Textdaten
<<< >>>
Autor: Jodocus Donatus Hubertus Temme
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Räuber um Gollenberge
Untertitel:
aus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. S. 195–198
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1840
Verlag: Nicolaische Buchhandlung
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google und Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[195]
157. Die Räuber im Gollenberge.

Der Gollenberg hatte in früheren Jahren eine Menge tiefer und dunkler Waldklüfte, in denen sich lange Zeit hindurch große furchtbare Räuberbanden aufhielten. Es ist noch jetzt mitten im Gollenberge eine Vertiefung, welche [196] die Räuberkuhle heißt; in dieser sollen sie ihr Hauptlager gehabt haben. Das Gesindel hatte sich so furchtbar gemacht, daß Keiner wagte, es anzugreifen, und daß sie ungescheut plünderten und mordeten, was ihnen unter die Hände fiel. Da wurden sie endlich auf folgende wunderbare Weise gefangen:

In der Herberge zu Cöslin langte eines Abends bei großem Unwetter ein fremder Reisender an, der unter dem Gollenberge hatte herreiten müssen, und der dabei gar unheimliches Getümmel oben auf dem Berge vernommen hatte. Er hatte sich deshalben beeilt, die Stadt zu erreichen, und er zitterte noch und war bleich vor Schrecken, als er in das Gastzimmer trat. Darüber neckten ihn einige anwesende Gesellen, die sich hinter dem warmen Ofen und dem Glase Wein wunders wie tapfer und muthig dünkten. Der Reisende, den solches verdroß, bot ihnen eine große Summe Geldes an, wenn Einer von ihnen, oder auch sie Alle es wagten, jetzt gleich auf den Gollenberg zu gehen, und zum Zeichen, daß sie da gewesen, sein Tuch, das er ihnen hinlegte, um die eiserne Fahne binden würden, die zum Merkzeichen für die Schiffer auf der Spitze des Berges errichtet war. Da entfiel aber den Prahlern das Herz, und es hatte keiner den Muth, das Abenteuer zu bestehen.

Das hörte die Magd des Wirthshauses mit an, die eine muntere, beherzte Dirne war, und weil sie sehr arm war, so kam ihr die Lust an, daß sie das Geld verdienen möge. Sie sagte das dem Fremden, der hatte nichts dagegen, und obgleich alle Andern ihr abredeten, und ihr vorstellten, wie sie in die Hände der Räuber fallen und dann niemals wiederkehren werde, so blieb sie doch fest bei ihrem Vorsatze. Sie nahm das Tuch des Reisenden, und ging nun getrost, ganz allein in dunkler Nacht und in schrecklichem Unwetter, aus der Stadt hinaus dem Berge [197] zu. Anfangs ging Alles gut. Sie kümmerte sich nicht um das Heulen des Sturmes, der durch die Eichen fuhr, und nicht um das Krächzen der Raben und Eulen, die überall um sie herflogen. Als sie aber die Spitze des Berges erreicht hatte, und so ganz allein da stand in dem furchtbaren Sturmwinde, in der Nähe der blutigen Räuberbande, und fern von aller menschlichen Hülfe, und als auf einmal dicht bei ihr die alte eiserne Fahne anfing zu knarren, daß es ihr durch Mark und Bein fuhr: da klopfte ihr das Herz, daß sie es hören konnte trotz dem Heulen des Windes, und sie gerieth in eine solche Angst, daß sie nur kaum noch zu der Fahne gelangen und das Tuch herum winden konnte.

In dem Augenblicke aber, als sie das that, hörte sie nahe bei sich ein lautes Horn, das furchtbare Horn der Räuber, das die Einwohner von Cöslin nur zu oft in manchen Nächten, wenn das Gesindel in die Nähe der Stadt gezogen kam, gehört hatten. Da vergingen der armen Dirne fast die Sinne, und sie sah keine Rettung, wie sie in der dunklen Nacht und mit ihren, vom Schrecken gelähmten Gliedern werde entfliehen könne. Auf einmal erblickte sie aber neben sich ein Roß, das an einen Baum gebunden war. Es war hoch und weiß von Gestalt, und hatte einen silbernen Zaum. Auf das eilet sie zu und löset es von dem Baume und schwingt sich hinauf. Und nun jagte sie vom Berge hinunter, was das Pferd nur laufen konnte. Allein die Räuber hatten sie schon gewahrt, das Horn hatte sie alle beisammen gerufen, und auf einmal hörte sie, wie ein großer Haufe auf schnellen Rossen, die alle silberne Schellen trugen hinter ihr herjagte und immer näher an sie herankam. Da trieb sie ihr Roß stärker an, und jagte blind zu, den Berg hinunter. Und als die Noth am größten war, und die Nächsten hinter ihr [198] schon dicht an ihr waren, da hatte sie gerade das Stadtthor erreicht, und sie war gerettet. Aber die Räuber hatten sie in so großer Verblendung und Wuth verfolgt, daß sie nicht einmal gewahrten, wie sie sich in der Stadt befänden. Das ward ihr Untergang; denn die muthigen Cösliner schlossen nun geschwind das Thor hinter ihnen zu, und fingen sie Alle. Am anderen Tage zogen darauf die Bürger auf den Gollenberg und zerstörten das Raubnest gänzlich. Sie fanden dort viele Gebeine von Erschlagenen, aber auch viele Reichthümer. Unter der Beute war auch das große Horn der Räuber. Es war drei Fuß lang, und von starkem Metall gegossen. Dasselbe wurde zum Horn des Nachtwächters für die Stadt bestimmt. Als solches thut es noch bis auf den heutigen Tag in Cöslin Dienste.

Vgl. Pomm. Provinzial-Blätter, I. S. 211-216. II. S. 4. 6.