Die blonde Dame singt
Ich habe mir mein Deutschland angesehen
in seiner großen, in der kleinen Zeit.
Ich sah den Kaiser in die Oper gehen;
der Hermelin war diesem Mann zu weit.
Grau an Humor, am Rock indianerbunt …
Und leicht enttäuscht fragt meine liebe Seele:
„Na und …?“
Das wühlt und wimmelt in den großen Städten.
Der deutsche Bürger läßt sich ruhig treten,
er macht Geschäfte und schluckt biedres Bier.
Und Kunst und immer diese selben Jungen,
nur Not und Kummer hält die Brut gesund.
Ich frage mich, wenn all der Lärm verklungen:
„Na und …?“
Dann gab es Krieg und hohe Butterpreise.
Es deliriert das Land. Revolution!
der Stuhl mit Grundeis, nun, man kennt das schon.
Es rufen hier und da Idealisten,
man gründet Räte, Gruppen, einen Bund …
Ich sehe Bolschewiki, Spartakisten –
Und steh ich einstmals vor dem Weltenrichter,
(der liebe Gott ist schließlich auch ein Mann),
„Dich böses Mädchen seh ich nicht mehr an!
Werft sie mir in den tiefsten Höllenschlund!“
Dann sag ich leis und hebe müd die Schultern:
„Na und …?“
Varianz
- Erstdruck unter dem Pseudonym Kaspar Hauser in: Die Weltbühne, 10. Juli 1919, Nr. 29, S. 53
- 11treten,] treten;
- 23man gründet] sie gründen
- 24Spartakisten] Spartacisten
- 25„Na und …?“] Na und …?