Textdaten
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Autor: Wilhelm Busch
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Titel: Die alte Slüksche
Untertitel:
aus: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime. S. 67-69
Herausgeber: Otto Nöldeke
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1910
Verlag: Lothar Joachim
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Erscheinungsort: München
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Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: ULB Düsseldorf und Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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27. Die alte Slüksche.

Die alte Slüksche hatte eine rechte Schnüffelnase und konnte gleich alles riechen, was im Dorfe gebacken oder gebraten wurde. Nun wohnte da auch ein junger Bauer mit seiner Frau, der fing, da er eines Tages auf dem Felde pflügte, einen Hasen, gab ihn dem Knechte und schickte ihn damit zu seiner Frau, daß sie ihn auf den Mittag braten und zurichten sollte. Die Frau kriegte den Hasen auch zu Feuer, und als er nun recht briet und brutzelte und schön braun wurde, so hatte es die alte Slüksche gleich gewittert, kam in die Küche und schnüffelte mit ihrer langen Nase um den Braten herum. »Ach Gott, Nachbarin«, sprach sie zu der Bauersfrau; »das riecht mal schön und ist so appetitlich, lasse Sie uns mal ein Stück davon probiren!« »Nein, nein,« sagte die Frau, »wenn das mein Mann merkt, so kriege ich Schläge.« »Ach Gott«, sagte die alte Slüksche und hielt ihre Schnüffelnase dicht über den Braten, »nur ein ganz kleines Stückchen, das merkt er ja nichts.« Da ließ sich die Frau bereden und schnitt ein Stück von dem Braten ab, und [68] das schmeckte so schön, daß sie noch ein zweites Stück abschnitt, und als sie erst in den Geschmack kamen, da verzehrten sie endlich den ganzen Braten. »O weh,« sprach da die Frau, »was soll ich nun sagen, wenn mein Mann zu Hause kommt und findet den Braten nicht.« »Och,« sagte die alte Slüksche, »wenn er fragt, so sagt nur, Ihr wüßtet von nichts; er möchte wohl geträumt haben.« Damit wischte sie ihr Maul und ging weg.

Den Mittag, da der Bauer zu Hause kam und die Frau ihm sein gewöhnliches Essen vorsetzte, fragte er, wo denn der Hase wäre, den sie ihm auf den Mittag hätte zurichten sollen. »Ich habe keinen Hasen gesehen,« antwortete die Frau und stellte sich ganz verwundert. »Ei!« sprach der Mann »ich habe dir doch diesen Morgen durch den Knecht einen Hasen geschickt und dabei sagen lassen, du solltest ihn auf den Mittag zurechtmachen, und nun weißt du von nichts?« »Ach Mann, das hat dir die Nacht wohl nur geträumt; besinne dich nur recht, so wird es dir wohl einfallen.« Es ist doch sonderbar, dachte der Bauer, daß man so lebhaft träumen kann, meinte ich doch, ich hätte meiner Frau einen leibhaftigen Hasen geschickt, und nun ist es doch nur ein Traum gewesen.

Eine Zeit darnach trug es sich zu, daß der Bauer auf dem Felde eine Wachtel fing; da schickte er sie durch den Knecht zu seiner Frau und ließ ihr sagen, sie sollte die Wachtel auf den Mittag braten und zurecht machen. Die Frau kriegte das Wachtelchen auch gleich in die Pfanne, und als es nun recht briet und brutzelte, so hatte es die alte Slüksche mit ihrer Schnüffelnase gleich gewittert und kam in die Küche geschlichen, und als sie da das Wachtelchen so schön braun in der Pfanne liegen sah, sprach sie zu der jungen Frau: »Ach Gott, Nachbarin, das riecht so schön und ist so appetitlich; lasse Sie uns doch ein Stückchen davon probiren.« »Ach nein!« sagte die Frau; »wenn das mein Mann merkt, so kriege ich Schläge.« »Ach nur ein kleines bißchen«, sprach die alte Slüksche; »das merkt er ja nicht.« Da ließ sich die Frau bereden und schnitt dem Wachtelchen erst ein Bein ab, und dann das andere, und endlich verzehrten die beiden das ganze Wachtelchen, daß nichts davon überblieb. »O weh,« sprach da die Frau; »was fange ich nun an, wenn mein Mann zu Hause kommt und findet das Wachtelchen nicht?« »Och,« sagte die alte Slüksche; »wenn er fragt, so sagt nur, das möchte ihm wohl geträumt haben.« Damit wischte sie ihr Maul und ging weg.

Den Mittag, da die Frau ihrem Manne sein gewöhnliches Essen brachte, fragte er, wo denn das Wachtelchen wäre, das er ihr diesen Morgen geschickt hätte. »Du hast wohl wieder geträumt,« sprach die Frau und that ganz verwundert, »ich habe kein Wachtelchen gesehen.« »Ei!« sagte der Bauer, »es ist doch sonderbar, daß man so lebhaft träumen kann.« Aber diesmal hatte er doch gemerkt, daß ihn seine Frau zum besten hatte und dachte, warte nur, dich will ich anführen, schnitt sich drei Haselstöcke und brachte sie heimlich [69] in die Kammer. No ja, dachte die Frau, die es gesehen hatte, nun gehts mir aber schlecht. Sie wußte sich aber doch zu helfen.

In der Abendzeit, während ihr Mann nicht zu Hause war, ging sie zu der alten Slükschen und sagte zu ihr: »Wißt Ihr was? Ihr könntet diese Nacht wohl mal bei meinem Manne in der Kammer schlafen.« »Liebend gern,« sagte die alte Slüksche, »das will ich wohl tun.« Und den Abend ging sie hin und legte sich in der Frau ihr Bett. Bald darnach kam der Bauer, der meinte, seine Frau läge da im Bette, im Dunkeln hereingeschlichen, schnitt ihr die Haare ab und prügelte sie so lange bis die drei Haselstöcke in Stücken waren, dann gab er ihr noch einen Schub, daß sie aus der Thüre flog.

Am andern Morgen aber brachte die Bauersfrau ihrem Manne ganz vergnüglich den Kaffee. Sprach der Mann: »Nun Frau, wie haben die Schläge geschmeckt?« »Welche Schläge?« »Nun die mit den drei Haselstöcken.« »Ich glaube gar, du hast wieder geträumt; ich habe keine Schläge gekriegt.« »So? dann habe ich dir auch wohl die Haare nicht abgeschnitten? Setz mal gleich deine Mütze ab.« Das that die Frau, und da sah der Bauer, daß sie noch alle Haare auf dem Kopfe hatte. »Hol mich der Kuckuck,« rief er da, »nun sehe ich doch wohl ein, daß alles nur ein Traum gewesen ist.«

Die alte Slüksche mit der Schnüffelnase hatte aber noch lange einen blauen Buckel zu tragen und schnüffelte so bald nicht wieder.