Die Herstellung der Briefmarke

Textdaten
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Autor: Bw.
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Titel: Die Herstellung der Briefmarke
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 8, S. 247–248
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1898
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Die Herstellung der Briefmarke.

Es giebt in der Welt kein weiter verbreitetes Wertpapier als jene kleinen bunten Zettelchen, mit denen der civilisierte Mensch seine Postbehörden für die schnelle und richtige Beförderung seiner Brief- und Paketsendungen bezahlt. Ihre Herstellung muß daher in den Kulturstaaten in einem um so größeren Umfange betrieben werden, als jede Marke sofort nach der ersten Benutzung entwertet wird, während andere Wertpapiere nacheinander in tausend Hände kommen, bevor die allmähliche Abnutzung sie diesem Dienste entzieht. Vor wenigen Jahren hatte die Post von Frankreich eine Jahreseinnahme von 135 Millionen Mark, die englische Post nahm 200, die deutsche 230 und diejenige der Vereinigten Staaten 285 Millionen Mark ein, die allenthalben durch den Verkauf von Briefmarken und sonstigen Postwertzeichen im Betrage weniger Cents oder Pfennige eingebracht wurden. Die Anzahl der Briefmarken, welche diesen ungeheuren Werten entsprechen, dürfte sich in den genannten vier Staaten auf zwölf Milliarden (12 000 000 000) Stück belaufen, von denen ein Dritteil auf die Vereinigten Staaten entfällt und jedes Jahr von neuem hergestellt werden muß. Die Herstellungskosten beliefen sich in dem letzteren Staatenverbande alljährlich auf 150000 Dollar (600000 Mark), in welcher Summe neuerdings noch eine Ermäßigung eingetreten ist, nachdem die Regierung der Vereinigten Staaten die Fabrikation ihres Markenbedarfs aus Privathänden in ihre eigene Verwaltung übernommen hat. Die bei dieser Gelegenheit eingerichtete und mit den neuesten technischen Fortschritten ausgerüstete Markendruckerei der Union ist es nun, von welcher wir unseren Lesern ein Bild geben wollen.

Vorher sei es jedoch gestattet, einiges über die ihren Zwecken aufs beste entsprechende Briefmarkenfabrikation der Deutschen Reichspost mitzuteilen.

Die Reichsdruckerei zu Berlin ist die Anstalt, in deren Räumen neben Reichskassenscheinen und Reichsbanknoten auch die Briefmarken das Licht der Welt erblicken. Wir sehen, nachdem wir uns die Erlaubnis zur Besichtigung der betreffenden Räume erbeten haben, zunächst die Maschine, in der das von den Rollen laufende Papier das stets wieder sichtbar zu machende geheime Wasserzeichen erhält. Daran reiht sich eine Gummiermaschine, ein Trockenraum, in dem die endlosen Papierstreifen mehrmals langsam hin und herlaufen, eine Maschine zum Glätten und endlich zum Aufrollen des noch immer im Ganzen befindlichen Papieres. Erst jetzt wird dasselbe in Bogen für je 400 Marken zerschnitten und geht unter die Markendruckmaschine, welche jedem Bogen, wenn er mit Zehnpfennigmarken bedeckt wird, einen Wert von 40, bei Zwanzigpfennigmarken aber von 80 Mark im Handumdrehen erteilt. Mit der Herstellung der meistbegehrten Zehnpfennigmarken ist eine Maschine tagaus, tagein vollauf beschäftigt. Aber die Marken sind mit dem Druck noch nicht zur Ablieferung fertig, es fehlt ihnen noch die Perforierung. Von Mädchen bediente Maschinen versehen die Bogen mit jenen Reihen kleiner Löcher, welche die einzelnen Marken voneinander trennen und das Abreißen erleichtern, dann werden die Markenbogen nebst dem Ausschuß zur Buchung abgeliefert. Eine möglichst weitgehende Arbeitsteilung, welche dasselbe Stück nacheinander durch viele Hände gehen läßt und eine starke gegenseitige Kontrolle zur Folge hat, ist die Vorbedingung, um bei der Fabrikation Unterschleife zu verhüten.

Doch wir kommen jetzt auf die neue Markenfabrik der Unionsregierung in Washington zurück.

Da auf die saubere und vollendete Ausführung des Markendruckes in den Vereinigten Staaten viel Wert gelegt wird – man betrachte nur die 1893 in ungeheuren Mengen in Umlauf gesetzten, hübschen Columbischen Marken, von denen jede einzelne ein kleines Kunstwerk des Kupferdruckes ist – so erfordert naturgemäß die Herstellung der Platten, von denen die Marken später abgedruckt werden, besondere Sorgfalt. Die Kupferplatten, welche beim Drucke als Matrizen dienen, sind mit der sauberen Gravur von je 400 in Reihen angeordneten Briefmarken bedeckt, deren Abdruck zunächst auf einen großen Bogen erfolgt, der dann wieder in vier kleinere Bogen, zu je 100 Marken, zerschnitten wird. Jede von den sechs Pressen, welche augenblicklich in der amerikanischen Bundesdruckerei im Betrieb sind, arbeitet mit vier Platten gleichzeitig, vermag also mit einem Schlage 1600 oder in jeder Minute 16000 Marken zu drucken. Arbeiten alle Pressen gleichzeitig, so können in jeder Stunde etwa 60000 und an jedem Tage 600 000 Bogen (zu je 100 Marken) hergestellt werden, die als Postwertzeichen die Kleinigkeit von 5 Millionen Mark darstellen. Allerdings wird selten mit solchem Hochdruck gearbeitet.

Auf den Pressen selbst nun gehen die verschiedensten Prozesse fast ohne Mithilfe des Arbeiters, aber mit erstaunlicher Geschwindigkeit vor sich. Eine „endlose“ Kette ergreift die Kupferplatte, schiebt sie unter eine mit Farbstoff (Karmin oder Ultramarin) imprägnierte Walze, und die Farbe ist in einem Augenblick über die ganze Platte verbreitet, welche sich bereits weiterbewegt und nun unter ein automatisch sich drehendes Reibekissen gelangt. Hier wird die Farbe in die gravierten Vertiefungen hineingerieben und, nach einem abermaligen Vorrücken der Platte, der Ueberschuß an Farbstoff durch einen Arbeiter mit einem geschickten Handgriff beseitigt. Auch zu dieser Manipulation giebt es nur einige Sekunden Zeit; schon wird die Platte weitergeführt und gelangt jetzt in die eigentliche Presse, wo ein Mädchen bereits einen Bogen ausgebreitet hat, der im nächsten Augenblick mit 400 überaus sauberen Markenabdrücken bedeckt ist. Da jede Maschine vier Platten besitzt, so spielen sich die geschilderten Prozesse in ununterbrochener Folge und mit bewunderungswerter [248] Schnelligkeit ab. Die Bogen werden den Arbeitern in bestimmter Anzahl zugezählt und kontrolliert; um Unterschleifen vorzubeugen, muß auch jeder Bogen Ausschuß abgeliefert werden.

Natürlich ist die Herstellung der Marken mit dem bloßen Druckprozeß noch nicht erschöpft. Frisch, wie die Bogen aus der Presse kommen, wandern sie zu Haufen, zwischen Pappen einzeln ausgebreitet, unter eine hydraulische Presse, aus der sie glatt und gerade wieder hervorgehen. Und nun wird die Wanderung in eine Reihe weiterer Maschinen schleunigst fortgesetzt. Von Mädchen hintereinander, und zwar mit der Bildseite unten, auf ein endloses Tuch gelegt, gleiten die Blätter zunächst zwischen Walzen hindurch, deren obere, stark erwärmt und mit Klebestoff versehen, eine dünne Gummischicht über die Rückseite der Marken ausbreitet; ohne Aufenthalt geht es weiter, durch den Bereich eines elektrischen Ventilators, der die feuchten Bogen trocknet, und in die Hände eines Arbeiters; dieser häuft die ihm zugeführten Bogen in Stöße und übergiebt die letzteren abermals einer hydraulischen Presse zum Glätten. Nachmals müssen nun die Bogen einzeln vorgenommen werden und gelangen in die Perforiermaschine. Endlich geht der Bogen noch über ein Messer, das ihn in vier kleinere Bogen à 100 Marken zerschneidet, und jetzt erst kann das Sortieren und Verpacken zu Bündeln von je 100 Bogen oder 10 000 Marken erfolgen. 400 000 solcher Bündel verlassen in jedem Jahre die Briefmarkendruckerei der Vereinigten Staaten; die Kosten, welche ihre Herstellung verursacht, belaufen sich auf 416 000 Mark. so daß die Anfertigung von je hundert Briefmarken einen Pfennig kostet. Gegen die frühere Herstellung in Privatwerken werden jetzt etwa 200 000 Mark im Jahre gespart. Bw.