Die Lieblingsschwester Friedrich des Großen

Textdaten
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Autor: unbekannt
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Titel: Die Lieblingsschwester Friedrich des Großen
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aus: Die Gartenlaube, Heft 28–29, S. 368–372; 388–391
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[368]
Drei Frauenbilder in Bayreuth.
1. Die Lieblingsschwester Friedrich des Großen.

Wir dampften von Leipzig nach dem Süden. Im dunkeln schwermüthigen Voigtlande sahen wir zur Linken südöstlich die Berge des Erzgebirges, zur Rechten nordwestlich die des Frankenwaldes (östlichen Theil des Thüringerwaldes) und vor uns südlich die Häupter des Fichtelgebirges. An manchen Stellen konnte man die Höhenzüge wahrnehmen, durch welche diese drei Gebirge verbunden sind. Beim Anblick des Fichtelgebirges wurde mir romantisch zu Sinne; die poetische Ader in meinem Herzen pulsirte. Im Schooße jenes kleinen deutschen Gebirges wurde ja jener wunderbare Hohepriester des ächt deutschen Herzenskultus geboren, der gleich einem morgenländischen Magus mit dem Zauberstabe der Poesie, dem Taktirstocke der süßesten zartesten Musik, die uns berauscht und im Rausche uns zwingt vor wollüstigem Seelenschmerz zugleich zu weinen und zu lachen, mit jenem Stabe, der Odin’s Zauberstab und Thor’s Hammer zugleich ist, alle gefühlvollen deutschen Herzen zwingt ihm zu folgen und mit ihm zu lachen, mit ihm zu weinen, mit ihm zu lieben. Deutschland, Europa, die Welt, die Neuzeit und das Alterthum haben keinen zweiten Dichter von dieser Seelentiefe und Eigenthümlichkeit wie Johann Paul Friedrich Richter aus Wunsiedel im Fichtelgebirge.

[369]

Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth.

Schade daß dieser außerordentlich, ja einzig begabte Mann so viel Orientalisches im Geiste hatte, so daß er mich immer an altpersische Dichter wie Hafis und Firdusi erinnert! Er, dessen seelisches Leben gleichsam der Grundtypus des deutschen Gemüths ist, konnte nicht die ächt deutsche, dem deutschen Volksgeiste allein angemessene Form finden, und das allein ist der Grund, weshalb er nicht in allen Herzen seines Volkes lebt, nicht Aller deutscher Seelen kostbarstes Eigenthum ist, dessen keiner würdiger ist als er, ja daß sogar viele sogenannte Gebildete vor seinen poetischen Schöpfungen zurückschrecken und der erhabenste und tiefste deutsche Dichter ihnen stets fremd bleibt.

Sie wissen, lieber Freund, daß unser gemeinschaftlicher Freund Theobald, mein treuer und theurer Reisegefährte, so ganz und gar ein Mann der Gegenwart und der Zukunft ist, daß er vor lauter heißem und heiligem Interesse an Kunst und Industrie, Handel und Gewerbe, an den praktischen das Volkswohl fördernden Naturwissenschaften [370] und an Allem was die Welt von heute bewegt, drängt, stößt und weiter schiebt, wenig an die Vergangenheit und an gestorbne Dichter denken kann. Er läßt das Alles gelten, sieht es auch gern, wenn Andre sich damit beschäftigen; er selbst hört aber höchstens eine halbe Stunde nach Tische zu, wenn man ihm mit solchen Dingen kommt, und auch dann mag er stets lieber von lebenden Dichtern hören, als von todten. Er ist eben ein Lebemann. Ich schwieg deshalb in Hof, wo wir uns aufhielten, von meinem Dichter und hörte Theobald’s Bericht von Hofs modern-industrieller Wichtigkeit mit größerm Interesse an, als er gethan haben würde, wenn ich ihm von Richter’s (ich nenne den großen deutschen Dichter lieber mit seinem deutschen Namen, als mit dem französirenden „Jean Paul“, den er noch dazu dem guten Jean Jacques nachgeahmt hat) in Hof verlebten Jugendjahren erzählt hätte. Und doch kam mir die komische ächt deutsche Geschichte nicht aus dem Kopfe, wie der junge Dichter als etwas anrüchiger Candidat Richter von der ganzen hofer Welt wie ein Paria, oder besser, wie ein Schinderknecht behandelt wird, weil er – keinen Zopf und keine Halsbinde trägt, und sich endlich genöthigt sieht, um nur zu menschlicher Gesellschaft zugelassen zu werden, wonach sein Herz so gewaltig dürstete, einen steifen Zopf an- und eine Halsbinde umzubinden, welchen heroischen Entschluß er in einem allerliebsten Bulletin bekannt machte. Auf der Weiterfahrt nach Bayreuth warf ich meine Augen noch oft in der Gegend umher, bald links nach den Fichtelbergen, aus welchen die dunkle Saale herausströmt, bald rechts an der Saale hinab; denn diese Gegend ist ein durch Richter heilig gewordenes Land. In Schwarzenbach an der Saale und in dem Dorfe Jodiz verlebte er seine arme Jugend, die er mit den brennendsten Farben der Poesie ausgeschmückt, und diese und die andern kleinen Orte, in welchen er als Kind, Jüngling und junger Mann lebte und verkehrte, wie Zedwiz, Töpen, das Bad Steben etc. bilden die Staffage und Lokalitäten seiner meisten Romane. Nie hat ein Dichter sich selbst, seine Freunde und Bekannte, wie seine Wohnorte inniger in seine Schöpfungen verwebt und getreuer geschildert, als er. Vor allen aber war ihm Bayreuth die heilige Sonnenstadt seiner Sehnsucht, und ich werde später zeigen, mit welchen glühenden nur ihm eigenthümlichen Tinten er die reizende Fürstenstadt mit ihren benachbarten herrlichen Lustschlössern Fantaisie und Eremitage gemalt hat. Und nach Bayreuth eilten wir, wo hinab er als Jüngling von seinen Bergen so oft gepilgert, in dessen sonniger Thalmulde er sich stets ein kleines Landgut als höchstes Lebensziel gewünscht, und in welchem er die letzten zweiundzwanzig Jahre seines Lebens gewohnt, wo er seine Laufbahn beschlossen, auf dessen Friedhof sein irdisch Theil gebettet ist, auf dessen schönstem Platze sich seine meisterhafte Erzstatue, eine Pietätsstiftung des Königs Ludwig von Bayern, erhebt, seine milden genialen Züge in die ferne Nachwelt hinüberzutragen. Haben doch Dichter schon die Stadt nach ihm „die sonnige Jean Paulsstadt“ benannt.

Als der Zug auf dem Bahnhof in Bayreuth hielt, glaubten wir in dem ganz nahen großartigen, im modernsten Style erbauten prächtigen Massivgebäude das Bahnhofsgebäude bewundern zu dürfen; Freund Edmund, der uns jubelnd empfing, belehrte uns aber, daß dieses imposante, die ganze Umgegend weithin beherrschende Haus die neue Aktien-Baumwollenspinnerei sei, von welchem tüchtigen industriellen Unternehmen mir Theobald schon unterwegs gesprochen. Dieser begrüßte denn auch das Haus mit einem wahren Freudenschrei. „Heil den deutschen Städten“, rief er begeistert, „die an ihre Bahnhöfe solche prächtige Stätten des deutschen Kunstfleißes bauen! sie werden ein Wort in der Zukunft mit zu reden haben. Ich lasse Dir gern Deine liebenswürdige Markgräfin von Bayreuth, die als Lieblingsschwester Friedrich’s des Großen auch einen großen Theil seines Geistes besessen haben mag, ich lasse Dir Deinen bewunderten und geliebten Jean Paul, den unsterblichen Stern Bayreuths; sie haben ihre Berechtigung gehabt, sie haben ihre Lebensaufgabe gelöst. Was mich betrifft, so kann ich mich nicht viel mit den Dingen einlassen, die hinter uns liegen. Dieses herrliche Haus vor mir ist ein Tempel meines Kultus.“

Wir besuchten denn auf seinen Betrieb das ausgezeichnete noch ganz junge Etablissement, welches schon so gute Früchte trägt, zuerst, und Theobald wird Ihnen ein Bild der Spinnerei und einen Bericht über ihre Entstehung, und ihre junge Wirksamkeit für die Gartenlaube schicken. – „Ich wünsche nichts mehr“, bemerkte Edmund fein zu Theobald gewandt, „als daß unsre gute Stadt Bayreuth durch noch viele solcher Unternehmungen berühmt und reich werde. Einstweilen müssen wir uns indeß an das halten, was wir wirklich haben. Und da ist denn Bayreuth wirklich eine berühmte Stadt, eine Stadt des deutschen Geistes, der deutschen Poesie, wenn auch nicht ganz wie Weimar, aber wahrlich nicht viel weniger. Denn unser Richter wog in der Wagschale des Geistes wahrlich nicht geringer als Goethe und Schiller. Was wir aber voraus haben, ist eben die holde geistreiche Markgräfin, die Schöpferin dieses neuen Bayreuth, das allen Besuchern so wohlthuend imponirt, der Fee, welche sich das wunderliebliche Zauberschloß Eremitage geschaffen, der schalkhaften, geistvollen, natürlichen und süßberedten Verfasserin der unvergleichlichen Memoiren, einer der wichtigsten Erkenntnißquellen der Geschichte und der Sitten des vorigen Jahrhunderts. Bayreuth ist durch Geist berühmt geworden; feiern wir den Geist und die Geister, die es berühmt gemacht! Insofern wir Bayreuth mit Recht eine Stadt und Statt des Geistes nennen dürfen,“ fuhr Edmund weiter fort, „wird es merkwürdiger Weise gewissermaßen von drei hier existirenden Frauenbildern und was damit in Verbindung steht, repräsentirt, das erste ist das der geistreichen Markgräfin Friederike Sophie Wilhelmine von Bayreuth, ältesten Tochter des Königs Friedrich Wilhelm I. von Preußen und Gemahlin des Markgrafen Friedrich; das zweite ist ein Geist an sich, das Bild der berühmten „weißen Frau“, des deutsch-fürstlichen, vorzüglich brandenburgischen (königl. preußischen Familiengespenstes); das dritte endlich das Portrait der witzigen und geistbegabten Freundin des großen Dichtergeistes, dessen Namen mit dem der Stadt Bayreuth auf ewig verwebt ist, der Frau Rollwenzel, der Wirthin in dem kleinen Wirthshause, eine halbe Stunde östlich von der Stadt. Jean Paul hatte in diesem Hause bekanntlich ein Zimmer, in welchem er oft zu arbeiten pflegte, und welches wir besuchen werden. Dort unterhielt er sich oft und gern mit der aufgeweckten Wirthsfrau; ihr natürliches Urtheil über Menschenwelt und Natur blieb nicht ohne Einfluß auf die Darstellungen des Dichters in seinen spätern Werken, und er selbst hat ihr den Kranz der Unsterblichkeit um die Schläfe gewunden. Da habt Ihr denn den berühmt machenden Geist Bayreuths nach drei Richtungen hin.“

„Allerliebst!“ rief ich aus. „Das ist ja eine köstliche Galanterie an die ganze Frauenwelt Bayreuths, die hoffentlich noch heute einen großen Schatz an Geist besitzt, und eine achtungswerthe Concession an das Frauenthum überhaupt.“

„Die ich mir auch gefallen lasse!“ sagte Theobald lächelnd. –


Die Markgräfin.

In der Vorstadt „St. Georgen-Stadt“, sonst „St. Georgenstadt am See“ genannt, eine Viertelstunde nordöstlich über Bayreuth am Brandenberg, jetzt Hohe Warte, gelegen und von 1701 bis 1708 erbaut, steht das allerliebste markgräfliche Lustschloß, das brandenburger Schloß genannt, dessen Hauptlogis massiv, dessen beide Flügel von Holz erbaut sind, beides, Schloß und Stadt, eine Schöpfung des Markgrafen Georg Wilhelm und seiner Gemahlin Sophie. Das Hauptgebäude ist jetzt Militärhospital, der südliche Flügel seit 1836 ein Waisenhaus (Leers’sche Stift). Im Saale dieses Flügels hängen vier vortreffliche lebensgroße Oelbilder, der Markgraf Friedrich von Brandenburg-Bayreuth, ohnehin letzter Fürst dieses Stammes, gest. 1763, seine beiden Gemahlinnen und seine Tochter, sein einziges Kind. Die erste Gemahlin war das älteste Kind des Königs; Friedrich Wilhelm I. von Preußen, und sie ist die berühmte Markgräfin von Bayreuth, die Lieblingsschwester Friedrich’s des Großen; die zweite Gemahlin war eine Nichte der ersten, Tochter ihrer jüngeren Schwester Charlotte und des Herzogs Karl von Braunschweig-Bevern; die Tochter endlich (von der ersten Gemahlin) war Elisabeth Friederike Sophie, die erste und unglückliche Gemahlin des bekannten Zöglings Friedrich’s des Großen, des Herzogs Karl Eugen von Würtemberg, des prachtliebenden Verschwenders, genialen Fürsten und Feindes der Dichter Schubert und Schiller. Wir haben es hier nur mit dem Bilde der ersten Gemahlin des Markgrafen Friedrich zu thun, von welchem wir eine treue und schöne Abbildung in der Gartenlaube geben. Ich habe stundenlang vor diesem herrlichen Bilde gestanden und mich in die feinen Züge, [371] die edle Kopfform, die hohe Stirn, vor Allem aber in das große, tiefe, geistvolle Auge versenkt, in welchem man auf den ersten Blick das Auge des großen Friedrich erkennt, wie denn überhaupt das holde Köpfchen unverkennbar die Züge Friedrich’s in’s jugendlich Weibliche übersetzt trägt. Ja, das ist sie, die geistreiche, witzige, köstliche Verfasserin der unvergleichlichen Memoiren, die eine der wichtigsten Quellen für die Sittengeschichte des 18. Jahrhunderts sind und uns in den profanen Blicken Lebender streng verschlossene häusliche Leben berühmter Fürsten vergönnt, die mit kecker Hand und lachenden Zügen den mysteriösen heiligen Schleier vom Isisbilde der Zeit entfernt und uns die Bewohner des Olymp in menschlicher Blöße zeigt. Wer hätte diese Memoiren gelesen und die Verfasserin nicht lieb gewonnen, die mit so liebenswürdiger Grazie gegen menschliche und besonders fürstliche Schwächen zu Felde zieht, wie ihr großer Bruder gegen fürstliche Herren?

Das Oelbild der Markgräfin hat Kunstwerth und ist die Schöpfung eines Meisters; denn es ist eins von den Bildern, von welchen man auf den ersten Blick die Ueberzeugung hat, daß sie sehr ähnlich sind, selbst wenn man das Original nicht kennt. Einer Stelle in ihren Memoiren zufolge, wo sie des Ablebens ihres Schooßhündchens, eines Bolognesers, erwähnt, der sich auf dem Bilde befindet, ist die Fürstin in ihrem fünf- oder sechsundzwanzigsten Jahre gemalt und zwar in der Tracht einer Eremitin, die sie während ihres Aufenthalts auf der Eremitage fast niemals ablegte. Auf dieses Alter deuten auch die jugendlichen Züge. Dieses wie die andern drei Bilder glänzen noch in voller Farbenfrische. Der Blick von ihrem Portrait auf das ihres Gemahls giebt das Resultat der Regierungsgeschichte dieses Markgrafen. Es ist das Bild eines gutmüthigen, beschränkten Herrn, der seine geistreiche, geliebte Gattin schalten und walten läßt.

Doch fassen wir die fürstliche Schriftstellerin näher in’s Auge! –

Durch das entschiedene politische Uebergewicht, welches Frankreich seit der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts behauptete, geschah es, daß sich die Blicke der deutschen Fürsten von da ab bis zur Mitte des achtzehnten der Hauptstadt Frankreichs und seinem Königsthrone zuwandten, woher die Machtsprüche nicht nur in Staatsangelegenheiten, sondern auch in Sachen des Geschmacks und der Bildung erschallten. Von den zahlreichen Höfen verbreitete sich die Vorliebe für Produktionen des französischen Geistes, namentlich seitdem dieselben nicht mehr den Charakter der Regierung Ludwig’s XIV. trugen, in die tiefern Regionen und wirkte vortheilhaft und anregend auf die Geistesentwickelung der deutschen Nation. Auf diese Weise machten gewissermaßen die geistigen Vertreter des französischen Volkes an Deutschland wieder gut, was ihre Herrscher einst verbrochen; diese hatten nach Kräften an der Zerstückelung und politischen Lähmung des unglücklichen Landes gearbeitet; jene trugen, indem sie unsern Geist erweckten und unsern Geschmack läuterten, mittelbar dazu bei, eine neue Glanzperiode unserer Nationalliteratur zu veranlassen, und hiermit die geistige Einheit der Nation anzubahnen. Freilich hatten weder die französischen Autoren, die meist nur nach Ruhm und Geld strebten, noch ihre deutschen fürstlichen Gönner, die blos ihr Vergnügen in der Beschäftigung mit den importirten schönen Wissenschaften suchten, eine Ahnung von solchem Erfolge ihres Wesens und Treibens; ja sie blickten sogar mit Verachtung auf die freilich noch unbehülflichen Regungen der kindlichen deutschen Muse, und schauderten vor der Rauheit der kräftigen, ungefügen deutschen Sprache. Der Hauptvermittler zwischen den beiden Nachbarvölkern ist bekanntlich Friedrich der Große, der seiner Bildung nach französisch, doch in Wesen und Charakter ein vollkommen deutscher Mann war. Neben ihm glänzt als eine würdige Vertreterin jenes wunderbaren Geschmackes und Strebens seine Lieblingsschwester die Markgräfin von Bayreuth. Schon der Umstand allein, daß Friedrich ihren Geist dem seinen am Verwandtesten unter seinen Geschwistern fühlte, und sie so zärtlich liebte, daß die Nachricht von ihrem Tode, 1758, ihn niederschmetterte, würde unser Interesse für sie rege machen, allein selbst abgesehen von den Beziehungen zu ihrem großen Bruder erweckt die Person dieser Fürstin durch ihre Jugendschicksale und durch ihr späteres geistiges Leben und Treiben unsere volle Theilnahme.

Ihre Gesichtszüge, das große feurige Auge, die hohe Stirn, der feine Mund verrathen einen kühnen, selbstständigen Geist, einen dem Geiste Friedrich’s innig verwandten, seiner würdigen. Den Ruhm, den sie auch heutiges Tages noch genießt, verdankt sie ihrer Autobiographie. Leider ist dieses durch Schärfe der Charakteristik, welche freilich oft zu bitterer Satire wird, und durch genaue Darstellung geheimer Intriguen, die damals die deutschen Höfe in Bewegung setzten, ausgezeichnete, und beachtenswerthe Buch an einigen Stellen lückenhaft, ja am Ende verstümmelt. Doch ist in jüngster Zeit von Berlin aus von einer wichtigen Stimme die Versicherung gegeben worden, daß die Memoiren der Markgräfin sich vollständig im königl. geheimen Archive befänden, so daß man wohl die Hoffnung hegen darf, sie werden einst an’s Tageslicht treten, wie sie die Verfasserin geschrieben hat. Indem wir uns vorbehalten, noch einmal auf diesen Hofspiegel zurückzukommen, geben wir hauptsächlich nach diesem Buche selbst die merkwürdigsten Daten aus dem vielbewegten Leben der berühmten Markgräfin.

Die Fürstin, am 3. Juli 1709 in Berlin geboren, war das älteste lebende Kind des nachmaligen Königs Friedrich Wilhelm’s I., der bei der Geburt dieser Tochter, sowie der zwei folgenden Prinzen, noch Kronprinz war, und Sophiens Dorotheens, einer hannöverischen Prinzessin, Tochter des nachmaligen Königs Georg’s I. von Großbritannien. Die Taufe der Prinzessin, welche die Namen Friederike Sophie Wilhelmine erhielt, war äußerst glänzend, da drei Könige, welche alle drei den Namen Friedrich führten und deren jeder sich zu einer andern Religion bekannte, und eine Königin bei derselben zugegen waren. Zwei dieser gekrönten Häupter waren die Könige von Dänemark und Polen, welche bei ihrem fürstlichen Bruder von Preußen zum Besuche waren, um einen Allianztraktat gegen Karl XII. abzuschließen. Die kühnsten Hoffnungen auf Glanz und Krone wurden für den Täufling laut; ja ein Edelmann hatte den thörichten Einfall, ihn mit dem Kindlein Jesu zu vergleichen, dem auch drei Könige huldigend genaht. Diese Abgeschmacktheit wurde von dem entzückten Großvater mit einem Geschenke von tausend Dukaten bezahlt. Alle diese schönen Hoffnungen und Wünsche sollten nicht erfüllt werden. Im Gegentheile gestalteten sich die Jugendschicksale der Prinzessin sehr rauh, ihr späteres Leben war durch eine besonders hohe Stellung in der Welt nicht ausgezeichnet. Ihre Leidensperiode begann schon mit ihrem dritten Jahre, indem sie von einer Hofmeisterin unmenschlich gepeinigt wurde. Freilich entstand ihr auch in diesem Jahre durch die Geburt des Kronprinzen Friedrich eine unerschöpfliche Quelle von Liebe und Freude, die nur selten und auf kurze Zeit getrübt wurde. Die Charaktere der Glieder der königlichen Familie sowie ihrer Vertrauten waren ganz geeignet, Conflikte herbeizuführen.

Der Vater, anfangs 1713 König, klug, von einfachen Sitten, ökonomisch, ja geizig, dabei hitzig und leidenschaftlich, Andern immer mehr vertrauend als seiner Gemahlin und seinen Kindern; die Mutter stolz und hochfahrend, im höchsten Maße eitel auf die ihrem Hause zugefallene britische Krone, zur Intrigue geneigt, selbst vor dem Unrecht nicht zurückbebend, die Herzen ihrer Kinder dem Vater zu entfremden. Die Günstlinge des Königs waren Herr von Grumbkow, nachmals Feldmarschall, und der Fürst von Anhalt, die alle Mittel und Künste anwandten, ohne selbst das Familienglück ihres königlichen Herrn unangetastet zu lassen, um sich seine Gunst und sein Vertrauen zu erhalten. Ein Heirathsprojekt bezüglich der Prinzessin, welches die beiden Günstlinge machten, legte den Grund zu nachhaltiger Uneinigkeit in der königlichen Familie. Der Kronprinz Friedrich war ein schwächliches Kind, an dessen Fortleben alle zweifelten; im Falle seines Ablebens hatte, da noch kein zweiter Prinz geboren war, der Markgraf von Schwedt, der aus einem Seitenzweige der Herrscherfamilie stammte und zugleich ein Neffe des Fürsten von Anhalt war, die nächste Anwartschaft auf den Thron. Um die Allodialgüter, welche Kunkellehen waren, nicht aus der Familie kommen zu lassen, sollte die Prinzessin Friederike Sophie Wilhelmine, nach dem Plane Grumbkow’s und Anhalt’s mit diesem Prinzen vermählt werden. Die Königin widersetzte sich der Ausführung dieses Vorhabens, für welches man ihren Gemahl bereits gewonnen hatte, mit aller Entschiedenheit, wenn auch nicht mit großem Erfolge; sie brachte dafür ein anderes Projekt auf’s Tapet, nach welchem der Sohn ihres Bruders Georg, derzeit Prinzen von Wales (nachmals König Georg II. von Großbritannien), der Herzog von Gloucester die Hand ihrer Tochter erhalten sollte. Sie hoffte, durch diese Vereinigung ihren eigenen Einfluß auf den König zu verstärken, den seiner Günstlinge und Rauch- und Zechgenossen aufzuheben. Grumbkow und Anhalt setzten indessen ihre Intriguen fort, trotzdem ihre [372] Aussichten für den Markgrafen von Schwedt durch die Geburt eines zweiten königlichen Prinzen vollständig vernichtet waren. Bei einem Besuche, den der König und die Königin von Preußen in Hannover, im Jahre 1717 machten, war sogar eine Doppelheirath zwischen dem Kronprinzen Friedrich und der Prinzessin Amalie, und dem Herzoge von Gloucester und der Prinzessin Wilhelmine verabredet worden. Das ganze Bestreben der Günstlinge ging dahin, das gute Einverständniß zwischen den königlichen Familien von Preußen und England zu stören, was ihnen bei dem argwöhnischen und leidenschaftlichen Charakter Friedrich Wilhelm’s früher oder später gelingen mußte.

Die arme kleine Prinzessin Wilhelmine, wegen deren Verheirathung schon so viele Unterhandlungen gepflogen worden waren, hatte indessen viel von der Grausamkeit ihrer Hofmeisterin Leti zu leiden, welche das zehnjährige Kind alltäglich mit Faustschlägen und Ohrfeigen traktirte, ohne daß die Mißhandelte den Muth gehabt hätte, ihre Peinigerin anzuklagen. Ein hitziges Fieber, welches die kleine Dulderin an den Rand des Grabes brachte, befreite sie auf kurze Zeit von der nichtswürdigen Erzieherin, deren Rolle überhaupt nicht mehr lange währte. Sie ging an den englischen Hof, von wo aus sie nach Berlin empfohlen worden war, um von der Ferne aus noch ihrem ehemaligen Zöglinge durch gemeine Verleumdungen zu schaden. Die Unterhandlungen über die Verbindung der beiderseitigen königlichen Kinder kamen durch einen Besuch, welchen die Königin von Preußen ihrem Vater Georg I. in Hannover machte sowie durch dessen Gegenbesuch in neuen Gang. Die arme Prinzessin hatte viel auszustehen, da sie ihrer Mutter nicht entzückt genug von der Ehre schien, ihren Vetter heirathen zu dürfen, und da ihr die Verleumdungen ihrer ehemaligen Hofmeisterin Leti, sie sei ausgewachsen, allerhand unangenehme Untersuchungen und peinlichen Toilettenzwang zuzogen. Doch schon im folgenden Jahre, 1724, brach Uneinigkeit zwischen den beiden verwandten Höfen aus, veranlaßt durch die Liebhaberei des Königs, große, starke Leute als Soldaten zu haben, die ihn verleitet hatte, einige hannöverische Unterthanen durch seine Werber wegfangen zu lassen. Neue Unterhandlungen, welche die Königin persönlich mit ihrem Vater in Hannover führte, hatten keinen Erfolg; ihr Gemahl nahm dies mit großem Unwillen auf. Die Königin, erbittert über die Verzögerung ihrer Pläne von Seiten ihrer Verwandten und über die Vorwürfe ihres Gemahls, ließ der unschuldigen Tochter ihren Zorn entgelten, welche sie wie den Kronprinzen in strengster Abhängigkeit von sich zu halten suchte.

Für alle diese Quälereien bot das häusliche Leben der königlichen Familie wenig Ersatz. Soldaten und Sparsamkeit waren die Parole an der karg besetzten Tafel. Anzüglichkeiten, die der Hausvater den Seinen sagte, bildeten die Würze der täglichen Unterhaltungen. Die Abende und Nächte verbrachte der König in seiner Rauchgesellschaft, wo er gewöhnlich bis vier Uhr Morgens blieb; seine Familie mußte seine Rückkehr erwarten. Die Königin vertrieb sich die Zeit mit Kartenspielen; die Prinzessinnen blieben allein; die älteste las und studirte in beständiger Angst, vom strengen Vater überrascht zu werden, welcher Strickstrumpf und Nähzeug für die einem Frauenzimmer einzig angemessenen Thätigkeitsobjekte hielt, und dem Beschäftigung mit Musik und der nicht unumgänglich nöthigen Wissenschaft ein Gräuel war. Die Machinationen der Königin, ihre Kinder dem Vater zu entfremden, fingen an ihre bedenklichen Folgen zu äußern; der Kronprinz, damals vierzehn Jahre alt, war in höchster Ungnade und der König that Aeußerungen, welche Alle mit bangen Befürchtungen für das Schicksal des geistvollen und liebenswürdigen Knaben erfüllten, der sich seinem Vater nur widersetzte, weil seine Mutter ihn zu diesem Benehmen nöthigte. Noch verzog sich der Sturm; der König versöhnte sich mit seinem Sohne, aber bei seinem krankhaften Gemüthszustande mögen die Keime zu jener Abneigung, die so tragische Folgen hatten, zu tief gewurzelt sein, um nicht später wieder zu wuchern.

[388] Es kann nicht in unserer Absicht liegen, hier nochmals die bekannten Intriguen und Machinationen aufzuzählen, welche von der Hofpartei des Königs und der Königin wegen der Heirath der Prinzessin in Bewegung gesetzt wurden. Als trotz der verschiedenen Anfragen der Königin keine bestimmte Antwort aus England eintraf, wollte endlich der König die Prinzessin mit dem Könige von Polen verheirathen, und als dieser Plan mißlang, mit dem Herzog von Weißenfels.

Die Königin forderte die Prinzessin zum Widerstande auf, der Kronprinz, der viel von der Härte des Königs zu leiden hatte, zur Standhaftigkeit. Gewarnt vor der Gefahr, die ihm von Seiten einer erzürnten Mutter und zur Verzweiflung gebrachten Tochter drohte, war der Prinz von Weißenfels klug genug, zurückzutreten.

Nach einer harten Familienscene gab sich der König zufrieden, wenn der Prinz von Wales seine Tochter heirathe; von einer Vermählung des Kronprinzen, „des Thunichtgut“ wollte er nichts wissen; er wolle „der Rotznase von Herrn Fritz eher die Peitsche geben lassen, als ihn vermählen.“

Auf eine wiederholte Anfrage der Königin kam eine sehr ungenügende Antwort von England, welche jene fast zur Verzweiflung brachte. Ein Besuch des Prinzen von Wales, den er im folgenden Jahre 1729 beabsichtigte, um, im geheimen Einverständniß mit seinem Vater, ohne Erlaubniß des Parlaments, sich mit seiner Cousine zu vermählen, wurde durch eine Unvorsichtigkeit der Königin Sophie vereitelt. Auf ihren Gemahl machte diese neue Täuschung den übelsten Eindruck und Gattin und Kinder mußten für die Vereitelung seiner Hoffnungen und Wünsche hart büßen. Anfälle von Podagra verbitterten ihn noch mehr. In seiner harten und derben Weise nannte er die Prinzessin Wilhelmine nur die „englische Kanaille“ und mißhandelte sie, wie den Prinzen rücksichtslos. Unter solchen Umständen konnten die Kinder keine große Liebe zum Vater hegen, vor dessen leidenschaftlichen Ausbrüchen sie stets zittern mußten, und die verletzte und empörte Natur im Kronprinzen und der Prinzessin rächte sich durch Satyren über den König und seinen Anhang.

Die Vergeltung für diese Impietät trat denn auch sofort ein. Nach der Vermählung ihrer jüngern Schwester mit dem Markgrafen von Ansbach, gab es täglich Zank und Streit in der Familie; der König ließ, ausgenommen während der Mahlzeiten, seine beiden ältesten Kinder gar nicht in seine und der Königin Gegenwart; sie mußten tüchtig Hunger leiden und vor aller Welt die schönsten Ehrentitel anhören; der siebzehnjährige Kronprinz mußte sich fortwährend mit dem Stocke drohen lassen. Allerdings übte auf diesen der Umgang Keith’s und Katt’s schlimm ein, indem der Letztere ihn zu einer „zügellosen Liederlichkeit“ hinriß. Manches mochte durch Zwischenträger und Aufpasser vor den König gebracht werden, was den sittenstrengen Mann empörte. Dieser vergaß sich endlich so weit, Hand an den erwachsenen Prinzen zu legen und den Gedanken an Flucht in der Brust des unglücklichen Jünglings zu zeitigen. Die Verhältnisse und Beziehungen in der königlichen Familie liefen immer jäher einer Katastrophe zu. Kurz nach Neujahr 1730 ließ der König seine Gemahlin durch den Grafen Finkenstein und die beiden Staatsminister von Grumbkow und von Bork, denen er den Befehl zu diesem auffälligen Schritte von Potsdam aus hatte zukommen lassen, peremptorisch auffordern, nochmals nach England wegen der Vermählung ihrer Kinder zu schreiben, im Falle einer neuen Vereitelung aber sich einer Vermählung der Prinzessin Wilhelmine mit dem Markgrafen von Schwedt oder dem Herzoge von Weissenfels nicht ferner zu widersetzen. Die drei Herren hatten zugleich der Königin einen in den härtesten Ausdrücken abgefaßten Brief ihres Gemahls zu überreichen. Diese wies mit Festigkeit alle Insinuationen zurück, und begegnete einer zweiten Gesandtschaft vom König mit derselben Ruhe, wie der ersten.

[389] Die heißersehnte Antwort auf die Anfrage in England traf ein, aber wie früher schlug sie alle Hoffnungen und Erwartungen der Königin und ihres Anhanges nieder. Englands Herrscherhaus schien wirklich, wie der König von Preußen argwöhnte, mit der Regentenfamilie in Berlin ein böses Spiel zu treiben. Die Königin erklärte sich, um nur ihre Tochter vor der Vermählung mit dem Markgrafen von Schwedt oder dem Herzog von Weißenfels zu retten, auf den Rath des Marschalls von Bork bereit, den Erbprinzen von Bayreuth als Schwiegersohn anzunehmen. Der König fügte sich, aber er wollte seiner Tochter weder Mitgift, noch Hochzeitsfest, noch Aussteuer geben. Die arme Prinzessin wollte auf diese harten Bedingungen hin nicht auf die Verbindung eingehen, aber von ihrer Mutter und dem Kronprinzen, der des Spiels mit England und des Widerstrebens gegen den Willen seines Vaters überdrüssig war, sehr gedrängt, willigte sie endlich ein, indem sie gleichwie ihre Mutter hoffte, die Sache werde sich verschleppen.

Das üble Verhältniß zwischen dem Könige und dem Kronprinzen führte endlich zu der bekannten Katastrophe. Nach argen Mißhandlungen, in denen sogar sein Leben bedroht war, beschloß Friedrich mit Hülfe Keith’s und Katt’s zu fliehen. Durch Vermittelung des Kaplans der englischen Gesandtschaft hatte sich die Königin aufs Neue wegen der Verheirathung ihrer Kinder nach London gewandt und ihr Bruder schickte den Ritter Hotham als außerordentlichen Gesandten nach Berlin, um die Hand Wilhelminens für den Prinzen von Wales zu fordern. Allein Seckendorf’s und Grumbkow’s Bemühungen, dessen Entfernung der englische Hof verlangte, gelang es, die Werbung zu hintertreiben. Hotham, vom Könige beschimpft, that trotz allen Bemühungen ihn zu versöhnen keine Schritte weiter. In dieser Zeit trat die Familienkatastrophe ein, die so leicht Deutschlands größten Fürsten als Jüngling hinweggerafft hätte.

Die Königin und ihre Tochter waren jedenfalls mit in das Verderben des Kronprinzen verwickelt worden, wenn man ihre Briefe an ihn bei dem verhafteten Katt gefunden hätte, und es gelang in der That ihrer List, sich dieser wichtigen Papiere zu bemächtigen und somit jeden Beweis einer Mitschuld gegen den König zu vertilgen. Dieser kam wie ein gereizter Löwe zurück; zum Gruße streckte er die Prinzessin mit drei Faustschlägen nieder und wurde nur durch seine Gemahlin und die andern Kinder zurückgehalten, sie mit Füßen zu treten. Das schreckliche Jahr 1730 und das Frühjahr 1731 ging der Prinzessin in unbeschreiblichen Qualen und in steter Angst hin, dem Argwohn und der Erbitterung des leidenschaftlichen Vaters als Opfer zu fallen. Im Mai fand sich eine Gesandtschaft, bestehend aus den Herren v. Bork, Grumbkow, Podevils und Thulmeyer bei ihr ein, die ihr den Befehl des Königs mittheilte, den Erbprinzen von Bayreuth zu heirathen. Die arme Gequälte fügte sich; durch ihre Nachgiebigkeit entwaffnete sie zwar den Zorn des Vaters, lud aber den unversöhnlichen Groll der Mutter auf sich. Diese schrieb ihr auf die Meldung des gefaßten Entschlusses: „Du durchbohrst mir das Herz durch die Niederträchtigkeit, die Du begingst, indem Du dem Willen des Königs nachgabst. Ich erkenne Dich nicht mehr für meine Tochter, Du bist dessen unwürdig, und nie in meinem Leben verzeihe ich Dir den grausamen Verdruß, den Du mir machst. Hätte ich Dein böses Herz früher gekannt, so würde ich mir alle den Verdruß erspart haben, den ich um Deinetwillen litt.“ – Arme Königstochter!

Am 26. Mai 1731 langte zum Schrecken von Mutter und Tochter der Erbprinz von Bayreuth an und am folgenden Tage sah die letztere ihren künftigen Gemahl zuerst auf einer Revue, welche der König zu Ehren der Anwesenheit des Herzogs von Würtemberg veranstaltet hatte. Am 1. Juni wurde die Verlobung des jungen Paares gefeiert. Die Prinzessin fühlte weder Liebe noch Abneigung für ihn; ihr einziger Wunsch war, das väterliche Haus zu verlassen, in dem sie ihre Jugend vertrauert hatte, und welches ihr durch das lieblose Benehmen ihrer Mutter und Geschwister noch mehr verleidet wurde. Der Erbprinz von Bayreuth war ebenfalls übel daran. Von seiner Schwiegermutter wußte er sich als Eindringling und Störer ihrer Pläne gehaßt, von seiner Braut sah er sich mit Gleichgültigkeit behandelt, von seinem Schwiegervater verachtet, weil er dessen Passion für Wein und Soldaten nicht theilte. In der That steigerte sich der Widerwille des Königs gegen den Erbprinzen täglich; auf den Rath Seckendorf’s und Grumbkow’s forderte dieser endlich ein preußisches Regiment, um sich den Neigungen seines Schwiegervaters willfährig zu zeigen. Damit war freilich die sklavische Abhängigkeit des Prinzen vom Könige besiegelt, der ihn denn auch sofort bedeuten ließ, sich zu seinem Regimente nach einem pommerschen Landstädtchen zu begeben. Noch im letzten Augenblicke wurden jetzt vom englischen Hofe aus Verhandlungen wegen Vermählung der Prinzessin Wilhelmine mit dem Prinzen von Wales gepflogen, aber der König wies diese Anträge zurück, zur Freude seiner Tochter, welche ihren Verlobten lieb gewonnen, zum Aerger und Verdruß der Königin, welche die Prinzessin für neue Vereitelung ihrer Pläne büßen ließ. Einige Tage nach ihrer Vermählung in Berlin (im November) hatte die Prinzessin die große Freude, ihren Bruder Friedrich, der in Küstrin als Auskultator im Finanzdepartement gearbeitet hatte, auf einem Familienballe zu begrüßen. Sie wurde vor Gemüthsbewegung fast ohnmächtig und rührte den König durch den zärtlichen Dank, welchen sie ihm für dieses ihr gewährte Glück abstattete, zu Thränen. Nach mancherlei Verdrießlichkeiten, die ihren Grund in der stiefmütterlichen Behandlung und Ausstattung der Prinzessin hatten, reiste diese endlich mit ihrem Gemahle von Berlin im Januar 1732 in ihre neue Heimath Bayreuth ab. Am neunten Tage ihrer Reise betrat sie die erste Stadt des Markgrafenthums, Hof, und wurde hier von der Reichsritterschaft des Voigtlandes und der Geistlichkeit begrüßt. Die Schilderung dieses Empfanges, wie ihn die Fürstin in ihren Memoiren gibt, ist ein Meisterstück von scharfer Satyre; ebenso die Beschreibung ihres Einzugs in Bayreuth, der dabei mitspielenden Persönlichkeiten und der Lokalitäten, die sie aufnahmen.

Die Stellung der Erbprinzessin am Hofe wurde sehr bald eine unangenehme, freilich theilweise durch ihre eigne Schuld; sie paßte nicht in diese kleinen Verhältnisse. Sie selbst sagt über diesen Punkt: „Ich muß meine Schwäche nur bekennen; ich war in Berlin in Begriffen von Größe erzogen, bestimmt, vier Kronen zu tragen, die mir alle viere entgangen waren. Ich bildete mir ein, mein Vater könne allen Fürsten des Reiches Gesetze vorschreiben, und es sei für den Markgrafen eine so große Ehre, mich zur Schwiegertochter zu haben, daß er mir nicht Ehrfurcht und Achtung genug zu bezeigen im Stande sei.“ Der Markgraf, ihr Schwiegervater und ihre jüngere Schwägerin Wilhelmine bildeten bald genug mit dem Hofe Partei gegen sie und es fehlte nicht an Verdruß, Zänkerei, Verleumdungen und Zwischenträgereien. Das Verlöbniß des Kronprinzen Friedrich mit der Prinzessin von Bevern, von der die Königin an die Erbprinzessin von Bayreuth schreibt: „sie ist schön, aber dumm wie ein Bund Stroh und ohne die geringste Erziehung. Ich weiß nicht, wie sich Dein Bruder mit dem Dummbart vertragen wird“ – machte der Erbprinzessin zwiefachen Kummer. Einerseits bangte ihr für das Lebensglück des theuern Bruders, wenn er mit einem solchen Wesen verbunden wurde; andrerseits steigerte dieses Ereigniß Abneigung und Haß der Prinzessin Wilhelmine von Bayreuth, die sich mit der Hoffnung geschmeichelt hatte, Kronprinzessin von Preußen zu werden und ihre Schwägerin im Verdacht hatte, diese Verbindung hintertrieben zu haben. Finanzielle Verlegenheiten vermehrten noch die Unannehmlichkeiten der Erbprinzessin, deren einziges Glück der Umgang mit ihrem gutmüthigen Gemahle war, der seinerseits vom Markgrafen viel auszustehen hatte. Diesem war nämlich der Argwohn beigebracht worden, der Erbprinz beabsichtige ihn mit Beistand seines Schwiegervaters und der Reichsritterschaft zur Abdankung zu zwingen. Der kleinen und großen Quälereien müde, beschloß das junge Fürstenpaar endlich, nach Berlin zu reisen, allein der Gesundheitszustand der Erbprinzessin, welche ihrer Niederkunft nahe war, verhinderte die Ausführung des Planes.

Am 31. August 1732 genaß die Erbprinzessin einer Tochter, später Gemahlin des berühmten Herzogs Karl Eugen von Würtemberg. Nur wenige Wochen nach ihrer Niederkunft erfuhr die junge Gattin und Mutter den Schmerz der Trennung von ihrem Gemahle. Ein Brief des Königs, seines Schwiegervaters, befahl ihm, sich zu seinem Regimente zu begeben, ein zweiter lud bald darauf die Tochter ein, nach Berlin zu kommen. Sie hatte kein Geld zur Reise; ihr Schwiegervater verweigerte ihr auf eine impertinente Weise die nöthigen Mittel, und um nur wieder mit ihrem Gemahle vereinigt zu werden, machte sie ein Kapital von zweitausend Thalern flüssig, ein Geschenk ihres Bruders, das einzige Vermögen, das sie auf der Welt besaß. Ein Brief ihres [390] Gemahls schilderte die Gesinnung ihrer Eltern und Geschwister als die aller freundlichste, und sie reiste am 12. November ab.

Der Empfang, der ihr in Berlin zu Theil wurde, war ganz geeignet, alle etwaigen Illusionen bei ihr gründlich zu zerstören. Der König war am Tage ihrer Ankunft nach Potsdam gegangen, die Königin war unentschlossen, ob sie ihre Tochter im Audienzsaale empfangen sollte oder nicht. Sie entschloß sich endlich, umarmte die Erbprinzessin und stellte ihr ihren Gemahl vor. Ohne dem jungen Paare Zeit zu lassen, mit einander zu sprechen, führte sie ihre Tochter in ihr Kabinet, warf sich in einen Lehnsessel, maß jene mit einem strengen Blick und fragte: „Was hast Du hier zu thun?“ Als die bestürzte Erbprinzessin einige Worte von ihrer Sehnsucht, die geliebte Mutter wieder zu sehen, stammelte, unterbrach sie diese: „Sage vielmehr, daß Du ihr den Dolch in’s Herz stößest, und daß Du kommst, um aller Welt zu zeigen, welche Tollheit Du begingst, einen Bettler zu heirathen. Warum bleibst Du nicht in Bayreuth, wo Du Deine Armuth verbergen kannst, statt daß man hier mit Fingern auf sie weist? Ich habe es Dir gesagt, der König wird nichts für Dich thun und läßt sich Alles, was er Dir versprochen schon längst gereuen. Jetzt wirst Du mir zur höchsten Langeweile mit Deinem Elende in den Ohren liegen und uns allen zur Last sein.“ Die weitere Behandlung, welche die Prinzessin erfuhr, entsprach völlig diesem Empfange. Als der König nach Berlin zurückkam, begrüßte er die Tochter sehr kalt, erkundigte sich nach seiner Enkelin und sagte: „Ja, ihr jammert mich, ihr habt das liebe Brot nicht und ohne mich müßtet ihr betteln gehen. Ich bin auch ein armer Schelm, viel kann ich euch nicht geben, aber ich will doch sehen, wie ich’s machen kann. Ich will euch so hin und wieder ein zehn Thaler oder Gulden geben, es hilft euch doch immer fort. Und Sie,“ wandte er sich an die Königin, „geben ihr auch hier und da ein Kleid, denn das arme Kind hat kein Hemd auf dem Leibe.“ Solche unzarte und beleidigende Aeußerungen mußte das junge Paar beständig anhören; nur der Kronprinz behandelte seine Schwester und deren Gemahl liebevoll. Er schenkte ihr sogar tausend Thaler, eine für ihre damaligen Umstände allerdings angenehme Gabe, und vermittelte eine Zusammenkunft zwischen ihr und Seckendorf, die freilich keinen Erfolg hatte. In Folge des fortwährenden Aergers über die niederträchtige Behandlung, welche er und seine Gemahlin erfuhren, sowie des starken Trinkens, zu welchem er genöthigt wurde, erkrankte der Erbprinz ziemlich gefährlich. Die Prinzessin verlebte elende Tage am Hofe ihrer Eltern und sie bereuete oft, auf die leichten Versprechungen ihres Vaters hin die neue Heimath verlassen zu haben. Kaum war ihr Gemahl einigermaßen hergestellt, so mußte er zu seinem Regimente abreisen, das in Pasewalk lag. Auf dem Wege dahin besuchte er seinen Schwager, den Kronprinzen Friedrich in Ruppin. „Dieser war,“ sagt die Prinzessin, „damals sehr liederlich, besuchte alle schlechten Häuser und nahm vorlieb mit dem was er vorfand, ohne sich von den übeln Krankheiten, die er mehrmals davon getragen hatte, witzigen zu lassen. Er wollte den Erbprinzen durchaus zu diesen Ausschweifungen verführen, dieser aber hatte einen Abscheu vor dergleichen Schändlichkeiten.“

Es erhellt aus dieser Stelle, daß Friedrich der Große als junger Mann in Bezug auf Sittlichkeit ziemlich niedrig stand. Derlei sichre Ueberlieferungen, wie dies unstreitig eine ist, sind ganz geeignet, die Vorstellungen von seinem Leben und Charakter, die mehr und mehr in’s Heroisch-Ideale wachsen, auf das richtige menschliche Maß zurückzuführen. Der Schmerz der Trennung von ihrem Gemahle wurde der Prinzessin etwas gelindert durch thatsächliche Beweise von Wohlwollen, die ihr und ihm der in seinen Gemüthsstimmungen so wechselvolle König gab. Freilich währten derlei Sonnenblicke nie lange. Ihre einzige Hoffnung war auf die Rückkehr nach Bayreuth gerichtet und sie ließ sich weder durch Versprechungen noch Schmeichelreden ihres Vaters irre machen; sie hatte hinlängliche Proben seiner wankenden Gesinnung.

Mitte Mai 1735 starb der Markgraf, der in den letzten Jahren durch seine Absicht, eine ihrer Hofdamen zu heirathen, der Schwiegertochter schweren Kummer gemacht hatte. Jetzt traten mit neuen Verhältnissen auch neue Sorgen für die junge Markgräfin ein. Der junge Markgraf, durch die Eifersucht seines Vaters in gänzlicher Unkenntniß der Regierungsgeschäfte aufgewachsen, sah sich anfangs genöthigt, die Verwaltung den Händen seines Staatsrathes zu überlassen. Dieser glaubte sich seine Machtstellung nicht besser sichern zu können, als wenn er dem Markgrafen Mißtrauen vor der vermeintlichen Herrschsucht seiner Gemahlin einflöße. Bei der Liebe und dem Vertrauen, welches zwischen dem jungen Paare herrschte, konnte jedoch ein derartiges Mißverständniß nicht lange währen.

Aeußerlich bedeutende Erlebnisse scheint die Markgräfin ferner nicht viel gehabt zu haben; ihr Leben war der Kunst und Wissenschaft, der Liebe zu Gatten und Kind und der Freude im schönsten Sinne des Wortes gewidmet.

In den Jahren 1743 und 1754 kam Friedrich d. Gr. als Gast nach Bayreuth. Prächtige Feste wurden ihm zu Ehren gegeben, wie dem Prinzen Heinrich von Preußen, der 1751 seine Schwester besuchte. Auch Voltaire lebte eine Zeit lang als Gast der Markgräfin auf der Eremitage.

Im Jahre 1742 unternahm das markgräfliche Paar incognito eine Reise nach Frankfurt a. M., um der Krönung Karl’s VII. beizuwohnen. Um diese Zeit bedrohte die schlimmste Gefahr das Lebensglück der Fürstin; ihr Gemahl begann ein Liebesverhältniß mit einer ihrer Hofdamen, welche die Markgräfin als ihre wahre Freundin zu betrachten seit Jahren gewohnt war. Als würdige Schwester des königlichen Philosophen und als selbstthätige Philosophin, die die schwere Schule des Lebens durchlaufen und ihren Geist durch das Studium mit den Genies aller Jahrhunderte und durch den Umgang mit den bedeutendsten Männern ihrer Zeit gekräftigt hatte, ertrug sie diesen doppelten Treubruch zwar mit tief gekränktem Herzen, doch aber mit Fassung.

Leider brechen die Memoiren der Fürstin hier ab – kein geringer Verlust für die Geschichte des achtzehnten Jahrhunderts, und dessen merkwürdigsten Manne, über dessen Charakterentwickelung und Geistesleben die Verfasserin als eine ihm so nahe stehende Schwester sicher die vollgültigsten Aufschlüsse gegeben hat, wie sie diese in dem erhaltenen Theile ihres Werkes verspricht. Wie schon erwähnt, ist Hoffnung vorhanden, daß das höchst interessante Buch einst vollständig erscheinen dürfte. Man hat dem Buche und seiner Schreiberin vielfache Vorwürfe gemacht. Man hat die Memoiren eine Satyre genannt. Sie sind es in gewisser Beziehung und mußten es der Natur der Dinge nach sein. Welcher Mensch von Geist konnte in jener wunderbaren Zeit des Kampfes zwischen deutscher Roheit und französischer Verfeinerung, crasser Bornirtheit und raffinirter Geisteskultur leben und schreiben, ohne satyrische Anwandlungen zu spüren?

Es ist wahr, die Markgräfin schont Niemanden, nicht einmal sich selbst. Mit diesem Vorwurf hängt der der Uebertreibung und Unwahrheit zusammen. Es genügt, auf einen Umstand hinzuweisen, um ihn zu entkräften. Die Verfasserin hing mit Leib und Seele an ihrem königlichen Bruder, doch aber hindert sie ihre Verehrung für ihn nicht, ein unbefangenes Bild seines lasterhaften Jugendlebens zu entwerfen. Sie selbst sagt an einer Stelle: „Ich mache mir aus der Wahrhaftigkeit ein Verdienst, daher werde ich die Fehler, die ich mir zu Schulden kommen ließ, nicht verschweigen.“ Ein weiterer Vorwurf, der der Impietät gegen ihre Eltern, ist nicht unbegründet. Allein mehrere Umstände sprechen zur Entschuldigung der Markgräfin. Die Mißhandlungen und die wahnsinnige Erziehung, welche ihr zu Theil wurden, hätten leicht für immer die Liebe zu ihren Eltern ersticken können, aber trotzdem bewies sie stets ein kindliches Gefühl für ihre Eltern. Es kommen in dieser Beziehung wahrhaft rührende Stellen in den Memoiren vor. Ließ sie sich von ihrem Unmuth zu einer Verletzung der Pietät hinreißen, so bereut sie dies fortwährend. Bereits oben ist ein dahin bezüglicher Auszug aus ihren Bekenntnissen mitgetheilt worden. Allein noch mehr spricht zu ihren Gunsten, daß sie diese Memoiren nicht für die Veröffentlichung schrieb. Sie sagt über diesen Punkt ausdrücklich: „Ich schreibe, um mich zu vergnügen und rechne nicht darauf, daß diese Memoiren jemals gedruckt werden sollen. Vielleicht opfere ich sie einst dem Vulcan; vielleicht gebe ich sie meiner Tochter – kurz, ich bin in diesem Stücke eine Pyrrhonistin (d. h. skeptisch gesinnt). Ich wiederhole es, ich schreibe nur zu meinem Zeitvertreib und mache mir eine Freude daraus, nichts von Allem, was mir begegnet ist, nicht einmal meine geheimsten Gedanken, zu verschweigen.“

Einen glänzenden Beweis von der Innigkeit und Liebe, mit der die Prinzessin an ihrem großen Bruder hing, liefert der Briefwechsel [391] zwischen ihr und Friedrich II. Er enthält neben den rührendsten Schwärmereien für die Größe ihres geliebten[WS 1] Bruders so viel Graziöses, Geistreiches und Feindurchdachtes, daß man mit hoher Achtung von dem Geist und den Kenntnissen der Prinzessin erfüllt wird.

Ihr eigenes Charakterbild leuchtet aus ihren Memoiren deutlich hervor. Sie war geistvoll witzig, eine warme Freundin der Kunst und der edeln Genüsse, welche sie gewährt. In der Herstellung derselben ging sie bis zur Verschwendung. Geselliger Verkehr mit geistvollen Leuten war ihr, der trotz steter Kränklichkeit so lebenslustigen Dame, unbedingtes Bedürfniß. Trotz allen Drangsalen ihrer Jugend, den Kümmernissen ihres spätern Lebens ist sie stets geneigt, die flüchtige Freude rasch zu fassen, im frohen und graziösen Tanze alle finstern Gedanken zu vergessen. Oft tritt ein kleiner verzeihlicher Stolz auf ihre königliche Abstammung und auf die vier Kronen hervor, die ihr in der Jugend bestimmt waren, aber sie ist zu edel und zu gebildet, um übermäßigen Werth auf diese Zufälligkeiten zu legen; auf der andern Seite hält sie fest an der Würde ihrer Stellung. Sie selbst sagt von sich: „Ich bin weder stolz noch ränkesüchtig, aber ich will, daß mir ein Jeder das Meinige zugestehe und tritt man mir zu nahe, so weiß ich so gut wie eine Andere auf mein Recht zu halten.“

Ganz vortrefflich ist ihre Ansicht über die Ehe: „Ich wollte einen Prinzen, den ich aus wirklicher Achtung heirathen, den ich als wahren Freund ansehen könnte. Ich wollte, daß gegenseitige Achtung und Zärtlichkeit die Richtschnur unserer Handlungen sei, und aus diesen Empfindungen sollten meine Gefälligkeit und mein Bemühen, ihm zu gefallen, entstehen. Der Begriff Pflicht schließt bei einer Frau alle Freundschaft für ihren Mann aus. Wenn man wahrhaft und aus Grundsätzen liebt, wird nichts mehr schwer, um dem geliebten Gegenstand zu gefallen.“ Das liebenswürdige Bild der geist- und gemüthvollen Dame zu vervollständigen, spreche schließlich ihre Ansicht über das Höchste im Geistesleben der Menschen aus, die Religion. „Der blinde Glaube ist nicht einem Jeden gegeben, ja man wird sogar finden, daß die am moralischsten leben, die am wenigsten glauben; allein ein schiefer Kopf, der keinen Glauben hat, ist ein sehr gefährliches Glied der Gesellschaft. Die meisten Menschen wissen gar nicht, was sie glauben, sie verwerfen die Religion, weil sie ihren Leidenschaften widerspricht; andere, um nach der Mode zu sein, noch andere, um sich den Ruf von gescheidten Leuten zu verschaffen. Diese starken Geister mißbillige ich sehr, aber die kann ich nicht verdammen, welche sich bemühen, die Wahrheit aufzusuchen, um die Vorurtheile los zu werden; ich bin sogar überzeugt, daß Menschen, die sich an’s Nachdenken gewöhnen, tugendhaft sein müssen; indem man die Wahrheit sucht, lernt man richtig räsonniren, und indem man richtig räsonniren lernt, muß man die Tugend lieb gewinnen.“

Um das geistige Wesen der Markgräfin auch von anderer Seite, als aus ihren Memoiren kennen zu lernen, und ihr Charakterbild zu vervollständigen, muß man die schönen und geschmackvollen Straßen Bayreuths durchwandern, die ihr Gemahl, der Markgraf Friedrich (d. h. sie) angelegt und die Schlösser und Häuser besuchen, die sie gebaut hat. Das prachtvolle Opernhaus in Bayreuth, würdig einer Königsresidenz, und das Lustschloß Eremitage sprechen am deutlichsten.

Die Prinzessin starb im Jahre 1758, in der Nacht des Ueberfalls von Hochkirch. Wir führen zum Schluß noch Friedrich des Zweiten eigenes Urtheil an, welches er in seiner Geschichte des siebenjährigen Krieges über sie fällt: „Ihr Geist war gebildet und geschmückt durch die schönsten Kenntnisse; sie hatte Anlagen zu Allem und ein vorzügliches Talent für alle Künste. Diese glücklichen Gaben der Natur waren aber der geringste Theil Dessen, was man zu ihrem Lobe sagen konnte. Ihre Herzensgüte, ihre Neigung zum Wohlthun, der Adel und die Hoheit ihrer Seele, die Sanftheit ihres Charakters verriethen in ihr die glänzenden Vorzüge des Geistes mit einem Kerne solider Tugend, die sich nie verleugnete. Die zarteste und festeste Freundschaft vereinigte den König mit dieser würdigen Schwester. Diese Bande hatten sich seit ihrer ersten Kindheit gebildet; dieselbe Erziehung und dieselbe Empfindung hatten sie fester gezogen, eine unerschütterliche Treue von beiden Seiten machte sie unauflöslich. Sie nahm sich die Gefahren, welche ihre Familie bedrohten, so zu Herzen, daß sie von diesem Grame zu Grunde gegangen ist.“

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: geliebter