Die Waldbeerfrau (Kämpchen)
[12] Die Waldbeerfrau.
Seit Jahren kam stets in der Waldbeerzeit
Tief aus den Ruhrabergen eine Frau
Den stundenweiten Weg her bis zu uns.
An beiden Armen trug sie schwer die Last
Zum dürftigen Verkaufe Tag um Tag.
So lang’ die Ernte anhielt und die Frucht
Durch Regenfall nicht schon zuvor verdarb,
Kam auch mit ihrem Korb die Händlerin. –
War eine Bergmannswittib und ihr Mann
Im Schacht erschlagen bei der Sprengarbeit. –
Acht Kinder blieben vaterlos zurück,
Gesund und hungrig – und sie hat die acht
Vier Ziegen halfen ihr dabei, der Wald
Gab Streu und Futter reichlich und noch mehr
An Holz und Pilzen und an Beerenobst. –
So ging’s und hat sie fertig es gebracht,
Die Kinder groß zu zieh’n in Zucht und Ehr’. –
Nun ist sie tot, die wack’re Waldbeerfrau,
Die uns so oft bei heißem Sommertag
Geletzet hat mit ihrer würz’gen Frucht. –
Die Frauen zieh’n mit schwerem Henkelkorb
Tief aus den Ruhrabergen her zu uns –
So denk’ ich deiner, braune Annelies,
Und wähne wieder dich vor mir zu seh’n,
Erinnerung malt meinem Aug’ dein Bild –
Du aber schläfst auf grünem Waldkirchhof
Den langen Schlaf – und dir ist wohl, ganz wohl.