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Autor: Heinrich Gottlob Gräve
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Titel: Die Wehklage
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aus: Volkssagen und volksthümliche Denkmale der Lausitz, S. 47–50
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Erscheinungsdatum: 1839
Verlag: F. A. Reichel
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Erscheinungsort: Bautzen
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Quelle: MDZ München, Commons
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IX. Die Wehklage, wend. Boże Sedleschko.

Da, wo sich gegenwärtig zu Budissin Thalia’s Tempel erhebt, stand ehemals eine alte Bastei, der Ohims und Sihims (zu teutsch: Wehklagen) gefürchteter Sitz. Da ließen sie, wenn der Stadt ein Unglück, als Pestilenz, [48] Krieg, vornämlich aber Brand bevorstand, beim Grauen der Mitternacht in den Geisterstunden, ihre kreischenden Stimmen hören und erfüllten die, ob der Dinge, die da kommen sollten, zitternden Einwohner, mit Furcht und Graus. So erhob sie nach den Chroniken, vor der Pest 1519, 1586, 1611, 12 und 14, wie bei der großen Ueberschwemmung 1552 und vor dem großen Brande 1634[1] ihre Jammerstimme. Nach der Umwandelung dieser Bastei in das Schauspielhaus müssen jedoch diese Unholde diesen ihren Wohnsitz verlassen haben, weil vor dem Brande, der 1827 diese arme Stadt betraf, ihr Angstruf nicht erscholl.

Bei den Wenden spielt die Wehklage eine Hauptrolle und sie bezeigen vor dieser Erscheinung ihre Furcht mit den Worten: „Dżakowane bydż Bohu, so ßo wjazy nepokaże.“ (Gott sey Dank, daß es sich nicht mehr zeigt.) Sie halten sie für ihren Schutzgeist, den sie bisweilen bald in der leiblichen Gestalt eines weißen Kindes, bald einer weißen Henne[2] erblicken, welcher sie durch sein Geschrei vor einer drohenden Gefahr warne; daher sagen sie: „Boże Sedleschko je płakało.“ (die Wehklage hat geweint.) Wenn sich nun dieser Schutzgeist hören läßt, so fragen sie: „Boże Sedleschko! schto mi budże?“ [49] (Wehklage, was wird mir? [wiederfahren]) oder: Was fehlt mir? Durchaus aber dürfen sie nicht fragen: „Schto tebi je?“ oder: „Schto tebi faluje?“ (was ist dir? was fehlt dir?) indem sie darauf nicht antwortet. Die darauf ertheilte Antwort ist, wie bei den Orakeln der Alten, d. h. kurz und zweideutig, z. B. „Wono nebudże tebi, ale druhemu (ßo stacż)“ es wird nicht dir, sondern einem Andern (wer es aber seyn werde, läßt die Wehklage unbestimmt) wiederfahren.

Als z. B. 1766 die Stadt Mußkau der unglückliche Brand betraf, soll sie sich verschiedenemale in dem Hause, wo das Feuer ausbrach, haben hören lassen und auf die an sie gerichteten Fragen geantwortet haben: „Wono nebudże jeno tebi, ale na wschitkich Haßach!“ (es wird nicht allein dir, sondern auf allen Gassen.) Desgleichen, als i. J. 1779 ebenfalls zu Mußkau 3 Personen bei der Neißmühle ertranken, hörte sie der Müller einige Tage vorher, und erhielt auf Befragen wiederum die Antwort: „Wono nebudże tebi, ale druhemu!“ Auch vor dem letzten Brande in Wittichenau 1822 ließ sie sich hören.

Indeß soll diese Wehklage nicht von Jedermann, sondern nur von Einigen (wahrscheinlich Sonntagskindern) gehört und gesehen werden. Viele Wenden pflegen daher bei Abseihung eines kochenden Topfes oder Ausgießen siedenden Wassers aus Vorsicht zu sagen: „Boże Ssedleschko dżi precż, so ja cże nesparju!“ (Wehklage geh’ weg, daß ich dich nicht verbrühe). Thun sie dieß nicht, so verbrühen [50] sie sich oft selbst und die auffahrenden Hitzblattern beweisen, daß sie von ihr verbrüht worden sind; daher sagt man: „Boże Ssedleschko je tebe spariło,“ (die Wehklage hat dich verbrüht), wofür sie als Kur Folgendes brauchen: Sie schmieren nämlich das Ofenloch mit Butter und sprechen: „Boże Ssedleschko, ja cże masam, sahoj me, ty ßy me spariło,“ (Wehklage, ich schmiere dich, heile mich, du hast mich verbrüht); dann nehmen sie den Brausch von einem kochenden Topfe und schmieren den Schaden, welches gewiß helfen soll.


  1. S. Taberam Budiss. oder budissinische Brandstelle v. M. Nikolaus Haas, past. prim. Budissin 1705. 1716. 4., wo ihrer Erwähnung geschieht.
  2. Hierbei erinnert man sich an den filium gallinae albae des Petrons.
    S. Provinzialblätter oder Sammlungen zur Geschichte, Naturkunde, Moral und andern Wissenschaften. 1ster Bd. 3tes St. I. S. 249 u. f.