Die Grafen von Eberstein in Retztow

Textdaten
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Autor: Jodocus Donatus Hubertus Temme
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Titel: Die Grafen von Eberstein in Retztow
Untertitel:
aus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. S. 187–189
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1840
Verlag: Nicolaische Buchhandlung
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Erscheinungsort: Berlin
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Originalherkunft:
Quelle: Google und Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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149. Die Grafen von Eberstein bei Retztow.

Vor Zeiten lebte in Sachsen ein vornehmes und mächtiges Geschlecht, das der Grafen von Eberstein. In der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts aber wurde Graf Dietrich von Eberstein von dem Herzoge von Braunschweig [188] mit dem Strange hingerichtet, und seine Söhne mußten in alle Welt flüchten, und ihre Güter im Stich lassen. Einer von ihnen, Graf Otto von Eberstein, floh zu seiner Mutter Bruder, einem Grafen von Gleichen, der damals Bischof von Cammin in Pommern war. Er wurde von diesem aufgenommen, und der Bischof belehnte ihn im Jahre 1263 mit der Stadt und Grafschaft Naugard. Zu dieser Grafschaft gehörte auch das Dorf Retztow, eine Meile südwestlich von Naugard, bei welchem die Grafen späterhin eine Burg erbauten, welche sie die Wolfsburg nannten. Die Trümmer dieser Burg sieht man noch jetzt in der Nähe von Retztow. Die Ebersteiner fingen aber mit der Zeit ein wüstes, gottloses Leben an, und besonders hatten sie ihre Freude daran, von der Wolfsburg aus, wo sie oft zum Jagen mit ihren wilden Gesellen zusammentrafen, den Bauern die Saaten zu verderben. Deshalb stehen sie noch jetzt unter den Bauern in einem schlechten Rufe, und man sagt, sie hätten keine Ruhe unter der Erde, und müßten noch immer um die Wolfsburg herum wandern. Doch sind sie jetzt nicht immer mehr böse, sondern beschenken sogar manchmal die Leute, mit denen sie zusammentreffen.

So war vor vielen Jahren einmal ein Schäfer in Retztow, der hütete am Johannistage mit seiner Heerde auf dem sogenannten Hühnenberge, nicht weit von der Wolfsburg. Auf einmal versank er mit allen seinen Schaafen in die Erde hinein, daß sie sich über ihm zusammenthat. Unten kam ihm ein großer Hund entgegen, der ihn an eine Thür führte. Diese öffnete der Schäfer, worauf er an eine zweite Thür kam. Als er auch diese geöffnet hatte, befand er sich in einem großen Saale; in demselben saßen viele vornehme Herren am Speisen. Sie sahen dem Schäfer so stattlich aus, daß er sie für Fürsten hielt, obgleich die Leute meinen, daß es die Grafen von Eberstein [189] gewesen wären, die in diesen Berg hineingebannt seyen. Sie luden auch den Schäfer ein, mit ihnen zu essen, was er that. Als er sie darauf aber fragte, wie er aus dem Berge wieder herauskommen möge, sagten sie ihm, daß er daran vor dem nächsten Johannistage, mithin vor Ablauf eines Jahrs, nicht denken könne. Also geschah es auch, und der Schäfer mußte ein ganzes Jahr mit seiner Heerde im Berge bleiben. Als das Jahr zu Ende war, verehrten ihm die Grafen einen goldenen Stab; sie sagten ihm aber dabei, daß er niemals wieder in die Nähe des Hühnenberges kommen solle.

Nicht so gut erging es einem Bauern aus Retztow. Der befand sich eines Abends bei den Hühnengräbern, die dort auch in der Gegend liegen, als ihm vier junge Männer begegneten. Der Bauer dachte sich nichts Besonderes dabei, und sprach sie dreist an. Sie gaben ihm auch freundlichen Bescheid, und fragten ihn dann, was die Leute in der Gegend von den Grafen von Eberstein sprächen. Der Bauer, der noch immer nichts Arges dachte, antwortete ihnen ehrlich, wie man von denen noch immer nichts Gutes rede, und theilte ihnen auch mit, was sie in früheren Zeiten Alles verübt haben sollten. Da wurden die vier Männer auf einmal grimmig, faßten ihn an, und fuhren mit ihm in die Luft hinein, drei Meilen weit. Als sie ihn nun niedersetzten, waren sie plötzlich verschwunden, und er sah jetzt drei schwarze Hunde vor sich, die Feuer ausspieen. Der arme Mensch hat sich vor Schreck kaum wieder nach Hause finden können, wo er Tags darauf gestorben ist.

Von der Zeit an hat man aber nur noch zwei schwarze Hunde in der Gegend erblickt, und man glaubt daher, daß der dritte seitdem erlöset sey.

Mündlich.