] Die deutsche Turnwelt konnte am 10. Juni den siebzigsten Geburtstag eines Mannes begehen, der sich um die Förderung und Hebung des Turnens namentlich im deutschen Süden ganz wesentliche Verdienste erworben hat. Im Jahre 1828 wurde an diesem Tage zu Bürg a. K. in Württemberg Otto Heinrich Jäger geboren, als Sohn eines um die schwäbische Geschichtsforschung verdienten Pfarrers. Schon als Tübinger Student war Jäger ein Führer der schwäbischen Turnerschaft, und mit einer Preisarbeit über die Gymnastik der Hellenen errang er den Doktorgrad. Diese Untersuchungen über die hervorragende Bedeutung des Turnens für die leibliche und geistige Bildung des ersten Kulturvolks der Alten Welt wurden zur Grundlage für eine reformatorische Thätigkeit, in welcher Jäger fortan die Hauptaufgabe seines Lebens erblickte. Nach dem Vorbild der „hellenischen Turnerei“ suchte er das deutsche Turnen zu läutern, zu vereinfachen und zu entwickeln. Mit Erfolg befürwortete er die Uebungen mit dem Eisenstab, die Fußgymnastik in Marsch, Lauf und Sprung im Gegensatz zu einer einseitigen Pflege des Turnens an den Geräten. Konnte es ihm bei dem Eifer, mit welchem er seine Ideen in Wort und Schrift, in der „Neuen Turnschule“, den „Bergpredigten“, verfocht, an Widerspruch auch in Turnerkreisen nicht fehlen, so fanden seine Bestrebungen, dem Turnen im Schuluntericht eine seiner Bedeutung entsprechende Berücksichtigung zu erkämpfen, allgemeine Anerkennung. Sein Heimatland bot ihm Gelegenheit, im Geiste seiner Ideen auf breiter Basis auch praktisch zu wirken. Nachdem er sich 1852 in Tübingen als Privatdocent für Pädagogik, Philosophie und Philologie habilitiert hatte, war er schon 1854 einem Rufe als Turnlehrer an die Kantonalschule in Zürich gefolgt, wo er von 1857 an wieder als Professor der Pädagogik und praktischen Philosophie wirkte. Da wurde er Anfang 1862 als erster Hauptlehrer an die neugegründete Turnlehrerbildungsanstalt nach Stuttgart berufen, zu deren Vorstand er später ernannt ward. Bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1890 blieb er in dieser Stellung. Gegenwärtig lebt er in Nymphenburg bei München, noch immer die Feder führend mit ungebrochener Begeisterung für das Ideal einer Neuschöpfung des gesamten Jugenderziehungswesens im Geiste der Harmonie zwischen den leiblichen und geistigen Lebenselementen, wie sie bei den Griechen bestand.