Textdaten
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Autor: A. St.
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Titel: Die Quitze
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aus: Die Gartenlaube, Heft 45, S. 713–716
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1862
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[713]
Der Kampf der Hohenzollern mit dem Junkerthum.
Nr. 1. Die Quitze.

Am Morgen des 24. Juni 1412 hatten sich die Bürger der alten Hauptstadt Brandenburg im schönsten Festesschmuck vor den Thoren aufgestellt. Eine zahlreiche Volksmasse wogte in den engen Gassen auf und nieder und drängte sich besonders nach der Wittenberger Straße, denn auf dieser erwartete das Volk den neuen Landeshauptmann der Mark Brandenburg, den Burggrafen Friedrich VI. von Nürnberg, der endlich Ordnung und Recht in der verwahrlosten Mark wieder herstellen sollte.

Kaiser Sigismund hatte den Burggrafen, seinen alten, treuen Freund, für viele und wichtige Dienste, mit der Landeshauptmannschaft der Mark betraut und ihm das volle Souverainetätsrecht über dieselbe mit allen Herrschaften und Lehnen übergeben, mit dem Versprechen, daß er, wenn er jemals die Mark zurückfordern solle, dies nur gegen eine Entschädigung des Burggrafen durch die Summe von 100,000 Goldgulden thun wolle.[1]

Jetzt kam der Burggraf, um die Herrschaft seines Landes anzutreten. Die Bürger freuten sich des neuen Herrn, und als nun Friedrich an der Spitze eines kleinen Reiterzuges, begleitet durch den Herzog Rudolph von Sachsen und seinen Unterstatthalter, den Edlen Wend von Ileburg, erschien, da empfingen ihn freudig strahlende Gesichter, aber kein lauter Jubelruf erschallte, wie ihn der neue Herrscher erwartet hatte. Schweigend ließ die zahlreich versammelte Volksmenge den Landeshauptmann vorüber reiten.

Friedrich schlug seine Residenz in der Burg auf; er ließ sofort einige angesehene Männer aus Brandenburg zu sich entbieten, um von ihnen Auskunft zu erhalten über die Stimmung des Volkes, über den seltsamen Empfang, der ihm geworden. Wohl ahnte er, welche Gründe die Bürger von Brandenburg zum Schweigen veranlaßt hatten, denn es war längst sein Bestreben gewesen, sich genau mit den Verhältnissen des Landes, dessen Wohl und Wehe ihm jetzt anvertraut war, gewissenhaft bekannt zu machen; aber er wollte sich nicht auf die vielleicht parteiisch gefärbten Berichte verlassen, welche er in Süddeutschland erhalten hatte.

Der Bischof von Brandenburg, Henning von Bredow, der Edle Wend von Ileburg, der Provisor des Klosters, Engelbert Wusterwitz, ein gelehrter Mann, der Geschichtsschreiber jener Zeit, der treffliche Abt des Klosters Lehnin, Heinrich Stich, erschienen vor dem Burggrafen und gaben ihm auf sein Verlangen eine wahrheitsgetreue Schilderung der Zustände, welche in der Mark herrschten, eine Schilderung, welche wohl jeden Andern, als den thatkräftigen, kühnen, selbstbewußten Friedrich von Hohenzollern, von dem Versuche abgeschreckt hätte, Ordnung in die chaotische Verwirrung der Verhältnisse zu bringen.

Die Mark Brandenburg war damals ein gänzlich vernachlässigtes Stück deutscher Erde; seit vielen Jahren hatte das unglückliche Land nur dazu gedient, seine Fürsten zu bereichern. König Sigismund von Ungarn, der die Mark von seinem Vater, dem Kaiser Karl IV., geerbt, hatte dieselbe seinem Vetter Jobst von Mähren, einem geldgierigen Geizhals, verpfändet, und dieser suchte nun während seiner ganzen Regierung aus dem ohnehin armen Lande, der Streusandbüchse des heiligen römischen Reichs, so viel Steuergelder zu pressen, als irgend möglich. Um die Regierung der Mark bekümmerte er sich gar nicht, er überließ dieselbe seinen schwachen Statthaltern.

Ein Zustand vollkommener Gesetzlosigkeit war die natürliche Folge. Wer die Gewalt besaß, der hatte auch das Recht. Der schloßgesessene Adel kümmerte sich bald gar nicht mehr um den Landesfürsten, er lebte frei auf seinen stolzen Schlössern, sammelte auf denselben eine Schaar raubgieriger Knechte und führte mit diesen unaufhörliche Kriege gegen die Städte und selbst gegen die der [714] Mark benachbarten Fürsten. An der Spitze des märkischen Adels standen zwei Bruder, Dietrich und Johann von Quitzow, tapfere und talentvolle Männer, welche sich ein gewaltiges Ansehen unter ihren adligen Genossen verschafft halten. Ueber 24 feste Schlösser, welche theils ihnen selbst, theils ihren nächsten Freunden gehörten, konnten sie gebieten, und von diesen Festungen aus führten sie Krieg gegen Jedermann, der es wagen wollte, ihnen zu widerstreben. Der „böse Quitz“, so wurde Dietrich von Quitzow, der älteste der Brüder, seiner Härte und Grausamkeit wegen vom Volke genannt, herrschte fast unumschränkt in der Mark, denn willig beugten sich ihm die übrigen stolzen Adligen, welche ihn, seiner höhern geistigen Fähigkeiten wegen, als ihr Haupt anerkannten.

Die Adelsherrschaft war eine furchtbare Geißel für das unglückliche Land. Die Quitzow’s und ihr Anhang bekriegten die Städte nach frecher Willkür, meist ohne auch nur den Schein des Rechts zu wahren. Ihre räuberischen Knechte lagerten auf den Landstraßen und fingen die Kaufleute ab, sie raubten denselben ihre Güter, und glücklich der Bürger, der allein mit dem Verlust seines Eigenthums davon kam, oft genug wurden die Kaufleute gefangen in die Burgen geführt, in das tiefste Verließ geworfen und dort so lange in grausamster Gefangenschaft gehalten, bis ihre Freunde sich herbeiließen, sie aus derselben durch Zahlung großer Geldsummen zu lösen. Die Dörfer, welche den Städten oder geistlichen Stiften gehörten, mit denen irgend einer der adligen Räuber in zufälliger Fehde lag, wurden von den Rittern schonungslos verheert. In dunkler Nacht erschien plötzlich eine Räuberschaar, warf die Brandfackel in die Strohdächer, erbrach die Thüren der Häuser und trieb die jammernden Bewohner aus denselben. Die Männer wurden oft schonungslos, mitunter mit ausgesuchter Grausamkeit gemordet, die Frauen und Mädchen entehrt. Jedes werthvolle Eigenthum wurde zusammen geschleppt, was sich fortbringen ließ, packten die Räuber auf Wagen, das Uebrige überließen sie der Vernichtung durch die Flammen. Jubelnd und frohlockend zogen nach solcher Mordnacht die adligen Herren nach ihren festen Burgen, eine wüste Brandstätte da zurücklassend, wo am Tage vorher noch ein blühendes Dorf gestanden hatte.

So hatte der Adel seit langen Jahren in der Mark gehaust; war es da wohl ein Wunder, daß das unglückliche Land mehr und mehr in Armuth und Noth versank? „Rauben und Stehlen,“ so sagt ein Zeitgenosse, „war damals in der Mark die größte Kunst und das beste Handwerk,“ und ein Anderer erzählt, „daß, je näher Jemand den Marken gekommen ist, je gefährlicher er gereiset oder gewandert hat.“

Inmitten seiner tiefsten Noth leuchtete endlich dem Volke wieder ein Hoffnungsstern! Kaiser Sigismund hatte dem Burggrafen Friedrich IV. von Nürnberg, dem in ganz Deutschland seines trefflichen Charakters, seines Edelsinns, seiner Kraft wegen geachteten Hohenzollern, die Landeshauptmannschaft der Mark übertragen, dem Fürsten, dessen Wahlspruch: „Es ist die Pflicht der Fürsten, das Recht zu schirmen und das Unrecht zu kränken!“ im ganzen Volk bekannt war. Da athmeten die Bürger und Bauern wieder auf, sie hofften auf eine neue Zeit, sie jubelten dem Fürsten entgegen, und auch die Brandenburger hätten Friedrich gern mit lautem Jauchzen empfangen; aber als sie die kleine Reiterschaar sahen, an deren Spitze er in die Mark kam, da zagten sie und glaubten, daß der Landeshauptmann des mächtigen Adels nicht Herr werden möge, sie fürchteten die Rache des gewaltigen Johann von Quitzow, dessen uneinnehmbares Schloß Plaue ihnen so nah auf dem Nacken lag, des übermüthigen Wichard von Rochow, der seit langer Zeit das Einzugsrecht in Brandenburg hatte, wenn sie den Burggrafen zu laut und freudig begrüßten.

So hoffnungsvoll die Bürger und Bauern die Nachricht von der Ernennung Friedrich’s von Hohenzollern empfangen hatten, so widerwärtig war dieselbe dem Adel gewesen. Auf den Schlössern der Quitzow’s in Friesack und Plaue hatten sich die adligen Herren versammelt, um zu berathen, wie sie den Hohenzollern empfangen sollten, von dem sie im voraus wußten, daß er sich mit kräftiger Hand ihren Machtübergriffen, ihrem gesetzlosen Treiben, dem schandbaren Räuberunwesen, entgegenstellen werde. Da waren sie alle zusammengekommen, Dietrich und Johann von Quitzow, der Edle Kaspar Gans von Puttlitz[WS 1], Wichard von Rochow, die Holzendorffs, die Bredows und Alvenslebens, Albrecht von Uchtenhagen, die Brüder von Maltitz, die Gorentzke und so viele Andere, die an den Quitzow’s hingen.

Ein mächtiger Widerstand gegen den Hohenzollern! Das war das Losungswort der adligen Herren; einen „Nürnberger Tand“, so nannten sie den Fürsten. „Und wenn es alle Tage Burggrafen vom Himmel regnet,“ rief Dietrich von Quitzow, „wir wollen uns ihnen nicht unterwerfen!“ Damals, wie in allen Zeiten, hielten es die Adligen mit den Fürsten nur so lange, als sie durch dieselben einen Vortheil erwarten konnten.

Ein fester Adelsbund wurde gegen Friedrich von Hohenzollern geschlossen, und die Quitzows entblödeten sich nicht, zu diesem auch auswärtige Hülfe heranzuziehen, sie verbündeten sich mit Friedrich’s Feinden, den jungen Herzögen von Pommern-Stettin.

So standen die Verhältnisse, als der erste Hohenzoller einzog in die Mark Brandenburg; aber Friedrich zagte nicht, er war sich bewußt, das Rechte zu wollen, und er fühlte die Kraft in sich, es zu vollbringen. – Mit ruhiger Mäßigung und kraftvoller Entschiedenheit begann er die Regierung, fest entschlossen, das gebrochene Recht wieder herzustellen.

Vor allen Dingen kam es dem Burggrafen darauf an, die Stimmung im Lande kennen zu lernen, zu sehen, ob er sich auf die Sympathien des Volkes stützen könne; so zog er denn von Stadt zu Stadt, überall nach der Sitte der Zeit die Huldigung der Bürger entgegennehmend. – Wohin er kam, da wurde er von Bürgern und Bauern mit Jubel empfangen, das Volk stand zu ihm, darüber durfte er außer Sorge sein, und selbst manche der besser denkenden Edelleute, wie die trefflichen Grafen von Ruppin, wurden durch Friedrich’s einfache Rechtlichkeit für ihn gewonnen; aber die Mehrzahl des Adels blieb ihm fremd. – Wie sehr sich der Burggraf auch bemühte, die Widerstrebenden durch Milde und Freundlichkeit an sich heranzuziehen, alle seine Anstrengungen waren vergeblich, sie hatten nur den Erfolg, daß die stolzen Quitzows höhnend aussprachen, „der Nürnberger Krämer“ fürchte sich vor ihnen, sie wollten ihn bald genug mit Schimpf und Schand’ aus dem Lande jagen! – Sie weigerten sich der Huldigung, sie zogen das Raubgesindel aus dem ganzen Lande auf ihren Schlössern zusammen und rüsteten mächtig.

Die Langmuth des Burggrafen wurde endlich erschöpft, er sah ein, daß er gezwungen sei, mit Waffengewalt den rebellischen Adel zu Paaren zu treiben; aber er verhehlte sich auch nicht, daß dies ein gefährliches Unternehmen sei, denn aus seinen fränkischen Landen konnte er vorläufig nur eine kleine Kriegerschaar herbeiziehen, und die Zuzüge der Städte reichten nicht hin, um den Krieg gegen die mächtigen Quitzows zu beginnen. Friedrich suchte deshalb Bündnisse mit den benachbarten Fürsten zu schließen, und dies gelang ihm auch; aber ehe er noch vollkommen gerüstet war, kam es im October zum Kampf. – Friedrich’s kleines und aus wenigen fränkischen Rittern und Bürgern der Städte bestehendes Heer wurde von den Quitzows und den Pommern in großer Ueberzahl angegriffen und geschlagen, obgleich die Bürger mit wahrem Heldenmuthe gekämpft hatten.

Die Quitzows triumphirten, schon glaubten sie den Burggrafen vollständig besiegt zu haben, mordend und plündernd zogen sie mit ihren Schaaren umher und verwüsteten die Dörfer des Erzbischofs von Magdeburg, der ein Bündniß mit Friedrich geschlossen hatte; aber bald genug sollten sie zu ihrem Schrecken gewahren, daß sie zu früh frohlockt hatten; die Herzöge von Pommern weigerten sich, den Kampf fortzusetzen, und Kaiser Sigismund nahm sich plötzlich mit nicht geahnter Energie seines Freundes an; er bedrohte die Quitzows und ihre Freunde mit der Reichsacht und Oberacht, wenn sie sich länger der pflichtmäßigen Huldigung weigern würden.

Wieder fanden auf den Schlössern der Quitzows vielfache Zusammenkünfte der vornehmsten märkischen Adeligen statt, wieder ernste und oft aufgeregte Berathungen. – Des Kaisers Oberacht schreckte gar manche von denen, welche früher zu den festesten Verbündeten der Quitzows gehört hatten, die Schaar ihrer Anhänger verminderte sich, und endlich mußten sie sich überzeugen, daß sie bei einem erneuerten Kampfe Alles auf’s Spiel setzen, vielleicht Alles verlieren würden. – Sie entschlossen sich, nachzugeben, den Huldigungseid zu schwören, wenn Friedrich sie in ihren Rechten und Privilegien bestätigen würde; aber der Eid sollte ihnen nur ein Mittel sein, um den Burggrafen sicher zu machen, sie waren entschlossen, ihren Schwur zu brechen bei der ersten günstigen Gelegenheit. –

Am 4. April 1413 fand im hohen Hause in der Brüderstraße [715] in Berlin (dem jetzigen Lagerhause in der Klosterstraße, welche damals Brüderstraße hieß) die feierliche Huldigung statt. Friedrich begrüßte die zu ihrer Pflicht Zurückgekehrten mit freundlicher Herablassung und edler Offenheit. Die liebreizende Gemahlin des Burggrafen „Schön Elfe“, wie sie vom Volke bezeichnend genannt wurde, zog sie zur Tafel und zwang selbst die rauhen märkischen Bären zur Bewunderung ihrer bezaubernden Liebenswürdigkeit.

Der Friede schien hergestellt, die Quitzows zeigten sich sogar bereit, den Burggrafen auf einem Zuge gegen die Brüder von Maltitz auf Trebbin zu begleiten und diese ihre frühern Freunde für ihre Räubereien zu bestrafen; aber trotzdem war es nur ein Scheinfriede, denn im Geheimen rüsteten die Quitzows kräftiger denn je; sie befestigten ihre Schlösser mehr und mehr, verproviantirten sie und richteten sie auf eine längere Belagerung ein; sie waren entschlossen, den Kampf mit dem Landeshauptmann sobald als möglich wieder zu beginnen, und schlossen deshalb feste Schutz- und Trutzbündnisse mit den vornehmsten Adeligen der Mark ab, mit dem Edlen Kaspar Gans von Puttlitz[WS 2]. mit dessen Schwiegersohn Wichard von Rochow und manchen Anderen.

Friedrich hatte befohlen, daß endlich die wilden, das Land verwüstenden Fehden der Adeligen unter einander und mit den benachbarten geistlichen Stiften aufhören sollten. An diesen Befehl aber kehrten sich weder die Quitzows noch ihre Freunde. Kaspar von Puttlitz unterhielt eine wilde Fehde mit dem Bischof von Brandenburg, die Quitzows und Wichard von Rochow machten täglich wüste Raub- und Plünderungszüge in das Magdeburgische, verbrannte Dörfer auf ihrer Spur zurücklassend.

Friedrich von Hohenzollern ermahnte die wilden Händelsucher vergebens zum Frieden, mit Hohn wurde er zurückgewiesen; „der schildgeborene Adel,“ so antworteten die Quitzows und Puttlitz auf die Ermahnungen des Burggrafen, „habe das Fehderecht so gut wie der Fürst, und dürfe sich dasselbe nicht verkümmern lassen;“ und als ihnen endlich Friedrich drohend den vom Kaiser gebotenen Landfrieden in’s Gedächtniß rief und ihnen befahl, die Waffen gegen seinen Verbündeten, den Erzbischof von Magdeburg, ruhen zu lassen, widrigenfalls er selbst sich mit dem Erzbischof gegen sie verbünden müsse, da wiesen sie auch diese ernste Ermahnung mit Verachtung zurück; sie glaubten sich jetzt gekräftigt genug zum siegreichen Kampf gegen ihren Landesherrn.

Friedrich’s Geduld war endlich erschöpft, er entschloß sich zum Kampfe und rüstete zu demselben mit rastloser Thätigkeit, denn er war sich sehr wohl bewußt, daß eine Niederlage für ihn gleichbedeutend mit dem Verlust der Mark Brandenburg war. – Vom Kaiser erwirkte er die Achtserklärung gegen die Landfriedensbrecher, von den Städten erheischte er die Stellung kräftiger Hülfsschaaren, welche ihm freudig bewilligt wurden, und mit den benachbarten Fürsten schloß er Bündnisse, in denen ihm zahlreiche Hülfstruppen zugesagt wurden.

Das Glück begünstigte den Burggrafen in dieser Zeit der ernsten Entscheidung. Der mächtigste Freund der Quitzows, Kaspar von Puttlitz, wurde auf einem Raubzuge gegen den Bischof von Brandenburg gefangen und dadurch unschädlich gemacht, die Herzöge von Pommern weigerten sich aus Furcht vor dem Kaiser, den Geächteten beizustehen, und viele der kleineren Adeligen zogen sich scheu zurück, als es zum ernsten Kampfe kam, weil des Burggrafen schnell wachsende Macht sie schreckte.

So sahen sich die Quitzows plötzlich auf sich allein angewiesen, nur Wichard von Rochow, den ebenfalls die Acht getroffen halte, hielt treu zu ihnen. – Sie hätten jetzt recht gern nachgegeben, aber es war zu spät, ihre Friedensanerbietungen wurden zurückgewiesen, der Burggraf sammelte sein Heer und der Kampf begann.

Noch immer hofften die Quitzows auf einen endlichen Sieg, freilich konnten sie sich nicht, wie früher am Kranner Damm, in eine offene Feldschlacht wagen, dazu reichten ihre Streitkräfte nicht aus; aber sie konnten sich zurückziehen in ihre festen, für uneinnehmbar gehaltenen Burgen, dort konnten sie dem Burggrafen Monate, vielleicht Jahre trotzen, bis die Kraft desselben erschöpft war, bis ihn seine Bundesgenossen verließen, bis sie endlich doch als Sieger aus dem schweren Kampfe hervorgingen. – Diesem Plane gemäß zog sich Dietrich von Quitzow mit dem Kern seiner Mannschaft nach Schloß Friesack zurück, Johann von Quitzow hielt das gewaltige Schloß Plaue besetzt, Wichard von Rochow blieb in Schloß Golzow.

An einem und demselben Tage begannen die Heere des Burggrafen und seiner Verbündeten die Umlagerung der drei mächtigen Schlösser. Der Erzbischof von Magdeburg legte sich vor Schloß Plaue, Herzog Rudolph von Sachsen vor Schloß Golzow, der Burggraf selbst vor Friesack.

Schloß Friesack lag mitten im wilden und sumpfigen havelländischen Luch, geschützt durch die unergründlichen Moräste, welche im Sommer jede Belagerung unmöglich machten, jetzt aber im Februar 1414 gefroren waren. Starke Mauern und feste Thürme schützten das Schloß, welches nach den Begriffen jener Zeit uneinnehmbar war. Dietrich von Quitzow war so fest von der Trefflichkeit seiner Festungswerke überzeugt, daß er nur spöttisch lachte, als er vom Altan des Schlosses auf das zahlreiche Belagerungsheer hinab blickte; – aber es ging ihm doch nahe, daß er unter den Fahnen, welche die Belagerer auf ihren Zelten aufgepflanzt hatten, manche ihm früher befreundete erblickte, denn viele Edelleute hatten den sinkenden Stern der Quitzows verlassen und waren dem aufsteigenden der Hohenzollern gefolgt.

Im weiten Kreise zogen sich die Zelte des Belagerungsheeres rings um Schloß Friesack, ritterliche Banner wehten neben den Fahnen der Städte, die Bürger tummelten sich im Waffenspiel neben den Mannen der Fürsten und den Rittern. Vorsichtig hatte Friedrich zu dem entscheidenden Kampf die ganze Kraft aufgeboten, er hatte sich einen neuen Verbündeten gewonnen, der in diesem Kampfe den Ausschlag geben sollte, – ein gewaltiges Geschütz, welches er vom Landgrafen Friedrich in Thüringen geborgt hatte.

Die großen Geschütze waren damals noch unbekannt in der Mark Brandenburg, und die „faule Grete“[2], so nannte man die thüringische Kanone, erregte deshalb bei den Rittern im Lager, welche bisher nur kleine Böller gesehen hatten, großes Staunen, man wartete mit Begier auf die Wirkung, welche die Kugeln des mächtigen Geschützes auf Festungswerke haben würden. Alle Erwartungen, welche Friedrich selbst von der Kraft seines Geschützes hatte, wurden von dem Erfolg weit übertroffen. – Schon der erste Schuß zeigte, daß Schloß Friesack dem Untergange geweiht war. – Die gewaltige steinerne Kugel durchbrach krachend die Wand eines festen Thurmes und verschwand im Innern desselben. – Noch wenige Schüsse, und der Thurm stürzte zusammen. -

Dietrich von Quitzow schaute mit Entsetzen auf das Zerstörungswerk, binnen wenigen Tagen sah er die Mauern seines Schlosses von den Kugeln der faulen Grete zusammensinken und eine weite Bresche sich öffnen. – Er war verloren, er konnte jetzt der Ueberzahl nicht länger widerstehen. – Da faßte er den Entschluß, wenigstens seine Freiheit zu retten; an der Spitze seiner Reiter machte er mit Beginn der Nacht einen Ausfall, es gelang ihm, die Reihen der Belagerer zu durchbrechen, und in wilder Flucht jagte er von dannen. Am folgenden Morgen fiel Schloß Friesack.

Schloß Golzow war schon früher genommen worden. Wichard von Rochow halte sich dem Herzog Rudolph von Sachsen ergeben müssen; er erhielt Begnadigung unter der Bedingung, daß er sich im Büßergewande, den schmachvollen Strick um den entblößten Hals gelegt, flehend dem Herzog zu Füßen werfe. –

Noch stand Plaue, das gewaltigste der Quitzow’schen Schlösser. Auf der äußersten Spitze einer in die Havel strebenden Landzunge gelegen, von 14 Fuß dicken Mauern umgeben, spottete die Festung den Belagerungskünsten des Erzbischofs; aber auch hier sollte sich die mörderische Kraft der faulen Grete, welche von Friesack nach Plaue gebracht wurde, bewähren. – Eine Kugel nach der andern schlug gegen die Umfassungsmauern, immer an dieselbe Stelle. – Johann von Quitzow lachte über das wahnsinnige Unternehmen, solche Mauer niederlegen zu wollen, spottend sah er die Kugeln an den Steinen zersplittern; aber bald wich das Lachen der Besorgniß, ein paar Steine wurden durch die Kugeln gelöst, diesen folgten mehrere, und in vier bis fünf Tagen war die Mauer fast bis zur Hälfte ihrer Dicke durchbrochen. –

Johann’s Muth war erschüttert, aber nicht gebrochen! Die faule Grete, der gefährlichste Feind, mußte unschädlich gemacht werden, und dies konnte durch einen kühnen Ausfall geschehen. – In dunkler Nacht wurde die Ausfallspforte geöffnet, die Quitzow’schen Reiter stürmten hervor; aber sie wurden kräftig empfangen und zurückgeschlagen. Mit jedem Tage erweiterte sich die Bresche, jetzt [716] konnte sich Johann von Quitzow nicht mehr verhehlen, daß Plaue fallen müsse. – Er beschloß zu fliehen, in der Nacht verließ er das Schloß zu Fuß und ging über das Eis, um sich im Rohrdickicht der Havel zu verbergen; ein treuer Knecht erhielt den Befehl, ihm sein Streitroß nachzuführen. –

Johann erreichte glücklich, von den Belagerern unbemerkt, das Dickicht, hier wartete er; – nach kurzer Zeit erschien auch der Knecht, er führte das Pferd des Quitzow am Zügel, schon glaubte Johann sich gerettet, da bäumte sich plötzlich das Roß hoch auf, riß sich los und jagte im sausenden Galopp davon über das Eis, dem Lager der Feinde zu. –

Johann war verloren, er konnte nicht mehr fliehen, nach kurzer Zeit war er der Gefangene einer Schaar erzbischöflicher Reiter, welche ihn nach dem Städtchen Plaue führten und den verhaßten Ritter dort unter Verwünschungen und Verhöhnungen in den Stock legten; – am folgenden Morgen wurde er nach Calbe in den Kerker gebracht, sein Schloß Plaue ergab sich. –

Der Burggraf hatte einen glänzenden Sieg gefeiert, in wenigen Wochen hatte er diese rebellischen Adligen unterworfen, ihre Macht für immer vernichtet und die Herrschaft der Hohenzollern in der Mark Brandenburg begründet. – Er benutzte seinen Sieg mit ernster Strenge, aber auch mit weiser Mäßigung. Das Vergangene vergaß er, selbst Wichard von Rochow wurde später von ihm begnadigt, aber mit eiserner Energie wachte er darüber, daß der übermüthige Adel nicht ferner der Gesetze spottete. – Er vergaß es nicht, daß er der Treue und Liebe der Bürger die Herrschaft verdankte, welche ihm der Eigennutz des Adels hatte streitig machen wollen. – Wollten doch auch seine Nachkommen dies niemals vergessen! –

Die Macht der Quitzow’s war für immer vernichtet. Dietrich trieb sich als ein Flüchtling unstät umher. – Von glühendem Haß gegen den Burggrafen beseelt, diente er den Feinden desselben, den Herzögen von Pommern und später dem Erzbischof von Magdeburg als Söldner gegen Friedrich. Er machte an der Spitze feindlicher Schaaren noch manchen Fehdezug in die Mark und wüthete hier in fürchterlicher Weise, endlich aber starb er, von allen seinen Freunden verlassen, im August des Jahre 1417 zu Harbke, einem Gute seiner Schwester.

Ueber das Schicksal des Johann von Quitzow fehlen uns zuverlässige Nachrichten. Die meisten Geschichtsschreiber behaupten, er sei im Gefängniß gestorben; andere Quellen aber melden uns, daß ihn der Erzbischof von Magdeburg endlich freigelassen habe, um den tüchtigen Heerführer gegen Friedrich in einer Fehde zu verwenden. Später soll sich Johann von Quitzow dem Kurfürsten unterworfen und dessen Gnade nachgesucht haben, welche ihm auch von dem trefflichen Fürsten gewährt worden sei.

A. St.



  1. Das alte Märchen, Friedrich von Hohenzollern habe die Mark Brandenburg für die Summe von 100,000 Gulden von Kaiser Sigismund gekauft, erhält sich noch bis heute in vielen Geschichtswerken. Der um die märkische Geschichtsforschung so verdienstvolle Niedel hat jedoch auf das Klarste bewiesen, daß die sogenannte Verpfändung der Mark nur ein Scheingeschäft gewesen ist. Sigismund wählte diese Form der Schenkung, um den etwaigen Einsprüchen seines Bruders Wenzel zu begegnen. Die Belehnung der ersten Hohenzollern mit der Mark war lediglich ein Act der Dankbarkeit des Friedrich vielfach verpflichteten Sigismund.
  2. Der Name „die faule Grete“ ist nach neuern Forschungen wahrscheinlich noch nicht in jener Zeit gebräuchlich gewesen, wir haben ihn aber beibehalten, weil er in die Volkssage übergegangen ist.
    Der Verf.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Gand von Puttlitz
  2. Vorlage: Gand von Puttlitz