Textdaten
<<< >>>
Autor: Jodocus Donatus Hubertus Temme
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die alte Stadt bei Werben
Untertitel:
aus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. S. 207–208
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1840
Verlag: Nicolaische Buchhandlung
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google und Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[207]
164. Die alte Stadt bei Werben.

In der Gegend, wo jetzt das Städtlein Werben an dem Madüesee liegt, hat vor alten Zeiten eine große und schöne Stadt gestanden. In derselben haben lauter reiche Leute gewohnt, die haben keine andere Kleider getragen als von Sammt und Seide, und sind nicht anders gefahren, als in Kutschen, mit sechs Pferden bespannt. Es war auch eine Prinzessin darin, die wußte vor allem ihrem Reichthum nicht, was sie thun sollte. Zum Abendbrod aß sie nur das Gekröse von Heringen, so daß sie dazu jeden Abend ganze Tonnen voll Heringe verbrauchte. Nun geschah es aber, daß eine theure Zeit ins Land kam, und die anderen Leute zuletzt gar nichts mehr zu beißen und zu brechen hatten. Da gingen die Bürger zu der reichen Prinzessin, an die noch keine Noth gekommen war, und fielen vor ihr auf die Kniee, und baten sie, mit gerungenen Händen, um Brod. Die Prinzessin aber hatte ein hartes Herz, und sie that daher, als hörte sie die Leute nicht; und wie diese gar nicht wieder gehen wollten, da ließ sie zuletzt ihren Hundejungen kommen, der mußte mit der Hundepeitsche die armen Menschen vom Hofe jagen. Diese riefen ihr wohl zu, wie der liebe Gott gegen solche Hartherzigkeit ein Einsehen thun werde, aber sie machte sich nichts daraus, und wie es wieder Abend wurde, so ließ sie sich, wie sonst, zwei Tonnen Heringe bringen; von denen aß sie das Gekröse, und das Fleisch ließ sie in die Madüe werfen, weil sie es den armen Leuten nicht gönnte. Dabei ging sie in ihrer Verstocktheit so weit, daß sie über Nacht die Straßen der Stadt mit Salz bestreuen ließ, als wenn es die ganze Nacht durch geschneiet hätte; darüber fuhr sie am anderen [208] Morgen in einem Schlitten, den sie mit dem feinsten Waizenteig hatte beschmieren lassen, und vor dem die Pferde, anstatt der Schellen, mit lauter Semmeln behangen waren. Aber für solchen Frevelmuth kam die Strafe. Denn es fuhr plötzlich vom Himmel ein Blitz herunter, der schlug sie und ihre Pferde todt, und riß ein großes Loch in die Erde, daß die ganze Stadt hineinsank und zu Grunde ging. Seitdem ist der Madüesee darüber gegangen. In diesem kann man auf St. Johannis Mittag die Glocken der versunkenen Stadt noch läuten hören, und wenn großer Sturm ist, so wirft die Madüe noch oft die Menschenschädel, und Nägel und Messer heraus, und andere Sachen, welche die Leute gebraucht haben.

Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.