Die Gefahren des Milchgenusses und ihre Abwehr

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Autor: Fr. Dornblüth
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Titel: Die Gefahren des Milchgenusses und ihre Abwehr
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aus: Die Gartenlaube, Heft 7, S. 110–112
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1885
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Die Gefahren des Milchgenusses und ihre Abwehr.

Von Dr. Fr. Dornblüth in Rostock.

Seit einigen Jahren hat sich, wie gewiß auch ohne Zahlenbelege zugegeben wird, der Milchverbrauch in den Städten sehr bedeutend gesteigert, und wie die Aerzte in guter und richtig behandelter Kuhmilch den allen künstlichen Mischungen vorzuziehenden Ersatz der Muttermilch für Säuglinge erkannt haben, so tritt die Milch auch als Volksnahrungsmittel mehr und mehr in ihr Recht. Denn die Kuhmilch ist in der That nicht nur wegen ihrer Verdaulichkeit eins der besten, für die ganze Kindheit ein geradezu unersetzliches Nahrungsmittel, sondern sie ist im Verhältniß zu ihrem Nährwerth auch eins der billigsten, wenn nicht das allerbilligste, da man für den gleichen Preis in ihr mehr als doppelt so viel von allen zum Leben nothwendigen Nahrungsstoffen (Käsestoff, Fett und Zucker) kauft als z. B. im Rindfleisch. Auch andere, an sich billigere Nahrungsmittel, wie Brot und Hülsenfrüchte, bedürfen theils mehr Ergänzung durch andere theure Nahrungsstoffe, besonders Fett, um volle Nahrung zu werden, theils werden sie auch so viel weniger leicht und vollständig verdaut, das heißt in nützliche Blutbestandtheile verwandelt, daß der scheinbare Vortheil damit wieder verloren geht, oder gar in Nachtheil verwandelt wird. Die Milch genügt bekanntlich im ersten Lebensjahr allein zur Erhaltung und zum Wachsthum; später bedarf sie nur der Ergänzung durch Mehl oder Brot und, wenn viel Arbeit geleistet werden soll, durch Fett, um auch den Bedarf arbeitender Männer zu decken und wenigstens eine genügende Grundlage der Kost zu geben, die nur noch weniger Erregungs- oder Genußmittel nöthig hat, um allen Anforderungen des Lebens zu genügen. Nur weil die Milch die Nahrungsstoffe in verhältnißmäßig großen Mengen Wassers enthält, sind nach der frühen Kindheit koncentrirtere oder stoffreichere Nahrungsmittel erwünscht, die theilweise durch die Molkereiprodukte Butter und Käse, theilweise durch Fleisch und Speck (neben Brotfrüchten etc.) bezogen werden müssen.

Der regere Milchkonsum hat bereits in weitem Umfange den erfreulichen Erfolg gehabt, die Marktmilch wesentlich zu bessern. Nicht nur wird von den größeren Milcherzeugern und den zur bessern Verwerthung ihrer Erzeugnisse gebildeten Molkereigenossenschaften sorgsam danach gestrebt, durch gute Auswahl und Haltung des Milchviehs, so wie durch zweckmäßige Behandlung der Milch ihre Kunden unmittelbar mit tadelloser Milch zu versorgen, sondern durch diese Konkurrenz werden auch die kleineren Milcherzeuger und Milchhändler gezwungen, gute Milch zu liefern, denn Niemand, der gute Milch kennt und haben kann, wird sich noch mit schlechter begnügen. Aus dem Kreise meiner eigenen Beobachtung kann ich die Thatsache hinzufügen, daß in Folge hiervon die Erkrankungen und die Sterblichkeit der auf Kuhmilch angewiesenen Säuglinge sich erheblich vermindert haben. Den sogenannten Kurmilchanstalten, die übrigens kaum den Milchbedarf für Säuglinge und Kranke zu decken vermögen, soll der Ruhm unverkürzt bleiben, daß sie durch Beispiel und Lehre der allgemeinen Milchversorgung einen mächtigen Antrieb zur Abschaffung vieler Uebelstände gegeben haben.

Je mehr die Kuhmilch nun aber wirklich allgemeines Kinder- und Volksnahrungsmittel wird, desto sorgfältigere Beachtung verdienen die Gefahren, die mit ihrem Genusse verbunden sein können, und die, um vermieden zu werden, nicht blos den Aerzten, sondern auch den Milcherzeugern und den Konsumenten, ganz besonders den Müttern genau bekannt sein müssen.

Die erste dieser Gefahren, die aber nur für kleine Kinder und Leute mit recht schwacher Verdauung besteht, ist aller Kuhmilch eigen und beruht darauf, daß ihr Käsestoff bei der Magenverdauung zunächst zu einem mehr oder weniger festen Kuchen gerinnt, der nicht leicht auflöslich ist, während der Käsestoff der Muttermilch feine, leicht wieder auflösliche Flöckchen bildet. Dies ist der Grund, weßhalb mit Kuhmilch genährte Säuglinge fast regelmäßig feste, weiße Käseklumpen nach unten oder auch nach oben ausleeren, und daß in diesen unverdauten Milchtheilen während ihres Aufenthalts im Darme sehr oft fremdartige Umwandlungen vor sich gehen, die den Kindern Beschwerden machen, ihre Ernährung stören und meist mit Durchfall und Erbrechen verbundene Krankheiten erzeugen. Die Empfehlung frischgemolkener, „kuhwarmer“ Milch „vom Euter weg“ beruht darauf, daß diese weniger fest gerinnt, als die länger gestandene, wobei noch andere wichtige Veränderungen eintreten, mit denen wir uns alsbald näher beschäftigen werden. Bei der Kinderernährung sucht man durch Wasserzusatz die feste Gerinnung zu hindern, was zwar nicht völlig gelingt, aber doch die Verdauung erleichtert; nur darf diese Milch nicht vorher abgerahmt sein, sondern muß eher noch [111] Rahm und jedenfalls Milchzucker zugesetzt erhalten. Zu gleichem Zwecke wird die Milch auch mit einer dünnen Auflösung von arabischem Gummi, oder mit einer dünnen Schleimsuppe (von Graupen oder präparirtem Mehl) vermischt, Zusätze, die vor dem vierten Monate überhaupt nicht, später nicht immer gut verdaut und vertragen werden. Es bleibt also von höchster Wichtigkeit, Kindern und Kranken die Milch ganz frisch oder in künstlich frisch erhaltenem Zustande zu reichen.

Zweitens kann die Milch in ungesunder Beschaffenheit abgesondert werden. Auf die Zusammensetzung der Milch hat die Rasse, das Alter, die Milchperiode, die Haltung und Fütterung, so wie der Gesundheitszustand der Kuh großen Einfluß: soll also die Milch einer oder weniger Kühe (aus kleinen Wirthchaften) für Kinder und Kranke benutzt werden, so muß man sich über alle diese Dinge genau unterrichten. Bei größeren Herden ist dies weniger wichtig, weil die weniger gute Milch einzelner Kühe in der Masse verschwindet, und weil man durchweg annehmen darf, daß größere Viehbestände verständig und sorgfältig behandelt werden. Hier ist besonders der Uebergang von der Stallfütterung zum Weidegang zu beachten, wobei die Milch solche Veränderungen erleidet, daß sie Säuglingen gefährlich werden kann. Kindermilch muß deßhalb entweder ausschließlich durch Trockenfütterung (im Stall) erzielt werden, oder es muß wenigstens der Uebergang zu anderm Futter allmählich oder staffelweise eintreten. Besonders nachtheilig erweist sich die ausschließliche oder überwiegende Fütterung mit Kohl- und Rübenblättern, Rüben- und Kartoffelschnitzeln, so wie mit den Resten (Bärme, Schlempe) der Branntweinbrennereien. Reinlichkeit der Ställe und der Kühe ist eben so wie gutes Futter unentbehrlich für die Gesundheit der Kühe und ihrer Milch. In schmutzigen, schlechtgelüfteten Ställen, so wie bei ungeeignetem Futter werden viele Kühe krank, besonders schwindsüchtig, und können durch die Milch ihre Krankheit auf Menschen übertragen.

So ist seit alten Zeiten bekannt, daß der Genuß roher Milch von Kühen die an Maul- und Klauenseuche leiden, eine ähnliche mit Fieber und Bläschenbildung im Munde und selbst an den Fingern auftretende Krankheit erzeugt, ferner kann Milzbrand durch Milch übertragen werden und ist die Milch von perlsüchtigen Kühen jedenfalls schädlich, wenn auch noch nicht ganz sichergestellt ist, ob geradezu Schwindsucht dadurch erzeugt wird. Da die Perlsucht oder Schwindsucht bei unrein gehaltenen und schlecht gefütterten Kühen besonders häufig ist, so darf daher kommende Milch wenigstens für Kinder nicht gebraucht werden. Auch in dieser Beziehung geben größere Milchwirthschaften, so wie gut eingerichtete und überwachte Molkereigenossenschaften größere Gewähr, als kleine Wirthschaften. Letzteres gilt auch in Bezug auf giftige Kräuter, die besonders von Ziegen oft ohne allen Schaden gefressen werden, aber ihre Milch giftig machen, und ferner in Bezug auf die den Thieren gereichten Arzneimittel, von denen nach innerem, wie nach äußerem Gebrauche mehrere, namentlich Quecksilber, Blei, Arsenik, Nikotin (nachdem Kühe zum Schutz gegen Insekten mit Tabakaufguß gewaschen waren), in der Milch oder an den Folgen des Milchgenusses als schädlich erkannt worden sind.

Drittens kann jede an sich gute Milch nach dem Melken schädliche Veränderungen eingehen, und zwar beruhen hierauf weitaus die häufigsten und größten Gefahren des Milchgenusses.

Frische Milch ist weder sauer, noch alkalisch, sie färbt blaues Lackmuspapier schwach roth, rothes schwach blau, nach einigem Stehen der Milch aber wird die erstgenannte Färbung stärker, die letztere bleibt aus, beim Kochen läuft die Milch zusammen und ihr Geschmack wird sauer, endlich gerinnt die ganze Masse zu einem mehr oder weniger festen Kuchen, aus dem sich durch festere Gerinnung des Käsestoffs Molken abscheiden. Ein Theil des in ihr enthaltenen Milchzuckers hat sich in Milchsäure verwandelt, diese verbindet sich mit dem Alkali, welches den Käsestoff aufgelöst oder aufgeschwemmt enthält, und letzterer scheidet sich aus. Diese Umwandlung wird durch eine besondere Art äußerst kleiner Stäbchenpilze (Bacillen) hervorgebracht, die von außen in die Milch gelangen und sich rasch vermehren.

Wird die Milch in der Zeit der Säurebildung genossen, so verursacht sie bei gesunden Erwachsenen meistens, bei Kindern immer Leibschneiden und Durchfälle, die oft sehr heftig werden und sogar das Leben bedrohen. Da reife Sauermilch oder Dickmilch aber von den meisten Menschen, selbst von vielen mit schwacher Verdauung, gut vertragen wird, so darf man annehmen, daß nicht die Milchsäure, sondern die Bacilleu jene schädlichen Wirkungen ausüben, namentlich wenn sie in der ersten Zeit ihrer massenhaften Vermehrung genossen werden. Manchmal, in der Regel etwas später als die Milchsäurebacillen, finden sich noch andere kleine Pilze, welche Buttersäure erzeugen, noch andere machen die Milch schleimig und fadenziehend, wodurch sie unschmackhaft und schädlich wirkt. Oder es bilden sich beim Stehen und Gerinnen der Milch auf der Oberfläche des ungleich ausgeschiedenen Rahmes blasige Stellen und Wucherungen von Faden- oder Schimmelpilzen, deren eine Art, bei gehöriger Vergrößerung besehen, aus verästelten, Sporen oder Samen tragenden Fäden besteht (Weißer Milchschimmel, Oidium lactis); eine andere Art, ebenfalls aus verästelten Fäden bestehend, erzeugt auf den Enden aufrechtstehende Aeste, Quirle oder Pinsel, von denen jeder Faden eine lange Kette kugeliger Sporen enthält, die anfangs weiß, später grünlich sind (Graugrüner Pinselpilz, Penicillum glaucum). Der Milchschimmel erzeugt im Munde der Säuglinge die bekannten Schwämmchen oder den Soor, die anfangs aus oberflächlich sitzendem und leicht abwischbarem Schimmelrasen bestehen, aber bald in die Haut hineinwachsen, auch sich durch das ganze Verdauungsrohr bis über den After hinaus ausbreiten und dadurch schwere Störungen hervorbringen können.

Zuweilen bilden sich nach zwölf bis zwanzig Stunden auf der Oberfläche der Milch kleine indigoblaue Punkte, die sich rasch vergrößern und zusammenfließen, so daß schließlich die ganze Oberfläche blau und nach einigen Tagen grün oder röthlich wird. Auch diese blaue Milch ist das Werk von sehr kleinen stäbchenförmigen Spalzpilzen, die willkürlich auf andere Milch, auf gekochte Kartoffeln, Reisbrei u. dergl. m. übertragen werden können, selbst farblos sind, aber durch Zersetzung der Milch die obenerwähnte anilinartige Farbe erzeugen. Die aus blauer Milch bereitete Butter ist schmutzig weiß, schmierig und bitter. Daß die blaue Milch, abgesehen von der immer gleichzeitig vorhandenen Säure und den Milchsäure-Bacillen, giftig sei, wird von Landwirthen, so wie auf Grund neuerer Untersuchungen bestritten, übrigens ist die auffallende Farbe sicher hinreichend, um vor der Benutzung zu warnen.

Wie die Milch ein ausgezeichneter Entwickelungsboden für die genannten und noch manche andere niedere Organismen ist, so vermag sie auch die theilweise noch unbekannten, wahrscheinlich aber alle zu den kleinsten Spaltpilzen gehörenden Keime gewisser Krankheiten von Menschen auf andere zu übertragen. Von Scharlach, Typhus und Cholera ist solches sicher beobachtet, und zwar geschieht diese Verunreinigung entweder direkt durch Kranke, welche mit der Milch zu thun gehabt haben, durch das Aufbewahren derselben in Krankenzimmern, oder indirekt durch mit den Krankheitskeimen verunreinigtes Wasser, welches zur Verdünnung der Milch, oder auch nur zum Spülen der Gefäße benutzt war, wobei es nicht unwahrscheinlich ist, daß auch diese krankmachenden Pilze in der Milch einen günstigen Boden für ihre Vermehrung finden.

Daß die Luft der Räume, in welchen Milch steht, und die Gefäße, in denen sie aufbewahrt wird, großen Einfluß auf die Beschaffenheit der Milch haben, ist ja längst bekannt gewesen, ehe wir die mikroskopischen Organismen kennen gelernt haben, welche sie verursachen, und zwar allein verursachen, weil keine dieser Veränderungen eintritt, wenn nicht der besondere Pilz in die Milch gelangt ist. So machen sich schmutzige Ställe und Milchkammern oft durch schlechten Geruch und Geschmack der Milch bemerklich, so tritt in Holzgefäßen besonders leicht Säuerung und Verderbniß ein, weil dieselben wegen der Unebenheit und Porosität ihrer Wandungen sehr schwer völlig zu reinigen sind; so sind ferner die engen Gummiröhren, die seit einigen Jahren viel zu Saugflaschen der Kinder benutzt werden, höchst ergiebige und gefährliche Quellen der Milchverderbniß. Seltener, aber doch auch zuweilen beobachtet ist der Uebergang schädlicher Metalle, namentlich von Kupfer, Zink und Blei, aus Milchgefäßen in die Milch, welche in solchen Gefäßen sauer geworden ist. In dieser Beziehung muß vor Kupfer-, Messing- und Zinkgefäßen, auch Zinkröhren und Zinkkapseln (die oft auch Blei enthalten), so wie vor schlecht glasirten Eisen- und Thongefäßen nachdrücklich gewarnt werden, um so mehr, als die schädlichen Wirkungen dieser Metalle, von denen in jeder Milchportion nur sehr kleine Mengen enthalten zu sein pflegen, sehr allmählich und unter dunkeln, oft höchst räthselhaften Erscheinungen eintreten. Jedenfalls ist Vorsicht in Bezug auf Milchgefäße nicht weniger nothwendig, als in Betreff der aus schädlichen Stoffen bestehenden oder mit giftigen Farben bemalten Spielsachen.

[112] Wie schützen wir uns nun vor den Gefahren des Milchgenusses? Das deutsche Reichsgesetz vom 14. Mai 1879, betreffend den Verkehr mit Nahrungsmitteln etc., bedroht mit Gefängniß bis zu sechs Monaten und mit Geldstrafe bis zu 1500 Mark oder mit einer dieser Strafen denjenigen, der „wissentlich Nahrungs- oder Genußmittel, welche verdorben oder nachgemacht oder verfälscht und, unter Verschweigung dieses Umstandes, verkauft oder unter einer zur Täuschung geeigneten Bezeichnung feilhält.“ Ist diese „Handlung aus Fahrlässigkeit begangen worden, so tritt Geldstrafe bis zu 150 Mark oder Haft ein.“ Ferner: „Mit Gefängniß, neben welchem auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden kann, wird bestraft: ... wer wissentlich Gegenstände, deren Genuß die menschliche Gesundheit zu beschädigen geeignet ist, als Nahrungs- oder Genußmittel verkauft, feilhält oder sonst in den Verkehr bringt.“ „Der Versuch ist strafbar. Ist durch die Handlung eine schwere Körperverletzung oder der Tod eines Menschen verursacht worden, so tritt Zuchthausstrafe bis zu fünf Jahren ein.“ War die schädliche „Eigenschaft dem Thäter bekannt, so tritt Zuchthausstrafe bis zu zehn Jahren, und wenn durch die Handlung der Tod eines Menschen verursacht worden ist, Zuchthausstrafe nicht unter zehn Jahren oder lebenslängliche Zuchthausstrafe ein. – Neben der Strafe kann auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden.“

Wenn die Polizeibehörden die in dem Gesetze ihnen beigelegten Befugnisse zur Ueberwachung des Milchverkehrs ausgiebig anwenden, so können dadurch manche der vorbezeichneten Gefahren des Milchgenusses verhütet werden. Nur genügt dazu nicht eine Kontrolle der Marktmilch in Bezug auf ihren Gehalt an Rahm und anderen festen Bestandtheilen, sondern es ist eine Ueberwachung verdächtiger Milchwirthschaften und entsprechende Belehrung der Milcherzeuger und Milchhändler nothwendig. Namentlich dürfte die Beaussichtigung der Ställe und Wirthschaften, welche „Kindermilch“ liefern, wie sie schon in einigen Theilen von Nordamerika üblich ist, sehr zu empfehlen sein. Wir würden dann wenigstens kaum noch Milch von krankem Vieh in den Handel gebracht sehen.

Da indessen zur Zeit auf solche Art nicht alle schädliche Milch vom Verkehr ausgeschlossen wird, und da andererseits viele, vielleicht die meiste Milch schädliche Eigenschaften erst im Hause der Konsumenten annimmt, so werden diese selbst es nicht an der nöthigen Sorgfalt im Ankauf, wie in der Aufbewahrung und Behandlung der Milch fehlen lassen dürfen, um Schaden zu verhüten. Dazu gehört – nächst der schon mehrfach erwähnten Vorsicht in Bezug auf die Milchquelle – zuvörderst Reinlichkeit in den Aufbewahrungsräumen und mit den zur Aufbewahrung und Verabreichung von Milch dienenden Gefäßen, besonders wenn dieselbe für Säuglinge, kleine Kinder und Kranke benutzt werden soll. Da sich die gefährlichen Spalt- und Schimmelpilze auf allem organischen Schmutz und Abfall, auf zurückgestellten Speisen, in dumpfen und feuchten Räumen ansiedeln und vermehren und ihre Samen durch die Luft verbreiten, so dürfen niemals solche, sondern nur trockene, luftige, reine und staubfreie Räume zur Aufbewahrung der Milch dienen. Für Kindermilch ist noch die besondere Vorsicht zu empfehlen, sie nur in reinen und gut verschlossenen Porcellan- und Glasgefäßen zu versenden und aufzubewahren. Da Wärme die Entwicklung der Milchpilze und die Zersetzung der Milch begünstigt, so sind die Milchräume und die Milch selbst kühl zu halten, wozu Eis (Eisschränke) oder fließendes Wasser, oder Einhüllen der Milchflaschen in feuchte Tücher in bewegter Luft dienen können.

Durch starke Abkühlung der Milch auf + 2 bis 4 Grad unmittelbar nach dem Melken wird dieselbe für längere Zeit haltbar: eine Erfahrung, die vermittelst der Swartz’schen Eiskühlung oder des Lawrenz’schen Milchkühlers und Benutzung von durch Eis oder Wasserverdunstung kühlgehaltenen Milchwagen die Versendung frischbleibender Milch auf große Entfernungen möglich macht. Wohleingerichtete Molkereigenossenschaften schreiben deshalb ihren Mitgliedern eine bestimmte niedrige Temperatur vor, mit welcher die Milch in den Sammelstellen abgeliefert werden muß.

Während aber durch Kälte die Keime der Pilze nur zeitweilig in der Entwicklung aufgehalten, gleichsam gelähmt werden, ist Hitze im Stande sie völlig zu tödten. Darauf beruht die allbekannte Thatsache, daß frische Milch durch Aufkochen vor dem Sauerwerden geschützt wird, und aufgekochte Milch würde überhaupt nicht sauer werden, wenn nicht immer wieder neue Säurebacillen hineinkämen. Aber sogar im Sommer ist Milch lange unzersetzt zu erhalten, wenn man sie alle Tage oder jeden zweiten Tag einmal aufkocht. Da beim Aufkochen die Milch ihren Geschmack sehr, und wohl für die meisten Menschen nicht angenehm verändert, und da große Aufmerksamkeit erforderlich ist, um Anbrennen und Ueberkochen zu verhüten, so erhitzt man sie besser im Wasserbade, das heißt in einem Gefäße, welches in Wasser hängt, sodaß jenes und die Milch nur vermittelst des heißen Wassers erwärmt wird, wobei dann weder Anbrennen, noch Ueberkochen möglich ist. Aeußerst empfehlenswerth zu diesem Zwecke ist Becker’s Patenttopf (bereits in Nr. 26 der „Gartenlaube“ von 1879 von mir empfohlen), der außerdem noch zu vielen anderen Werken der Kochkunst, namentlich zur Bereitung aller Arten Milch- und Mehlsuppen, Breien und anderer Speisen sehr tauglich ist, wie ich in meiner „Schule der Gesundheit, 2. Aufl.“ ausführlich beschrieben habe. Ja, es genügt sogar, die Milch gar nicht ins Kochen kommen zu lassen, sondern sie nur bis etwa 60° C. oder 48° R. zu erwärmen und sie dann, mit einem gutschließenden Deckel versehen, vermittelst einer kleinen Flamme (Petroleum oder Spiritus) oder auf dem Herde zwei Stunden lang auf einer Wärme von 50 bis 60° C. oder 40 bis 48° R. zu erholten, was lange nicht so schwer ist, als man denkt, wenn man es noch nicht versucht hat. Nachher wird diejenige Milch, die nicht gleich verbraucht wird, durch Einsetzen in kaltes Wasser oder Eiswasser möglichst rasch abgekühlt und in reinen, gut verschlossenen Gefäßen aufbewahrt. Durch diese einfache Behandlung wird nun die Milch, ohne ihren Geschmack wesentlich zu verändern, nicht blos für einige Tage haltbar, sondern auch leichter verdaulich als rohe und gekochte Milch, sodaß sie selbst von Säuglingen vertragen wird, die keine andere Milch zu verdauen im Stande sind. Prof. Soltmann’s Milchkocher beruht auf den gleichen Grundsätzen und ist ebenfalls sehr brauchbar.

Starke Erhitzung mit nachfolgender Aufbewahrung in vollkommen reinen (pilzfreien) und sicher verschlossenen Flaschen, oft mit gleichzeitiger Eindickung auf die Hälfte oder noch weniger der ursprünglichen Masse, sodaß sie zum Gebrauche für Kinder nur mit der erforderlichen Menge abgekochten Wassers vermischt zu werden braucht, wird nun auch bereits an verschiedenen milchreichen Orten im Großen angewendet. Auch diese Milch ist sehr wohlschmeckend, leicht verdaulich und daher sogar bei kranken Kindern brauchbar, und endlich ganz außerordentlich haltbar, sodaß sie schon viel zur Verproviantirung von Schiffen gebraucht wird, nachdem ein auf meine Veranlassung auf einer Reise von Hamburg nach Montevideo unternommener Versuch mit Scherff’scher eingedickter Milch den Beweis ihrer Haltbarkeit und Güte geliefert hatte. Diese reine eingedickte Milch ist gar nicht zu vergleichen mit der unter Zusatz von Zucker bereitete kondensirten Milch, die außer anderen Unannehmlichkeiten den großen Nachtheil des übermäßigen Zuckergehalts darbietet, weshalb sie wohl auf kurze Zeit als Milchersatz dienen kann, bei längerem Gebrauche aber die Verdauung und Ernährung stört und von Kindern nicht selten ganz abgelehnt wird.

Da durch starke und länger unterhaltene Erwärmung der Milch nicht nur die eigentlichen Milchpilze, sondern auch die meisten andern kleinen Organismen, welche die Milch schädlich machen, zerstört werden, so haben wir darin ein vorzügliches Mittel, um die Gefahren des Milchgenusses größtentheils zu verhüten und namentlich unseren Kindern unter allen Umständen eine gute, leicht verdauliche und nicht übermäßig kostbare Milch zu reichen. Hier wie immer darf man es natürlich an der sorgfältigsten Reinlichkeit der Aufbewahrungs- und Darreichungsgefäße nicht fehlen lassen, denn wenn die beste präservirte Milch in unserem Hause aus der Luft, aus den Gefäßen oder mit dem zugesetzten Wasser schädliche Stoffe aufnimmt, so kann sie selbstverständlich ebenso verdorben werden wie frische Milch.

Also: Vorsicht in Betreff der Bezugsquelle der Milch und im Hause, besonders wenn die Milch kalt oder als Sauermilch genossen werden soll. Konservirung durch Eis oder durch Hitze, Tödtung der organischen Keime und Löslichmachen des Käsestoffs durch angemessene Erwärmung können der Milch ihren hervorragenden Werth als Nahrung für kleine Kinder und Kranke fast für alle Fälle sichern, größeren Kindern und gesunden Erwachsenen ein vortreffliches und vorzüglich preiswerthes Nahrungsmittel verschaffen.