Die Riesenhöhle bei Balve (Kämpchen)
[76] Die Riesenhöhle bei Balve.
(Sauerland.)
Die Sonne sank – im Abendstrahl
Stieg ich zu Balves Felsensaal,
Der wie ein Dom vor mir gebreitet,
Sich übermächtig dehnt und weitet,
Aufstrebt wie ein Gigantenbau. –
Ich stieg hinan und trat hinein –
Die Sonne gab noch glühen Schein
Dem Felspalaste am Portale,
Wohin mein Fuß jetzt langsam ging,
Die Nacht schon ihren Mantel hing. –
Verödet lag der weite Raum,
Ich sah die letzten Enden kaum
Und dann – gespenstiges Gesichte –
Gewannen plötzlich Leben hier
Die Vorwelt-Hünen – Mensch wie Tier. –
Ich sah Gestalten aufersteh’n,
Und wie sie Träume nur bescheren,
Das Mammut und den Höhlenbären,
Und wie der Mensch mit ihnen rang,
Der Steinzeit, und die Keule schwang. –
Daß Phantasie ihn kaum erdacht,
Und der doch wirklich hat bestanden,
Weil sich Beweise dafür fanden
Aus jenen Zeiten, wild und rauh,
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Wie oft mag hier der Grund gedröhnt,
Wie oft geröchelt und gestöhnt
Der Kämpfer haben im Turneie –
Wie oft der Fels vom Todesschreie
Wenn Mut erlag der Uebermacht?
So woben ihren Schleier dicht
Ein Höhenspuk, ein Traumgesicht,
Um mich mit immer fester’n Ringen –
Den Spuk entzaubernd, an mein Ohr –
Es war mein Freund am Felsentor. –
Nun zogen beide wir gemach
Im Grünen, unter’m Tannendach,
Mein Freund, der stets fidel und heiter,
Sang Lieder durch den Waldesraum –
Ich dachte an den Höhlentraum. –