Die Perle der Antillen und der einsame Stern

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Titel: Die Perle der Antillen und der einsame Stern
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aus: Die Gartenlaube, Heft 39, S. 420–422
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1853
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Die Bemühungen der Vereinigten Staaten, Cuba sich einzuverleiben
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Die Perle der Antillen und der einsame Stern.

Oben ein tiefblauer Himmel, ausgespannt so weit das Auge reicht, unten das Meer mit seinen halb grünen, halb blauen Wogen, aus ihnen emporsteigend ein von üppiger Farbenpracht übergossenes Eiland – das ist Cuba, die Perle der Antillen, der letzte Edelstein, der der Krone Spanien aus dem reichen Diadem der ehemaligen Besitzungen in Amerika blieb. Unter unserm bleichen nordischen Himmel suchen wir vergeblich nach Farben, um eine der reizendsten Spannen der Erde auszumalen, eine Spanne der Erde, bei deren Schilderung selbst die üppige Phantasie der Südländer zur gemeinen Prosa wird.

Cuba ist jedoch nicht nur das reizendste Kleinod der Antillen, welche mit den Bahama-Inseln die Hauptgruppen Westindiens bilden, sondern es nimmt auch seinem Umfang nach den ersten Rang in den Inseln ein, welche geschlossen aneinander vor dem mexikanischen Meerbusen liegen. Cuba ist der Schlüssel zu Mexiko. Bei einem Flächeninhalte von circa 2200 Q.-M. dehnt es sich in einer Länge von 136 Meilen bei einer nur mittlern Breite von 15 Meilen aus. Die Küste ist reich an bequemen Ankerplätzen und Baien, während die Höhenzüge im Innern sich stellenweise bis an 8000 Fuß über die Meeresfläche erheben. Von den verschiedenen Hügelketten ergießen sich den Küsten zu zahlreiche Gewässer, von denen jedoch nur die wenigsten schiffbar sind. Mit edeln Metallen ist Cuba nicht gesegnet; seine Goldfelder liegen nicht unter, sondern über der Erde, aus welcher Taback, Zucker, Kaffee, Baumwolle, Cacao, Indigo, Reis, Mais und alle Südfrüchte in üppiger Fülle gedeihen. Die Thierwelt unterscheidet sich nicht von der europäischen. An der Grenze der Tropenzone gelegen hat Cuba schon alle Annehmlichkeiten des tropischen Klima’s, ohne dessen Beschwerden ausgesetzt zu sein. Der hügelige Charakter des Landes und die frischen Seewinde mäßigen die Hitze, gleichwohl werden die Küstengegenden mehr oder weniger von dem gelben Fieber heimgesucht, das seine Opfer hauptsächlich unter den Fremden herausliest.

Die Hauptstadt Cuba’s, der Sitz des Generalkapitäns und aller höhern Behörden ist Havanna, von den Spaniern San-Cristobal de la Habanna genannt, an einer Bai der Nordwestküste im blühendsten Theile der Insel gelegen, umringt von einem Kranze prachtvoller Landhäuser und Ortschaften, die zwischen Kaffeepflanzungen, feenhaften Gärten und riesigen Palmenalleen wie hingezaubert hervortauchen. Die Stadt selbst ist regelmäßig gebaut, doch sind die Straßen eng und schlecht gepflastert, auch zeichnet sich keins der öffentlichen Gebäude, selbst nicht die Kathedrale, welche seit 1796 die Ueberreste des Entdeckers von Amerika umschließt, durch besondere Pracht aus, wohingegen die Kaufläden, Kaffeehäuser und Conditoreien mit desto größerm Luxus ausgestattet sind. Bei dem Reichthum der Bevölkerung, der durch den hier getriebenen großartigen Handel, jährlich laufen ca. 2000 Schiffe ein, entstanden ist, durchdringt dieser Luxus überhaupt alle Verhältnisse und entspricht außerdem der blendend üppigen Phantasie der Havannesen. An seine jetzige Stelle wurde Havanna 1519 verlegt, nachdem es vier Jahre früher erst an der Südküste auf einem höchst ungesunden Punkte gegründet worden war. Die gegenwärtige Stelle empfahl der sichere und geräumige, von einer Bai gebildete Hafen, in welchem tausend Schiffe Platz haben und zu welchem als Eingang ein 4500 Fuß langer und 1000 bis 1200 Fuß breiter Kanal führt. Dieser Eingang wird von starken Festungswerken vertheidigt, darunter die Forts Morro mit Leuchtthurm und Cabanas jenseits und San Salvador de la Punta diesseits der Stadt (s. die Abbildung). Die Stadt zählt etwa 130,000 Einwohner, welche durchschnittlich auf einer höhern Bildungsstufe stehen, als dies sonst im spanischen Amerika der Fall ist.

Die Schicksale Cubas und seiner Hauptstadt können wir nur in aller Kürze berühren. Von Columbus am 28. October 1492 entdeckt, wurde die vollständige Eroberung der Insel nach und nach bewerkstelligt, was freilich zum großen Nachtheil der Blüthe derselben, 1560 mit der Vertilgung der letzten Eingeborenen endigte. Die glückliche Lage Havanna’s mit seinem trefflichen Hafen rettete jedoch die Insel stets vor allzugroßem Verfalle, selbst als sie im Laufe des 17. Jahrhunderts so gut wie die übrigen Besitzungen Spaniens in Amerika von den damaligen Flibustierbanden mehr als einmal mit Mord, Brand und Raub überzogen wurde. Die in der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts zwischen Spanien und England ausbrechenden Streitigkeiten führten die Engländer auf kurze Zeit (etwa ein Jahr) nach Havanna, lange genug jedoch, um durch Freigebung des Verkehrs, der vorher monopolisirt war, den Grund zu der künftigen Blüthe Cuba’s zu legen, da die spanische Regierung die Herstellung der alten Handelsverhältnisse nicht wieder durchzuführen vermochte. In der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts, so 1812, 1844 und 1848, waren es hauptsächlich Negeraufstände, welche die Regierung zu bekämpfen [421] hatte und in Folge deren viele tausend Opfer unerbittlich hingerichtet wurden, ohne daß indeß der Wohlstand der Insel dadurch erschüttert wurde.

Die gemischte Bevölkerung Cuba’s (von ca. 1 Mill. Einwohner, sind 445,000 Weiße, 200,000 freie Farbige und 375,000 Sklaven) ist im Wesentlichen die Ursache, welche Spanien besorgnißerregend für die fernere Behauptung der Insel macht. Eines Theils gilt es, die Sklavenmasse, welche durch die in den englischen Colonien erfolgte Emancipation aufgeregt worden ist, niederzuhalten, andererseits den von republikanischen Ideen eingenommenen zahlreichen Creolen sowohl zu imponiren, als sie auch in Gutem zu erhalten. Auch dies macht die Lage Cuba’s schwierig, daß durch die von England durchgesetzte Abschaffung des Negerhandels, dieser zu einem heimlichen geworden ist, den die Cubaner, während die Regierung ein Auge zudrückt, noch sehr eifrig betreiben, sich jedoch dadurch schon zahlreiche Ungelegenheiten zugezogen haben. Um diesen verschiedenen ungünstigen Verhältnissen ausgleichend die Spitze zu bieten, hat das Mutterland der Colonie, aus der es übrigens eine bedeutende Revenue zieht, seit Jahren schon die aufmerksamste Sorgfalt zugewendet.

Havannah.

Diese Sorgfalt hat gleichwohl nicht vermocht, die republikanisch gesinnten Creolen zu versöhnen und deren Unabhängigkeitsgelüste finden an den Nordamerikanern einen um so bedeutendern Anhalt, als unter letztern selbst die Vereinigung Cuba’s eine sehr populäre Idee ist, bei welcher man vielleicht nur darin von einander abweicht, ob die Insel mit Waffengewalt erobert werden soll, oder ob man sie der spanischen Regierung abkaufen soll. Unter solchen Umständen konnte es natürlich seitens der Creolen an revolutionären Versuchen zum Sturze der spanischen Herrschaft nicht fehlen. Die bedeutendsten dieser Versuche machte der General Narciso Lopez (Südamerikaner von Geburt), der in den Reihen der spanischen Armee diesseits wie jenseits des Oceans eine lange Reihe von Jahren gefochten, und im Laufe der letzten Jahre die Insel mehrere Male zu insurgiren unternahm, wobei ihm seine Popularität unter dem spanischen Militär zu einem gefährlichen Gegner machte. So landete er auch am 13. August 1851, an der Spitze von etwa 500 Mann, auf der Insel, fand indeß nicht die gehoffte Unterstützung und sah sein kleines Häufchen nach mehrern unglücklichen Gefechten mit den Spaniern zersprengt. Lopez selbst wurde auf der Flucht gefangen und am 1. September in Havanna öffentlich durch die Garotta (ein zu solchen Executionen eingerichtetes eisernes Halsband) erdrosselt. Mehrere seiner Genossen, darunter einige 40 Nordamerikaner, mußten nicht weniger jämmerlich sterben.

In den Vereinigten Staaten von Nordamerika rief die Kunde von diesen Hinrichtungen keine geringe Erbitterung hervor, die sich auch dann noch nicht legte, als die spanische Regierung aus politischen Rücksichten [422] gegen die noch übrigen gefangenen Nordamerikaner Milde eintreten ließ, obschon die Lopez-Expedition ganz ungescheut in den westlichen Staaten der Union betrieben worden war. Versuche, das Feuer in Cuba zu schüren, wurden unausgesetzt gemacht, und führten zu zahllosen Conflicten zwischen Spaniern und Nord-Amerikanern. In der ganzen Union fanden Massenmeetings statt, bei welchen man dem Zorne gegen die spanische Herrschaft auf Cuba Luft machte und mit Rache drohte, ohne daß die nordamerikanischen Behörden bei allem gerichtlichen Einschreiten diese Demonstrationen zu hindern vermochten. Aus dieser Fluth aufgeregter Leidenschaften tauchte der Orden des einsamen Sternes auf, der den Gelüsten der Yankees auf Cuba neue Nahrung zu geben bestimmt war. In Neu-Orleans, wo von jeher der Sitz der gegen Cuba gerichteten Unternehmungen war, ging der einsame Stern auf, der übrigens im Grunde nur eine neue Form für die von Monroe (Präsident der Union von 1817–1825) aufgestellte Doktrin ist: keine Einmischung der europäischen Mächte in die innern Angelegenheiten der südamerikanischen Republiken zu dulden.

Der einsame Stern wurde von einem Dr. Wren aus Alabama gegründet und zählte bald nach seinem Entstehen allein im Süden der Union über 25,000 Mitglieder, unter denen die verschiedensten Klassen der Gesellschaft und alle mögliche politische Parteien und religiöse Sekten vertreten sind. Die Cubanen sind von der Mitgliedschaft ausgeschlossen. Das offen ausgesprochene Ziel des Bundes ist: „Die Ausdehnung und Ausbreitung des Handels, der Macht und der Institutionen der Republik über die westliche Erdhälfte und die Inseln des atlantischen und stillen Meeres.“ Der Bund des einsamen Sterns ist nach Art der Freimaurerei in Logen und Grade gegliedert, von welch letztern er drei zählt. Das Mysterium, in das sich die Leiter des Bundes dabei zum Theil hüllen, ist durch den Umstand geboten, daß die Behörden ihren Bestrebungen mehrfach hindernd in den Weg treten. Indessen fehlt es deshalb an öffentlichen Kundgebungen nicht, wie denn erst noch neulich der Todestag des Generals Lopez in Neuyork öffentlich von den Männern des einsamen Sterns mit einer Trauerfeier begangen wurde. Geldmittel und Waffenvorräthe werden im Geheimen aufgehäuft, und die Perle der Antillen dürfte zunächst als neuer Stern in das Banner der Union kommen.

Die Behörden der einzelnen Staaten, sowie auch die Regierung in Washington, ließen es, wie wir schon angedeutet, an gerichtlicher Verfolgung der Lopezisten und Mitglieder des einsamen Sterns nicht fehlen, eine gewisse Lauheit ließ sich dabei jedoch nicht verkennen und erklärt sich auch hinlänglich dadurch, daß eben die Vereinigung Cuba’s mit der Union eine unter allen Parteien zu populär gewordene Idee ist. Vorzugsweise wird sie freilich von den Demokraten gepflegt. Es lag nun im natürlichen Gange der Dinge, daß die Männer vom einsamen Stern, im Verfolg ihrer Pläne, und da um dieselbe Zeit herum die Neuwahl des Präsidenten der Union stattfand, ihren ganzen Einfluß geltend machten, um einen ihrer Doktrin geneigten Mann an die Spitze des Staates zu bringen. Dies gelang ihnen auch, in Verbindung mit den gesammten demokratischen Elementen des Landes, und so wurde der General Franklin Pierce zum Präsidenten der Union gewählt.

Diese Wahl kann man wohl nicht ganz mit Unrecht als eine der alten Welt gemachte Kriegserklärung bezeichnen, und namentlich war sie in Bezug auf Cuba ein deutlicher Fingerzeig. Präsident Pierce ernannte bei den Neubesetzungen der Gesandtschaftposten den Senator Soulé, einen Franzosen von Geburt, zum Gesandten in Madrid, und da Soulé, einer der Eifrigsten unter den Männern des einsamen Sterns, schon seit einem Decennium die Einverleibung Cuba’s in die Union bald mit Güte, bald mit Gewalt betrieben, so ist durch seine Ernennung allerdings der Krone Spanien der Handschuh offen vor die Füße geschleudert. Die Rücksichtslosigkeit der neuen nordamerikanischen Politik läßt sich nicht mehr verkennen.

Um vollständig gerecht zu sein, muß jedoch hervorgehoben werden, daß die gemäßigte Partei, welche vor der Erwählung des Generals Pierce das Steuer des Staates in Händen hatte, im Grunde ebenso begehrliche Absichten auf Cuba hatte, denn sie schon wies den von England in Gemeinschaft mit Frankreich vorgeschlagenen Vertrag, der Krone Spanien den Besitz Cuba’s für alle Zeiten zu garantiren, zurück. Es war dies deutlich, und wurde auch von der englischen und französischen Regierung verstanden. Die spanische Regierung selbst sieht das Unvermeidliche nach und nach hereinbrechen. Zu schwach, um den amerikanischen Gelüsten die Spitze zu bieten, und in der richtigen Voraussicht, daß die vereinigten Kräfte Europa’s vergeblich versuchen werden, der Union die schon halb verschlungene Beute vorzuenthalten, wird für sie noch das Vortheilhafteste sein, Cuba gegen die schon einmal angebotene Summe von 200 Mill. Dollars an die Union abzutreten. Die Einverleibung der Insel in die Union ist nur noch eine Frage der Zeit, und wenn sich Spanien zu lange besinnt, so wird es, ohne den angebotenen Ersatz an Geld zu haben, binnen Kurzem das Sternenbanner über der Perle der Antillen wehen sehen.