Die Insel (Rilke)
NORDSEE
I
Die nächste Flut verwischt den Weg im Watt
und alles wird auf allen Seiten gleich;
die kleine Insel draußen aber hat
die Augen zu; verwirrend kreist der Deich
geboren werden, drin sie viele Welten
verwechseln schweigend; denn sie reden selten
und jeder Satz ist wie ein Epitaph
für etwas Angeschwemmtes, Unbekanntes,
Und so ist alles was ihr Blick beschreibt
von Kindheit an: nicht auf sie Angewandtes,
zu Großes, Rücksichtsloses, Hergesandtes,
das ihre Einsamkeit noch übertreibt.
II
auf einem Mond: ist jeder Hof umdämmt,
und drin die Gärten sind auf gleiche Weise
gekleidet und wie Waisen gleich gekämmt
Dann sitzt man in den Häusern drin und sieht
in schiefen Spiegeln was auf den Kommoden
Seltsames steht. Und einer von den Söhnen
tritt abends vor die Tür und zieht ein Tönen
so hörte er’s in einem fremden Hafen —.
Und draußen formt sich eines von den Schafen
ganz groß, fast drohend, auf dem Außendeich.
III
Nah ist nur Innres; alles andre fern.
mit allem überfüllt und ganz unsäglich.
Die Insel ist wie ein zu kleiner Stern,
welchen der Raum nicht merkt und stumm zerstört
in seinem unbewußten Furchtbarsein,
allein
damit dies alles doch ein Ende nehme
dunkel auf einer selbsterfundnen Bahn
versucht zu gehen, blindlings, nicht im Plan