Die Stiftung des Waisenhauses in Lichtenthal
Ein Wanderer begrüßte froh die Flur
Der unvergeßlich theuern Heimath wieder;
Im Rosenglanz erglühte die Natur,
Die Abendsonne glitt am Berge nieder;
In Bilder seiner Knabenzeit versunken.
Mit Wonnestrahlen sein Gesicht verklärt
Der Anblick seiner heimathlichen Gauen:
„Hab’ Dank, o Gott! daß du mir noch gewährt,
Hängt doch, mit seinen innigsten Geweben
An dir, o Heimath, meines Herzens Leben!“
Und in begeistertem Gebete wallt,
Dem lichten Himmel sein Gemüth entgegen;
Vom Wege her zum frommen Abendsegen;
Er naht, und vor ihm steht, erleuchtet helle
Vom letzten Sonnenglanz, die Waldkapelle.
Und drinnen kniet ein Knäblein wunderhold,
Sein thränend Aug’ erglänzt im Abendgold,
„Was will das Kind? Vom Himmel eine Spende?
Ach! finden Sorgen, Leiden, Noth und Schmerzen
Schon Raum im ahnungslosen Kinderherzen?“
Und spricht mit sanftem Wort: „Hör’ auf zu weinen!
Was hat man, armer Knabe, dir gethan?
Quält dich schon Unglück? Sprich, wer sind die Deinen?
Sag’ mir dein Leid, ich helfe gern den Armen,
„Ach!“ – sprach das Kind, und Thränen hell und klar
Entströmen seinen Augen – „Ach! sie haben
Den guten Vater schon vor einem Jahr,
Die arme Mutter heute schon begraben!
Kein Mensch erbarmt sich mehr der armen Waise!“
Und wie ein Blitzstrahl, welcher zündet schnell,
Durchzückt es plötzlich unsres Wandrers Seele,
Vor seinen Augen stand es klar und hell,
Zu seinem Heil; was er ihm könnt’ bescheeren,
Das mußte ihn der Waisenknabe lehren.
Kaum ist’s gedacht, so führt er auch es aus,
Und auf der That ruht Gottes reichster Segen,
Um Waisen hier zu lehren und zu pflegen;
Dort aus viel hundert dankerfüllten Herzen
Wird keine Zeit sein Angedenken merzen.