Die Senne
Hier ist der Ort, die alte Stätte,
Wo auf der Haide dürrem Sand
Vor langer Zeit mein Wiegenbette
Im engen Vaterhause stand.
Längst schwand es in der Jahre Lauf,
Und gastlich nimmt die fremde Schwelle,
Das fremde Dach, den Wandrer auf.
Auf dieser Flur, so öd’ und stille,
Die Haidelerche und die Grille
Dem Knaben einst das Wiegenlied.
Ich mein’, ich müßt’ ihn heut noch hören,
Den Nachtwind, in den Wipfeln hoch,
Er wunderseltsam rauschend zog.
Daß sie noch lag, wenn rings die Au
Sich schmückte in den Maientagen,
Daß sie, gemieden und vergessen,
Das blöde Stiefkind der Natur,
Im Winkel stand, wenn unterdessen
So bräutlich lachten Wies’ und Flur.
Der Sommer ihr das Hochzeitskleid,
Flocht ihr in’s Haar die Haideblüthe,
Und schön in ihrer Dürftigkeit,
Der Armuth Kind im schlichten Kleide
Das ist die Poesie der Haide,
Der stillen Senne Poesie. –
Es raucht kein Schlot auf dieser Fläche,
Hier schimmert nicht der Oefen Licht;
Und laute Hammerwerke nicht.
Hier frohnt der Mensch mit seinem Arme,
Vom Frühroth bis der Abend graut,
Schier unermüdlich, gleich dem Schwarme
Der breite Strom des Lebens rollt,
Hängt er an seiner dürren Scholle
Und nimmt gelassen, was sie zollt:
Den Bienenfleiß der Sommerzeit;
Zufrieden, wenn gefüllt die Waben
Und wenn die Knollenfrucht gedeiht. –
Schon früh in meiner Kindheit Tagen
– Ich dank es ihm! – hinweggetragen
In reichgeschmückter Fluren Schooß;
Wo mit den fruchtbeladnen Auen
Sich mischen Wald und Wiesengrün;
Und silberhelle Bäche ziehn.
Da trank ich an dem frischen Borne
Der vielbewegten Gegenwart
Und nahm, was in gefülltem Horne
Die neue Zeit mit mächt’gen Schwingen,
Dem Großen, was sie angestrebt,
Hab’ ich gesehn in ihrem Ringen
Und mitgefühlt und mitgelebt:
Des Lebens oft und der Natur,
Zieht’s wie ein Heimweh mich zur Stille,
Zum Frieden dieser Haideflur.
So kreis’t die Schwalbe um’s Gemäuer,
Zum alten Nest an alter Scheuer
Am sonn’gen Frühlingstage zieht.