Die Hochzeitfeier
Im Grafenschloß beim Kerzenschein
Steht eine schwarze Bahre,
Drin ruht ein blaßes Mägdelein
Mit langem blondem Haare;
Der ihr den Tod gegeben,
Doch stille steht das arme Herz
Und ruhet aus vom Leben.
Ein mächt’ger Herzog, schön und fein,
Und doch dem armen Mägdelein
Nachher sein Wort gebrochen;
Hat ihr geraubt der Unschuld Glück,
Sie treulos dann gemieden,
Und gab ihr seinen Frieden.
Am Sarge steht der alte Graf,
Kein Wörtlein läßt er hören,
Als fürchtet er, aus süßem Schlaf
Doch wie er hinblickt auf den Sarg,
Denkt an ihr frühes Ende,
Da wird sein Schmerz zu tief und arg,
Als daß er Thränen fände.
Und rufet seine Knechte:
„Wer ist, der wohl im schnellsten Lauf
Dem Herzog Kunde brächte?
Der möge, daß in stiller Nacht
Mein blaßes Mädchen Hochzeit macht,
Dem stolzen Herzog sagen.
„Der lad’ ihn auch fein höflich ein,
Er mög’ es nicht verschmähen,
Die Hochzeit zu begehen.
Der sag’ ihm auch, man warte sein
In Liebe und in Freude,
Geschmückt sey schon das Bräutchen fein
So spricht der Greis und schnell enteilt
Ein Knecht mit flücht’gen Schritten
Den Herzog, der zu Hofe weilt,
Zur Hochzeit herzubitten.
Und bringt mit keckem Munde,
Sieht gleich der Fürst ihn finster an,
Die aufgetragne Kunde.
Der Herzog staunt den Bothen an,
Daß sie des Leids sich abgethan,
Mag Eurer Herrin frommen!“ –
Der Diener sieht den Herzog an,
Und spricht: „So ist’s geschehen,
Ihr werdet selbst es sehen!“ –
Nach dreien Tagen in der Nacht
Glänzt hell vom Fackelscheine
Des Grafen Schloß in düstrer Pracht
Doch still ist’s drinnen in dem Schloß
Mit Werken und mit Worten;
Da kommt der Herzog hoch zu Roß,
Und donnert an die Pforten.
Und heißt ihn ernst willkommen,
Daß er zu seinem Töchterlein
Zur Hochzeit hergekommen;
Drauf führt er ihn durch einen Gang
Die Trepp’ hinauf die Hall’ entlang
Bis in des Hofes Mitte.
Doch still und stumm ist’s überall,
Erstorben scheint die Runde,
Giebt keines Festes Kunde;
Da tönt kein Jubel, tönt kein Klang
Der an die Hochzeit mahne.
Der Wind nur saust die Burg entlang,
Scheu bleibt der Herzog stehn und spricht!
„Wie soll ich Dieses deuten?
So stumm und traurig pflegt man nicht
Die Hochzeit zu bereiten! –“
Es darf Euch nicht erschrecken;
Noch schläft mein süßes Töchterlein
Und Niemand will es wecken!“
Und weiter gehn sie Beide stumm
Da stehn der Männer viel’ ringsum
In schwarzer Kleidung alle;
Sie stehen da und sprechen nicht,
Und schauen vor sich nieder,
Und regungslos die Glieder.
Scheu bleibt der Herzog stehn und spricht:
„Wie soll ich Dieses deuten?
So feiert man die Hochzeit nicht
Der Graf spricht: „Laßt nur gut es seyn,
Es sind die Hochzeitgäste,
So wünschte sie mein Töchterlein
Bei ihrem Hochzeitsfeste!’“
Stumm steht die bleiche Runde,
Da tönt herab mit dumpfem Schall
Der Schlag der Mittnachtstunde;
Und plötzlich klingt ein Grabgesang
In Thränen muß bei diesem Klang
Wohl jedes Auge schwimmen.
Da wird’s dem Herzog weh und bang,
Er frägt: „Was soll das heißen?
Das sind ja Grabesweisen!“
Der Graf spricht: „Laßt nur gut es seyn!
Gleich wird die Braut erscheinen,
Gar gerne sieht’s mein Töchterlein,
Und plötzlich öffnet sich die Thür’,
Und schweigend, Paar an Paare,
Tritt eine Schaar von Frau’n herfür,
Mit einer schwarzen Bahre;
Mit langem blonden Haare,
Und Frau’n und Männer wechselnd streu’n
Ihr Blumen auf die Bahre.
Der Herzog bebt, sein Haar es sträubt
Wie auch die Angst ihn drängt und treibt,
Er steht und kann nicht weichen;
Sein Auge rollt er wirr und wild
Umher im düstern Kreise,
Erstarrt sein Blut zu Eise.
Da packt der Graf ihn bei der Hand:
„Nun Herzog, auf zum Tanze!
Siehst du die Braut im Festgewand,
Spielt auf, ihr Leute, nun beginnt
Der frohste Hochzeitreigen:
Der Bräut’gam wird mit meinem Kind
In’s kühle Brautbett steigen!“
Dem Herzog die Gedanken;
Wild tanzt um ihn der Lichter Schwarm
Und alle Wände wanken;
Er flieht hinweg mit wirrem Lauf,
Rings flattern bang geschrecket auf
Die Käuzlein und die Eulen.
Und endlich steht er auf dem Thurm
Am jähen Abgrunds-Rande,
In seiner Brust die Schande.
Und wie er drunten hört beim Grab
Die letzten Sterbelieder,
Da stürzt er in die Tief’ hinab
- ↑ Ueber die Zeit, in welcher diese tragische Geschichte vorgefallen, weichen die Sagen bedeutend von einander ab. Einige verlegen sie in die Zeiten Dagoberts, der längere Zeit in Mosbach am Neckar wohnte, Andere in viel spätere Jahrhunderte. Nach einer mündlichen Erzählung soll es ein Graf Bruno von Laufen gewesen seyn, der ihm Jahr 1100 dem Kraich-, Enz- und Elsenzgaue vorstand und seinen Wohnsitz auf dem Schlosse Dilsberg bei Neckargemünd hatte. Er war der Sohn des Grafen Arnold von Laufen. Aus Schmerz über den Verlust seiner einzigen Tochter trat er in den geistlichen Stand, übergab die Grafschaft seinem Bruder Poppo und stiftete zum ewigen Gedächtniß, und zum Seelenheil seines Kindes, im Jahr 1132 das Kloster Odenheim bei Bruchsal. (Siehe J. Baader’s „Sagen der Pfalz und des Neckarthals.“ S. 139.)