Die Ueberraschung
Auf dem Lande, bey der trauten Freundin,
War, ach! eine ewig lange Woche
Schon mein Liebchen. Alle, alle Tage
Ging ich vor das Stadtthor, nach der Gegend
Sehnsuchtsvoll zu schaun; – selbst hin zu eilen
Wehrten mir die leidigen Geschäfte.
Aerger als ein junger Dichter schalt ich
Auf die Stadt, und pries des Landes Vorzug.
Meine Lieblingsaussicht erst besuchen.
Bey der Windmühl auf dem Hügel stand ich
Eingewurzelt, wie ein Meilenzeiger,
Ausgestreckt den Arm, den Zeigefinger
Hingerichtet. – „Flügel! hätt’ ich Flügel!“
Und mich trugen Phantasie und Liebe
Schwebend fort; mein innres Aug erblickte
Schon das Landhaus, das Portal von Linden
Offen stand der Gartenmauer Pförtchen,
Offen auch die Hinterthür des Hauses.
Leise hatt’ ich mich hineingeschlichen,
Wollte nun die Treppe schnell ersteigen,
Mich aus meinem wachen Traum erweckte. –
Still und einsam lag die Abendlandschaft;
Sternchen blinkten hin und her am Himmel,
Lichter da und dorten durch die Fenster. –
Auf dem Fahrdamm angerollt; im dunkeln
Ward mir nur die schaukelnde Bewegung
Sichtbar; schon verdoppelt’ ich die Schritte,
Ihn am nahen Stadtthor zu erreichen,
Brach. Ich fliege hin. Zwey wohlbekannte
Stimmen unterscheid’ ich. – Hülfe! Hülfe!
Ruft die Zofe; – „Ruhig, spricht die Dame,
Ist uns doch kein Leides wiederfahren.“
Schwebte schon die zärtlichste Begrüßung;
Ausgebreitet hielt ich schon die Arme,
Die Willkommne an mein Herz zu drücken.
Doch im Nu gab mir, ich weiß nicht welcher
Noch durch Ueberraschung zu erhöhen. –
Tief drück’ ich den Hut mir in die Augen,
Decke mit des Ueberrockes Klappen
Kinn und Mund; mit schnarrender, verstellter
Mein Geleit ward dankbar angenommen, –
Meinen Armen eilte sie an meinem
Arm entgegen; hell vor ihrer Seele
Stand das Bild der frohsten Ueberraschung;
Ach! der Liebe süßen Drang. Wir schlüpften
Schweigend durch die dunklen Gassen. Dasmahl
Segnet’ ich die sonst so oft verwünschte
Kargheit der Erleuchtung. Vor der Wohnung, –
Abschied, zärtlich Abschied nahm der Führer,
Doch sein Händedruck blieb unerwiedert. –
Und die Thür ging auf, der Leuchte Schimmer
Fiel auf mein Gesicht, mit ihm der Neugier
Brünstig erst umarmt, dann ausgescholten
Stand ich, lachend, vor ihr. Des Entzückens
Sprachverwirrung ließ auf ihre Fragen
Mich nicht Worte zur Erzählung ordnen.
Welch ein trautes Gegenüber! Endlich
Im getheilten Bett welch süßer Schlummer!