Die Geister des Sees
Dumpf rauschts vom hohen Wogenstrand
Ans steile Felsengestade,
Und grau wie der Geister wehend Gewand
Webt dichter Nebel sich übers Land,
Die herbstlichen Lüfte säuseln,
Es steigt in leisen Kräuseln
Die blaue Welle des Sees,
Aus Wolken die Sterne blinken,
Die Silberflocken des Schnees.
Und in der Nacht die still und kalt
Um Ullins Hügel sich breitet,
Am Ufer, das dunkel die Flut umwallt,
Von banger Liebe geleitet.
Die seidnen Locken wehen,
Sie eilt mit ängstlichem Spähen
Scheu zu dem nächtlichen Hayn.
Dumpf kehrt die Stimm’ ihr zurücke,
Die Winde nur ächzen drein.
Was irrt Allona so spat im Reif
Von Ullins einsamen Auen?
Des hellen Nordlichts mit breitem Schweif,
Es strahlet ahnendes Grauen.
Sie sucht im röthlichen Scheine
Cathullin den Jäger der Hayne,
Zwey Nächte sah sie vom Stamme
Bemooster Eichen die Flamme
In einsamer Halle verwehn.
Und an der jähen Felsenwand,
Da faßt es ihr flatternd weißes Gewand,
Da schmiegts sich schmeichelnd an ihre Hand
Mit leise winselnden Klagen.
„Bist du es Luath, der Treue?
Dem Pfeil entflichende Reh?
Verlies er des Waldes Pfade
Umirrend die Felsgestade
Vom Nebelzeugenden See?
Kehrt nimmer zum heimischen Heerde,
Es rauscht mir so traurig der dunkle See
Und jede Welle, sie seufzet Weh.
Laut winselt der Jagden Gefährte,
Er seinem Gebieter zur Seite
Jezt liegt er am Ufer allein!
Verkündet’s nächtliche Lüfte
Umfangen die feuchten Grüfte,
Da rauscht die Luft, ein Sturm erhebt
Der See die schäumenden Wogen,
Und bleich aus dem Dufte der Nacht gewebt
Schwankt leis ein Dunstbild empor und schwebt
Die hohe Gestalt erreichet
Die Nebelwolken, es zeiget
Gelenkt und ungespannt,
Blaß wie aus neblichter Ferne
Den Bogen des Geistes Hand.
Still ist und ernst sein Angesicht,
Er neiget es liebend nieder,
Und leis wie der Lüfte Säuseln er spricht:
Zur Flamme des Heerdes wieder.
Mich lockt’ aus dem schützenden Hayne
Hervor im Nebelscheine
Das eilend flüchtige Reh,
Da sank ich vom Schimmer betrogen
Hinab in den schweigenden See.“
Mit Liebes Arm Allona strebt
Die theure Gestalt zu fassen,
Sich scheidend höher und höher hebt,
Sie sieht sie im Duft erblassen.
Dann faßt sie nächtliches Grausen,
Es rauscht mit dumpfem Brausen
Ihr schwinden die matten Sinnen,
Da reißt sie’s wirbelnd von hinnen
Hinab in die tiefe Flut.
Und wenn es rauscht vom Wogenstrand
Und grauer Nebel, wie Geists Gewand,
Sich dichter webt ums weite Land,
Verhüllend die öden Pfade,
Dann sieht man die Wellen sich kräuseln,
Herab wie Flocken des Schnees
Zwey Geister mit schwachem Blinken,
Sie wanken, wogen und sinken
Vereint in den Schoos des Sees.