1. König ist der Katzenjammer, Sohn des Bacchus und der Nacht,
den in einer dunklen Kammer sie mit Schmerz zur Welt gebracht;
König ist der Katzenjammer, aller übernächtgen Geister leichenblasser,
unbeugsamer, unumschränkter Herr und Meister.
2. Auf zerbrochner Tisch und Bänke Trümmer baut er seinen
Thron, morgens in der dumpfen Schenke, Bacchus’ melancholscher Sohn;
Bacchus liebt Gesang und Becher, dieser Scherben nur und Stöhnen,
und es will das Los der Zecher, daß sie müssen beiden frönen.
3. Mit Jasmin und duftger Rose kränzet Dionys sein Haupt,
doch mit Niesewurz und Moose hat der Jammer seins belaubt; an
dem Zweispann lenkt der Vater Leoparden wunderprächtig, doch sein
Sohn zwei alte Kater, grau von Farbe, mitternächtig.
4. Seinen goldnen Thyrsus schwinget der Eroberer der Welt, und
das Evoë erklinget froh hinan zum Sternenzelt; einen Hering in der
Rechten, in der Linken einen Wermut, klagt des Orkus finstren Mächten
Katzenjammer seine Schwermut.
5. Wild umjauchzet von Mänaden, aufgeschürzt den schlanken Leib,
spendet reiche Liebesgnaden Bacchus ohne Eheweib; doch den Katzen=
jammer quälet eine dumme, alte, lahme Göttin, der er sich vermählet,
und Versimplung ist ihr Name.
6. So beherrscht mit bleichen Wangen und die Augen trüb und
rot, seine Geister nachtbefangen Katzenjammer, der Despot, aber wie
der Espenbäume Blätter zittern seine Hände, denn es quälen böse
Träume die Tyrannen ohne Ende.
7. Von des Bacchus Macht bezwungen, ist es leicht ein Dichter
sein, so sang, sagen böse Jungen, selbst Silenus’ Eselein; aber wer in
[649] Jammers Banden kann in süßen Liedern flöten, hat den höchsten Preis
erstanden, diesen nenn ich den Poeten.
8. Bacchus schallen tausend Weisen, tausend Lieder Tag und Nacht;
doch den Jammergott zu preisen, wer hat je daran gedacht? Von
Tyrannen kenn ich keinen, der nicht seinen Sänger fand, heiße Thränen
möcht ich weinen, daß nur er verlassen stand.
9. Darum stimmt sein treuer, alter, vielgeprüfter Priestersmann
heut im Jammer einen Psalter zu des Jammers Preise an, der da
wecket von den Toten, aus der Gruft der Totenkammer diesen
Hymnus dem Despoten, dieses Lied dem Katzenjammer!
Adolf Kußmaul.