Die Hunde (Pfeffel)
Vor Zeiten da die Hunde noch
Entfremdet von des Menschen Joch
Nomadisch in den Wäldern haußten,
Fiel manchem seine Nahrung schwer,
Aus Mißgunst oft das Fell zerzaußten.
Allein sie waren frey: der Krieg
Gab ihnen Kraft, und Ruh der Sieg,
Und wenn die grauen Helden starben,
Und schwuren brav wie sie zu seyn.
Zuletzt, durch stete Balgereyen
Ermüdet giengen die Partheyen
Den Theilungsplan des Bären ein,
Der Hundezunft die flachen Felder,
Zur Wildbahn vorschlug. Anfangs war
Der kriegserfahrnen Hundeschaar
Die Jagd ergiebig; Feld und Wiesen
An Haasen und an kleinerm Wild,
Das sie mit Siegsgeschrey verzehrten.
Allein je stärker sie sich mehrten,
Je leerer wurde das Gefild;
Und nun trat bittrer Mangel ein;
Die muthigsten (ein leerer Magen
Gehorchet keinem Grenzverein)
Bestürmten einen nahen Hain
Weil, wenn der Hund mit Haasen kriegt,
Sein Haupttalent im Laufen liegt,
Der Bären und der Wölfe Beute.
Nun wollte zwar die Colonie,
Allein die Armen lernten sie
So wenig als das Gras verdauen.
Jetzt schlich ein abgezehrter Greis,
Ein Pudel war’s, in ihren Kreis
Mit Müh und Fahr in Wald und Flur,
Um jeden Bissen uns zu schlagen?
Wagt ihr’s dem König der Natur
Euch zu Gehülfen anzutragen,
Er schwieg. Der Schlauste der Sophisten
Der alles übertäubt, die Noth,
Half ihm die Brüder überlisten.
Die Motion ward dekretirt,
Die Unterhandlung anzufangen.
Gescheute Köpfe krönt das Glück;
Der Mensch gewährte sein Verlangen
Und keine Woche war vergangen
Mit vollem Wanst und glatten Backen
Trug er zum Pfand der Allianz
Ein goldnes Halsband um den Nacken
Und bunte Schleifen auf dem Schwanz.
Empfiengen ihren Abgesandten
Mit Feldmusik und Ringeltanz.
Nun traten die verschiednen Casten,
Bey Hirten, Bauern und Dynasten
Der erste Tag glich einem Feste:
Die Wirthe gaben froh die Reste
Der Mahlzeit preis, um ihre Gäste
Zu Bundsgenossen einzuweihn.
Und sein Geschick, ward täglich fetter
Und heimischer. Doch dieser Schein
Des Glücks bestand nur wenig Wochen;
Der Freund ward nach und nach ein Knecht,
Bald war’s ein abgeschälter Knochen,
Bald Spühlicht oder hartes Brod;
Und fand zu seines Zwingherrn Freude
Durch ihn ein Haas, ein Hirsch den Tod,
Mit jedem Jahre wuchs das Maas
Des Grames, der den armen Thieren,
Dem Krebse gleich, am Herzen fraß;
Und wollte jemand protestieren,
Mit einem Worte: Knut und Bande
Und Kerker waren meist ihr Loos.
Stieg einer in des Glückes Schooß,
So that er’s auf dem Weg der Schande;
Durch Schmiegen und durch Speichellecken
Und durch der Gaukler schnöde Kunst
Erwarb er sich die Huld der Gecken.
Noch mehr; er durfte kaum noch schreyn,
Die Ohren und den Schwanz ihm stutzen;
Und trat zuletzt das Alter ein,
So machten oft dem Hofbeschützer,
So wie dem faulen Stubensitzer,
Ein Schuß, ja selbst des Henkers Hände
Durch einen Keulenschlag, ein Ende.
Auch sahen viele nie das Licht,
Die man bey der Geburt ersäufte,
Und ihre Mütter wagtens nicht
Die seufzende Natur zu rächen.
Doch endlich weckten Harm und Wuth
Des armen Völkleins trägen Muth;
In einem heimlichen Senat
Gab einst ein Pommer laut den Rath
Das Joch der Sklaverey zu brechen.
Krieg! rief der helle Haufen, Krieg!
Und als der ganze Rudel wollte
Daß er sein Urtheil sagen sollte,
Sprach er: ihr wollt die Knechtschaft fliehn,
Wollt frey seyn? gut, ihr könnt es werden.
Des schönen Kampfs euch unterziehn?
Wollt ihr, wie zu der Väter Zeiten,
Euch in den unwirthbaren Wald
Um euern kargen Unterhalt
Ihr kennt des Menschen Allgewalt;
Wollt ihr, verfolgt euch seine Rache,
Dem Tode für die gute Sache
Mit kaltem Trotz entgegen gehn?
Warum? Ei weil die Freyheitshelden
Geschreckt in ihre Kerker flohn.
Dieß war doch ohne Ruhm zu melden,
Dein Werk, Civilisation!