Textdaten
Autor: Karl Ludwig von Woltmann
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Kunst
Untertitel:
aus: Friedrich Schiller:
Musen-Almanach für das Jahr 1796, S. 49 – 53
Herausgeber: Friedrich Schiller
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1796
Verlag: Michaelis
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Neustrelitz
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: HAAB Weimar, Kopie auf Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[49] 
Die Kunst.


     Der Abend strahlt auf Pindus Höhn,
Die Glut der Phantasie umglänzt die Gipfel,
Ihr Athem weht durch diese Lorbeerwipfel,
In deren Hain die Musen gehn.

5
     Von jedem Baum schwebt Melodie!

Bald wird Gesang aus ferner Grotte hallen,
Und durch die Nacht auf jener Quelle wallen,
Der Phöbus Wunderkraft verlieh.

     Hier ist der Menscheit Heiligthum!

10
O! wäre nie im Schatten dieser grünen

Geweihten Gäng’ Apollons Chor erschienen,
Uns bliebe kaum des Thieres Ruhm.

[50]

     Vom Bildner, der sein Ideal
Bei diesen Lorbeern fand in Rosendüften,

15
Erhob der Mensch sich zu den Aetherlüften

Der Wahrheit, in der Sonne Strahl.

     Vom Dichterhauch aus Pindus Hain
Ward unser Geist auf des Gesanges Wogen
Zum Reiche der Begriffe fortgezogen,

20
Und maß der Sterne fernen Schein.


     Die Schönheit goß voll Heiterkeit
Ihr Licht von diesen Höhn auf unsre Erde;
Da rief die Pflicht ihr schöpferisches Werde!
Und vor uns war Unendlichkeit.

25
     Wer nicht der Schönheit Morgenroth

Als Greis noch liebt mit Feuerkraft der Jugend,
Der ist kein Mensch, ein Joch ist seine Tugend,
Und er ein Sklav’ und ein Despot.

[51]

     O! rausche stärker, Lorbeerhain!

30
In deinem Sturm will ich den Menschen singen,

Wie mit Vernunft die Sinne ewig ringen,
Wenn beide sich der Kunst nicht weihn.

     Und strafen will ich jeden Staat,
Der sie verschmäht! er stellt dem Laster Netze,

35
Zertheilt des Menschen Geist, und giebt Gesetze,

Ein Greuel für den Götter-Rath.

     Wie seine Bürger irre gehn!
Er treibt sie zu der Wissenschaften Gipfeln,
Entfernet von der Künste Blüthenwipfeln,

40
Die auf dem rechten Pfade wehn.


     Doch horch, es schweigt der Lorbeerhain!
Ich seh den Mond durch alle Zweige wallen,
Ich höre Lieder aus der Grotte hallen,
Der Musen Lieblingsaufenthalt.

[52]
45
     O! schonet mein, zu mächtig weiht

Mich der Gesang! der Hain, die Wiese wanket
Im Mondenlicht, der Sternenhimmel schwanket,
Mein Busen faßt die Ewigkeit.

     »Hinan, so rauscht das Lied daher,

50
Hinan den höchsten Berg! der Erde Kinder,

Hinauf! dort weht der Menscheit Athem linder,
Dort strömt der Wahrheit Strahlenmeer!

     Wallt sicher an der Künste Hand;
Sie schenken euch dereinst des Adlers Flügel

55
Zu immer kühnerm Flug auf ferne Hügel,

Die kaum des Sehers Auge fand.

     Hinauf zu ihren Blumenhöhn,
Wo himmelan Apollons Tempel ragen,
Durch deren Hallen in den bessern Tagen,

60
Die Sinne mit der Freiheit gehn.
[53]

     Hinauf zum schönsten Morgenroth!
Da sind die Sterblichen der Götter Brüder,
Und wir, wir leiten sichrer sie durch Lieder,
Als sonst der Staaten Machtgebot.«

WOLTMANN.