Textdaten
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Autor: Eduard Brauer
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Titel: Die Wolfsschlucht
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aus: Badisches Sagen-Buch II, S. 260–263
Herausgeber: August Schnezler
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Creuzbauer und Kasper
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Erscheinungsort: Karlsruhe
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons, Google
Kurzbeschreibung:
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[260]
Die Wolfsschlucht.
(Metrische Version der vorstehenden Sage.)

Ein Pfeifer, gar ein flotter Gauch,
Zog einst vom Kirchweihschmauße
Vom Bühlerthal mit rundem Bauch
Um Mitternacht nach Hause.

5
Sein Taumelschritt besagte,

Wie baß ihm der Trunk behagte.

Herr Mond fand leider nicht für gut,
Wie sonst, ihm heimzuzünden,

[261]

Drob ward dem Zecher bang zu Muth

10
In dichten Waldesgründen;

Hub lallend an zu singen,
Die Angst zu überklingen.

Noch kaum begonnen hat das Lied
Des wankelfüßigen Knaben,

15
Da stürzt er, eh’ er sichs versieht,

In einen tiefen Graben.
Wohin er streckt die Hände,
Rührt er an Felsenwände.

Doch, Höll’ und Himmel! – wie erschrickt

20
Der ächzende Geselle,

Als er genüber sich erblickt
Zwei Augen, schaurig helle,
Die ihm mit grimmem Leuchten
Den Tod zu künden deuchten.

25
Da gießt der Mond ein Tröpflein Licht

Herab durchs Laub der Eichen,
Und zeigt ihm eines Wolfs Gesicht,
Mordgierig sonder Gleichen.
„O Todeskampf voll Grauen

30
In eines Wolfes Klauen!“


Der Pfeifer hat in höchster Noth
Sein Flötenspiel ergriffen,
Und gleich, geängstigt bis zum Tod,
Ein schmetternd Lied gepfiffen;

35
Wild klang der Hochzeitsreigen

Durchs mitternächtige Schweigen.

Die Vögel fliegen scheu empor,
Da solch ein Ton sie weckte;
Erbärmlich quackt im nahen Moor

40
Der Frosch, der aufgeschreckte;

Ja selbst die Eichen bebten,
Die manchen Graus erlebten.

[262]

Dem Wolf auch schien die Melodei
Nicht sonders zu behagen,

45
Er trat zurück mit bangem Schrei,

Trotz seinem leeren Magen;
Doch wie der Pfeifer ruhte,
Kam er mit neuem Muthe.

Da hat der Pfeifer abermals

50
Sein Flötenspiel ergriffen

Und lauter noch aus vollem Hals
Sein schmetternd Lied gepfiffen.
Wild klang der Hochzeitreigen
Durchs mitternächtige Schweigen.

55
Der Spielmann bläßt so lang er kann,

Sein Gaumen wird ihm trocken,
Er bläßt und bläßt, doch bald begann
Der Odem ihm zu stocken.
„O Todeskampf voll Grauen

60
In eines Wolfes Klauen!“


Da plötzlich ruft es von den Höhn:
„Vermaledeiter Bube!
Was soll dein Höllentanzgetön
Zu Nacht in dieser Grube?

65
Willst du den Reh’n und Hasen

Allhier ein Ständchen blasen?“ –

„Ach, Herzenswaidmann, helft mir doch
Aus dieses Wolfes Krallen!
Schon pfeif’ ich auf dem letzten Loch, –

70
Laßt Euch mein Flehn gefallen!“

Der Jäger unverdrossen
Hat schnell den Wolf erschossen.

Drauf stieg der Pilger schreckensbleich
Hervor aus seinem Grabe:

75
„Habt Dank, Herr Schütz! Wie bin ich reich,
[263]

Daß ich dies Pfeiflein habe!
In Silber will ichs fassen
Und nimmer von ihm lassen!“

Eduard Bauer.[1]

  1. Seite 263, am Schluß des Gedichts lies „Brauer“ statt „Bauer.“ (Berichtigungen)