Textdaten
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Autor: Johann Wilhelm Wolf
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Titel: Die Mandelkörbchen
Untertitel:
aus: Deutsche Hausmärchen, S. 322–327
Herausgeber: Johann Wilhelm Wolf
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1851
Verlag: Dietrich'sche Buchhandlung, Fr. Chr. Wilh. Vogel
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Erscheinungsort: Göttingen und Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Google und Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[322]

Die Mandelkörbchen.

Ein Bauer hatte drei Söhne, die mußten tüchtig arbeiten und ihrem Vater Geld verdienen helfen. Eines Tages schickte er sie in den Wald zum Roden, aber anstatt zu arbeiten, spielten die zwei ältern mit Glickern. Als es gegen Mittag ging, wollten sie schnell noch ein wenig nachholen, doch da brach dem einen die Hacke und dem andern die Axt. Da standen sie nun und lamentirten, denn sie wußten wohl, daß es Schläge geben werde, wenn sie nach Hause kämen. Als sie so weinten, kam ein Greis daher, der fragte: „Ihr Buben, was fehlt euch?“ Da klagten sie ihm ihr Leid und er sprach: „Ihr könnt drei Wünsche thun, die sollen euch alsobald erfüllt werden, aber gebt Acht und seit nicht zu rasch, damit ihr euch das rechte wünscht.“ „Ich wünsche mir eine neue Hacke,“ rief der Aelteste sogleich und da lag die Hacke vor ihm. „Ich wünsche mir eine schöne Frau,“ sprach der Zweite und da kam sie schon daher. „Ich wünsche mir ein Schloß mit einem Garten, worin ein Mandelbaum steht; wer von dessen Früchten ißt, der muß sofort gesund werden,“ sprach der Dritte, welcher der Jüngste war, und da stand das Schloß schon da. Jetzt zog die ganze Familie zu dem Jüngsten, der Vater und die zwei Aeltesten. [323]


Als sie so eine Zeitlang in dem schönen Schloß gewohnt hatten, wurde des Königs Tochter krank und kein Arzt konnte sie wieder gesund machen. Da ließ der König ausrufen, wer die Prinzessin vom Tode errette, der solle sie zur Gemahlin haben. Als das der Bauer hörte, dachte er gleich an den Mandelbaum, brach ein Körbchen voll frischer Mandeln ab und gab es seinem ältesten Sohn, daß der es in das Schloß des Königs trage. Der nahm es und ging der Stadt zu. Unterwegs begegnete ihm ein graues Männchen, das frug ihn: „Was hast du in deinem Körbchen?“ „Nichts,“ sagte der Junge und das Männchen sprach: „Ist es nichts, dann bleibt es nichts.“ Der Junge lachte und ging weiter und kam in das Schloß zum König und gab ihm das Körbchen, das mit einem reinen, weißen Tüchlein verdeckt war. „Mein Vater läßt grüßen und hier wären die Mandeln um die Königstochter damit gesund zu machen“ sprach er und der König war über die Maßen froh und deckte das Tüchlein auf – aber das Körbchen war leer. Da wurde der König blitzböse, warf den Jungen vor die Thür und ließ ihm von seinem Kammerdiener fünfundzwanzig überzählen. Damit konnte er nach Hause gehn, als er aber heimkam, da gab ihm sein Vater noch einmal fünfundzwanzig, so daß er im Ganzen fünfzig hatte und die Mandeln und das Männchen und den König in Grund und Boden hinein verwünschte. Das war auch ein schlechter Botenlohn.

Am andern Morgen sprach der zweite Sohn, er wolle es schon besser machen, und der Vater füllte ihm das Körbchen mit Mandeln und er zog ab. Nicht weit von der Stadt kam das [324] graue Männchen auch zu ihm und frug: „Was hast du in deinem Körbchen?“ „Nichts!“ sagte der Junge unwirsch, und das Männchen sprach: „Gut, dann sollst du auch nichts haben.“ Der Junge spottete dem Männchen nach und lachte und ging in die Stadt zum König und bot ihm das Körbchen mit dem weißen Tüchelchen verdeckt, indem er sagte: „Einen schönen Gruß vom Vater an den Herrn König und hier wären die Mandeln um die Jungfer Prinzessin gesund zu machen.“ „Laß einmal sehn,“ sagte der König und hob das Tüchlein auf – und das Körbchen war leer. „Was?“ rief der König, „willst du mich auch zum Narren halten? wart, du sollst lernen, was frische Mandeln sind!“ Und er ließ den Kammerdiener kommen und der gab dem Jungen fünfzig Mandeln um die Ohren, aber die waren so bitter, daß sie ihm das Wasser in die Augen trieben. „Wie schmeckten die?“ frug der König. „Schlecht!“ rief der Junge und lief nach Haus, und da kriegte er von seinem Vater noch fünfzig dazu. Das machte zusammen hundert und war ihm mehr als zuviel.

Der Jüngste war zwar nicht so schön von Angesicht, wie seine zwei Brüder, doch er hatte ein Herz, das war um so viel schöner. Der sprach am andern Morgen, er wolle es auch versuchen mit den Mandeln, vielleicht habe er mehr Glück. „Thu's,“ sprach der Vater, „aber wenn du wieder kommst, wie deine Brüder, dann schlag ich dich butterweich.“ „In Gottes Namen,“ sprach der Jüngste und der Vater machte ihm ein Körbchen voll Mandeln zurecht und legte ein weiß Tüchlein drauf und der Junge machte sich auf den Weg. Bald begegnete ihm das Männchen und frug [325] ihn, was er in dem Körbchen habe? „Mandeln um die Königstochter gesund zu machen“ sprach er. „Willst du vielleicht ein paar haben, es kommt nicht darauf an, denn ich habe doch genug.“ „Ich danke dir,“ sprach das graue Männchen. „Weil du aber so gut bist, so will ich dich belohnen. Wenn du mit diesem Pfeifchen pfeifst, dann hast du Alles, was dein Herz begehrt.“ Mit den Worten reichte das Männchen ihm ein Pfeifchen und fort war's.

Der Junge ging jetzt in die Stadt und grade auf das Schloß zu und zum König. „Einen schönen Gruß vom Vater und hier wären die Mandeln, womit ich die Prinzessin gesund machen kann,“ sprach er und bot dem König sein Körbchen. Der König deckte es auf und da lagen die schönsten Mandeln drin, die man mit Augen sehen kann und lachten ihn ordentlich an. Er ging gleich damit zur Prinzessin und kaum hatte sie eine gegessen, da wurde ihr schon wohler und als sie drei gegessen hatte, da war sie schon halb gesund. Jetzt wollte der Jüngste sie auch zur Frau haben, aber der König sprach: „Nein, noch nicht, du mußt erst drei Aufgaben erfüllen, wenn du das vollbringst, dann ist die Hochzeit.“ Das sagte er aber, weil ihm der Jüngling als Schwiegersohn nicht gefiel. Dieser frug, was das sei? Da sprach der König: „Draußen steht ein Maaß Hirsen, die lasse ich jetzt säen und du mußt bis morgen alle Körner zusammenlesen, so daß das Maaß wieder ganz voll ist.“ Das betrübte den Jüngling Anfangs, doch er erinnerte sich bald seines Pfeifchens und dachte, das müsse ihn retten. Er ließ den Hirsen ruhig säen, setzte sich auf den Acker und pfiff. Da krabbelte ihm etwas am Bein, das war der Ameisenkönig und [326] der sprach: „Was befiehlst du, das ich thun soll?“ „Sei so gut und lies die Hirsen zusammen,“ sprach der Jüngling, und da ertheilte der Ameisenkönig seine Befehle und ehe es Abend wurde, war das Maaß Hirsen wieder voll, so daß kein Körnchen daran fehlte.

Das ärgerte den König, darum machte er die zweite Aufgabe viel schwerer. Er ging mit dem Jüngling ans Meer und warf einen Schlüssel hinein, wo es gerade am allertiefsten war. „Den Schlüssel sollst du mir wiederschaffen!“ sprach er zum Jüngling; „und wenn du das nicht kannst, dann bekommst du meine Tochter nicht.“ „Ich will sehn, ob ich's kann,“ sprach der Jüngling, und setzte sich ans Meer, und als es Abend war, da pfiff er auf seinem Pfeifchen. Alsbald regte sich's im Wasser und ein Fisch mit einer Krone auf dem Kopf schaute aus dem Wasser und sprach: „Ich bin der Fischkönig, was befiehlst du, das ich thun soll?“ „Sei so gut und laß mir den Schlüssel holen, den der König ins Meer geworfen hat,“ sprach der Jüngling. Da ließ der König alle Fische zusammen kommen und gab ihnen auf, den Schlüssel zu suchen, und wer ihn brächte, der bekäme ein gutes Trinkgeld. In einem Augenblicke schossen die Fische auseinander und bald kam einer aus der tiefsten Tiefe herauf und hatte den Schlüssel im Maul und gab ihn dem Fischkönig, und der gab ihn dem Jüngling, welcher sich freundlich dafür bedankte.

Nun ärgerte sich der König erst recht und sann von Neuem, um etwas noch viel Schwereres auszusinnen. Es dauerte auch nicht lange, da hatte er's gefunden. Er ließ den Jüngling kommen und sprach: „Wenn du nun auch hundert Schafe einen Monat [327] lang auf einem Fleck weidest, ohne daß sie magerer oder fetter werden und ohne daß du eins von ihnen verlierst oder daß ihrer mehr werden, dann bekommst du meine Tochter ganz gewiß.“ Der Fleck war aber so klein, daß die hundert Schafe kaum darauf stehen, vielweniger ordentlich darauf weiden konnten, und außerdem war das Gras sehr dünn gesäet. Doch das ängstigte den Jüngling nicht; er trieb die Schafe hinaus und Abends herein und pfiff lustig dazu, ließ sie gar übers Stadtthor springen, wenn es geschlossen war und im Schloßhof aufmarschiren, wie ein halbes Bataillon Soldaten, so daß Jedermann seine Freude daran hatte. Mitunter verlief sich wohl eins, oder es starb eins, doch das that nichts, denn sobald er pfiff, warf ein anderes ein Junges, welches alsbald wuchs und so groß ward, wie die andern. Dazu lernten die Schafe jeden Tag schöner tanzen, so daß sie es am Ende des Monats trotz dem besten Tanzmeister verstanden. Kurz der Jüngling brachte auch diese Aufgabe zu Stande und da konnte der König, wie sehr er sich auch ärgerte, doch nichts weiter einwenden und mußte ihm seine Tochter zur Frau geben. Die Heirath aber wurde sehr prächtig gefeiert und der Jüngling war glücklich für sein Leben lang. Als er später König wurde, machte er seinen Vater zum Minister und gab auch seinen Brüdern hohe Stellen, so daß sie alle gut versorgt waren.