Die Geschichte zweier Napoleon-Standbilder

Textdaten
Autor: Karl Bela
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Titel: Die Geschichte zweier Napoleon-Standbilder
Untertitel:
aus: Die Burg. Illustrierte Zeitschrift für die studierende Jugend, 2. Jahrgang, S. 255–256
Herausgeber: Prof. J. Hartorius und Oberlehrer K. Faustmann, Mainz.
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Erscheinungsdatum: 1914
Verlag: Verlag der Paulinus Druckerei
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Erscheinungsort: Trier
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[255] Die Geschichte zweier Napoleon-Standbilder.

Von Karl Bela.


Im Jahre 1810 hatte Napoleon durch den französischen Bildhauer Chaudet zwei große Marmorfiguren von sich anfertigen lassen, die ihn in römischer Imperatorenpracht mit nackten Armen und Beinen darstellten. Für diese beiden Denkmäler fand sich zunächst keine Verwendung. Dann gedachte der Korse eines dieser Standbilder dem dänischen König zu verehren, um ihm ein Zeichen seiner „wohlwollenden Freundschaft“ zu geben.

Das Schiff, das die Marmorfigur nach Kopenhagen überführen sollte, wurde jedoch in der Nordsee von einem englischen Kriegsfahrzeug gekapert. Ein Spiel des Zufalls wollte es, daß die englische Kriegsbrigg das Unglück hatte, kurz darauf in der Nähe der Emsmündung zu scheitern. Französische Truppen, die damals Emden besetzt hatten, bargen das Denkmal aus dem halbzertrümmerten Schiff und brachten es nach Emden, wo General Faurchette es vor dem Rathaus aufstellen ließ, zum größten Ärger der Emdener, die das Auftreten der Franzosen längst ergrimmt hatte. Faurchette suchte die Bürgerschaft für ihre ablehnende Haltung gegenüber seinen Offizieren nun dadurch zu demütigen, daß er öffentlich bekannt machte, jeder männliche Bewohner müsse fortan bei harter Strafe sowohl das Denkmal, als auch sämtliche französischen Offiziere durch Hutabnehmen grüßen.

Niemand wagte hiergegen zu protestieren. Man rächte sich jedoch auf eine andere Weise.

Die Emdener verabredeten nämlich untereinander, daß sie sich nur noch durch Kopfnicken grüßen wollten, während jedes Stück Rindvieh, jedes Pferd, kurz jedes vierbeinige Wesen durch Hutabnehmen geehrt werden solle.

So geschah es auch. Faurchette bemerkte bald, wie die Emdener sich zu helfen gewußt hatten und welche Rangstufe seine Offiziere und der große Kaiser bei ihnen gewonnen hatte. Um den Spott nicht noch mehr herauszufordern, sorgte er dafür, daß eines Nachts das Denkmal heimlich fortgeschafft wurde. Wohin es gekommen ist, weiß man nicht.

Nicht minder interessant ist die Geschichte des zweiten Standbildes. Dieses schenkte Napoleon im Herbst 1812 seinem Bruder Jérôme, dem berüchtigten „König Lustik“ von Westfalen. Am 15. November 1812 wurde das Denkmal auf dem Königsplatz in Kassel, der Residenz Jérômes unter großem Gepränge enthüllt.

Die Inschrift des auf einem Brunnen in der Mitte des kreisrunden Platzes aufgestellten Marmorstandbildes war französisch und besagte: „Das dankbare Königreich Westfalen errichtete dieses Denkmal seinem Begründer, Napoleon I., Kaiser der Franzosen, König von Italien, Protektor des Rheinbundes und des Schweizerbundes.“

[256] Doch sollte „König Lustik“ mit dieser Verschönerung des Königsplatzes auch bei den Kasselern auf wenig Verständnis stoßen. Gleich am andern Morgen präsentierte sich der Imperator Napoleon, aufs lächerlichste mit allerhand Kleidungsstücken herausgeputzt, den Blicken der Bevölkerung. Schleunigst wurde von Beamten Jérômes der fragwürdige Schmuck entfernt. Aber am nächsten Morgen stand der Korse abermals in einem bunten Harlekinsanzug auf seinem Postament!

Es blieb schließlich nichts anderes übrig, als während der Nacht einen Posten vor das Denkmal zu stellen. Trotzdem gelang es an einem Abend einer Schar Studenten, durch Steinwürfe dem Korsen den rechten Arm und die Nase abzuschlagen. Die Täter blieben unentdeckt. Jérôme ließ eiligst die Beschädigungen wieder ausbessern und verdoppelte den Posten, der nun auch am Tage das Standbild dauernd umkreisen mußte.

Die frierende Figur in römischer Tracht regte die Spottsucht der Kasseler zu dem folgenden schönen Verschen an:

„In Kassel auf dem Brunnenstock,
Ohne Hut und ohne Rock,
Ohne Hemd und ohne Hosen
Steht der Kaiser der Franzosen.“

Als Jérôme nach der Völkerschlacht bei Leipzig in beschleunigter Eile aus Kassel flüchtete, wurde das Denkmal, das vor einem Jahre feierlich enthüllt worden war, von den Bürgern ohne Sang und Klang beseitigt und vorläufig in einem leeren Speicher untergebracht. Erst 1815 schaffte man es in das Museum, wo es noch heute als eine Erinnerung an Deutschlands traurigste Zeit aufbewahrt wird.