LXI. Der Mainzer Dom Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Zweiter Band (1835) von Joseph Meyer
LXII. Die Hochschule in Edinburg
LXIII. Isola Bella und der Lago Maggiore in Italien
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DIE HOHE SCHULE IN EDINBURG

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LXII. Die Hochschule in Edinburg.




Jeden, der England besucht, frappirt die Schönheit des Landes und die ungemeine Zierlichkeit aller Orte, durch welche sein Weg führt. Diese eben so fruchtbaren als geordneten Landschaften, diese Tausende von behaglichen und lieblichen Landhäusern, auf allen Punkten der Gegend vertheilt, dieß fortwährende Gewühl von eleganten Wagen, Reitern und wohlgekleideten Fußgängern ist blos England eigen. Es hat aber dieses imponirende Ganze, dem für Naturschönheiten empfänglichen Gemüthe, doch etwas Mißfälliges; es ist ihm Alles zu kultivirt, zu vollendet, zu geordnet; deshalb immer und überall dasselbe, und folglich auf die Länge ermüdend, übersättigend.

Sobald der Reisende den Tweed überschritten und das nördliche Schwesterland betreten hat, wird es anders. Die Natur erscheint großartiger und freier, sie ist von den Fesseln der bevormundenden Cultur minder schwer und weit weniger in das Auge fallend beladen. Man hat diesen Unterschied dem geringern Reichthume der Schotten zugerechnet; wenn wir ihm aber vor den Thoren großer, üppiger Städte, ja selbst innerhalb der Gemarkung der überreichen und prachtvollen Metropole begegnen, dann müssen wir ihm doch wohl eine höhere Bedeutung zuschreiben, und seine Ursache tiefer begründet glauben. Sie liegt im Gemüthe des Schotten. Liebe für die einfache, unverkünstelte Natur erwärmt die Söhne des rauhen Nordens weit inniger als ihre südlichern Nachbarn, und während diese, die alles meistern und verschönern wollende Hand, keck an die herrlichsten Naturscenen legen, sucht der Schotte mit ehrfurchtsvoller Scheu vor dem großen Meister, die erhabenen Naturgebilde selbst noch im Schooße seiner Städte sich zu erhalten. Daher das auffallend Pittoreske so vieler derselben, und selbst in der üppigen Hauptstadt noch die primitive Pracht der großartigsten Natur.

Das nebige Bild versetzt uns in den Mittelpunkt Edinburg’s. Auf der Südseite eines Felsens, der hoch über die Häusermassen der tiefen Altstadt sich emporthürmt (CALTON HILL), prangt ein colossales, tempelartiges Gebäude, ein Werk des letzten Jahrzehends, welches, wie durch Zauber, so viele prachtvolle Gebäude in Schottland’s Metropole entstehen sah, und ihr den Namen der nordischen Athenae erwarb. – Es ist das Gymnasium, (HIGH-SCHOOL) welches die frühern Lyceen der Hauptstadt vereinigt. Die Construktion desselben ist im edelsten griechischen Styl durchaus von festen [38] Sandsteinquadern, die bei dem Durchbruch des nobeln Fahrwegs, der aus der Tiefe der Stadt zum Plateau führt, gewonnen wurden. – Das Mittelgebäude ziert ein schöner Portikus, in dessen vorderen Reihe 6 dorische Säulen stehen, genaue Copien der am Theseum in Athen. Die in der Hauptfaçade hervor tretende Fronte der Flügelgebäude ist mit Hallen, die Säulen derselben Ordnung tragen, geschmückt. Die innere Einrichtung ist der Pracht des Aeußern entsprechend. Die Unterrichts-Säle sind 20 Fuß hoch, geschmackvoll dekorirt und zur Aufnahme von 800 Schülern geschickt. Mehre enthalten eine reiche Bibliothek, ein physikalisches Kabinet, naturhistorische Sammlungen und andere Hülfsmittel des Unterrichts, meistens Geschenke patriotischer Bürger. Eingeweiht wurde dieser Tempel für öffentliche Belehrung 1829. Die Anzahl der Schüler ist gegenwärtig ungefähr 800. –