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Autor: Verschiedene
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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum: 1886
Erscheinungsdatum: 1886
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[757]

No. 43.   1886.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt. — Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig oder Halbheften à 30 Pfennig.


Ueber den Gartenzaun.
Erzählung von A. Weber.
(Fortsetzung.)


Der gütige Zufall half Terka, die Beiden, den „storchbeinigen“ Perfy Viktor und die schöne Riza, „rasch zusammenzubringen“. Noch an demselben Nachmittage empfing sie den Besuch der schon öfter genannten Institutsvorsteherin. Terka hätte aus Freude über die unverhoffte Ehre beinahe „ihrer Gnädigen“ die Hand geküßt; doch besann sie sich noch zu rechter Zeit auf ihre Würde als reiche Bäuerin. Sie begnügte sich damit, der Gnädigen aufzutischen, was nur die reich gefüllte Vorrathskammer von passenden und auch unpassenden guten Dingen zu Hause liefern konnte, und füllte trotz des Widerspruchs der alten Dame das Kelchglas derselben bis zum Rande mit Zuckerstücken, ehe sie den Milchkaffee hineingoß. Beim Genuß des also bereiteten Getränks kam Sarosdy [1] dann mit ihrem Anliegen heraus.

„Meine Gute,“ begann sie, „ich komme um unserer lieben Riza willen, der ich eine große Ehre zugedacht habe. Sie wissen doch, liebe Frau, daß am nächsten Sonntage unsere Gewerbe-Ausstellung eröffnet wird. Ich habe das Terrain für die Ausstellungsgebäude hergegeben – Sie wissen, das Stück Land, das ich im Winter zur Vergrößerung des Institutgartens kaufte, und das noch wüst dalag. Nun, die Szegeder sind halt dankbar gewesen und haben in Anerkennung dieser ‚patriotischen That‘ mich zum Mitglied des Ausstellungs-Komités gemacht. Und gar so unklug haben sie damit nicht gehandelt; denn ich habe alle die Decken und Teppiche, welche meine Schülerinnen für die Prüfung gearbeitet haben, zusammengerafft, habe die guten Franziskaner dazu gebracht, daß sie ihre alten goldgestickten Meßgewänder hergeliehen haben, die nun der Ausstellung einen prächtigen historischen Hintergrund geben. Dann bin ich zu allen Kaufleuten gegangen und habe so lang geredet, bis sie sich aus Paris und Wien die schönste Luxus- und Industriewaare haben kommen lassen, habe dann die herrlichen Gewand- und Wäschestickereien unserer Serbinnen und die bemalten hölzernen Näpfe und Löffel, welche unsere Bauern fertigen, so hübsch weit ausgebreitet und so malerisch drapirt und geordnet, daß ich, als Alles fertig war, beinahe selbst geglaubt habe, wir hätten eine Industrie auszustellen.

Meinem Gemahl, dem Sarosdy ur, hat das Arrangement so gefallen, daß er zu dem Komité gesagt hat: ‚Meine Herren, nun fehlt uns halt nichts mehr als ein gekröntes Haupt; dann ist unsere Ausstellung denen von Paris und Wien bei weitem überlegen.‘

Das haben die Herren auch eingesehen und sich nach einem fürstlichen Gaste umgeschaut. Aber der König hat abgelehnt, und der Kronprinz ist auf Reisen. So hat mein Gemahl gesagt: ‚Kriegen wir keinen Fürsten von Geburt, so laden wir uns einen König des Geistes ein, meinen alten Freund Ferencz, den größten Virtuosen der Welt, das edelste Kind des glorreichen Ungarlandes, den Erderschütterer und Herzenssieger.‘ Der große Meister ist


„Halt, nicht so viel!“ 0 Nach dem Oelgemälde von G. Igler.

[758] nämlich gerade in Budapest, und Sarosdy ur ist sein Jugendfreund. Nun, diese Rede meines Gemahls hat gezündet, und namentlich Perfy Viktor, ein vornehmer Advokat – sie nennen ihn ,den Raren’, weil er die Manie hat, immer ,das Rarste’ haben zu wollen – nun, einen kleinen Sparren zu viel hat am Ende wohl Jeder – also Perfy Viktor ist halt beinah verrückt worden bei dem Gedanken, daß er dem großen Mann wird vorspielen und sich dann seinen Schüler nennen können. Er hat fünf Briefe an ihn gerichtet in einem Ton, daß unser Herrgott schamroth werden möchte, wenn Einer ihn so ins Gesicht heinein lobte. Die Virtuosen sind aber daran gewöhnt und halten’s aus, und so wird unser großer Freund wirklich kommen und bei uns, bei Sarosdy ur, seinem Jugendfreund, wohnen.“

Sarosdy richtete ihre kleine Gestalt auf, warf einen siegesbewußten Blick umher und ging unwillkürlich aus der gemüthlich vertraulichen in eine höhere Tonart über, als sie fortfuhr:

„Natürlich weiß die Stadt die Ehre solches Besuches zu würdigen; man wird Triumphbogen bauen, die Häuser mit Kränzen schmücken, und eine Schar berittener Kavaliere unter Perfy Viktor’s Anführung wird unsern großen Freund abholen und zu dem Ausstellungspalast geleiten. Unter dem Portal desselben soll dann die schönste Jungfrau Szegeds dem greisen Beherrscher der Töne mit einer huldigenden Ansprache einen Kranz aus Lorbeeren und Rosen übergeben.“

Sarosdy pausirte einen Augenblick und sprach dann langsam die bedeutungsschweren Worte: „Mir ist die Ehre zugefallen, diese Jungfrau unter den Töchtern der Stadt auszuwählen und einzustudiren, und ich wähle –“

Sie hielt inne und schaute herablassend gütig auf Terka, welche den Athem anhielt.

„Ich wähle, liebe Frau – unsere Riza.“

Terka öffnete den Mund und stieß laut den Athem heraus.

„Meine Riza – das Kind – solche Ehr’,“ stammelte sie endlich beinahe weinend. „Und es ist also ein sehr vornehmer Herr, halt gar ein Prinz, dem sie das Grünzeug geben und das Gebet aufsagen soll? Und ist er halt noch jung, Gnaden? Gar ohne Frau vielleicht?“

Die alte Dame sah die Sprecherin verwundert an.

„Unser großer Meister ist alt und ein König im Reich der Töne, das heißt, er spielt halt ausgezeichnet Pianoforte,“ sagte sie ein wenig kurz.

„Jesus, das ist auch was Rechts! Und da soll meine Riza gar einem Zigeuner schön thun?“ meinte Terka sehr enttäuscht, und es dauerte eine geraume Weile, bis Sarosdy der Terka, welche als einzige Musiker von Profession nur die verachteten Zigeuner kannte, die Würde der Kunst in so weit klar gemacht hatte, daß sie die Ehre einigermaßen zu schätzen wußte, welche ihrer Riza widerfuhr. Sehr tröstlich war Terka der Gedanke, daß Perfy einer der Kavaliere war, welche „den Zigeuner“ einholen sollten. Wen Perfy ehrte, der mußte doch etwas gelten! Vor allen Dingen aber würde Perfy in nahe Berührung mit Riza kommen.

Einen großen Kampf gab es noch um den Anzug des Dirnleins; denn Terka wollte durchaus nicht leiden, daß es das ungarische Nationalkostüm anlegen sollte; ein recht enges modernes Kleid mit Quersäumen und Puffen erschien der Bäuerin viel vornehmer. Aber die Vorsteherin setzte ihren Willen durch und nahm sodann Riza gleich mit nach dem Institut, wo eine Hälfte ihres Köpfchens mit Versen und Verhaltungsmaßregeln, die andere mit der obligaten Begeisterung für den großen Virtuosen angefüllt wurde. Als Terka dann am Tage der Einholung ihr Töchterlein im Festschmuck wiedersah, war sie selbst erstaunt über die Schönheit der Kleinen. Riza’s Gestalt sah im vielfältigen rosenfarbenen Seidenrock und dem schwarzen Sammetmieder über der reich gestickten weißen Blouse so zart, ihr vor Aufregung blasses Gesichtchen unter dem goldgestickten weißen Schleier so feenhaft holdselig aus, daß Terka ein über das andere Mal vor sich hin murmelte: „Ein Prinzeßchen, das Kind, ein Prinzeßchen! – Und da kommt der Prinz für sie!“ rief sie aufgeregt aus, als ein sich fortwälzendes Eljen die Ankunft des berühmten Gastes schon von fern ankündigte und dem Zuge voraus Perfy Viktor dahersprengte, den Kalpak aus Silberfuchs mit der Brillantagraffe über der Habichtnase, den pelzgefütterten Dolman aus violettem Sammet auf den hohen Schultern, den krummen Säbel mit dem vergoldeten Griff wie zum Schlage ausholend in der Rechten.

Jetzt sah er Riza, die zitternd einen Schritt unter der blumenbekränzten Ehrenpforte hervortrat: ein Blick voll erstaunter Bewunderung, und er senkte salutirend den Säbel vor dem holden Dirnlein. Ein Murmeln ging durch die Versammlung, aber es wurde übertönt von dem donnernden Eljen, das den greisen Virtuosen empfing, der jetzt aus dem Wagen stieg und mit dem huldvollen Lächeln eines Königs auf Riza zutrat, die, ihren Kranz vor sich herhaltend, mit zitternder Stimme begann:

„O mächt’ger Herrscher in dem Reich der Töne,
Siegreicher Held, die blonde Tissa schaut
Des edlen Ungarlandes herrlichsten der Söhne –“

Hier hob Riza den Blick zu dem Gefeierten auf und sah dicht hinter ihm Stefan, der sich bis hierher durchgedrängt hatte, sie wie verzaubert anstarren, und neben ihm Perfy Viktor, noch zu Roß, mit dreister Bewunderung auf sie herablächeln. Eine ganz sonderbare, zwiespältige Bewegung trieb ihr das Blut ins Gesicht; sie stotterte, stockte, wiederholte sehr verlegen:

„Die blonde Tissa – herrlichster – o Söhne!“

und weil ihr die Worte und Reime immer sinnverwirrender im Kopfe tanzten und bei jeglicher Bemühung, sie festzuhalten, davonflatterten, brach sie ab, hob die jetzt mit Thränen erfüllten Augen flehend zu dem Gaste auf, faltete die Händchen über dem Kranze und sagte:

„Ich bitt’ schön, sein’s nicht schlimm, Herr, ich hab’ die Verse vergessen! Es stand drin, daß Sie gar so schön Pianoforte spielen und daß es eine Ehr’ für uns ist, und daß – daß wir den Herrn halt gar so lieb haben – und – da!“

Sie reichte ihm den Lorbeerkranz.

Und weil sie in ihrer Verwirrung sehr reizend aussah, wallte das Blut des greisen Gastes jugendlich auf, und er beugte sich zu ihr nieder und küßte sie auf den Mund.

„Eljen das Genie, Eljen die Schönheit!“ brauste es über den Platz.

Perfy Viktor sprang vom Pferde und flüsterte Riza zu: „Gesegnet die Lippen, welche der Kuß des Meisters geweiht hat“, und sah dabei aus, als möchte er dieses Segens gern theilhaftig werden, indem ihn Riza weitergab, als ein Arm, welcher wohl zu einem „frechen Bauernbuben“ gehörte, aber dafür recht kräftig war, den Perfy Viktor von ihr wegschob und eine zornige Stimme sagte: „Platz da, Herr, Sie versperren den Weg.“ Als Riza sich von dem Schrecken über diese That erholt hatte, war ihr vornehmer Bewunderer den Spuren des Meisters gefolgt, von dessen Glanze ein Abglanz auch auf ihn fallen sollte, sein bäuerlicher Nebenbuhler aber schaute sie zornig an. Sie ward durch diese Blicke so verwirrt, daß sie sich umwandte und bis in den Hintergrund der Halle floh, wo sie, den Arm auf ein einsames Klavier stützend, im Sturm der beängstigenden Gefühle ein wenig zu weinen begann.

Doch hatte sie nicht lange Zeit zu so thörichtem Thun: denn der Meister kehrte von seinem Rundgange durch die Ausstellung zurück und setzte sich, den stürmischen Bitten seiner Anbeter huldvoll nachgebend, an den Bechstein’schen Flügel, welchen Perfy Viktor der Ausstellung hergeliehen hatte, just denselben, an den sich Riza lehnte.

Der Meister hatte das sinnende Dirnlein wohl bemerkt; er ließ seine Blicke an dem holden Gesichtchen sich weiden, so lange seine Finger über die Tasten stürmten. Und allmählich kam ein Leuchten in die Augen des Spielers und ein Lächeln um seinen Mund.

„Schaut, wie er weltentrückt, wie er gottgleich über der Erde schwebt,“ raunte Perfy Viktor laut genug, daß der Meister es hören konnte. Und der lächelte mild und überlegen und schaute auf Riza, deren Augen in naivem Staunen den dahinstürmenden Fingern folgten.

„Jesus, was die laufen können!“ flüsterten ihre halbgeöffneten Lippen, sahen dabei aber so roth und lieblich aus, und die staunenden Augen blickten so fromm bewundernd, daß das arme Dirnlein wohl für holde Verkörperung andächtigen Kunstgenusses gelten konnte.

Als nun der Meister geendet hatte und Eljenrufen und Stampfen und Klatschen die Bretterwände der Halle erbeben [759] machten, Lorbeerkränze und Blumen auf das Klavier flogen, da nahm der alte Herr ein Kränzlein rother Rosen wie wägend und sinnend in die Hand, und als Perfy Viktor eben rief: „Eljen dem Beherrscher der Herzen!“ da lächelte der Meister und sprach: „Eljen meiner siegreichen Rivalin, der Schönheit des holdseligen Weibes!“ und er drückte das Rosenkränzlein der Riza aufs Köpfchen.

Jetzt erreichte die Begeisterung der kunstsinnigen Ungarn, die sich alle in Riza geehrt fühlten, den Siedepunkt, und kräftige Hände hoben den greisen Meister auf willige Schultern, und rasche Beine marschirten mit ihm durch sonnenglühende, staubige Straßen. Und als Riza da stand und voll Staunen dem seltsamen Zuge nachschaute, stieg ihre Schönheit und der Glanz, welchen die Huldigung des Meisters auf sie geworfen, dem Perfy Viktor zu Kopf. Er hob das nichtsahnende Dirnlein plötzlich in die Höhe, setzte es in den Wagen, welcher den Virtuosen von der Bahn geholt, und spannte sich mit etlichen andern begeisterten Jünglingen davor. Als sie des Meisters Träger an der nächsten Straßenecke einholten, setzten sie die alte Berühmtheit neben die junge Schönheit. Und dahin rollten „Genie und Jugend, von Begeisterung gezogen“, und das alte Genie lächelte halb amüsirt, halb wohlig, und die junge Schönheit ließ ihr Händchen von seiner Hand ein wenig zitternd gefangen halten und wollte sich sehr freuen, brachte es aber aus Scham und Verwirrung nicht recht zuwege. Plötzlich jedoch kam ihr der Gedanke, daß alle diese Huldigung, die ihr heut zu Theil wurde, sie in den Augen des jähen, gewaltthätigen Stefan zu der Höhe heben mußte, die ihr ihm gegenüber gebührte, und sie fühlte nun wirklich eine stolze Freude in sich aufsteigen.

Da stand er ja, der Stefan, in seiner reichen, schönen, aber bäuerlichen Kleidung, mitten unter den Kavalieren, welche den zurückkehrenden Wagen umringten. Und als Perfy Viktor die Riza heraushob und sie ein wenig länger als nöthig in den Armen behielt und sie darüber lieblich erröthete, drängte er sich zu dem Dirnlein heran und flüsterte: „Schämst Dich nit, dalkete Dirn, daß Dich von jedem Hansnarren küssen und um den Leib fassen lässest?“

Ah! Das war also der Respekt, den er der Riza bezeugte.

„Von jedem Hansnarren!“ Einen Halbgott und einen Edelmann wagte der Bauernbub so despektirlich zu benennen! Und sie, die Riza, die von Allen gefeierte Schönheit des Tages, sie wagte er zu schmähen, zu beschimpfen! Riza ward roth und bleich; sie rang nach Athem und kämpfte mit jäh aufsteigenden Thränen; sie stand da, als wäre ihr unbegreifliche, unverdiente Unbill geschehen; sie fühlte sich gedemüthigt, erniedrigt und zugleich zornig über sich selbst, daß der Bauernbub die Macht hatte, sie so tief zu kränken. Aber jetzt beugte sich Perfy Viktor zärtlich zu ihr nieder und legte, da der Zug sich hinter dem Meister wieder in Bewegung setzte, beim Weiterschreiten ihren Arm in den seinen. Sie sah dankbar zu ihm auf, der sie besser zu schätzen wußte als der Bauer.

Und in eben dem Augenblicke schaute sich der Meister um, sah der Beiden Blicke in einander tauchen und sagte in halb wehmüthigem Schmerz:

„Ja, ja, dem Alter die Lorbeeren, der Jugend die Rosen! Glückliche Jugend!“

Perfy’s Antlitz leuchtete auf in geschmeichelter Eitelkeit; er schaute Riza zärtlich an und drückte ihren Arm; Riza erglühte, und der Meister, welcher keine Ahnung von der Verschiedenheit der gesellschaftlichen Stellung Beider hatte, mißdeutete diese Vertraulichkeit und flüsterte:

„Ich darf gratuliren? Seliger Mann, dem die schönste Ungarin das Glück ins Haus bringt! Halten Sie’s fest, Perfy ur, so lang es nur bleiben will! Denn es hat Flügel.“

Da wollte Riza erblassend ihren Arm aus dem Perfy’s ziehen, und auch dieser zuckte ein wenig zurück; denn es war Perfy noch nicht in den Sinn gekommen, die Tochter der Bäuerin zu seinem Weibe zu machen. Aber im nächsten Augenblick zog er Riza’s Arm um so fester in den seinen; Perfy Viktor mußte ja immer das Rarste von Allem haben, was es in Szeged gab: das beste Klavier, das schnellste Pferd, den größten Hund – die schönste Frau. Und die war Riza heut geworden, da der Meister sie zur Schönsten der Stadt erklärt, da ihm die Menge beigestimmt und das Dirnlein im Triumph als Schönheitskönigin durch die Stadt geführt hatte. Riza war heut eine Berühmtheit geworden, und eine Berühmtheit mußte Perfy Viktor zu seinem Eigenthum machen. Der große Meister hatte keine Zeit gefunden, des Perfy Viktor Klavierspiel zu hören und – zu loben; das kränkte den Perfy von Herzen; denn was half ihm seine Gefolg- und Jüngerschaft, wenn nicht vom Ruhme des Meisters etwas auf ihn überstrahlte? Nun hatte der Große wenigstens des Perfy Braut geküßt; das konnte Perfy allen Leuten erzählen, mit denen er bis zum Ende seines Lebens in Berührung kam.

So drückte er zärtlich Riza’s Arm und flüsterte:

„Morgen komme ich zu Ihrer Mutter, theure Riza!“

Sie gab ihm keine Antwort; aber er erwartete auch keine; es war ja selbstverständlich, daß Riza die Ehre zu schätzen wußte, das Weib des ersten Kavaliers in Szegedin zu werden.

Und Riza schätzte sie auch, schätzte sie um so höher, als sie schon morgen dem schlimmen Stefan beweisen konnte, daß sie sich nicht „von jedem Hansnarren um den Leib fassen ließe“, sondern nur von ihrem künftigen Gatten, der ein Edelmann war – wie der Stefan ein Bauer!

Aber als Riza zu Hause der Mutter, welche sich in der Ausstellung auf Betreiben der klugen Vorsteherin im Hintergrunde gehalten, des Perfy Vorsatz mittheilte und Terka freudestrahlend das Dirnlein in die Arme schloß und es ihr Prinzeßchen nannte, ihr Edelfrauchen, dem von nun an alle Grafen und Prinzen der Welt zu Füßen liegen würden, da bat Riza die Mutter, noch ein Weilchen in den nächtigen Garten gehen zu dürfen; es sei so heiß drinnen, sie meine ersticken zu müssen.

Darüber lächelte Terka und gewährte dem Töchterlein die Bitte; es war natürlich, daß das junge Herz brannte und hüpfte.

Ah, am Ziel! Schwiegermutter eines Edelmanns! Terka’s Augen blitzten, als hätte sie feurigen Wein getrunken – den Wein befriedigten Ehrgeizes!

Und wie sich des Janos’ Ebenbild, der Stefan, ärgern würde! Vielleicht empfände er gar dasselbe Weh, dieselbe Demüthigung, dasselbe Brennen im Blut, im Herzen, im Stolz, das der Vater sie einst hatte erleiden lassen! Ah, am Ziel! Gerächt durch die Tochter!

Unterdessen saß das Töchterlein draußen unter den Zweigen des Maulbeerbaums und weinte. Worüber? warum? wußte es selbst nicht. Es war ihm nur so beklommen zu Muth, so, als solle es eingesperrt werden und müsse nun Abschied nehmen von Blumen und Jugend und Frohsinn. Aber vom Nachbargarten zog süßer Fliederduft herüber, und der Mond goß silbernes Licht über die Blumenbeete; hinter dem Garten das Feld sah so weit und blau aus; die Abendluft umschmeichelte so wohlig die Schläfe: Riza hörte auf zu weinen und selbst zu denken; wieder kam jenes unbestimmte, träumerische Sehnen über sie, und in jenes Sehnen hinein dasselbe Bild: Stefan reichte ihr die Rosen mit einem Blick, so warm und sehnsüchtig wie die Frühlingsnacht.

Da rief die Mutter – das Bild zerfloß; die Beete lagen grau da, die Schatten waren tief, die Gegenstände hart und deutlich – und Stefan war ein Bauer, der weite Linnenhosen trug, der sie von Kindheit auf gekränkt und verfolgt hatte – und sie selbst wurde nun eine Edelfrau.

Am nächsten Tage holte sich Perfy das Jawort; in wenigen Wochen sollte, wie gebräuchlich, die Hochzeit sein. Als der Bräutigam die Braut in seine Arme schloß und küßte, lief ihr ein Schauer über den Leib; er hatte so feuchtglatte, dicke Lippen!

Da aber Perfy Viktor als ein musterhafter Kavalier gewissenhaft die Sitte respektirte, welche in Szegedin die Verlobten so vorsichtig aus einander hält, als wäre die Braut ein Pulverfaß und der Bräutigam eine Fackel, so wiederholte sich dieser Schauer nicht oft bei Riza; der unbewußte Widerwille in ihr hatte nicht Gelegenheit zu explodiren, sondern glimmte nur heimlich fort oder schoß von Zeit zu Zeit ein unschädliches kleines Flämmchen von Reizbarkeit und Widerspruchsgeist empor. Auch kam Riza kaum zum Denken und Fühlen; denn Terka hielt sie streng bei der Arbeit, und die Magazine schickten der reichen Bäuerin schier erdrückende Mengen von Stoffen und Geräthen ins Haus, so daß viele Tage mit dem Prüfen und Auswählen aller dieser für ihre kleine Person und ihr künftiges Haus bestimmten Herrlichkeiten ausgefüllt wurden. Dabei gewann sie in ihren eigenen Augen [760] eine Wichtigkeit, welche die bräutliche Freude ersetzen mußte. Und die unklare Furcht vor der Vermählung, welche näher und näher rückte wie ein unaufhaltsames, unabwendbares Naturereignis, wich allmählich der innigen Freude auf die Hochzeitsreise nach Paris, das ihre Phantasie und des Verlobten Berichte mit wunderkräftigem Zauber umgaben.

So beschäftigt, merkte sie gar nicht, daß die Mutter sie in diesen Wochen kaum das Zimmer verlassen und nie allein den Hof betreten ließ.

Terka hatte ihre guten Gründe zu solcher Vorsicht; allabendlich, und oft genug auch am Tage, sah sie ihren Erbfeind, den Stefan, auf dem Maulbeerbaum sitzen und mit den schwarzen Augen in ihren Hof spähen, als lauere er auf ein Wild, das ihm endlich über den Weg laufen müsse.

Und als Terka einmal in dunkler Nacht noch den Garten betrat, sah sie etwas Weißes auf dem Maulbeerbaum schimmern, und dieses große Weiße mißkannte in der Finsterniß die Terka und schleuderte etwas kleines Weißes ihr gerade vor die Füße. Und als Terka dasselbe aufhob, war es ein Zettel, der um einen Stein gebunden war. Da lief Terka ins Haus und entzifferte bei der Küchenlampe mit großer Mühe – denn sie konnte Geschriebenes schlecht lesen – die Worte:

„Ich muß Dich sprechen; komm’ gleich her, stell’ Dich auf den Tisch unter dem Maulbeerbaum, damit wir leise zusammen reden können.“

Terka verspürte nach dieser Lektüre auch große Lust, mit dem Burschen zu reden, aber sie bezwang sich und that Besseres. Sie band den Zettel wieder über den Stein, schlich in den Hof zurück, kletterte mit großer Mühe auf den Tisch, und ganz stillschweigend – sie preßte die Lippen mit Gewalt zusammen – schleuderte sie die verirrte Liebesbotschaft mit voller Wucht dahin, wo das Weiße auf dem Maulbeerbaum schimmerte. Ein unterdrückter Schrei bewies, daß der Wurf getroffen habe; darauf kletterte drüben das Weiße schleunigst vom Baum, hüben die Terka vom Tisch, Beide in lautlosem Schweigen. Seit dieser Nacht hatte Terka den Feind nicht mehr auf dem Maulbeerbaum erblickt, bewachte aber die Tochter ängstlicher denn je.

Mit solchem Thun arbeitete sie unwissentlich Riza’s Verlobtem in die Hände. Es wäre dem Perfy Viktor sehr peinlich gewesen, der Welt – das heißt Szegedin – das heißt dem Kreise seiner Bekannten – seine Braut, von deren Ruhm er die Stadt widerhallen machte, in der unerläßlichen Begleitung der bäuerischen Mutter vorzustellen. Unangenehm genug war es schon, daß er einige seiner Verwandten zum Vorabende seiner Hochzeit hatte einladen müssen; doch hatte Riza die Anwesenheit dieser Gäste als so selbstverständlich angesehen, daß Perfy seine empfindliche Braut durch eine direkte Weigerung nicht zu reizen gewagt hatte. So lud er denn einige seiner auf dem Lande lebenden Verwandten – nur Herren – zum Polterabend, in der stillen Hoffnung, daß die Schwiegermutter, welche ihm gegenüber noch sehr schüchtern auftrat, sich bescheiden im Hintergrunde halten werde.

Leider erwuchs ihm aber im letzten Augenblick noch eine schlimmere Verlegenheit. Er hatte die Schönheit seiner Braut und die Huldigungen der greisen Berühmtheit auch seiner vornehmen Tante, der Tochter des seligen Obergespans, so oft vorgerühmt, daß die alte Dame in halber Neugier und halbem Wohlwollen ihrem erschrockenen Neffen das herablassende Versprechen gab, seine Hochzeit mit der Schönheit Szegedins durch ihre Gegenwart zu ehren. Jetzt mußte er ihr Riza doch vorstellen, und zwar in der unerläßlichen Begleitung ihrer Mutter, und so lange Perfy auch mit der Erfüllung dieser unangenehmen Pflicht zögerte, endlich kam der letzte Tag vor dem Polterabend, und der Gang mußte gemacht werden.

Terka hatte sich zu dieser Feierlichkeit auf Perfy’s Wunsch in städtische Kleidung stecken müssen; aber als sie nun in dem schweren, schwarzen Seidenkleide, welches sein unfehlbarer Geschmack für sie gewählt und an dem die beste Schneiderin ihre Kunst erprobt hatte, über die Schwelle trat, da wich Perfy entsetzt einen Schritt zurück; denn das enge Gewand wickelte eine so derbknochige Gestalt ein, spannte sich um so breite Hüften – und der dicke, kurzgeschorene Kopf mit dem breiten, rothen Gesicht sah unter dem zierlichen Kapottehütchen so unglaublich komisch hervor, wie – ja wie der einer Köchin, welche die Kleider ihrer Herrin angezogen hat.

Auch Riza erblaßte beim Erscheinen der Mutter; aber der erschreckte und verächtliche Blick, mit welchem ihr Verlobter Terka maß, kränkte ihren Kindesstolz so tief und regte den Widerwillen gegen Perfy so stark in ihr auf, daß sie ihre alte Entschiedenheit wiedergewann. Sie ging auf die Mutter zu, streichelte ihr die Wangen und sagte zärtlich und bestimmt: „In dem abscheulichen Kleid schaut mein stattliches Mutterle beinah’ garstig aus. Auch erstickst Du bei der heutigen Hitze in dem engen Gewand. Geschwind, leg’ den schönen faltigen Seidenrock und das Kopftuch wieder an; wir warten derweil.“

Die Entschiedenheit, mit welcher sie sprach, verletzte aber Perfy’s eingebildete Selbstherrlichkeit gar zu stark, und so sagte er in seinem hochmütigsten Ton, mit beiden Händen in scheinbarer Gelassenheit seinen stolzen Bart ordnend:

„In Bauerntracht kann meine Schwiegermutter nicht bei der Tochter des Obergespans, meiner Tante, erscheinen. Kommen Sie, Riza. Wollen Sie vorausgehen. Frau Mama?“

Terka wollte schon eingeschüchtert gehorchen; aber in ihrem Töchterlein bäumte sich der gesunde Stolz der Jugend gegen unrechtmäßige Tyrannei auf; es trat von Perfy’s dargebotenem Arm zurück und sagte:

„Wir sind nicht gewohnt, Befehlen zu gehorchen, Perfy Viktor.“

„Nicht?“ – gab er mit einem höhnischen Blick auf die frühere Köchin zurück, fügte dann aber in wieder gewonnener Selbstbeherrschung hinzu:

„Die Liebe wird Sie die süße Pflicht der Unterwerfung lehren, theure Riza.“

„Die Liebe?“ rief Riza mit sprühenden Augen. „Aber ich liebe –“

In diesem kritischen Augenblicke gewann Terka ihre ganze Geistesgegenwart. Sie herrschte die Tochter an:

„Schwätz’ nicht soviel, Riza, die Visitenstund’ geht sonst vorüber, eh’ wir zu Teleky kisasony[2] hinkommen, und außerdem wird’s gleich losgewittern; es zieht schon ganz schwarz auf; geschwind, gieb Perfy Viktor den Arm – und vorwärts, Ihr Beiden!“

Mit heimlicher Bewunderung für die plötzlich erwachende Klugheit seiner Schwiegermutter zog Perfy Riza’s widerstrebenden Arm in den seinen und ging rasch mit ihr voran. Die Mutter folgte, mühsam die Beine in dem engen Gewand hebend, wie eine Henne hinter ihren Küchlein hersteigt.

Aber ach, wenn ihre Sünden einst gewogen werden, so wird die Stunde, welche sie bei der Tochter des Obergespans verlebten, allen drei Personen schwer in die Wagschale der Gnade fallen. Als das alte Fräulein Teleky, in schwarze Seide gehüllt, Wespe an Taille, Aristokratin in jedem Zuge ihres hochmüthigen, hageren Gesichtes, mit vornehm langsamen Bewegungen dem Besuche entgegentrat und die Mutter der Schönheit Szegedins, ihre zukünftige Verwandte, erblickte, wurde ihre Nase spitz und ihr gelbliches Gesicht aschfarben. Sie reichte Terka zögernd die Fingerspitzen und richtete, so viel es ihre vollkommene Erziehung erlaubte, ihre Rede an Perfy Viktor; denn auch Riza’s Lieblichkeit wurde in den Augen der Aristokratin völlig von dem Umstande ausgelöscht, daß eine so plebejische Mutter hinter ihr stand.

Terka aber wurde aus Verlegenheit vertraulich und geschwätzig. Sie schüttelte derb des alten Fräuleins Hand und sagte:

„Schaun’s, Gnaden, da bring’ ich Ihnen nun die Riza. Sie ist halt a herziger Fratz, halt nit, Gnaden? Perfy Viktor kann schon mit ihr zufrieden sein; denn schön ist sie, die Riza, und reich auch – und so lieb und herzig – und plauscht halt französisch, wie ich ungarisch – und der alte Mann, von dem sie so ein Wesen und Gethue in Szeged machten, hat die Riza geküßt und gesagt, sie sei die Schönste in der ganzen Stadt, und ich sag’s auch und hab’ immer gemeint, ein Prinz werd’ nach ihr kommen – Aber der Perfy Viktor ist mir auch schon recht; denn er ist ein vornehmer Kavelier und fesch und hat Alles vom Besten – und ich sag’ immer, ich weiß, daß er uns eine Ehr’ anthut, und freu’ mich, daß die Riza in eine vornehme Familie hineinheirathet, und sie wird halt eine schöne Edelfrau werden –“

[761]

Die Traudel am Bach.
(Oberbayerisch.)

Am Bach bei der Stauden,
Da sitzt’s alle Täg,
Die Traudel, und zählt
Die Stoan auf’m Weg.

Die Stoan auf’m Weg
Und die Well’n drunt im Bach;
Sie zählt und sie zählt;
Zählt dengerscht nie nach.

Denn ihre Gedanken
San allweil viel z’weit
Und sie hat halt zum Denken
Betrübsam viel Zeit.

Sie denkt halt an Hies,
Ob er gar nimmer kimmt;
Ob er drin in der Stadt
An anderne stimmt.

So zählt’s und so denkt’s,
Und denkt nie nix aus;
Und’s Bachl im Wald
Rinnt allweil abaus!
  M. Haushofer.

[762] Der Terka Rede wäre wohl noch eine Weile so weiter geplätschert; denn ihr Mutterstolz, in den sich das bedrängte Selbstbewußtsein hineingeflüchtet, brach sich nun breite Bahn. Das alte Fräulein sprach kein Wort, sondern lehnte sich zurück und blickte die Terka an, wie man etwa einen Betrunkenen betrachtet, und Perfy zauste unbarmherzig, aber stumm seinen schönen Bart. Doch Riza, welche in einem Athem roth und bleich geworden war, erhob sich und sagte mit etwas vibrirender Stimme: „Komm, liebe Mutter, wir sind schon zu lange hier gewesen.“

Und diesmal widersprach ihr Niemand; das alte Fräulein that zwar ein wenig die Lippen von einander, aber nur, um einen Seufzer der Erleichterung auszustoßen, den sie in der Mitte unterdrückte, und Perfy Viktor sprang beinahe ungestüm von seinem Sitze auf.

Aber gerade in diesem Augenblicke sauste ein Windstoß heulend durch die todtenstille Luft, wirbelte in einem Moment hohe Staubsäulen auf; die Bäume krachten; es wurde ganz finster; Fensterflügel wurden aufgerissen und klirrend zur Erde geschleudert, Ziegel sprangen vom Dach;, dann dröhnte ein so furchtbarer Donnerschlag, daß Terka laut aufschrie und das alte Fräulein erbleichend auf seinen Stuhl zurücksank. Als habe dieser Schlag einen überstraff gespannten Schlauch jählings zersprengt, so stürzten mit plötzlicher und außerordentlicher Gewalt ungeheure Wassermassen vom Himmel herab. Im Nu stand der Garten vor den Fenstern des Empfangszimmers unter Wasser, in dem geköpfte Rosen, abgebrochene Zweige und Aeste schwammen; die jungen Stämme bogen ihre Häupter bis in das Wasser und schnellten wieder zurück, wie von Verzweiflung gepeitscht; ein fortwährendes Donnern, Tosen, Krachen, Pfeifen, mit dem Dröhnen und Klatschen des Regens vermischt, erschütterte die Luft; es war fast nachtdunkel in dem Zimmer, in welchem sich die erschrockenen Menschen dicht zusammengedrängt hatten, instinktmäßig sich als ihres Gleichen fühlend, schwache und leidende Geschöpfe gegenüber einer übermächtigen Natur.

Nach Verlauf einer halben Stunde war das Unwetter ebenso plötzlich vorüber, wie es gekommen war; es wurde hell, der Regen fiel langsam, im Garten lagen Rosen, Aeste, Ziegel und Glasscherben regungslos da, und die Tochter des Obergespans zog erröthend ihre schmalen Hände von dem Schoße Terka’s zurück, wo sie in den letzten Minuten gelegen hatten, bedeckt von den breiten Tatzen der Plebejerin.

(Schluß folgt.) 


Ein Friedhof ohne Gleichen und vierzig auferstandene Könige.

Von Georg Ebers.
(Fortsetzung.)

Ganz anders war es mit den Grüften der großen und reichen Privatleute bestellt. Die schönsten derselben sind unter den Königen der achtzehnten Dynastie (17. bis 16. Jahrhundert v. Ch.) in den Kalkstein des Sargberges gemeißelt worden, und von ihren Oeffnungen aus läßt sich die ganze Todtenstadt mit ihren grünen Feldern, Palmen und Tamariskenhainen, ihren herrlichen Tempeln und elenden Bauernhütten, ihren stolzen Kolossen und grauen Schutthügeln schön überblicken. In der Ueberschwemmungszeit sieht man die Nilfluth die Füße der Memnonssäulen bespülen; aber auch dann sticht das staubige gelbliche Weiß des libyschen Kalkgebirges, das sich bis in die Ebene vorschiebt, scharf ab von dem saftigen Blaugrün des Fruchtlandes.

Die Anlage jedes Einzelgrabes folgt mit geringen Abweichungen dem gleichen Plane. An einen Vorraum schließt sich die sogenannte Grabkapelle, ein größerer Raum, dessen Decke oft von Säulen oder Pfeilern gestützt wird. Diesem folgt ein anderes Felsengemach oder eine Reihe von Zimmern und Kammern, die bisweilen auch zu kleinen Seitengelassen Zugang gewähren. Am äußersten Ende der Gruft pflegt der sogenannte Bir oder Brunnen angebracht zu sein, ein senkrecht wie ein Schornstein abwärtsführender Schacht, der manchmal bis 15 Meter lang ist und an dessen unterstem Ende sich das Gemach befindet, wo der Sarg mit der Mumie des Verstorbenen Aufstellung fand.

Ceremonie der Mund- und Augeneröffnung, welche der Sampriester und der Sohn des Verstorbenen an der Mumie vollziehen. Hinter ihr steht schützend der Schakalköpfige Unterweltgott Anubis.
Aus einem Grabe in Theben.

Die Oeffnung dieses Schachtes, den man oft mit Steinen und Geröll ausfüllte, um ihn unzugänglich zu machen, wurde möglichst gut versteckt, um ihn vor Leichenräubern zu sichern. Die Statue des Verstorbenen pflegte in einem der hinteren Gemächer aufgestellt zu werden, und hier wurde zuerst die Ceremonie der Mund- und Augeneröffnuug an ihr vorgenommen; dann aber legten die Hinterbliebenen an vorgeschriebenen Tagen die Todtenopfer auf den vor der Statue errichteten Altar nieder.

In der Todtenkapelle kam – gleichfalls an bestimmten Daten – die Familie des entschlafenen Großen zusammen, gedachte seiner, beging gewisse Todtenkulte zu seinem Gedächtniß und stimmte Lieder zu seiner Ehre an. Einige Verstorbene stifteten Legate zur Erhaltung eines Sängers und Harfenschlägers, welcher bei solchen Gelegenheiten die Tugenden des Entschlafenen zum Saitenspiele zu preisen hatte. Andere Stiftungen sicherten die Darbringung der dem Verstorbenen zukommenden Spenden auf ewige Zeiten, und zwar geradezu vertragsmäßig. Uebrigens konnte sich in dieser Hinsicht der Verscheidende auf die Pietät seines Sohnes und Erben verlassen; denn dieser hätte sich durch die Vernachlässigung der Pflichten gegen die Manen des verstorbenen Vaters nicht nur der allgemeinen Mißachtung ausgesetzt, sondern auch gewärtig sein müssen, auf Erden von der in den Ka gehüllten Seele des Abgeschiedenen gequält zu werden und im Jenseits der Seligkeit verlustig zu gehen.

Männer, die nach dem Gastmahle trunken fortgetragen werden.
Aus einem Grabe in Theben.

Wie leicht konnte auch sein Nachkomme ihm selbst das vorenthalten, was er seinem Erzeuger entzogen hatte, und zu den kläglichen Vorstellungen, welche sich in die schöne Unsterblichkeitslehre der Aegypter mischen, gehört auch die, daß dem in den Ka gehüllten Ba (der Seele) des Verstorbenen in jener Welt Opfer an Brot und Fleisch, Wein und Bier, Kleidern und Blumen, Reinigungswassern, Salbölen und Essenzen erwünscht und nothwendig seien. Die Mumie der Voreltern galt als ein Pfand, worauf hohe Summen geliehen wurden; denn wer es verfallen ließ, fiel der öffentlichen Ehrlosigkeit anheim.

Aus vielen Texten geht hervor, daß man sich besonders sehnlich viele Nachkommen und unter allen Umständen einen Sohn wünschte, um nach dem Tode der Erhaltung des Grabes und der Todtenopfer sicher zu sein. Der Mutter und Gattin kam, wie im Leben, so auch nach ihrem Hingang das Gleiche, ja unter Umständen mehr zu als dem Vater und Ehemann.

Wenn sich die Ueberlebenden in der Grabkapelle eines Großen versammelten, so gedachten sie seiner nicht unter Klagen und Thränen, sondern erinnerten sich dankbar seiner hohen Stellung, der Fülle seines Besitzes, seiner Gastlichkeit und Güte. Sehen wir von dem Sargzimmer und dem „Brunnen“ ab, so sind auch alle Darstellungen und Inschriften in solcher Gruft so beschaffen, daß sie nur von dem Erdenwallen des in ihr Bestatteten erzählen. An den Tod mahnt nichts als die Abbildung des Leichenzuges, der uns den Sarg des Verstorbenen zeigt, wie er über den Strom geführt wird, wie auf dem Deck des Kajütenhauses der Trauerbarken [763] die Frauen der Familie des Dahingegangenen und gemiethete Klageweiber mit aufgelöstem Haar und erhobenen Armen sich in lautem Jammergeschrei ergehen und sich dabei gerade so benehmen wie die Aegypterinnen von heute. Ihnen steht es zu, die Verstorbenen laut zu beklagen; denn, so sagt das Sprichwort: der Weiber Haar ist lang, aber ihr Verstand ist kurz; die Männer sollen dagegen, wie bei den heutigen Arabern, dem Tode gegenüber ruhige Würde bewahren.

Fahrt eines Leichenschiffes in die Todtenstadt. Klageweiber jammern auf dem Decke.
Aus einem Grabe in Theben.

In diesen Grüften erinnert Alles an das Leben, und zwar in geradezu munterer Weise. Wir sehen den Hausherrn unter den Seinen in froher Gesellschaft, zu der sich die Mitglieder beider Geschlechter eingefunden haben. Die Büffets brechen unter der Last der Früchte, der erlesenen Speisen und bekränzten Weinkrüge, Musik würzt das Mahl, junge Herren reichen den Damen duftende Sträuße, und die Schönen haben das Haupthaar mit Blumen geschmückt. Diener eilen hin und her, und selbst die Folgen des üppigen Mahles werden in einigen unserer Grüfte zur Darstellung gebracht. (Vgl. S. 762.) Die am Gedächtnißtage versammelte Familiengemeinde erinnert sich beim Anblick dieser Gemälde der frohen im Hause des Verstorbenen verlebten Stunden, und wenn sie weiter durch die von Lampen hell erleuchteten Räume der Gruft schreitet, erzählen ihr andere Bilder und Inschriften, einen wie bevorzugten Platz im Herzen des Pharao der Entschlafene eingenommen, wie hohe Würden, Titel und Ehrenzeichen er erworben hatte, wie groß, kostbar und mannigfaltig die Tribute gewesen waren, welche unterworfene Nationen ihm als Statthalter für den königlichen Schatz zugeführt hatten, wie stattlich sein Haus, wie groß und schön gepflegt seine steif, aber gar ordentlich angelegten Gärten, wie ausgedehnt, wohlbestellt und bewässert seine Landgüter, wie ergiebig seine Jagdgründe gewesen. Jeder Angehörige dieses großen Herrn konnte stolz auf die Verwandtschaft mit ihm sein, auch wenn er die Herden, welche er besessen, abgebildet und ihre große Häupterzahl aufgezählt sah.

An das Leben, das irdische Dasein erinnert Alles, und vergebens sucht man in der Grabkapelle und den Räumen, welche sich an sie schließen, nach Darstellungen von Inschriften, welche von der Dua-t und dem Schicksal der Seele im Jenseits erzählen.

Um solche zu finden, muß man durch den Bir oder Brunnen in die Sargkammer hinab oder herauf zu gelangen versuchen.

Dies Vorhaben ist oft mit großen Schwierigkeiten verbunden, und hat man das Ziel erreicht, so begegnet man häufig leeren Wänden. Manchmal freilich wird der unerschrockene Forscher schön belohnt. So haben wir uns mit unserem Freunde und Kollegen Stern eine ganze Lm° Gesellschaft von Gästen, Woche lang Tag für Tag durch den 10 Meter tiefen Schacht, Welcher zu der Sargkammer des Amen em ha führte, in die Tiefe hinabsenken lassen und dort in einem Raume, welcher nur vier Fuß hoch war und unserem mehr als mittelgroßen Körper an keiner Stelle gestattete, sich schlank aufzurichten, von früh bis spät die Feder gerührt; waren doch alle vier Wände der Sargkammer mit Kapiteln des Todtenbuches, und zwar den wichtigsten, bedeckt.

Wie in der erwähnten Sargkammer, so finden sich auch in anderen manche Inschriften und Bilder, welche sich auf das Leben nach dem Tode beziehen, niemals aber solche, die sich mit dem Erdendasein des in ihnen Bestatteten beschäftigen. Wo die Wände her Kammer am Ende des Bir nackt blieben, empfing statt ihrer der Sarkophag Ausschmückungen in Bild und Wort, welche sich auf das Leben in der Dua-t und das Schicksal der Seele bezogen; und war auch der Sarg unverziert geblieben, so hatte man doch zu der Mumie Papyrusstreifen oder Rollen gelegt, welche entweder mehr oder weniger zahlreiche Kapitel des Todtenbuches, oder „das Buch vom Athem“, oder die Schrift „von dem, was sich in der Tiefe befindet“, oder „das Buch vom Durchwandern der Ewigkeit“

enthielten. Manche Mumien waren auch mit Binden umwickelt, die man mit heiligen Schriften bedeckt hatte. Alle diese Texte, von denen man auch gern gewisse Stücke auf oder in den Sarkophagen anbrachte, bezogen sich auf das Jenseits und hatten, ähnlich wie die Inschriften der Königsgrüfte, der Seele als Reiseführer und Gedächtnißstützen zu dienen.

Blicken wir nun auf das Mitgetheilte zurück und vergegenwärtigen wir uns die Besonderheit der Aegypter, sich bei all solchen Dingen schablonenhaft streng und eng an ein gegebenes Vorbild zu halten, so wirft sich die Frage auf, wie es kommt, daß die Ausschmückung der Pharaonengräber so weit von derjenigen der Privatgrüfte abweichen konnte. In den letzteren wird Alles, was wir in den ersteren betrachten und lesen, in den Sargraum zusammengedrängt, und über das Erdenleben des Verstorbenen, wovon die Wände der Privatgräber so reiche und eingehende Kunde ertheilen, fehlt in den Grüften der Könige jede Erwähnung.

Ferner findet sich in ihnen kein einziger Raum, wo sich eine größere Gemeinde hätte versammeln können, um sich des Abgeschiedenen zu erinnern und seinem Ka gemeinsam zu opfern.

Läßt es sich denken, daß die Fürsten freiwillig auf diejenigen Leistungen der Pietät verzichtet-hätten, auf welche die Privatleute das schwerste Gewicht legten? Gewiß nicht!

Auch die Könige wünschten, daß man ihrer gedenke; doch trennten sie die beiden Theile des Grabes, welche die Gruft der Privatleute in sich zusammenschloß. Die Höhlenmausoleen im Thale der Königspforten entsprachen dem Bir und dem Sargzimmer in der Ruhestätte des Privatmannes, und statt der Grabkapelle und der ihr folgenden Räume ließen sich die Pharaonen im Flachlande der Nekropole besondere Bauwerke errichten, und zwar jene Memnonien oder Erinnerungsmale, welche wir bereits

Eine Gesellschaft von Gästen, denen Wein, Salben und Blumen gereicht werden. Aus einem Grabe in Theben.

[764] kennen gelernt haben. Und diese Sonderung ist keine zufällige gewesen, sondern hat mit zwingender Nothwendigkeit vorgenommen werden müssen.

Für die Familie und Clientel eines Großen, welche sich an gewissen Gedenktagen zu vereinigen wünschte, bot ein geräumiges Felsengrab genügenden Raum; diejenigen aber, welche den Pharao betrauern, sich seiner erinnern und ihm opfern sollten, waren ein ganzes Volk, und welches Aufgebotes an Geld und Arbeiterkräften hätte es bedurft, um Säle aus dem Felsen zu meißeln, welche groß genug gewesen wären, um die Repräsentanten einer ganzen Nation in sich aufzunehmen!

Versuch einer Rekonstruktion des Terrassentempels Der el-bahri.
Originalzeichnung von Weichardt nach Brune.

Eine Antilope, auch wohl ein Stier und einige Gänse ließen sich leicht vor der Gruft des Privatmannes schlachten, und der kleine Altar in ihrem Hintergrund gewährte Platz genug für fette Thierschenkel, gebratenes Geflügel, Kuchen, Blumen etc.; für die Manen des Königs mußten dagegen Hekatomben verbluten, zahlreiche Priester hatten die Opfertische zu umgeben und die Ceremonien beim Todtenfeste zu leiten. Der Gruft des Würdenträgers näherte sich an den Gedenktagen eine beschränkte Zahl von Besuchern, dem Memnoninm des Pharao eine glänzende Procession von unabsehbarer Länge. Die bescheidenen Höhenpunkte im Leben eines Privatmannes: heiteres Beisammensein mit den Seinen, Vergnügungen im Haus und im Freien, Inspicirung reichen Besitzes etc. lassen sich leicht auf beschränkten Flächen darstellen, die großen Momente im Dasein des Herrschers gehören dagegen der Geschichte an; die ganze Nation nimmt an ihnen Theil, und wo wir, wie in den Grüften von Abd el-Qurna, das Familienhaupt mit seinen Hunden die Gazelle verfolgen und das Nilpferd mit der Harpune erlegen sehen, finden wir im Memnonium den Pharao dargestellt, wie er sich auf dem Kriegswagen von muthigen Rossen gezogen in das Schlachtgetümmel ’ stürzt oder mit zahlreichen Gefangenen siegreich in die Heimat zurückkehrt, an deren Grenze seine Getreuen den Triumphator mit Jubel empfangen.

Wie die Bedeutung der Thaten des Königs die der Unterthanen weit übertrifft, so dürfen die Darstellungen derselben einen viel größeren Raum in Anspruch nehmen, als die der Leistungen des Bürgers. Ein Jagdstück läßt sich auf einen breiten Pfeiler in der Grabkammer malen, ein Schlachtgemälde füllt die breite und hohe geneigte Wand einer thurmhohen Tempelpforte aus. Die Gemälde, welche den Memnonien zur Ausschmückung dienen, sind umfangreicher und behandeln bedeutendere Stoffe als diejenigen, denen wir in den Privatgrüften begegnet sind, und wandern wir von einem königlichen Erinnerungsmale zum anderen, so finden wir, daß auch hier die schriftliche und bildliche Dekoration Bezug nimmt auf das Erdendasein des Königs.

In dem südlichsten Memnonium der Todtenstadt, dem von Medinet Habu, sehen wir den reichen Ramses III., jenen Rhampsinit, von dessen Schatzhause und dem klugen Baumeisterssohne Herodot eine besonders hübsche Geschichte erzählt, wie er im Frauengemache mit jungen Schönen, denen er so hold war, daß ihn seine Zeitgenossen deßwegen in Karikaturen verspotteten, das Brettspiel spielt. Auf den Pylonen dieses Memnoniums zeigen in den Stein gegrabene Gemälde von riesigen Dimensionen ihn selbst, wie er in die Schlacht zieht und seine Gegner, zwei mächtige und vielgliedrige Völkerbündnisse, niederwirft.

Prächtig erhalten blieb das Memnonium Ramses’ II. Nur die Bildsäule, welche seine Gestalt und seine Züge den Nachgeborenen bis ans Ende der Tage zeigen sollte, ist wie durch ein Wunder der Vernichtung anheimgefallen. Sie liegt zertrümmert am Boden, und doch hatte sie aus hartem Granit bestanden und an Größe den berühmten Memnonskoloß überragt. Aus ihren Bruchstücken verfertigen gegenwärtig armselige Fellachen kreisrunde Steine für ihre Handmühlen. Der bildliche Schmuck, welcher sich an den Pylonen und in den Sälen dieses Meisterwerkes der ägyptischen Architektur erhalten hat, bezieht sich wiederum auf die Heldenthaten, welche sein Erbauer auf Erden verübte.

Wandern wir vom Ramesseum aus wieder nach Nordwesten, so begegnen wir in unsrer Todtenstadt demjenigen Memnonium, welches als ältestes von allen angesehen werden darf und in vieler Hinsicht besonderes Interesse gewährt. Wir meinen den Terrassentempel der Königin Hatschepsu, welcher heute nach einem [765] christlichen Coenobium, das hier in byzantinischer Zeit bestanden hatte, Der el-bahri oder das Nordkloster genannt wird.

Um diese merkwürdige Anlage zu überblicken, bleiben wir in einiger Entfernung von ihr stehen. Die Kalkberge des arabischen Gebirges, welches die Wohnstadt Theben auf dem anderen Nilufer nach hinten abgeschlossen haben, zeigen ein weit interessanteres und schöner gegliedertes Profil, als der Sargberg mit seinem flachen Kamme im Rücken der Todtenstadt. Nur bei Der el-bahri gewinnt das libysche Gebirge ein großartiges und eigenthümliches Ansehen; denn hier ziehen sich die Felsen gleichsam in sich zusammen und erheben sich in einem schön geschwungenen Halbrund zu imposanter Höhe. Beim Aufgang und Scheiden der Sonne glänzt das gelbe und bräunliche Gestein dieser gewaltigen Bucht wie lauteres Gold, und wir haben dann seinen höchsten Saum flimmern und strahlen sehen wie eine weithin leuchtende Aureole.

Dieses nackte, ganz vegetationslose Halbrund würden die Bürger von Theben, wenn sie Griechen gewesen wären, sicher benutzt haben, um dort wie zu Tauromenium oder Syrakus ihr Theater anzulegen. Die unternehmendste aller ägyptischen Königinnen muß die großartige Schönheit dieser Felsenbucht empfunden haben, als sie dieselbe wählte, um die Terrassen ihres Mausoleums zu ihr ansteigen zu lassen. – Der Gedanke, ihre Gruft von der Grabkapelle oder dem Erinnerungsmale zu sondern, scheint ihr, deren Voreltern sich mit bescheidenen Gräbern und überreich ausgestatteten Mumien begnügt hatten, nicht gekommen zu sein.

(Fortsetzung folgt.)

Sankt Michael.

Roman von E. Werner.
(Fortsetzung.)


Als Professor Wehlau und der Gärtner die Thür des Pavillons öffneten, bot sich ihnen ein sehr bedenklicher Anblick. Der junge Künstler lag im Armstuhl, das Haupt matt zurückgesunken, die Augen geschlossen; er hatte die Hand auf die Brust gepreßt, die schwer und mühsam zu athmen schien. Von seinem Gesichte konnte man nicht viel sehen, da der schwere Fenstervorhang völlig herabgelassen war und eine Art Halbdunkel in jenem Theile des Raumes herrschte.

Der Professor trat mit wenigen Schritten auf seinen Sohn zu und beugte sich zu ihm nieder.

„Hans, was ist Dir? Du wirst doch nicht etwa krank werden? Das ist die einzige Dummheit, mit der Du Dich bisher noch nicht abgegeben hast, und das verbitte ich mir! So rede doch wenigstens.“

Hans öffnete matt die Augen und sagte mit halbgebrochener Stimme:

„Bist Du da, Papa? Verzeih, daß ich Dich rufen ließ, ich glaubte –“

„Aber was fehlt Dir denn eigentlich?“ Der Professor wollte angstvoll nach dem Puls seines Sohnes greifen; aber dieser zog zufällig in demselben Augenblick den Arm zurück und legte ihn unter den Kopf.

„Ich weiß nicht – ich bekam auf einmal heftigen Schwindel – und dann Beängstigungen, und dann vergingen mir die Sinne – es war ein furchtbarer Zustand.“

„Das kommt von dem verwünschten Malen, von der verdammten Farbenkleckserei!“ rief Wehlau in heller Verzweiflung. „Anton, öffnen Sie die Fenster, lassen Sie frische Luft herein! Holen Sie Wasser – schnell!“

Damit griff er nach dem linken Arm des Kranken, der wieder dasselbe Manöver ausführen wollte. Aber diesmal war der Vater schneller als Hans, erwischte das Handgelenk und hielt es fest.

„Was ist denn das? Dein Puls geht ja ganz normal?“ fragte er argwöhnisch und riß zugleich mit einem raschen Griffe den Fenstervorhang herab. Das Tageslicht strömte blendend herein und beleuchtete das Antlitz des jungen Mannes, das eben so frisch und blühend aussah wie gewöhnlich; die leidende Miene täuschte den erfahrenen Arzt auch nicht einen Augenblick.

„Junge, das ist wieder eine von Deinen Teufeleien!“ brach er los. „Gnade Dir Gott, wenn Du mir eine Komödie vorgespielt hast, nur um mich in Dein Atelier zu bringen!“

„Du bist aber doch nun einmal drinnen, Papa!“ rief Hans, der einsah, daß er die Patientenrolle nicht länger fortführen konnte, und nun rasch aufsprang. „Und Du wirst sicher nicht wieder gehen, ohne wenigstens einen Blick auf meinen ‚Sankt Michael‘ zu werfen. Da steht er, drüben an der Wand, Du brauchst Dich nur umzuwenden.“

Die Bitte klang sehr inständig, aber Wehlau wendete sich nicht um, sondern schritt gradewegs auf die Thür los.

„Denkst Du mich auf solche Weise zu zwingen? Ueber Deinen heimtückischen Streich reden wir noch später. Jetzt gieb die Thür frei!“

Hans schlug, anstatt zu gehorchen, dem alten Anton, der soeben mit Wasser zurückkehrte und ein höchst verblüfftes Gesicht machte, die Thür vor der Nase zu und drehte den Schlüssel um.

„Das hilft Dir alles nichts, Papa, hinaus kommst Du nicht! Hier ist mein Reich; ich habe Dich in aller Form gefangen genommen und gebe Dich nicht wieder los – sieh Dir das Bild an!“

Das war dem Professor denn doch zu stark. Das Ungewitter, das sich schon während der letzten Minuten angesammelt hatte, brach jetzt los mit Blitz und Toben, aber Hans blieb ganz ungerührt dabei und entwickelte zugleich ein strategisches Talent, das seinem Freunde Michael Ehre gemacht hätte. Unter fortwährendem Parlamentiren drängte er seinen wüthenden Papa immer weiter von der Thür zurück und immer mehr nach der Hauptwand des Ateliers, wo das Gemälde aufgestellt war, bis er ihn glücklich in dessen unmittelbare Nähe gebracht hatte; dann faßte er ihn urplötzlich an den Schultern und drehte ihn herum.

„Hans, ich sage Dir, wenn Du Dich noch einmal unterstehst –“

Wehlau verstummte plötzlich mitten in der Rede, denn er hatte unwillkürlich doch einen Blick auf das Bild geworfen. Er sah zum zweiten Male hinüber, stutzte dann und trat langsam näher.

In den Augen des jungen Künstlers blitzte es triumphirend auf. Jetzt war er seiner Sache sicher, aber er stellte sich doch wie ein Wachposten hinter dem Vater auf, um diesem einen etwaigen Rückzug abzuschneiden; doch der Professor dachte nicht mehr daran. Er stand wie gebannt vor der Leinwand und blickte unverwandt darauf hin.

„Es ist mein erstes größeres Werk, Papa,“ hob Hans jetzt in seinem sanftesten, einschmeichelndsten Tone an. „Ich konnte es doch unmöglich in die Welt hinausschicken, ohne es Dir zu zeigen. Du darfst mir nicht böse sein wegen der Kriegslist, mit der ich Dich hierher lockte: es war die einzige Möglichkeit, Dich in mein Atelier zu bringen –“

„Schweig’ still und störe mich nicht, damit ich das Ding in Ruhe anschauen kann!“ schnaubte ihn Wehlau zornig an und suchte den besten Standpunkt für die Betrachtung zu gewinnen.

So vergingen einige Minuten; dann ließ der Professor ein Brummen hören, das halb grimmig und halb zustimmend klang. Endlich sah er sich nach seinem Sohne um und fragte halblaut:

„Und Du willst mir wirklich einreden, daß Du das Zeug da ganz allein zu Stande gebracht hast?“

„Gewiß, Papa.“

„Das glaube ich nicht!“ sagte Wehlau kurz und bündig.

„Aber Du wirst mir doch mein eigenes Werk nicht abstreiten wollen. Wie gefällt es Dir?“

Der Professor ließ wieder sein Brummen hören, aber diesmal klang es schon verheißungsvoller.

„Hm, das Ding ist gar nicht so übel – hat wenigstens Kraft und Leben – wo hast Du denn den Entwurf her?“

„Aus meinem Kopfe, Papa.“

Wehlau sah erst das Bild, dann seinen Sohn an, in dessen Kopfe, seiner Ansicht nach, nur Narrenspossen steckten und der [766] eben wieder diese „schändliche“ Komödie ausgeheckt hatte. Die Sache schien ihm völlig unbegreiflich.

„Das Hauptverdienst bei der ganzen Geschichte hat eigentlich Michael,“ fuhr der junge Künstler lachend fort. „Er ist mir ein unschätzbares Modell gewesen. Allerdings habe ich Mühe und Noth gehabt, ihn in die rechte Stimmung zu bringen; aber einmal gelang es mir doch, ihn so gründlich zu ärgern, daß er losbrach in voller Wuth; da packte ich den Ausdruck und hielt ihn fest. Aber ich warte noch immer auf Dein Urtheil über die Farbenkleckserei.“

In dem Gesichte des Professors zuckte es merkwürdig; er hatte augenscheinlich die größte Lust, wieder zu seinem Grolle und seiner Erbitterung zurückzukehren, aber es ging nicht, und so sagte er denn endlich in halb versöhnlichem Tone: „Aber in Zukunft malst Du keine Altarbilder mehr, das verbitte ich mir!“

„Nein, Papa, zunächst male ich die Naturwissenschaft in Lebensgröße in der Person unseres berühmten Forschers. Wann willst Du mir zu einem Portrait sitzen?“

„Laß mich in Ruhe!“ brummte Wehlau.

„Das ist nur eine halbe Zusage, ich verlange eine ganze. Wollen wir morgen mit den Sitzungen beginnen?“

„In des Kuckucks Namen, ja – wenn es durchaus nicht anders geht.“

„Viktoria!“ rief Hans und umarmte stürmisch den Vater; aber der Professor sträubte sich gar nicht dagegen, im Gegentheil, er hielt ihn fest, und in die hellen, sonnigen Augen seines Sohnes blickend, sagte er mit aufbrechender Herzlichkeit:

„Junge, zum Gelehrten taugst Du nicht, das habe ich nun nachgerade eingesehen; aber vielleicht wird doch noch etwas Vernünftiges aus Dir, trotz alledem!“


In Sankt Michael wurden die Vorbereitungen zu dem morgen stattfindenden Michaelsfeste getroffen, welches diesmal durch die Einweihung des neuen Altarbildes noch einen besonderen Glanz erhalten sollte. Die Wallfahrtskirche prangte schon im vollen Festschmucke, und in dem kleinen, sonst so stillen Alpendorfe herrschte gleichfalls ein freudiges, festliches Leben. Es galt ja, die Tausende von Wallfahrern zu empfangen, die morgen aus allen Theilen des Gebirges herbeiströmen würden, um in dem alten Heiligthume des Erzengels ihre Andacht zu verrichten; man war am Vorabende des Festes noch nicht mit all den Zurüstungen fertig geworden.

Dieser Vorabend hatte auch dem Pfarrer eine ebenso unerwartete wie freudige Ueberraschuug gebracht. Sein einstiger Schüler, Hauptmann Rodenberg, war ganz plötzlich, ohne vorherige Anmeldung eingetroffen, und die Freude des Greises darüber hatte etwas Rührendes.

„Das war eine Ueberraschung!“ sagte er, die Hand des Ankömmlings noch immer in der seinigen haltend. „Ich hätte mir eher alles Andere träumen lassen, als Dich um diese Zeit hier zu sehen.“

„Ich habe auch nur einen einzigen Tag zur Verfügung,“ versetzte Michael. „Ich muß übermorgen wieder in M. sein, wohin ich meinen Vorgesetzten, den Oberst Fernau, in einer dienstlichen Angelegenheit begleitet habe. Es gelang mir, noch drei Tage Urlaub zu erhalten, und da machte ich schleunigst den kleinen Umweg, um Sie wenigstens zu sehen, Hochwürden.“

Valentin schüttelte lächelnd den Kopf.

„Das nennst Du einen kleinen Umweg? Es ist fast noch eine Tagereise von M. bis hierher. Du mußt allein fünf Stunden durch das Gebirge fahren. Aber es freut mich doch, daß Dein alter Lehrer Dir noch so viel gilt. So habe ich wenigstens Dich am Michaelsfeste; denn meine leise Hoffnung, daß Hans kommen würde, hat sich nicht bestätigt.“

„Er wäre gern gekommen, aber er glaubte sein Fortbleiben dem Vater schuldig zu sein, der es schon schwer genug empfindet, daß der Name Hans Wehlau in eine so enge Verbindung mit einem Kirchenfeste gebracht wird. Sie wissen ja –“

„Ja, ich kenne die Stellung meines Bruders der Kirche gegenüber hinreichend,“ sagte Valentin mit einem halbunterdrückten Seufzer. „Dem Hans aber habe ich eine ernste Abbitte geleistet, als sein ,Sankt Michael’ hier eintraf. Ich hätte unserem Leichtfuß, unserem Uebermuth nie die Kraft und Tiefe für ein derartiges Werk zugetraut; ich erkannte ihn gar nicht wieder darin.“

„Sie haben ihm Alle Unrecht gethan, und am meisten der eigene Vater!“ fiel Michael mit voller Wärme ein. „Nur ich, der das Bild von der Skizze an entstehen und wachsen sah, wußte, was es versprach. Uebrigens hat es dem Hans Triumphe genug bereitet in den vier Wochen, wo es öffentlich ausgestellt war. Es wurde sofort zu einem Hauptanziehungspunkte für das Publikum und rief einen förmlichen Sturm der Bewunderung hervor; die Kritik lobte es mit einer seltenen Einmüthigkeit, und man hat das Möglichste gethan, seinen Schöpfer mit Schmeicheleien zu verwöhnen. Zum Glück ist er eine von den unverdorbenen Naturen, denen das nicht schadet und wohl auch in Zukunft nicht schaden wird. Das Gemälde ist bereits an Ort und Stelle?“

„Schon seit vorgestern. Es ist ein schöner und kostbarer Schmuck, den die Gräfin unserem Gotteshause zugewandt hat. Sie beabsichtigte, selbst der Einweihung beizuwohnen, und ist deßhalb eigens von Berkheim nach Schloß Steinrück gekommen.“

„Dann kommt sie also morgen hierher?“ fragte Michael mit einem plötzlichen Aufzucken.

„Nein, sie ist leider erkrankt. Das rauhe, stürmische Wetter des Reisetages scheint ihr eine Erkältung zugezogen zu habeu, jedenfalls ein ernsteres Unwohlsein, sie sandte mir deßhalb –“

Sie wurden unterbrochen, denn jetzt erschien der Meßner, äußerst eilfertig, äußerst geschäftig und mit einer Menge von Mittheilungen und Anfragen in Bezug auf das Fest. Hochwürden sollten überall selbst entscheiden, besichtigen, anordnen; es gab noch unendlich viel zu thun.

„Ich glaube, ich darf Sie jetzt nicht länger in Anspruch nehmen,“ sagte Rodenberg. „Der Herr Pfarrer scheint überall nothwendig und unentbehrlich zu sein. Ich gehe inzwischen nach der Kirche, um zu sehen, wie Sankt Michael sich in seiner jetzigen Umgebung ausnimmt. Hoffentlich haben wir am Abend einige ruhige Stunden für uns.“

„Ich fürchte, das wird kaum der Fall sein. Du weißt ja noch gar nicht – ich wollte es Dir schon vorhin sagen, aber –“

Der Pfarrer kam wieder nicht zu Ende mit seiner Mittheilung; denn jetzt trat die alte Kathrin ein, mit einem ganzen Arm voll Guirlanden von Tannenzweigen, und begehrte zu wissen, wo sie angebracht werden sollten; gleichzeitig erschien noch ein junger Bauernbursche mit einer anderen ebenso wichtigen Anfrage, und der Meßner stand wartend da. Valentin wußte nicht mehr, wo ihm der Kopf stand.

Michael verabschiedete sich und schlug den wohlbekannten Weg nach der Wallfahrtskirche ein. Es war im Anfange des Mai, und das Hochgebirge zeigte sich in der ganzen herben Schönheit der ersten Frühlingstage, die hier so spät einzogen.

Die Adlerwand stand noch eisumgürtet da, in blendender, krystallener Pracht; aber schon stürzten die Gletscherbäche, die der Sonnenstrahl dort oben entfesselt hatte, brausend und schäumend in die Thäler nieder, und die dunklen Tannenwälder, die sich tiefer unten an ihre Felsenbrust schmiegten, hatten die Schneelasten bereits abgeschüttelt. Auch von den Alpen und Matten, die Sankt Michael umgaben, war der Schnee hinweggeschmolzen: sie lachten im frischen, sonnigen Grün, und auch hier rieselten und rauschten von allen Höhen die Wasseradern, als sei die ganze Bergwelt lebendig geworden. Aber über Höhen und Thäler, über Matten und Wälder brauste der Frühlingssturm und brachte ihnen seinen wilden, verheißungsvollen Gruß, aus dem es wie Siegesjauchzen hervorklang.

Michael trat in die Kirche, die jetzt zur Abendstunde völlig leer war, aber sie trug schon ihr bescheidenes Festgewand. Hier oben in dieser einsamen Höhe gab es kein Frühlingslaub und keine duftende Blüthenpracht; nur das ernste dunkle Tannengrün umkränzte Pforten und Pfeiler, und kleine Sträußchen von Alpenblumen, den ersten, die sich auf den Matten hervorgewagt hatten, bildeten den einzigen Schmuck der Altäre. Dennoch war es so feierlich, so frühlingsduftig in dem weiten stillen Raume, den nur das goldene Licht der Abendsonne erfüllte. Das Gotteshaus mochte einen festlicheren Anblick bieten, wenn sich die andächtige Menge dort drängte; aber es war so viel schöner in der tiefen [767] weihevollen Ruhe, mit der es seinem Feste entgegenharrte, noch unberührt von all den Wünschen, Bitten und Klagen, die morgen aus seinem Schoße emporsteigen sollten. Kein fremder Laut störte diese Ruhe; selbst das Brausen des Sturmes draußen, der sich in einzelnen langgezogenen Tönen vernehmen ließ, klang wie ferner Orgelton.

Ueber dem Hochaltare thronte Sankt Michael, nicht mehr das alte, dunkle und von der Zeit halb zerstörte Heiligenbild in seiner kindlich naiven Auffassung, das man pietätvoll im Vorraume der Kirche untergebracht hatte, sondern das Werk des jungen Künstlers, der damit so glänzend seine Begabung bewies und sich einen Namen in der Kunstwelt schuf. Michael kannte es von seiner ersten Entstehung an; er hatte es so oft gesehen; aber ihm, wie dem Maler selbst und dem Publikum, war es nur ein Gemälde gewesen: die meisterhafte Darstellung einer stürmischen Kampfscene, die zufällig einen kirchlichen Gegenstand betraf. Er war aufs Höchste überrascht von dem Eindruck, den das Bild in dieser Umgebung machte. Im Halbdunkel der Altarnische, zwischen den gothischen Fenstern, deren Malereien in glühender Farbenpracht leuchteten, gewann es eine ganz andere Gestalt; hier erschien es gleichsam losgelöst von allem Weltlichen, die Verkörperung der uralten, heiligen Legende, die sich in jeder Religion und bei jedem Volke wiederholt – des Sieges, den das Licht über die Finsterniß davonträgt.

Langsam schritt Rodenberg nach dem Hochaltare. Da gewahrte er in einem der vorderen Betstühle eine Frauengestalt, die der Pfeiler vorhin seinem Blick entzogen hatte. Aber das war keine bäuerliche Erscheinung: ein dunkles Seidenkleid floß auf den Boden nieder, und unter dem schwarzen Spitzenschleier, der über das Haupt geworfen war, leuchtete es mit einem seltsamen rothgoldenen Schimmer, den Michael nur zu gut kannte. Er blieb wie angewurzelt stehen. War es ein Spiel seiner Phantasie, die ihm überall nur dies eine Bild erscheinen ließ? Da wandte die Dame, durch das Nahen seiner Schritte aufmerksam gemacht, den Kopf, und ein Ausruf der Ueberraschung oder vielmehr des Schreckens entrang sich ihren Lippen; es waren Hertha’s Augen, die ihn anblickten!

Es mußte wohl ein Verhängniß sein, das die Beiden zum zweiten Male in dem einsamen, öden Alpendorfe zusammen führte, zu einer Stunde, wo sie sich durch weite Fernen getrennt glaubten; wenigstens empfanden sie so die ungeahnte Begegnung, bei welcher Beide ihre Fassung völlig verloren, so daß Keiner die Verwirrung des Anderen bemerkte; es dauerte Minuten, ehe sie ihre Selbstbeherrschung wieder fanden.

„Ich scheine Sie erschreckt zu haben,“ sagte Michael endlich. „Ich glaubte bei meinem Eintritt, die Kirche sei leer, und gewahrte Sie erst in diesem Augenblick.“

Hertha erhob sich langsam von den Knieen und mochte wohl fühlen, daß ihr Ausruf, ihre sichtbare Bestürzung eine Erklärung forderten. Sie war in die Betrachtung des Altarbildes vertieft gewesen; sie wußte nicht mehr, wie lange ihr Blick auf Sankt Michael geweilt, an wen sie dabei gedacht hatte, oder wollte es nicht wissen, und urplötzlich stand der, dessen Züge er trug, vor ihr, wie aus der Erde emporgestiegen. Ihre Stimme bebte noch, als sie entgegnete: „Ich war in der That – überrascht. Der Herr Pfarrer hat mir nicht mitgetheilt, daß Sie gleichfalls sein Gast sind.“

„Ich bin erst vor einer halben Stunde eingetroffen und kam gänzlich unerwartet und unangemeldet. Auch ich erfuhr noch nichts von Ihrem Hiersein. Ich hörte nur, daß Sie und die Frau Gräfin in Schloß Steinrück seien.“

„Wir wollten ursprünglich Beide nach Sankt Michael kommen,“ sagte Hertha, die jetzt völlig ihre Fassung wiedergewonnen hatte. „Aber meine Mutter ist erkrankt, nicht ernstlich, wie es scheint; dennoch bin ich mit einiger Besorgniß gegangen. Es war ihr ausdrücklicher Wunsch, daß wenigstens ein Glied unserer Familie dem Feste und der Uebergabe ihres Geschenkes beiwohnen möge, und ich mußte mich fügen.“

Michael sprach einige Worte des Bedauerns und der Theilnahme, bloße Phrasen, die wie mechanisch von seinen Lippen kamen und kaum gehört wurden. Er sah Hertha dabei nicht an, so wenig wie sie ihn, Ihre Blicke vermieden es instinktmäßig, sich zu begegnen; sie weilten auf dem Altargemälde, das eben voll von der Abendsonne beleuchtet wurde. Sie fluthete durch die Seitenfenster in das Schiff der Kirche herein und warf einen breiten goldigen Streif auf den Hochaltar.

Das Bild hatte nichts von dem alten traditionellen Beiwerk seines Vorgängers; keine Glorie von Engelköpfen blickte von oben herab, keine Flammen züngelten aus dem Abgrunde empor; nur die beiden lebensgroßen Gestalten hoben sich aus dem Rahmen, jede mächtig und wirkungsvoll in ihrer Art. Ueber ihnen nur die klare leuchtende Himmelstiefe, wie durchfluthet von goldigem Sonnenlicht, unter ihnen ein düsterer Felsenschlund, aus dem es herausgähnte wie ewige Nacht und ewige Finsterniß.

Aus der Höhe herab gestürzt, in seinem Falle schon den Rand der Kluft berührend, bäumte sich der Satan noch einmal empor, mit dem letzten ohnmächtigen Zucken des Besiegten. Aber es war nicht das gehörnte, schlangenartige Ungethüm der Sage, sondern eine menschenähnliche Gestalt, von unheimlicher, dämonischer Schönheit, mit dunklen Fittigen wie die eines Nachtvogels. Wohl sprachen aus dem Antlitz die Qual, die Wuth und zugleich das Grauen vor der Macht, die ihn niedergeworfen; aber in dem Auge, das nach oben gewandt war, lag etwas wie hoffnungslose Verzweiflung, wie ein Sehnen nach dem Lichte, das auch ihn einst umstrahlt und das ihm nun verloren war da unten in der ewigen Nacht. Es war Lucifer, der gefallene Engel, den noch in seinem Sturze ein Abglanz dessen umleuchtete, was er einst gewesen.

Ueber ihm, in jener klaren Himmelstiefe schwebte Sankt Michael, in strahlender Erzrüstung, getragen von zwei mächtigen Flügeln, die ihn wie Adlerschwingen umrauschten, und wie ein Adler stieß er auch aus der Höhe nieder auf den Feind. Die Rechte zückte das leuchtende Flammenschwert mit dem Kreuzesgriff, und Flammenblitze zuckten auch aus den großen blauen Augen, während die Locken, wie gelöst von dem stürmischen Fluge, um die Stirn wehten. Der Blick, das Antlitz, die Haltung: Alles zeugte noch vom Sturm des Kampfes, Alles sprühte Vernichtung, und doch war die ganze Gestalt des Erzengels wie getaucht in einen Glorienschein, der den machtvollen, siegreichen Kämpfer des Lichtes umstrahlte.

„Das Bild wirkt ganz anders in dieser Umgebung,“ sagte Hertha, den Blick noch immer darauf gerichtet. „Viel ernster, aber auch viel mächtiger! Dieser Erzengel hat etwas Furchtbares; man glaubt den Flammenathem der Vernichtung zu spüren, der von ihm ausgeht. Ich fürchte nur, das Gebirgsvolk wird diese Auffassung nicht begreifen; es sehnt sich vielleicht nach der feierlichen Gleichgültigkeit des alten Heiligenbildes zurück.“

„Da kennen Sie unsere Aelpler nicht,“ widersprach Rodenberg. „Grade dies Bild verstehen sie, wie kein anderes, denn das ist ihr Sankt Michael, der im Gewittersturm über ihre Berge und Thäler dahinbraust, dessen Blitze zucken und vernichten. Es ist nicht der Erzengel der kirchlichen Legende, aber der des Volksglaubens, in seiner ursprünglichen Gestalt. Sie nannten es einmal ketzerisch, als ich darin den altheidnischen Lichtkultus und den altgermanischen Donnergott wiederfinden wollte. Sie sehen, daß auch mein Freund sich meiner Auffassung anschließt; er hat seinem Michael etwas vom Wotan gegeben.“

„Und Professor Wehlau hat Ihnen Beiden diese Auffassung eingeimpft,“ fiel Hertha vorwurfsvoll ein. „Er kann es nun einmal nicht ertragen, daß sein Sohn ein wirkliches Heiligenbild gemalt haben soll; es muß um jeden Preis etwas Heidnisches und Germanisches hineingebracht werden. Als ob das Volk in Sankt Michael nur den Rächer sähe! Morgen, am Feste seiner Erscheinung, da steigt er ihm nur als Segenspender von der Adlerwand herab, da furcht sein Flammenschwert nur den Boden, und die Lichtfunken, die ihm entströmen, geben der Erde die Frühlingskraft und das Frühlingsleben. Ich habe erst heute wieder die schöne Legende gehört.“

„Nun, diesmal scheint er im Sturme niederzusteigen,“ sagte Michael. „Es braust schon jetzt um alle Höhen, und aller Wahrscheinlichkeit nach schickt uns die Adlerwand in der Nacht einen jener Frühlingsstürme herab, die in der ganzen Umgegend gefürchtet sind. Ich kenne die Anzeichen.“

Wie zur Bestätigung seiner Worte erhob sich draußen der Wind lauter und heftiger. Es klang nicht mehr wie Orgelton, sondern wie fernes dumpfes Meeresbrausen, das bald anschwoll, bald wieder erstarb. Dazu sank die Sonne, nur von einem leichten, schleierartigen Gewölk umgeben, in flammender Gluth, [768] deren Abglanz die ganze Kirche erfüllte. Die alten verblaßten Bilder an den Wänden, die Statuen der Heiligen an den Säulen und Pfeilern, die Kreuze und Kirchenbanner. das Alles gewann ein seltsames, geisterhaftes Leben in dem rothen Lichte. Die Engelgestalten an den Stufen des Hochaltars schienen leise die Flügel zu regen, und der breite Goldstreif, der das Altarbild überfluthete, wurde zum Purpurlichte, das langsam immer höher emporstieg. Der Felsenschlund und Lucifer sanken allmählich in Schatten und Dunkel, während Sankt Michael’s mächtige Gestalt mit den Adlerflügeln noch wie von einer Flammenglorie umgeben war.

Es war ein längeres Schweigen eingetreten. Hertha brach es zuerst, aber ihre Stimme hatte etwas Unsicheres, Zögerndes, als sie wieder das Wort nahm.

„Herr Hauptmann Rodenberg – ich habe eine Bitte an Sie.“

Er sah rasch auf. „Sie befehlen?“

„Ich möchte in Bezug auf einen gewissen Vorfall die Wahrheit wissen, die volle rückhaltlose Wahrheit. Werde ich sie von Ihnen erfahren?“

„Wenn es in meiner Macht steht –“

„Gewiß, Sie brauchen nur zu wollen.“

(Fortsetzung folgt.)

Studien aus dem Leben.

Von Hermann Heiberg.
Ihre erste Gesellschaft.

Du, Mama meint, daß wir auch unsere Gesellschaft einmal überlegen müßten. Hörst Du, Männchen? Ach, nun lasse doch einmal die Zeitung! Wir wollen darüber reden. Wie denkst Du darüber, wenn wir sie heute über vierzehn Tage ansetzten?“

„Ueber vierzehn Tage? Weßhalb denn so spät? Wir können ja gleich einladen! Ueber acht Tage – Sonnabend. Das ist ein prächtiger Tag für die Sache.“

„Ach, liebster Ernst, wo denkst Du hin!“

„Wie so?“

„Heute über acht Tage! Ich muß doch Zeit dazu haben. Mama wollte in den nächsten Tagen einmal vorsprechen, um mit mir den Küchenzettel zusammenzustellen.“

„Dazu brauchst Du doch Mama nicht. Wir beschließen hier gleich in unserem eigenen Götterrath über die Sache. Und Zeit hast Du ja die Menge. – Morgen früh erhalten unsere Gäste die Einladung, Montag haben wir die Antworten und können, wenn uns Freunde absagen, noch rasch ergänzen. – Nun, was hast Du? Ist’s Dir nicht recht?“

„Gewiß, lieber Ernst. Ich habe ja die Sache angeregt. Aber ich bin gegen jede Ueberstürzung. Bedenke –“

„Ueberstürzung? Und was soll ich bedenken? Ich schlage vor, wir machen gleich das Menu. Zwei Gänge: eine Fischpastete, Rehrücken, Eis, Obst, Butter und Käse –“

„Nein, das hatte ich mir anders gedacht.“

„Schön! Also sage Du einmal Deine Meinung.“

„Ja, ich weiß nicht, wie ich es sagen soll. Das kommt mir so rasch. Ich muß mir das noch Alles ruhig überlegen. Du weißt, ich möchte das Service von Onkel Josef umtauschen, und die Champagnergläser – Du wolltest doch lieber Schalen –“

„Champagner? Wir werden doch keinen Champagner geben!“

„Meinst Du nicht? Bei unserer ersten Gesellschaft?“

„Ich denke nicht daran! Wir setzen Weißwein und Rothwein auf den Tisch. Den Weißen zum Fisch, den Rothen –“

„Mama meinte aber, ein Glas zum Schlusse, ebenso wie’s bei den jungen Fittgers neulich –“

„Nein, mein liebes Kind! Ich will mit Champagner nicht beginnen. Aber, abgesehen davon, bleiben wir bei der Sache. Du brauchst nur das Service umzutauschen. Ein einziger Gang! Wir können das sogar heute besorgen. Du holst mich vom Gerichte ab.“

„Ja, ja, Männchen, aber Mama wollte auch mit mir gehen. Ich hatte mit ihr verabredet, daß wir Beide zusammen –“

„Gut also, gehe mit Mama! Nur laß mich sehen, was Du gewählt, bevor Ihr Euch entscheidet.“

„Hm! Aber wenn nun nichts da ist, was uns besser gefällt? Ich dachte daran, überhaupt etwas Anderes zu wählen – Dinge, die uns noch fehlen – und in einem andern Geschäfte das Service zu kaufen. Du weißt, ich habe noch das Geld von Tante Emma, mit dem ich machen kann, was ich will.“

„Gewiß, einverstanden. Richte Alles ein, wie Du denkst, aber halten wir daran fest, daß wir heute die Einladungen ergehen lassen. Warte! ich will einmal aufschreiben –“

„Bitte, bitte, Ernst; noch nicht. Ich – ich kann nicht so rasch. Ich bin ängstlich – Du mußt mir das doch nachfühlen.“

„Schön! Wirst Du denn in vierzehn Tagen, sagen wir selbst in drei Wochen, weniger ängstlich sein? Nein, im Gegentheil! Es wird immer schlimmer werden. Was ist denn das, eine Gesellschaft geben, wenn man Dienstboten und Hilfe hat, wie Du! Bestimme, was geschehen soll, und lege Dich ruhig schlafen.“

„Du hast gut reden.“

„Aber, Kind, wie kann man so wenig muthig sein! Das ist doch gar nichts –“

„Wohl ist’s etwas. Es ist in unserem Hausstande noch lange nicht Alles, wie’s sein sollte. Zum Beispiel die Käseglocken –“

„Käseglocken? Was ist mit denen?“

„Guste hat doch eine von den Glocken zerbrochen. Wer weiß, ob wir eine solche wieder erhalten.“

„Leihe ein Paar von Mama.“

„Die sind so unschön, die passen gar nicht zu unserem Krystall.“

„Dann kaufe neue.“

„Erlaubst Du das?“

„Natürlich! wenn’s keinen passenden Ersatz für die zerbrochene giebt. Aber ich sollte doch denken –“

„Und Fischpastete sagtest Du! Wie kommst Du auf Fischpastete?“

„Weil’s gut schmeckt! Fisch mit Farce, Champignon- oder Kapernsauce. Das ist ein superbes Essen.“

„Hm! Das müßte ich mit Mama besprechen. Viele essen gar nicht gerne Fisch.“

„Dann wähle eine Hühnerpastete, ein Ragout – irgend Etwas.“

„Weißt Du, Ernst, ich denke, wir machen’s heute über vierzehn Tage. Bis dahin wird, denke ich, Alles in Ordnung sein. Du antwortest nicht? Bist Du ungehalten?“

„Ich schreibe die Namen auf. Präsident Koch –“

„Den Präsidenten gleich bei der ersten Gesellschaft? Bitte, Ernst!“

„Aber gerade! Den Präsidenten können wir gar nicht umgehen. Er ist die Hauptperson. Die Uebrigen hätten Zeit.“

„Mama meinte –“

„Laß nun doch einmal Mama aus dem Spiele, mein Herz! Wir Beide sind doch verheirathet und nicht Du und sie.“

„Das klingt wenig rücksichtsvoll, lieber Ernst.“

„Was?“

„So wie ich Mamas Namen nenne, wirst Du ungeduldig.“

„Durchaus nicht. Ich sprach ganz ruhig. Ich finde nur – und schon oft habe ich Dir das gesagt – daß Deiner Mutter Rathschläge sich nicht auf Dinge ausdehnen sollen, welche – welche – Du mußt doch endlich anfangen, selbst nachzudenken –“

„Das klingt, als ob ich ein Schulmädchen wäre. Früher fandest Du, daß ich Alles sehr gut, besser als Andere verstände, früher –“

„Liebe, kleine Frau! Wollen wir denn zanken? Deine vortrefflichen Eigenschaften würdigt Niemand mehr und besser als ich, aber in Hausstandsangelegenheiten –“

„Nun eben, Ernst. Ich muß doch erst lernen, und Niemand versteht’s wirklich besser als Mama!“

„Es mag sein, ich gebe zu. Aber bei Allem, was geschehen soll, höre ich das Wort: ,Mama!‘ Ich liebe dieses Echo nicht. Du weißt es, aber Du scheinst es nicht begreifen zu wollen.“

„Mit anderen Worten: Mama braucht unsere Schwelle nicht mehr zu betreten.“

„Welche Uebertreibung, liebe Bertha! Daß Ihr Frauen, sobald man Eurem Willen einen andern entgegensetzt, gar keine logische Mitte zu finden wißt. Ihr seid darin Alle, Alle gleich.“

„Vor einem halben Jahre sprachest Du noch anders! Da war ich Dein unvergleichliches kleines Mädchen, Deine weiße Schwalbe. Neben mir gab’s nichts in der Welt.“

„Gewiß! In der schwärmerischen Liebe ist man etwas überschwänglich. Man sieht die Dinge in einem andern Lichte.“

„Natürlich in einein falschen!? O pfui! Wie unzart ist diese nüchterne Erörterung!“

„Meine liebe Bertha! Sei doch nur sachlich und verständig. Rekapituliern wir, was vorliegt und was sich daraus ergiebt! Hörst Du?“

„Nein, ich mag nichts mehr hören. Ich bin so traurig, so traurig.“

„Jedenfalls ohne den geringsten Grund! Wir wollen eine Gesellschaft geben. Es ist die höchste Zeit, daß wir einmal von uns hören lassen. Ich schlage heute über acht Tage vor; Du erklärst, zwei Wochen Ueberlegung für eine Gesellschaft von höchstens achtzehn Personen zu gebrauchen, willst Erörterungen mit Deiner Mama, wendest mir ein, Du habest kein Service und keine Käseglocken –“

„O, o, diese Erwähnung – –“

„Keine Käseglocken. Ich widerlege Alles. Ich bitte Dich, endlich einmal selbständig zu werden, Deine vortreffliche, sonst sehr von mir verehrte Mama aus dem Spiele zu lassen, bitte Dich, überhaupt eine richtige Grenze zu ziehen, da Du diesen etwas wunden Punkt bei mir kennst. Und obgleich ich dies Dir ruhig und ohne Erregung vortrage, redest Du Dich in Zorn, wirfst mir ein verändertes Betragen vor und erklärst schließlich, Du seiest zum Sterben unglücklich.“

„Das Wort habe ich nicht gebraucht. Ich sagte, ich sei traurig, und das ist wahr! Seit den letzten acht Tagen bin ich tief betrübt. Ich fühle, daß ich Deine Liebe in dem alten Umfange nicht mehr besitze. Du bist weniger aufmerksam als früher, ergreifst jede Gelegenheit, mir recht vor Augen zu halten, wie unsympathisch Dir meine Mutter ist, und möchtest mich ihr ganz entfremden. Aber das, das wird Dir nicht gelingen. Meine Mama ist und bleibt –“

„Dein höchstes Ideal! Ja, ich weiß es. Und weil ich das weiß, weil ich diese zu starke Abgötterei von Deiner Seite und ihre Vormundschaft

[769]

Herbstlandschaft in Holland.
Nach dem Oelgemälde von Hans Herrmann.

[770] nicht mehr mag und will, weil dadurch nur zu immer neuen Verstimmungen Veranlassung gegeben wird, erkläre ich wiederholt, daß Du zwischen ihr oder mir wählen mögest. Deine Antwort war nie eine bestimmte! Heute, mein liebes Kind, fordere ich diese Antwort. Ich oder Mama! Bevor Du mir aber antwortest, höre mir noch einmal zu: Sieh die Vögel, die ein Nest bauen. Wollen sie, daß sich ein Fremder hinzugesellt? Will der Baumeister, der sich einen festen Plan entworfen, daß ein Anderer Striche macht und während des Bauens die Mauern wieder einreißt?“

„Welche Uebertreibung!“

„Bitte, laß mich nur reden! Sieh Dich um, überall! Gehören nicht Mann und Frau mit Allem zusammen, was sie betrifft? Ist’s nicht ganz unnatürlich, daß immer noch eine zweite Instanz angerufen werden muß, daß Alles aufgeschoben wird, bis der dritte Kopf ein Ja nickt oder ein Nein sagt? Denke Dich in den umgekehrten Fall hinein: daß ich bei Allem, was Du vorschlügest, Dir erwiderte: ,Ich will meinen Papa fragen.‘ Du sagst, das sei etwas Anderes! Eine Frau sei einmal weniger selbständig, auch handele es sich um Dinge, die wir Beide nicht verstehen. Ich versichere Dich, daß ich Alles ebenso gut verstehe wie Deine Mama. Verständiger Menschen Einsicht ist auch Etwas, und im Uebrigen nochmals: Du wirst nie eine gute Hausfrau werden, wenn Du nicht selbst prüfst, wenn Du Dich nicht auf Deine eigenen Füße stellst und bei jedem neuen Falle Deine Erfahrungen mit in die Wagschale wirfst. Ich finde, daß Du schon so viel Selbstgefühl, so viel Eifer um meinetwillen an den Tag legen solltest. Und nun genug! Die Gesellschaft findet heute über acht Tage statt, und ich denke, Mama könnte während dieser Zeit ihre Besuche einschränken. Das tägliche Zusammenhocken ist mir wirklich höchst unsympathisch.“

*  *  *

„Liebster Ernst! Gehst Du schon? Bitte! Denke Dir, Noot läßt eben sagen, die Hummern seien nicht eingetroffen – er habe ein Telegramm bekommen. Er fragt, was geschehen soll. Ich bin außer mir! Was soll ich nun machen? Könnten wir nicht absagen? Was meinst Du?“

„Fatal, allerdings! Weißt Du, Bertha! Geh gleich auf den Markt und sieh, ob Du nicht einen Lachs bekommen kannst.“

„Tirenins essen keinen Fisch – Du weißt – Mama auch nicht. Hummer war das Einzige, da Du durchaus Fisch haben wolltest. Bitte, bitte, lieber Ernst, sage ab! Melde, ich sei plötzlich krank geworden.“

„Thorheit! Jetzt ist die Uhr noch kaum Zehn. Bis zum Abend hast Du ja völlig Zeit.“

„Wenn ich aber keinen Lachs bekomme?“

„Hm! – Dann gehe zum Restaurateur und bestelle eine Hühnerpastete. – Hühnerpastete und Wild; das paßt!“

„Werden die so rasch liefern können? Gewiß nicht.“

„Versuche es!“

„Ja, gut, aber –. Ach, ach! daß mir das auch passiren mußte. Siehst Du, Ernst, das sind die Folgen dieser Ueberstürzung.“

„Ach, Thorheit! Komm doch nicht wieder anf dieselben unzutreffenden Einwände. Nach vierzehn Tagen konnten die Hummern auch ausbleiben.“

„Bitte, bitte, Ernst! Laß uns die Gesellschaft aufschieben. Ich kann nicht, ich fühle es. Schon jetzt bin ich ganz elend vor Angst und Aufregung. Ich werde schon heut Abend meine Migräne haben. Welches Gesicht werde ich als Wirthin machen!“

„Du wirst Dich zusammennehmen! Es giebt schlimmere Dinge in der Welt. Uebrigens hilft das Denken und Grübeln nichts! Handle! Komm, hole Deinen Mantel, wir wollen’s zusammen besorgen.“

„Nein, nein – ich möchte doch erst bei Mama vorsprechen, mit ihr überlegen. Sie wird mir rathen können.“

„Und ich sage: Nein! Deine Mutter bleibt bei dieser Gesellschaft aus dem Spiel. Es ist mein letztes Wort. Auch findet die Gesellschaft statt, und wenn wir nur einen Gang geben sollten!“

„Einen Gang? Den kleinen Rehrücken für achtzehn Personen? Ich sehe: Du willst mich schonungslos bloßstellen. Auch Dich und Dein eigenes Hauswesen willst Du preisgeben, nur um Deinen Willen gegen mich durchzusetzen. O, o!“

„Bertha, mache mich nicht rasend! Es ist zu viel des Unverstandes und der Uebertreibung, zu viel des Mangels an Selbständigkeit! Worin willst Du Dich denn bewähren, wenn Du bei einer so geringfügigen Ursache gleich die Hände in den Schoß fallen läßt – ja, gleich solche Schlußfolgerungen ziehest, weil etwas in die Quere kommt? Und nun, nochmals: kleide Dich an und komm mit!“

„Ich habe gar nicht die Kocheinrichtung für einen großen Lachs.“

„Dann nimm zwei kleine.“

„Aber, wenn’s die nicht giebt?“

„Dann schneide den Fisch durch.“

„Durchgeschnittener Lachs? Ah! ich sehe, Du willst nicht einmal mit mir überlegen.“

„Herr Gott und Vater! Ich überlegte doch fortwährend mit Dir und will nur, daß Du erst einmal handelst. Wenn nun weder das Eine noch das Andere geht, so werden wir weiter sehen. Versuche doch erst! Nun, Du zögerst? Soll ich’s allein besorgen? Ist der Weg zu weit, die Anfrage zu schwierig? Raffe Dich auf, Bertha, und mache dem Zaudern ein Ende. – Bertha! Bertha! Nun, weine doch nicht – hörst Du! – Mein Gott, es ist doch wirklich nicht zum Weinen! Sei ein tüchtiges, kleines Frauchen. – Wie? Ich verstehe nicht! Du kannst nicht? Du willst Dich ins Bett legen? – – Na, da behalte ein Mensch Ruhe und Sanftmuth! Höre mein letztes Wort: ich gehe jetzt, und zwar ohne Dich! Ich verlange, daß heut Abend Alles nach dem Schnürchen geht. Ich werde mich um Nichts kümmern. Dein ist die Sorge. Es giebt gar keinen Grund, daß kein Fisch oder keine Pastete servirt wird. Du wirst es schaffen und damit Punktum!“

„Ernst – Ernst – bleibe, bleibe, bitte! Verlaß mich nicht. O, er geht! Er geht!“

*  *  *

„So! Nun ist der letzte Gast fort, und nun rasch zu Dir, Du kleine, vortreffliche Frau! Ganz vortrefflich war Alles! Komm, gieb mir einen Kuß. Nein, noch einen, und laß Dich loben und bewundern. Selten habe ich eine so gute Pastete gegessen und –“

„Ja! Nicht wahr? Der Präsident war auch so sehr befriedigt, daß er zweimal nahm und mir Komplimente machte. Aber eine Angst habe ich ausgestanden bei dem Rehrücken! Ich glaube, Sanitätsrath Koch hätte gern noch einmal genommen. Du hattest aber auch so reichlich geschnitten! Du sahst gar nicht, daß ich Dir mehrere Male zuwinkte. – Wie war das Eis? Das nächste Mal nehme ich doch lieber Vanille.“

„Es war sehr gut. Die beiden Damen Sophius haben geschinauft, als ob sie sich eben erst an den Tisch gesetzt hätten. Uebrigens gieb doch Guste etwas Kuchen. Sie hat sich sehr gut gemacht.“

„Hm, ja! Aber beim Aufwarten ist sie doch noch recht ungeschickt. Hast Du bemerkt, daß der kleinen Frau Rosen neues seidenes Kleid über und über mit Wein befleckt wurde?“

„Nein! Wer war schuld?“

„Nun, eben Guste! Sie stieß an Doktor Claudius’ Glas, während sie herumreichte. – Und so nachsichtig war die Rosen bei der Sache. Nicht ein Wort hat sie geäußert. – Welch ein liebenswürdiger Mann ist übrigens Dein Präsident! Und er sieht Alles! ‚Unsere Einrichtung finde er beneidenswerth,‘ sagte er. Namentlich die türkischen Portièren gefallen ihm so sehr. Und Deinen Hochheimer hat er gelobt. ,Ein ganz vortreffliches, ganz vortreffliches Glas Wein,‘ murmelte er mehrmals, und er ließ es auch ohne Weiteres zu, daß ich ihm noch eine ganze Flasche hinstellte.“

„So, er lobte ihn? Es ist auch ein guter Wein für Kenner. Sag’ mal! Wie fandest Du denn meine Rede?“

„Sehr gut! Der Präsident schmunzelte, als Du seiner erwähntest, aber er meinte, ihm sei doch zu große Ehre geschehen. Er habe zu danken, nicht wir. – Welch ein prachtvolles Kleid hatte die Präsidentin an! Du, Ernst, solch einen Stoff wünschte ich mir einmal zu haben. Aber Du schlechter Mensch schenkst mir gar nichts. Müßte ich nicht ein wenig belohnt werden? Wie Du heute Morgen so kaltherzig davonliefst, da hätte ich Dich –“

„Nun?“

„Ach nein! Nun ist’s gut! Komm! Den Kuß von vorhin gebe ich Dir zurück, und ich verspreche Dir auch, in Zukunft gar nicht mehr ängstlich zu sein! Aber einen Gegendienst will ich von Dir: bitte, sei immer gut und aufmerksam gegen Mama! Wie es mich beunruhigt, daß sie heute nicht gekommen ist, kann ich Dir nicht sagen. Nicht wahr, Du gehst morgen zu ihr und machst einen Besuch?“

„Einen Besuch? Ich? Weßhalb? Weil sie die Empfindliche spielt?“

„Mit Recht, Ernst!“

„Mit Recht?“

„Glaubst Du nicht, daß sie Deine Reden verstanden hat? Sicher wäre sie heute Mittag gekommen, mir behilflich zu sein. Ihr Unwohlsein ist nur vorgeschoben. Ach, das ist mein einziger Kummer in der Sache.“

„Und meine aufrichtige Freude! Ich ersehe daraus, daß sie verstanden hat. Und Du wirst bei ruhigem Nachdenken mir beipflichten, daß Deine Emancipation nicht anders herbeigeführt werden konnte, als mit einer kleinen Härte gegen Deine Mutter. Ich sagte Dir schon wiederholt, daß ich sie aufrichtig verehre und ihre guten Eigenschaften schätze, aber niemals begriffen habe, daß eine sonst so verständige Frau so wenig Einsicht in dieser einen Sache an den Tag legen konnte. Laß sie nur ein paar Tage schmollen: Du sollst sehen, sie wird selbst zur Einsicht gelangen und Du – Du –“

„Nun, ich?“

„Du wirst es mir danken, daß ich Dich durch einen kleinen Gewaltakt zu einem selbständigen Wesen machte. Haben wir nicht heute den Beweis gehabt, wie gut Du kannst, wenn Du nur willst?“

„Ja, was blieb mir denn, wenn Du mir, wie ein Bär, die Zähne zeigtest? Du, Ernst! Sag’ mal! Wenn ich mich nun ins Bett gelegt oder hinter Deinem Rücken Allen abgesagt hätte: was wäre passirt!?“

„Sofortige Scheidung!“

„O, Du – böser – Mensch! Ernsthaft! Würdest Du mir nicht verziehen haben?“

„Niemals!“

„Ich wollte mich auch schon zu Mama flüchten und Dir einen Absagebrief schreiben.“

„O nein!“

„Nein?“

„Nein, Du hast mich viel zu lieb. Das kannst Du gar nicht –“

„Das weiß ich doch nicht! Wenn Du sogar von Scheidnng sprichst!“

„Das ist ganz etwas Anderes! Im Uebrigen, überlegt hätte ich mir die Sache doch noch einmal. Ich würde vorher noch mal mit meinem ‚Papa‘ gesprochen haben.“

„Ernst!“

„Nun?“

„Geh, Du bist abscheulich!“

„Lassen wir’s gut sein! Du warst brav und ich habe Dich lieb und nun – komm her!“

„Nein, ich komme nicht! Laß Dir erst etwas sagen. Antworte! Wann geben wir unsere nächste Gesellschaft, unsere nächste von 24 Personen?“

„Sagen wir 25 Personen, Bertha! Denn Deine Mama – Deine Mama – die soll dabei sein, und wenn sie absagen will, holen wir sie selbst in einer goldenen Kutsche ab und – und –“

„O, Du mein Herzensmann! Wie liebe ich Dich!“


[771]
Blätter und Blüthen.

Frauenleben in Sansibar. Seitdem die deutsche ostafrikanische Gesellschaft in der Gegend von Sansibar Fuß gefaßt und die deutsche Flotte mit dem Sultan ein ernstes Wort gesprochen, ist das Interesse für die Zustände im Osten des schwarzen Welttheils ein sehr reges geworden. Ueber das Leben in der Residenz des Sultans selbst haben wir neuerdings zuverlässige Auskunft erhalten und zwar durch eine arabische Prinzessin, welche einen Hamburger Kaufmann geheirathet hat. Frau Ruete, einst Prinzessin Solmi und Tochter des Imam von Maskat, der sich die Insel Sansibar und die benachbarten Küstenstädte erobert hat und dort als Sultan regierte, hat „Memoiren einer arabischen Prinzessin“ herausgegeben, welche sehr gewandt geschrieben sind und von dem Leben in der Residenz ihres Vaters eine frische, farbenreiche Schilderung geben. Gewiß ist das Frauenleben im Orient ein höchst eingeschränktes im Vergleiche mit demjenigen im Abendlande; dennoch macht man sich bei uns von dem Haremsleben vielfach falsche Begriffe: ein Harem wird als eine Menagerie von weiblichen Schönheiten angesehen, die gleichsam in ihrem vergitterten Käfige müßig daliegen und sich im Halbschlaf langweilen. In Sansibar ist das anders; Frau Ruete schildert uns, wie es dort am Hofe des Sultans zugeht. Natürlich müssen die Frauen vermummt über die Straße gehen; Frau Ruete als aufgeklärte Bewohnerin der freien Hansestadt kann diese Sitte natürlich auch nicht billigen; doch findet sie es ebenso wenig geschmackvoll, wenn die deutschen Frauen sich halbentblößt in ihrer Balltoilette bewegen. Viermal des Tages müssen die Frauen ihre Gebete verrichten: dreimal zur vorgeschriebenen Stunde, das vierte können sie spätestens bis Mitternacht verschieben, wenn sie zum Besuche bei Freundinnen sind. Der Palast des Sultans hatte viele mit Palmbäumen und Orangenbäumen besetzte Höfe, in denen Pfauen, Gazellen, Perlhühner, Flamingos, Enten und Strauße frei umherliefen: in diesen Höfen lernten die Mädchen reiten auf weißen Maskateseln; die Knaben auf Pferden.

Die Prinzessinnen schliefen bis acht Uhr Morgens; dann wurden sie von einer Sklavin durch leises, sehr angenehmes Kneten geweckt, um ihre Toilette zu machen. Die Badewanne steht mit frischem Brunnenwasser bereit; ebenso ist die Garderobe zurechtgelegt, die schon am Abend vorher mit Jasmin- oder Orangenblüthen bestreut worden: das kalte Bad erfrischt und die mit feiner Kunst zusammengesetzten Wohlgerüche beleben in der angenehmsten Weise. Nach dem Frühstücke begeben sich die Herren in die Audienzgemächer: die Frauen setzen sich an die Fenster, sehen dem Treiben auf den Straßen zu, empfangen Besuche von den Herren, mündliche Anmeldungen für den Abend. Diejenigen, die weniger Geschmack finden an solchem gesellschaftlichen Verkehr, beschäftigen sich mit weiblichen Arbeiten, sticken ihre Masken, Hemden oder Beinkleider mit Gold, oder die Battisthemden des Gatten und Sohnes mit rother oder weißer Seide. Andere lesen Romane, besuchen Gesunde und Kranke in ihren Wohnungen. Um elf Uhr ist es Zeit zum Gebet; nachher ruht man sich in den heißen Stunden auf reizend geflochtenen, mit heiligen Sprüchen durchwebten weichen Matten aus, schläft und plaudert abwechselnd und ißt bei der Unterhaltung Kuchen und Obst. Um vier Uhr verrichtet man das dritte Gebet und wirft sich in glänzendere Nachmittagstoilette. Zum Essen findet sich die ganze Familie wieder zusammen; der Tisch ist oft mit fünfzehn Gerichten bedeckt; der Sultan, seine Frauen und Kinder setzen sich als echte Orientalen auf den mit Teppichen belegten Boden. Reis von mannigfacher Zubereitung, Hammelfleisch, Fische, Brote und Leckerbissen stehen auf der Tafel. Beim Essen wurde nie getrunken und selten gesprochen[.] Man aß mit den Fingern; die Messer und Gabeln wurden nur hervorgesucht, wenn Gäste aus Europa an der Hoftafel bewirthet wurden; dann hielten Sklaven und Sklavinnen Wasserbehälter und Handtücher bereit. Nach Tisch setzten sich die Erwachsenen auf europäische Stühle in einem freien Raum vor dem Gemache des Sultans; der Kaffee und aus Südfrankreich eingeführte Fruchtsäfte wurden herumgereicht. Man plaudert beim Klange einer großen Drehorgel, oder große Spieluhren lassen ihre Melodien ertönen: in diesem Nachmittagskoncerte wirkte auch eine Araberin Amra, die eine entzückend schöne Stimme hatte, als Sängerin mit. Darauf suchte Jeder wieder seine Beschäftigung auf, oder man ergab sich dem verbotenen Genusse des Betelkauens; auch Frau Ruete war eine eifrige Betelkauerin, ehe sie an die Elbe und Alster verschlagen wurde. Wenn der Trommelwirbel der indischen Garde und einige Gewehrschüsse ertönten, dann wurden Alle an ihr viertes Gebet erinnert. Das wurde meist sehr hastig und mit sehr weltlichen Gedanken verrichtet; denn gleich darauf durfte man ausgehen, wenn der Vater den Müttern und Töchtern die selten verweigerte Erlaubniß ertheilt hatte, oder man empfing Besuche im Hause; da wurde Kaffee und Limonade getrunken, wieder Obst und Kuchen gegessen, gescherzt und gelacht, vorgelesen, Karten gespielt, doch nie um Geld, gesungen, geraucht, gestickt, geklöppelt – ganz nach Wunsch und Neigung. Wer nicht ausgeht, begiebt sich entweder um zehn Uhr zur Ruhe oder er wandelt bei Mondschein auf den Dächern auf und ab. Bei dem Schlafengehen bieten zwei Sklavinnen ihre Dienste an, um das Einschlummern zu befördern; die Eine knetet wieder wie am Morgen leise die Glieder; die Andere schwingt den Fächer hin und her. Oft lassen sich auch die Damen von Sansibar die Füße mit Eau de Cologne und Wasser waschen.

Man darf es der Frau Ruete nicht verübeln, wenn sie von ihrem Leben als Prinzessin recht angenehme Erinnerungen behalten hat: ja, manche deutsche Dame, welche nicht verurtheilt ist, vermummt über die Straße zu gehen, würde ein solches Leben wie das in Sansibar vielleicht unterhaltender finden, als dasjenige, welches sie bei ihren Kaffeevisiten und Abendgesellschaften führt. †      

Das Tegetthoff-Denkmal in Wien. Der Seeheld von Lissa, welcher am 20. Juli 1866 der österreichischen Kriegsmarine in der großen Welt einen ruhmvollen Namen gemacht hat durch einen der glänzendsten Siege, erhielt nunmehr sein wohlverdientes Denkmal in der Kaiserstadt an der Donau.

Auf dem weiten Platze vor den Eingängen in den Prater, auf dem sogenannten „Praterstern“, welchem sieben Straßenzüge zustreben, erhebt sich auf einem Plateau von drei Stufen aus grauem Mauthausener Granit, eine im Stile der „Columna rostrata“, der „Schiffsschnäbel-Säule“, gehaltene Säule, welche die Figur Tegetthoff’s krönt. Ueber dem Stufen-Plateau steigt ein beckenähnlicher Unterbau für die allegorischen Gruppen, die Kampfes- und Siegesgöttin, auf, welche beide in einer Art von Nachen, von springenden Seepferden gezogen, erscheinen. Die Säule, welche aus rosafarbigem Granit besteht, hat einen Durchmesser von 5 Fuß 9 Zoll und ruht auf einem Piedestal sammt Basis. Das obere Ende derselben krönt die 11 Fuß hohe aus Kanonenmetall in der k. k. Wiener Erzgießerei gegossene Statue des Seehelden, der in der heftigsten Erregung des Kampfes dargestellt ist. Er hält in der Rechten das Fernrohr, während die Linke den Säbel in der Mitte der Scheide faßt. Aus dem Säulenschafte streben an jeder Seite drei Schiffsschnäbel heraus, welche in kränzespendende Viktorien auslaufen, die wieder, der Verjüngung des Säulenschaftes stilgemäß entsprechend, in ihren Größeverhältnissen nach oben hin immer kleiner und zierlicher werden, und das Weib, die Jungfrau und das Kind versinnlichen. Diese Schiffsschnäbel sind mit leicht bewegten Segeln verbunden, von denen die Embleme, welche den Säulenschaft schmücken, Ruder, Anker und Flaggen, umschlungen sind. Das Gesims des Hauptpostaments wird durch vier Adler gekrönt, zwischen denen Eichenlaubfestons laufen.

Die Figur selbst schaut gegen die Praterstraße hin. Alle Marmortheile außer der Säule und dem Stufenplateau sind aus weißem Sterzinger Marmor. Auf der der Praterstraße zugekehrten Piedestalseite liest man in Goldlettern die Worte „Wilhelm Tegetthoff“; auf dem Sockel unter einer denselben zierenden Relieftrophäe auf einer von Tritonen getragenen Schrifttafel: „Lissa, 20. Juli 1866“, und auf der Reversseite in ganz ähnlicher Anordnung: „Dem heldenmüthigen Sieger seine dankbaren Mitbürger 1866“, und „Helgoland, 9. Mai 1864“. Die Höhe des ganzen Denkmals sammt der Statue beträgt 12 Klafter, 2 Schuh, 8 Zoll, erreicht somit die Höhe eines mehr als vierstöckigen Miethhauses. Die Breite des unteren Plateaus, auf dem sich das Monument aufbaut, beträgt 12½ Klafter, die des Unterbaues für die allegorischen Figuren 7 Klafter. Baurath Hasenauer und Bildhauer Kundmann haben im Jahre 1877 gemeinsam die Idee des Monuments ausgearbeitet, welches am 24. Septbr. d. J. in feierlicher Weise in Gegenwart des Kaisers, der Erzherzöge, vieler Militär- und Civilcelebritäten, sowie einer nach Tausenden zählenden Volksmenge enthüllt wurde. Doch ist der Gedanke, auf die antike Säulenform eine moderne Denkmalfigur in neuem Gewande zu stellen, kein glücklicher. Auch die vorspringenden Schiffsschnäbel üben keineswegs einen gefälligen, günstigen Eindruck auf den Beschauer aus. Wien ist nicht reich an Denkmälern, daher sollte jedes einzelne eine künstlerische Sehenswürdigkeit sein.

Herbstlandschaft in Holland. (Mit Illustration S. 769.) Kennen Sie Holland, mein Freund? Nicht? Das ist gut, denn es steht Ihnen trotz der vielgerühmten Schweizer Berge ein Genuß bevor, der zwar sich mit der großartigen Wirkung des Hochgebirges nicht messen kann, aber an still-inniger Befriedigung jene übertrifft und dem denkenden Reisenden außerdem ein originelles Kulturbild gewährt. Gehen Sie nach Holland, mein Freund, zur Zeit, da das Birkenlaub fällt, und wenn Sie einige Meilen westlich von Meppen den ersten holländischen Gruß mit seiner gemüthswarmen Tonfärbung in Moll erhalten, dann öffnen Sie Herz und Sinne. Nicht überall ist Holland ein Blumengarten oder ein in saftigem Grün und goldigen Saaten prangendes Gefilde. Wie an den Küsten jenseit der das Land schützenden Deiche und Dünen mageres Sandland sich dehnt, so zieht sich auch längs der binnenländischen Grenze ein minder gesegneter Gürtel vom Dollartbusen nach Süden herab. Langsam mögen Sie die Provinz Drenthe durchwandern. Was eine Flachlandschaft an Reizen bieten kann, werden Sie dort erschauen und empfinden. Wenn nach einem regnerischen Tage, wo die Schafe auf der Heide sich zitternd an einander drängten und dichte Nebel aus Moor und Birkengebüsch aufstiegen, die Sonne zum Abschiedsgruß den Wolkenvorhang zerreißt und gluthrothe Lichter über das braune Moor und die schmalstreifigen Ackerfelder wirft, dann erglänzt die Erde wie eine heiter geschmückte Matrone. In den Heideglöckchen perlen Regentropfen gleich Millionen Diamanten, aus den Birkenzweigen flattern Vöglein zum Abendfluge auf, dicht über dem Horizonte ruht der glühende Sonnenball. Das Mädchen mit der sauberen holländischen Kappe über dem Haar und den ungeschlachten Holzschuhen an den Füßen bringt Ihnen gern ein Glas Milch heraus und plaudert ein Wörtchen. Ein gesundes, frisches, herzhaftes Mädchen! Es lacht der Sonne entgegen und fragt: „Ist unser Holland nicht schön?“ Dann hängt es den Eimer ein, und knarrend fährt der Baum des Ziehbrunnens in die Tiefe. Achten Sie, mein Freund, auf das wunderbare blaue Auge der Holländerinnen; es ist so klar, so unergründlich wie die kleinen, dunklen Seen im Moor.

Ferdinand Lassalle auf der Bühne. Unseres Wissens haben auch deutsche Schriftsteller diesen Vorkämpfer des Socialismus zum Helden dramatischer Werke gemacht: aber es ist ihnen nicht gelungen, ihn auf die weltbedeutenden Bretter zu bringen. Es ist ja immer ein mißlich Ding, bekannte Zeitgenossen, welche so viele Mitlebende von Angesicht zu Angesicht gesehen, hinter die Prosceniumslampen zu verpflanzen. Auf der Bühne anderer Nationen sind sie etwas mehr in die Ferne gerückt: und so mochte sich ein italienischer Dichter eher des deutschen Helden bemächtigen. In der That wurde auf dem Teatro Nazionale in Rom ein Drama aufgeführt mit dem Titel: „Die letzten Tage Ferdinand Lassalle’s“. Der Verfasser heißt Pietro Calvi. Das Stück behandelt in den ersten Akten die Liebe Lassalle’s zu Helene von Dönniges, das [772] Widerstreben ihres Vaters, die Intriguen der Gräfin von Hatzfeld. Dönniges verspricht die Hand seiner Tochter dem rumänischen Bojaren Rackowitz. Helene flieht zu Lassalle; es folgt das Gespräch Lassalle’s mit ihrem Vater und dem Bojaren, das Duell, Lassalle’s Tod, von dem die tagelang im Fieber liegende Helene erst erfährt, als sie seinen Leichenzug erblickt: das ist der Schlußeffekt des Dramas.

Sterben durfte Helene von Rackowitz nicht; ein solches Attentat durfte Signore Calvi nicht ausüben; denn sie lebt ja noch und hat sich seitdem noch zweimal verheirathet. Das Stück ist zum Theil, mit freier dichterischer Ausschmücknng, nach ihren eigenen Denkwürdigkeiten gearbeitet. Sie selbst hat bekanntlich als Schauspielerin die Bühne diesseit und jenseit des Oceans betreten, und wenn es einem deutschen Schriftsteller einfiele, das Drama Calvi’s zu übersetzen, so könnte Helene von Dönniges sich selbst in demselben spielen.

Es ist begreiflich, daß der Liebesroman, als dessen Opfer Lassalle fiel, zu romanhafter oder dramatischer Fassung herausfordert. Für jedes Drama, welches diesen Stoff behandelt, stellt sich aber eine schwer zu überwindende Schwierigkeit entgegen: die geistige Bedeutung des Helden kann in diesem dramatischen Rahmen nicht zur Geltung kommen; hier ist er eben bloß Liebhaber, und der Name des scharfsinnigen Gelehrten und gefeierten Volksführers kann hier nur als ein Aushängeschild dienen, welches für den Helden und das Stück Reklame macht. +      

Bierbrauende Bäume. Aus den Reiseschilderungen kennen wir alle jene sonderbaren Pflanzen der südlichen Länder, welche den Eingeborenen die verschiedenartigsten Nahrungsmittel liefern: den Butter- und Brotbaum oder die vielfachen Arten der Kannenträger, welche in ihren Schlauchorganen Wasser ansammeln und dem dürstenden Wanderer erfrischenden Trank darbieten. Um die „bierbrauenden“ Bäume kennen zu lernen, brauchen wir jedoch nicht weite Reisen zu unternehmen; wir finden sie in unserer Heimat, und wenn sie trotzdem den meisten unserer Leser unbekannt geblieben sind, so geschah dies einfach darum, weil mit ihrem Bier nur die geflügelten Insektenscharen sich zu berauschen pflegen. Unsere Eichen erkranken ziemlich oft an einem Schleimflusse, welcher die Rinde und zuweilen auch das angrenzende Holz vernichtet. Der abgesonderte Schleim sieht schaumig aus und riecht nach Bier; er bildet das Ergebniß einer Gährung, welche durch eine Anzahl mikroskopischer Pilze hervorgerufen wird. Eine nähere Untersuchung, welche der Naturforscher Ludwig aus Greiz in letzter Zeit angestellt hatte, ergab nun, daß unter diesen winzigen Pilzen sich auch nahe Verwandte der allgemein bekannten Bierhefe befinden. Außer den Eichen erkranken, wenn auch seltener, in ähnlicher Weise die Pappeln und Birken, und alle diese Bäume locken zahlreiche Gäste herbei. Zu den kleinen in der Baumrinde eingerichteten „Brauereien“ flattern die bunten Schmetterlinge, die sonst nur aus duftenden Blüthenkelchen zu nippen pflegen; langsam kriechen zu ihnen bedächtige Hirschkäfer empor; vor Allem drängen sich aber an die offene Tafel begierige Hornissen, welche wahre Stammgäste in diesen natürlichen Bierschenken bilden. Dreißigmal besuchte Herr Ludwig eine und dieselbe Eiche, und regelmäßig fand er an dem Gährflecke zwei Hornissen saugend. Alle diese Bierschmecker des Insektenreiches bezechen sich bei diesen Gelagen in des Wortes vollster Bedeutung. Die Trunksucht der Insekten könnte uns an und für sich ziemlich gleichgültig bleiben; aber wir haben doch gewichtige Gründe, die Gährflecke zu vernichten und also die improvisirten Schenken zu schließen. Die Insekten verschleppen nämlich die Pilzkeime auf Risse und Astbrüche gesunder Bäume, welche in Folge dessen vielfach erkranken. *      


Allerlei Kurzweil.

Bilder-Räthsel.

Skataufgabe Nr. 7.
Von K. Buhle.

Die Vorhand tournirt auf folgende Karte:

(c. B) (c. D) (c. As) (tr. 9.) (tr. Z.) (tr. K.) (p. Z.) (p. D.) (car. As) (car. Z.)
die (c. D.) findet noch (car. 9) und gewinnt das Spiel. Dürften aber die beiden Gegner

zwei leere Blätter in einer Nebenfarbe (je Sieben und Acht) mit einander tauschen, so würde der Spieler schwarz werden.

Was hatte Spieler gedrückt? Wie sitzen die übrigen Karten? Welche Blätter sind zu tauschen, und wie ist in beiden Fällen der Gang des Spieles?


Auflösung der Skataufgabe Nr. 6 auf Seite 724.

Es hatte der Spieler in Hinterhand Grand-Schneider angesagt und zwar anf folgende Karte:

eW, gW, rW, eD, eZ, gD, gZ, rD,rZ, s7.

Er hat aber bei folgender Kartenvertheilung: Skat sZ, sO

Vorhand: eK, eO, e9, e8, e7, gO, g9, g8, g7, sK
Mittelhand: sW, gK, rK, rO, r9, r8, r7, sD, s9, s8

das Spiel schon in den ersten 3 Stichen, wie sie in der Aufgabe angegeben sind, verloren, denn die Gegner haben mit dem ersten und dritten Stiche zusammen 31 Augen hereinbekommen.

Auflösung des „Bilder-Räthsels“ auf Seite 756: 0Die Jahre biegen den stärksten Mann.


Inhalt: Ueber den Gartenzaun. Erzählung von A. Weber (Fortsetzung). S. 7S7. – „Halt, nicht so viel?“ Illustration S.7S7. – Die Traudel am Bach. Gedicht von M. Haushofer. Mit Illustration. S. 761. – Ein Friedhof ohne Gleichen und vierzig auferstandene Könige. Von Georg Ebers (Fortsetzung). S. 762. Mit Illustrationen S. 762, 763 und 764. – Sankt Michael. Roman von E. Werner (Fortsetzung). S. 765. – Studien aus dem Leben. Von Hermann Heiberg. Ihre erste Gesellschaft. S. 768. – Blätter und Blüthen: Frauenleben auf Sansibar. S. 771. – Das Tegetthoff-Denkmal in Wien. S. 771. – Herbstlandschaft in Holland. S. 771. Mit Illustration S. 769. – Ferdinand Lassalle auf der Bühne. S. 771. – Bierbrauende Bäume. S. 772. – Allerlei Kurzweil: Bilder-Räthsel. S. 772. – Skataufgabe Nr. 7. Von K. Buhle. S. 772. – Auflösung der Skataufgabe Nr. 6 auf S. 724. S. 772. – Auflösung des „Bilder-Räthsels“ auf S. 756. S. 772.



Unseren Abonnenten

theilen wir, veranlaßt durch viele Anfragen, hierdurch mit, daß wir von der „Gartenlaube“ die Jahrgänge 1868, 1869, 1872, 1875, 1876, 1877, 1878 und 1879, so lange unser Vorrath reicht, zu dem ermäßigten Preise von nur 3 Mark für den vollständigen Jahrgang noch abgeben können.

Wir hoffen, uns den Dank vieler unserer Abonnenten zu erwerben, wenn wir ihnen jetzt, wo sich die langen Winterabende wieder einstellen, Gelegenheit bieten, mit kleinem Aufwand eine Fülle unterhaltenden und belehrenden Lesestoffs für viele Mußestunden zu erwerben.

Aus dem reichen Inhalte der einzelnen Jahrgänge heben wir folgende größere Novellen und Erzählungen hervor:

1868:

Vetter Gabriel von Paul Heyse.
Die Brüder von Adolf Wilbrandt.
Der Schatz des Kurfürsten von Levin Schücking.

1869:

Reichsgräfin Gisela von E. Marlitt.
Die Gasselbuben von Herman Schmid.
Verlassen und verloren von Levin Schücking.

1872:

Am Altar von E. Werner.
Was die Schwalbe sang von Friedrich Spielhagen.
Ein Orangenzweig von A. Godin.

1875:

Die Kaiserin von Spinetta von Paul Heyse.
Ein kleines Bild von E. Wichert.
Hund und Katz von Herman Schmid.

1876:

Im Hause des Kommerzienraths von E. Marlitt.
Vineta von E. Werner.
Kein Herz von A. Godin.

1877:

Aus gährender Zeit von Victor Blüthgen.
Im Himmelmoos von Herman Schmid.
Eine schwarze Kugel von A. Godin.

1878:

Lumpenmüllers Lieschen von W. Heimburg.
Um hohen Preis von E. Werner.
Gebunden von E. Wichert.

1879:

Im Schillingshof von E. Marlitt.
Das Haus in der Schlucht von B. Möllhausen.
Clothilde von L. Herbst.

Jeder der vorstehenden Jahrgänge ist zum Preise von 3 Mark durch alle Buchhandlungen zu beziehen oder gegen Einsendung des Betrags (in Briefmarken) direkt von der Verlagshandlnng Ernst Keils Nachfolger in Leipzig. 


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.

  1. – Frau; ur – Herr.
  2. Kisasony – Fräulein.