Die bestraffte Frauenzimmer Hauben-Mode

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Autor: unbekannt
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Titel: Die durch eine wunderliche Kalbs- oder Miß-Geburt von Gott bestraffte Frauenzimmer Hauben-Mode
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Erscheinungsdatum: 1689
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Erscheinungsort: Hanau
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Quelle: im VD17 unter der Nummer 3:651231D
Kurzbeschreibung:
Flugschriften des 17. Jahrhunderts
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[1]


Die
durch eine wunderliche
Kalbs- oder Miß-Geburt
von GOtt bestraffte
Frauenzimmer
Hauben-Mode /



In einem besondern Schreiben an einen guten
Freund ausführlich berichtet.


Hanau / Anno 1689.


[2]

Mein Herr /
UNserer gepflogenen Abrede nach / einander merckwürdige und wahrhafftige Dinge zu berichten / So vernehme derselbe das entsetzliche Wunder / welches sich am 4. Junii / dieses Jahrs / unweit der Stadt Hanau / im Dorffe Goselitz / bey dem Schultzen Martin Krempen / zugetragen.

Nemlich: Es hat itzt-gemeldter Schultze von einem Frantzösischen Soldaten eine trächtige Kuh umb ein liederlich Geld erkaufft / wenige Tage darauff wirfft gedachte Kuh / und bringet (wie beystehende Figur ausweiset) ein recht-wunderbares Kalb zu wege / welches zwar von allen Gliedmassen wie ein anderes gebildet war / allein es hatte einen rechten Menschen- oder Weiber-Kopff / und auf demselben einen vom Fleisch gewachsenen Bänder-Pusch / natürlich [3] wie die itzigen auffgethürmten Frauenzimmer-Hauben[1] / und unter dem Halse wohlgebildete Weiber-Brüste.

Der Abriß davon ist an unterschiedene Chur- und Fürstl. Städte geschickt / und dem Schultzen / die Kuh mit dem Kalbe wohl zupflegen / von der Obrigkeit daselbst / Befehl gegeben worden.

Ich habe es / nebst andern Personen / wiewol nicht ohne Entsetzen / mit meinen Augen gesehen. Die Deutung aber ist GOTT bekandt. Vermuthlich ist es / daß nichts Gutes daraus kan geschlossen werden / und weil die itzige Frantzösische Hauben-Mode natürlich aussiehet / wie man sonst die Feuer-Püsche oder Feuer-Flammen mahlet / hat sichs leider! allbereit hin und wieder ausgewiesen / wie die Frantzosen und Mordbrenner dergleichen Feuer-Püsche ein und anderer Stadt auffgesetzt / daß mancher die Hoffart vergangen.

GOTT behüte und erleuchte die übrigen / und gebe / daß sie sich allerseits daran spiegeln. Daß GOTT die Hoffart und hoffärtigen Städte / wie auch die schändliche Entblössung der Brüste / fast durchgehends mit Feuer gestrafft / wäre sowol aus heiliger Schrifft / als andern Profan-Scribenten[2] / darzuthun / wir wollen es aber voritzo nur bey dem einzigen / nemlich [4] bey Sodoma und Gomorra / bewenden lassen.

     Hierneben kan ich dem Herrn auch nicht verhalten / was für ein wunderlicher Casus[3] vor weniger Zeit sich Pariß zugetragen / (wie mir von sicherer Hand aus Rochelle[4] hinterbracht worden) und sich also verhält:

Es wohnet in Pariß ein Weib / welches der Pracht und Kleider-Hoffart dermassen ergeben / daß ihr auch unter andern ihr eigenes Haar nicht gut genug gewesen / sondern einer verstorbenen Frauen ihr goldgelbes Haar abschneiden lassen / und auf ihren Kopf gesetzt / der Meynung / iedermann solte dencken / es wäre ihr eigen Haar / und hätte sie die Natur vor andern damit begabet; Allein / was geschicht / als sie im Begriff / auff eine Hochzeit zu gehen / und nun in voller Pracht und todten-härichten Haar-Stirne einher tritt / erblickt sie unter andern ein auff einem Altan angelegter Affe; dieser (weiß nicht / ob aus Lieb oder Haß) reißt sich loß / macht sich hinunter / und über die so trefflich stoltzirende Frau her / springt ihr auf die Axeln / und reißt ihr anfänglich die goldgelbe Haarstirne herunter / nochmahls macht er sich über den andern Kopff- und Bänder-Putz / und zerzaußt sie dergestalt [5] / daß sie einer straubichten Eule ähnlicher / als einem Menschen gesehen / und dann letzlich strich er ihr mit den Pfoten über die Backen / daß man an denselben die Schmincke mercklich vermissen / an des Affen Klauen aber im Zurückkehren deutlich sehen kunte; Worüber nicht allein ein schrecklicher Zulauff von Volcke / sondern auch unter demselben ein grausam Gelächter wegen der noch halb-geputzten und vom Affen ausgeschleyerten Dame entstunde.

Solte an manchen Orten / da sich dergleichen Hoffarts-Geister und schminck-Fleckgen aufhalten / sothane Straffe gemein seyn / wol wolten Affen gnug herkommen. Aber O der blinden und närrischen Thorheit! welche von der Jugend zwar wenig erkandt / gemeiniglich aber von den Alten mit vielen Thränen beseuffzet wird.

     Noch ein und zwar sehr erschreckliches Exempel / wie GOTT der HErr die Kleider-Hoffart gestrafft / (ob es zwar was alt) mit hieher zu setzen / hoffe ich nicht ungereimt zu seyn:

Als zu Spandow / in der Chur-Brandenburg / grosse Hoffart im Schwange gangen[5] / und insonderheit die grossen Kragen[6] (an deren [6] Stelle die itzigen Hauben könten gesetzet werden) gantz überhand genommen / hat sichs zugetragen / daß der Teuffel / aus GOttes gerechtem Verhängnüs / in gestalt eines reichen Kauffmanns oder Kramers für die Stadt gekommen / und einem dem Ansehen nach theuerbaren Kram auffgeschlagen.

Als nun ein grosser Zulauff von den Leuten worden / und viele hinaus gegangen / ihr Geld anzulegen / hat sie GOTT dermassen gestrafft / daß alle diejenigen / so hinzu getreten / nach geendigtem Kauf / vom Teuffel besessen worden. Diese Besitzung hat so lange gewäret / biß sie Busse gethan / die grossen Kragen auff öffentlichem Kirchhofe in unterschiedlichen Feuren verbrandt / und sich der Demuth beflissen / da sich denn GOTT ihrer wiederumb erbarmet / und ihnen geholffen,

[7] Daß diese Geschicht gewiß also ergangen / bezeuget M. Mauritius Rachelius, des Ministerii zu Güstrow weiland gewesener Senior, in einer sonderbaren darüber gehaltenen Predigt.

     Diese Begebenheit habe ich also dem Herrn wissend machen / doch niemand von denen Frauen-Personen / welchen es Standes- und Amts-halber zukömmt / zu nahe treten wollen. Billich aber möchten sich diejenigen / die von keiner sonderlichen Condition, und doch gleichwol der Pracht und Lumpen-Hoffart so schrecklich ergeben sind / daß auch manche ihr Vermögen dran wenden / und wenn das weg / sich mit borgen / stehlen / oder andern unbilligem Verdienst behelffen / nur daß sie vor den Leuten prangen mögen / solten sie auch gleich manchen Tag keinen Bissen Brodt im Hause haben / worunter denn sonderlich gemeiner Handwercks-Leute und Taglöhner Weiber und Töchter / vornehmlich aber die Zofen und Dienst-Mägde / und andere geringe Standes-Personen / zu zehlen wären; billich / sag ich / möchten sich solche und andere dergleichen dran spiegeln / in sich gehen / und bedencken / daß GOTT an denen Hoffärtigen niemals Gefallen gehabt / sondern / wo sie sich nicht davon abgestanden / mercklich sind gestrafft worden. GOtt bekehre sie!


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Hauben: Kopfbedeckung der Frauen
  2. Profan-Scribenten: unheiligen Schriften
  3. Casus: Vorfall
  4. La Rochelle: französische Hafenstadt
  5. Vorlage: gangeu
  6. siehe Kragenmode