Die Kunst in den Hütten der Armuth

Textdaten
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Autor: Ferd. Hey'l
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Titel: Die Kunst in den Hütten der Armuth
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 34, S. 535–537
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1869
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Die Kunst in den Hütten der Armuth.

Von Ferd. Hey’l.

Ein Sommerausflug führte uns auf dem Wege nach Süd-Baiern und Tirol durch München. Wir hatten die Sehenswürdigkeiten der bairischen Residenzstadt, welche uns größtentheils schon alte Bekannte waren, bereits seit einigen Tagen in unserem Touristen-Gedächtniß wieder aufgefrischt, als man uns von befreundeter Seite den Besuch der Ausstellung des „Vereins für Ausbildung der Gewerke“ dringend anrieth, der denn auch noch desselben Tages unternommen wurde. Gar viel des Guten und Trefflichen fanden wir in diesen Räumen aufgestapelt, eine glänzende Beweisführung, daß man im Baierlande auch Anderes zu Wege zu bringen vermag, als Bierbrauen und Biertrinken. Die Mannigfaltigkeit der ausgestellten Gegenstände war uns ebenso überraschend, als die treffliche Ausführung derselben. Unter den der Kunst verwandten Gegenständen fielen uns vor Allem ein Pocal und eine gothische Weinkanne auf, beide in Apfelbaumholz geschnitzt und künstlerisch in Zeichnung und Ausführung, so daß wir sofort den Einfluß eines Münchener Künstlers, mindestens bei dem Entwurf, voraussetzten.

Die Zeichnung des Pocals zeigte ein auf schönen ornamentalen Verschlingungen ruhendes Faß, auf dessen mit einer Trauben- und Weinblätterguirlande umschlungenem Deckel ein trunkener Landsknecht ruhte. Auf dem Faß, unter einem Reliefwappen, fand sich der Spruch.

„In dem Wein ist Wahrheit! und –
kommt der Wahrheit auf den Grund!"

Die Kanne, in Wahrheit ein Meisterwerk der Holzschnitzkunst und den Pocal womöglich in Zeichnung und Durchführung noch überbietend, bildete im Querschnitt ein reguläres Achtecke in den gothisch reich ornamentirten acht Feldern waren die acht Strophen des folgenden originellen Spruches vom Wein in schön ausgeführter Reliefschrift angebracht:

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„Der Wein, des Weinstocks edle Gabe,
Soll, wie Erfahrung lehrt, vier Religionen haben:
Lutherisch soll er sein, rein, lauter aus dem Faß,
Calvinisch aufgeklärt in einem vollen Glas,
Katholisch zeig’ er uns in Wundern seine Stärke,
An unserm Magen übend stets gute, warme Werke.
Auch soll er, wie ein Jude, nur ungetaufet sein;
So schließt ein gut’ Glas Wein vier Religionen ein.“

Das achtseitige Prisma ruhte auf einem reich ornamentirten Sockel und war oben von einer rundum laufenden Weinrebe eingefaßt, welche in ihren Verschlingungen die Wappen der acht Kreise Baierns trug. Den Deckel der Kanne bildete ein Tournierhelm, welcher sich im Visir öffnete. Der Helm selbst war vom bairischen Löwen gekrönt, der in seiner Pranke das Landeswappen hielt und zwischen zwei heraldischen Flügeln trotzig hervorschaute. Den Henkel der Kanne stellte ein dem Styl des Ganzen entsprechender Rebstab dar.

Daß wir es hier mit keinem der gewöhnlichen Erzeugnisse allbekannter Holzschnitzwerkstätten zu thun hatten, leuchtete beim ersten Anblick ein. In früheren Jahren besuchten wir mit Interesse die Holzschnitzereien der Schweiz, die Etablissements der Gebrüder Wirth in Brienz, die ebenso bekannten Werkstätten der Herren Michel Ablanalp und Johann Flück in Brienz und das Lager des Herrn Wald bei Thun. Wir haben Gelegenheit gehabt, die in der Schweiz anerkannt tüchtigsten Schnitzer, die Gebrüder Bury in Ringgenberg und Zurfluh in Rosenlauibad, welche die besten Gemsengruppen liefern, so wie Johann Huggler in Brienz, der große Fertigkeit in der Figurensculptur besitzt, und Andreas Baumann, den besten Blumenschnitzler der Schweiz, in Ausübung ihrer Kunstfertigkeit in ihren eigenen Werkstätten zu bewundern, und nicht zu leugnen ist, die Genannten haben jener wenigstens für die schweizerischen Gebirgsgegenden so nützlichen Thätigkeit eine gewisse Kunststufe erobert, welche in jeder Beziehung ehrend genannt werden darf.

Die Kunstschnitzerei ist in den Bergen der Schweiz erst seit etwa fünfzig Jahren eingebürgert und von da erst nach Tirol und Südbaiern verpflanzt worden. Hier standen wir vor einem Erzeugniß bairischer Kunstthätigkeit und überrascht fanden wir weder den Namen des ausführenden Künstlers noch jenen des Zeichners den beiden Gegenständen beigegeben, wie dies doch bei den anderen Werken der Ausstellung größtenteils der Fall war; ein einfacher Zettel zu Füßen der beiden Kunstwerke besagte nur „Erstlingswerke der gewerblichen Zeichenschule in Partenkirchen.“ Dies war eine Mittheilung, wohl geeignet, unserem Reiseplan eine kleine Aenderung einzuschieben. Erinnerlich war es uns, daß die Regierung des Cantons Bern durch Errichtung von Zeichenschulen der Industrie der Holzschnitzerei erst eine eigentliche künstlerische Richtung gegeben, und hier winkte uns vielleicht die Entdeckung einer ähnlichen Bestrebung auf deutschem Boden und zwar in einer Gegend, wo Kummer und Elend nur allzu häufig die Hütte des armen Mannes heimsuchen. Unser Entschluß war bald gefaßt, ein paar Tage ist diese Entdeckungsreise schon werth.

Ein herrlicher Sommermorgen führte uns an den Ufern des Starnberger Sees vorüber nach Seeshaupt und durch ziemlich aussichtslose Strecken Flachlandes, die südbairischen Berge lockend im Hintergrund, nach Schlehdorf am Ufer des Kochelsees, und endlich am Walchensee hin, in die alte Grafschaft Werdenfels mit ihren Wetterstein- und Zugspitzgebirgen. Hier kommt ein Mißton über uns. Wie reich an Schönheiten ist das Land – und wie arm das Volk dieser Thäler und Berge! Daß hier früher der Wohlstand eines lebhaften Straßenverkehrs herrschte, dafür zeugen große Häuser mit mächtigen Thorfahrten und Lagerräumen: aber vom damaligen Leben, als noch der Haupthandelszug zwischen Deutschland und Italien durch Innsbruck, Mittenwalde und Partenkirchen führte, ist jetzt jede Spur verschwunden, in Partenkirchen hat sogar das Feuer zu deren Vertilgung geholfen, Viehzucht und Holzarbeiten sind der jetzige Nothbehelf dieser Gebirgler. In Mittenwalde, das prächtig am Fuße des Karwendelgebirges liegt, producirt man allerdings in kolossaler Masse Geigen, Guitaren und Cithern, und die Firmen Neuner u. Hornsteiner und Bader u. Comp. haben ihren Fabrikaten einen gewissen Ruf und vor allen Dingen tüchtigen Absatz verschafft. In den übrigen Orten und Hütten aber treibt der arme Gebirgsbewohner das einfachere und wenig einträgliche Geschäft des „Fasselmachens“ und „Schindelschneidens“, dem man in jeder Hütte begegnet. Seit aber ein Regierungs-Erlaß die Dachung mit Schindeln, der Feuergefährlichkeit wegen, verboten, schwand ein sonst ziemlich sicherer Erwerbszweig für den Arbeitsamen. Die Flößerei auf der Loisach und Isar hat ebenfalls bedeutend abgenommen und auch die früher so starke Ausfuhr von Gyps in Fässern hörte, der bedeutenden Frachten und Transportkosten halber, fast ganz auf.

Da war nun die Noth nahe und Hülfe dringend nöthig; seitens der Regierung wurde mancher Ausweg erwogen, aber es boten sich zur Abhülfe nur geringe Aussichten. Wenn auch im Ammerthal (Ammergau) die Holzschnitzerei lohnende Thätigkeit geschaffen, in Partenkirchen und Garmisch wollte es nicht gelingen sie einzubürgern. Der bairischen Regierung schwebten die günstigen Erfolge jener Kunstthätigkeit und industriellen Bemühungen in der Schweiz vor, welche den einsamen Gebirgstälern jenes Landes mindestens die Summe von einer halben Million Franken im Laufe eines Jahres zuführt, und wiederholt wurden Versuche angestrebt, diese Industrie hierher zu verpflanzen. Sie scheiterte an dem Mangel einer energischen Leitung dieser Unternehmungen, vor Allem aber an dem Mangel eines Absatzes für die in Zeichnung und Entwurf meist verfehlten Producte. Sämmtliche Leistungen auf diesem Gebiete beschränkten sich mit wenigen Ausnahmen darauf, die alten vom Großvater ererbten Muster zu verarbeiten, und die natürliche Folge war, daß diese Arbeiten von den Erzeugnissen der französischen, schweizerischen und sächsischen Etablissements bei Weitem überholt wurden. Der Staat legte sich in’s Mittel und leistete bedeutende Zuschüsse, mit welchen indeß auf die Länge der überhand nehmenden Armuth nicht gründlich abzuhelfen war.

Da führten der Zufall und die Zwecke einer Studienreise vom fernen Rheinstrome einen lebensfrischen, mit scharfem praktischen Blick begabten Musensohn Düsseldorfs in jene Berge, den die Fülle der in jener Gegend vorhandenen malerischen Motive auf längere Zeit dort gebannt hielt. Er erkannte bald, daß es zur Sicherung eines Erfolges der kunstindustriellen Bemühungen der bairischen Regierung zunächst darauf ankam, die bereits vorhandenen Schnitzer der Gegend durch künstlerische Vervollkommnung ihrer Erzeugnisse den Schnitzern des Auslandes concurrenzfähig zu machen, und daß weitere Mittel geboten werden müßten, um durch Ausdehnung des Geschäftsbetriebes und durch faßliche Anregung und Lehre die Liebe zu jener Beschäftigung den Bewohnern dieser Bergthäler im Allgemeinen einzupflanzen, um dann durch einen geregelten kaufmännischen Betrieb die Erzeugnisse dieser fast neu zu schaffenden Industrie günstig zu verwerten.

So gründete mit frischem Muth der Düsseldorfer Maler – Michael Sachs ist sein Name – im September 1866 zu Partenkirchen eine gewerbliche Sonntags-Zeichenschule, und zwar aus eigenster Initiative und mit wenig Mitteln, welche er selbst und auf seine Gefahr hin flüssig machte. Zunächst ging sein Bestreben dahin, den bei den meisten Gebirgsbewohnern – vermuthlich durch die steten Eindrücke ihrer malerischen Natur – in hohem Grade vorhandenen Formensinn zu wecken und zu veredeln.

In einem gewöhnlichen Schulzimmer der Ortsschule zu Partenkirchen und mit einigen vierzig Schülern wurde das Werk rüstig begonnen. Was an Mitteln fehlte, ersetzte die Lust und Liebe zur Sache, und vom schulpflichtigen Knaben bis zum verheiratheten Handwerker zeigte sich zu des Künstlers Freude ein reger Eifer. Die ersten Vorlagen und Modelle entwarf und fertigte Sachs selbst. Aber nicht lange währte es und das Bestreben des Künstlers wurde gewürdigt. Das königliche Bezirksamt, der Magistrat des Städtchens und die Geistlichkeit, welche in dieser Thätigkeit ihrer Pfarrkinder eine Gewähr für deren sittliche Hebung sofort erkannten, griffen dem Unternehmen fördernd unter die Arme.

Der Ministerialrat Dr. Stautner in München, schon früher dem Künstler befreundet, wandte dem jungen Institute eine warme Fürsorge zu. Seinen Bemühungen ist es zu danken, daß der Verein für Ausbildung der Gewerke, die Sonn- und Feiertagsschulen in München, sowie viele Private in der Residenz, sich des Unternehmens in dankenswertester Weise annahmen und werthvolle Geschenke an Vorlagen und Modellen der Partenkirchener Schule zufließen ließen.

Der König von Baiern und die Königin-Mutter, welche alljährlich die prachtvollen Umgebungen Partenkirchens zur Sommerfrische [537] aufsuchen, erfuhren von den Bemühungen des uneigennützigen Gründers jener Schule, unterrichteten sich persönlich von den in kurzer Zeit erreichten Resultaten und reiche Geldspenden waren die nächste Folge ihrer unverhohlen ausgesprochenen Anerkennung. Ein Erfolg zieht den andern nach sich. Die ursprünglich so anspruchslos begonnene Unternehmung hatte nach allen Seiten die Theilnahme wachgerufen. Die bairische Regierung erkannte sehr bald die Tragweite dieser Bestrebungen und ordnete – außer einem namhaften Beitrag an klingenden Mitteln – die Gründung von Zeichenschulen im Ammergau, in Mittenwalde und Garmisch, an – letzterer Ort ist nur eine Viertelstunde von Partenkirchen entfernt. – Sämmtliche Schulen wurden unter die einheitliche Leitung des Gründers, der Partenkirchener Schule gestellt, in welch’ letzterer Sachs nach wie vor auch persönlich den Unterricht ertheilt.

Doch die Regierung ging in ihrem Interesse an dem jungen Institute noch weiter. Dem talentvollsten Schüler J. Bader, Sohn des die Holzschnitzerei bereits seit langen Jahren betreibenden Kunstdrechslers Bader in Garmisch, wurde ein Stipendium bewilligt, damit er sich auf der Kunstgewerbeschule zu Nürnberg zum Schnitzlehrer für den ganzen Bezirk ausbilde. Mit diesen Erfolgen wuchs auch der Muth der Gemeindebehörde. In kurzer Zeit entstanden in Partenkirchen, Garmisch und Ammergau für die Verhältnisse der Ortschaften brillante Zeichensäle. Die Schülerzahl stieg in Partenkirchen auf fünfundsechszig, jüngere und ältere Leute, die Anstellung eines tüchtigen Hülflehrers gestattete die Eintheilung der Schulbedürftigen in drei Curse, welche nach Alter und Fertigkeit geschieden wurden.

Zur Zeit wird wöchentlich sieben Stunden Zeichenunterricht ertheilt[WS 1] und zwar im Freihandzeichnen, Linearzeichnen und Zeichnen nach Modellen, eben so viel Stunden sind dem Unterricht in der Schnitzerei bestimmt. Die Schüler erhalten außerdem Anleitung zu selbstständigen Entwürfen von allen in das Fach der Kunstschnitzerei einschlagenden Ornamenten und Motiven. Die übrigen Stunden des Tages betreibt jeder Einzelne seine häuslichen Geschäfte. Zwischen dürftigem Ackerbau und Viehzucht theilt sich die Thätigkeit des Tages, die Zeichenstunden und der Unterricht in der Schnitzerei gelten als Erholung; Dank der anziehenden Art und Weise, wie der Unterricht zur Erholung gestaltet wird.

Wir hatten Gelegenheit, die Leistungen der Schüler zu prüfen, und gestehen gern, daß alle unsere Erwartungen übertroffen waren. Die erreichten Erfolge sind um so höher anzuschlagen, als der Lehrer genöthigt war – mit sehr wenig Ausnahmen – den Unterricht im Zeichnen mit lauter Neulingen zu beginnen, denen Bleistift und Papier in dieser Nutzanwendung bis dahin unbekannte Dinge waren. Die Regierung des Landes und der Vorstand des Vereins für Ausbildung der Gewerke in München erkannten die errungenen Resultate öffentlich an, und die unendliche Mühe zweier vollen Jahre, wie die pecuniären Opfer des Gründers erhielten dadurch den reichsten Lohn, daß die Einrichtungen sich bewährten, daß der Magistrat von Partenkirchen außer der Zeichenschule ein stattliches Local zum praktischen Unterricht im Schnitzen und Modelliren herrichtete, daß die Regierung eine jährliche bedeutende Subvention für diese Bestrebungen auswarf und die Schulen zu Districtsschulen unter oberster Leitung des Staates erhöht. Die Schnitzerschule zu Partenkirchen ist Centralschule für den ganzen Amtsbezirk Werdenfels und nimmt talentvolle junge Leute gratis als Schüler auf, um sie zu tüchtigen Holzschnitzern heranzubilden.

Zur Zeit leitet die Verwaltung des ganzen gewerblichen Unternehmens ein Verwaltungsrath unter Vorsitz des Bezirksamtmanns Fischer, welcher die ganze Angelegenheit von Beginn an mit größtem Eifer gefördert. Eine kaufmännische Commission besorgt den Vertrieb der angefertigten Schnitzwaaren und führt die mercantile Korrespondenz. Für die Beschaffung tüchtiger und zweckentsprechender Modelle können jetzt ohne Gefahr bedeutende Kosten aufgewendet werden, und die segensreiche Unternehmung hat somit, einer von allen Hülfsmitteln entblößten Gebirgsgegend einen Erwerbszweig geschaffen, welcher den natürlichen Anlagen der Bewohner und den vorhandenen Materialien des Landes vollkommen entspricht. Die drohende Verarmung jener Bergthäler scheint gehoben, der Absatz der gefertigten Schnitzwaaren, welche sich nunmehr schon kühn mit den entsprechenden Erzeugnissen der Schweiz messen können, ist in stetem Zunehmen, besonders nach Norddeutschland (vor Allem nach Berlin) haben sich die Absatzwege geöffnet. Der lebhafte Fremdenbesuch Südbaierns in den Sommermonaten unterstützt die Ausfuhr wesentlich, da der Fremde nunmehr auch hier findet, was die Schweiz als Erinnerungszeichen dem Touristen aller Orten zu bieten gewohnt ist. – In der Schweiz beschäftigt die Holzschnitzerei mehrere Tausend Menschen und ein Blick auf die mancherlei Gegenstände, welcher sich diese Industrie in neuerer Zeit bemächtigt hat, zeigt deutlich, daß dieselben Anklang und Absatz finden. Sehen wir ganz von den sogenannten Nippsachen und Spielereien ab, wir finden Holzschnitzwaaren, wie Cassetten, Holzkasten, Rahmen, Lesepulte, Verzierungen und Ornamente für Haushaltungsgegenstände, Salatlöffel, Uhrgehäuse, Spiegelrahmen, Lichtschirmträger, Necessaires, Consolen, Schreibzeuge, Näh- und Zündholzbüchsen bis zu den kleinsten Gegenständen, aller Orten in Benutzung, ein Beweis, daß diese Industrie sich festen Boden erobert hat.

Der König von Baiern lohnte die redliche Mühe und segensreiche Thätigkeit des Gründers jener Institute im Kreis Werdenfels durch einen entsprechenden Gehalt und die Verleihung des Professortitels.

Warum wir der Gartenlaube die Entstehungsgeschichte dieser gemeinnützigen Bestrebung mitgetheilt haben? Weil sich auch für anderwärts gar Vielerlei aus diesen Mittheilungen verwerthen läßt! Trägt doch ein Volksblatt in der Regel mehr zur Verbreitung nachahmungswerther Einrichtungen bei, als gelehrte Abhandlungen und bureaukratische Experimente es vermögen.

Auf dem Westerwalde, einem rauhen Gebirgsländchen am rechten Ufer des Rheines, versuchte die vormalige Regierung des Landes Nassau die Einführung der Holzschnitzerei. Sie fing aber, ähnlich der bairischen Regierung in früheren Jahren, diese Versuche bei dem Ende an; sie errichtete mit ziemlichen Kosten Schnitzerschulen, während die Zöglinge vom Zeichnen oder von dem Entwurf eines Modells auch nicht die leiseste Ahnung hatten. Erst die Grundlage und dann die Ausführung! Diese Lehre predigt die Central-Schnitzerschule zu Partenkirchen mit beredten Worten und mit beweisenden Thaten. Und diese Lehre ist auch in gleichem Sinn bei vielen ähnlichen Bestrebungen unserer Tage auf anderm Felde nicht genug zu beherzigen.

Ein Hinweis auf den Umstand, daß wir in Bezug auf Gegenstände der Holzschnitzerei nicht mehr im Auslande zu suchen brauchen, was jetzt auf bairischem, auf deutschem Boden hervorgebracht wird, dürfte vielleicht unseren Mittheilungen einen weiteren bescheidenen Werth verleihen; lenken sie doch die Blicke zugleich auf jene Hütten der bairischen Alpen, in welchen eine Stütze der Armuth und eine Pflegestätte der Kunst sich zu gleicher Zeit für die Bewohnerschaft aufgethan.



Anmerkungen (Wikisource)