Die Gräfin zu Wertheim
Empor vom goldnen Strome,
Vorbei am schlanken Dome,
Hinauf ins Himmelsblau!
Mir winkt aus dichter Stämme Nacht
Zerrissner Fürstenbau.
Fort, zwischen Mauerzacken,
Durch, mit gebeugtem Nacken,
Durchs steinverhängte Thor!
Wo kühn wie aus der Alpenwelt
Ein Gipfel ragt hervor!
Jetzt klettern und jetzt springen,
Leicht über Kluft sich schwingen,
Ich weiß nicht, ist es Menschenspur,
Ists ew’ger Fußtritt der Natur,
Vorüber wallt mein Fuß.
Sind Wände diese Rippen?
Ist dieses Holz nicht Stein?
Ist all der Bau kein Felsenspiel?
O Kastellan, so sag’ mir viel,
Recht viel aus jener Zeit!
Nenn’ Fehden mir und Fechter
Um Brücke, Thor und Haus!
Von Freud’ und Frieden melde mir!
Sprich: welche Sänger gingen hier
Und sag’ auch, welche Frauen?
O könnt’ ich Eine schauen
In Fülle, stolz und mild!
Dann wölbte sich mir farbenhell
Ringsum als Wunderbild.
Du lächelst seltsam, Führer!
Bist du ein Geisterspürer
Und lebst in todter Zeit?
Doch um den Mund ein schlauer Zug
Führt mich jahrhundertweit.
Und nieder gehn wir, nieder,
Im Städtchen sind wir wieder,
Getaucht in Licht und Lebenslust,
Muß ich hinab in Modergruft,
Und Särge stehn zu Hauf!
Und Ein Sarg ist noch offen;
Spielt bleicher Sammt ins Roth;
Und schaurig ruht das Himmelslicht
Auf einem welken Angesicht
Voll unverwestem Tod.
Aus funkelndem Geschmeide
Dies Antlitz blühend sproß,
Und, schritt die Jungfrau durch den Saal,
So wars, als wenn ein Sonnenstrahl
Wie viele Leiern klangen,
Wie viele Klingen sprangen
Im Liebesstreit um sie!
Sie selbst in frischer Jugend Glanz,
Dacht’ an den Tod wohl nie!
Erhalten auf der Bahre
Liegt sie dreihundert Jahre –
O schweige, Kastellan!
Vor diesem starren Todtenbild
Weicht aller Erdenwahn!
Geborstne Schlösser dauern
Im Trotz zerspaltner Mauern
Das Menschenkind hat keine Frist,
Es endet, wenns von hinnen ist,
Sein zeitliches Geschick.
Bei dieser grausen Miene
Erschauert mir die Haut.
Wenn meinen Leib empfing die Gruft,
Steig’ er verwandelt auf zur Luft
Als Gras und buntes Kraut!
Jetzt zu dem Schloßgesteine
Der alten Welt empor!
Doch will ich rückwärts nicht zur Zeit,
Will vorwärts schau’n zur Ewigkeit,