Textdaten
<<< >>>
Autor: Verschiedene
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
aus: Vorlage:none
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage: {{{AUFLAGE}}}
Entstehungsdatum: 1885
Erscheinungsdatum: 1885
Verlag: Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer: {{{ÜBERSETZER}}}
Originaltitel: {{{ORIGINALTITEL}}}
Originalsubtitel: {{{ORIGINALSUBTITEL}}}
Originalherkunft: {{{ORIGINALHERKUNFT}}}
Quelle: commons
Kurzbeschreibung: {{{KURZBESCHREIBUNG}}}
{{{SONSTIGES}}}
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[549]

No. 34.   1885.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt.Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig oder Halbheften à 30 Pfennig.


Unterm Birnbaum.

von Th. Fontane.
(Fortsetzung.)


3.

Als Hradscheck bis an den Schwellstein gekommen war, nahm er das Grabscheit von der Schulter, lehnte die Krücke gegen das am Hause sich hinziehende Weinspalier und wusch sich die Hände, saubrer Mann, der er war, in einem Kübel, drin die Dachtraufe mündete. Danach trat er in den Flur und ging auf sein Wohnzimmer zu.

Hier traf er Ursel. Diese saß vor einem Nähtisch am Fenster und war, trotz der frühen Stunde, schon wieder in Toilette, ja noch sorglicher und geputzter als an dem Tage, wo sie die Kränze für die Kinder geflochten hatte. Das hochanschließende Kleid, das sie trug, war auch heute schlicht und dunkelfarbig (sie wußte, daß Schwarz ihr kleidete), der blanke Ledergürtel aber wurde durch eine Bronzeschnalle von auffälliger Größe zusammengehalten, während in ihren Ohrringen lange birnenförmige Bummeln von venetianischer Perlenmasse hingen. Sie wirkten anspruchsvoll und störten mehr, als sie schmückten. Aber für dergleichen gebrach es ihr an Wahrnehmung, wie denn auch der mit Schildpatt ausgelegte Nähtisch, trotz all seiner Eleganz, zu den beiden hellblauen Atlas-Sophas nicht recht passen wollte. Noch weniger zu dem weißen Trumeau. Links neben ihr, auf dem Fensterbrett, stand ein Arbeitskästchen, darin sie, gerade als Hradscheck eintrat, nach einem Faden suchte. Sie ließ sich dabei nicht stören und sah erst auf, als der Eintretende, halb scherzhaft, aber doch mit einem Anfluge von Tadel, sagte: „Nun, Ursel, schon in Staat? Und nichts zu thun mehr in der Küche?“

„Weil es fertig werden muß.“

„Was?“

„Das hier.“ Und dabei hielt sie Hradscheck ein Sammtkäpsel hin, an dem sie gerade nähte. „Wenig mit Liebe.“

„Für mich?“

„Nein. Dazu bist Du nicht fromm und, was Du lieber hören wirst, auch nicht alt genug.“

„Also für den Pastor?“

„Gerathen.“

„Für den Pastor. Nun gut. Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft, und die Freundschaft mit einem Pastor kann man doppelt brauchen. Es giebt einem solch Ansehen. Und ich habe mir auch vorgenommen, ihn wieder öfter zu besuchen und mit Ede Sonntags umschichtig in die Kirche zu gehn.“

„Das thu nur; er hat sich schon gewundert.“

„Und hat auch Recht. Denn ich bin ihm eigentlich verschuldet. Und ist noch dazu der Einzige, dem ich gern verschuldet hin. Ja, Du siehst mich an, Ursel. Aber es ist so. Hat er Dich nicht auf den rechten Weg gebracht? Sage selbst. Wenn Eccelius nicht war, so stecktest Du noch in dem alten Unsinn.“

„Sprich nicht so. Was weißt Du davon? Ihr habt ja gar keine Religion. Und Eccelius eigentlich auch nicht. Aber er ist ein guter Mann, eine Seele von Mann, und

Naschkätzchen.
Nach einem Oelgemälde von Henriette Ronner.

[550] meint es gut mit mir und aller Welt. Und hat mir zum Herzen gesprochen.“

„Ja, das versteht er; das hat er in der Loge gelernt. Er rührt einen zu Thränen. Und nun gar erst die Weiber.“

„Und dann halt’ ich zu ihm,“ fuhr Ursel fort, ohne der Unterbrechung zu achten, „weil er ein gebildeter Mann ist. Ein guter Mann, und ein gebildeter Mann. Und offen gestanden, daran bin ich gewöhnt.“

Hradscheck lachte. „Gebildet, Ursel, das ist Dein drittes Wort. Ich weiß schon. Und dann kommt der Göttinger Student, der Dir einen Ring geschenkt hat, als Du vierzehn Jahr alt warst (er wird wohl nicht echt gewesen sein), und dann kommt vieles nicht oder doch manches nicht … verfärbe Dich nur nicht gleich wieder … und zuletzt kommt der Hildesheimer Bischof. Das ist Dein höchster Trumpf und was Vornehmeres giebt es nicht, in der ganzen Welt nicht. Ich weiß es seit lange. Vornehm, vornehm. Ach, ich rede nicht gern davon, aber Deine Vornehmheit ist mir theuer zu stehn gekommen.“

Ursel legte das Sammtkäpsel aus der Hand, steckte die Nadel hinein und sagte, während sie sich mit halber Wendung von ihm ab und dem Fenster zukehrte: „Höre, Hradscheck, wenn Du gute Tage mit mir haben willst, so sprich nicht so. Hast Du Sorgen, so will ich sie mittragen, aber Du darfst mich nicht dafür verantwortlich machen, daß sie da sind. Was ich Dir hundert Mal gesagt habe, das muß ich Dir wieder sagen. Du bist kein guter Kaufmann, denn Du hast das Kaufmännische nicht gelernt, und Du bist kein guter Wirth, denn Du spielst schlecht oder doch nicht mit Glück und trinkst nebenher Deinen eignen Wein aus. Und was da nach drüben geht, nach Neu-Lewin hin, oder wenigstens gegangen ist (und dabei wies sie mit der Hand nach dem Nachbardorfe), davon will ich nicht reden, schon gar nicht, schon lange nicht. Aber das darf ich Dir sagen, Hradscheck, so steht es mit Dir. Und anstatt Dich zu Deinem Unrecht zu bekennen, sprichst Du von meinen Kindereien und von dem hochwürdigen Bischof, dem Du nicht werth bist die Schuhriemen zu lösen. Und wirfst mir dabei meine Bildung vor.“

„Nein, Ursel.“

„Oder daß ich’s ein bischen hübsch oder, wie Du sagst, vornehm haben möchte.“

„Ja, das.“

„Also doch. Nun aber sage mir, was hab ich gethan? Ich habe mich in den ersten Jahren eingeschränkt und in der Küche gestanden und gebacken und gebraten, und des Nachts an der Wiege gesessen. Ich bin nicht aus dem Haus gekommen, so daß die Leute darüber geredet haben, die dumme Gans draußen in der Oelmühle natürlich an der Spitze (Du hast es mir selbst erzählt), und habe jeden Abend vor einem leeren Kleiderschrank gestanden und die hölzernen Riegel gezählt. Und so sieben Jahre, bis die Kinder starben, und erst als sie todt waren und ich nichts hatte, daran ich mein Herz hängen konnte, da hab ich gedacht, nun gut, nun will ich es wenigstens hübsch haben und eine Kaufmannsfrau sein, so wie man sich in meiner Gegend eine Kaufmannsfrau vorstellt. Und als dann der Konkurs auf Schloß Hoppenrade kam, da hab ich Dich gebeten, dies Bischen hier anzuschaffen, und das hast Du gethan und ich habe mich dafür bedankt. Und war auch blos in der Ordnung. Denn Dank muß sein und ein gebildeter Mensch weiß es und wird ihm nicht schwer. Aber all das, worüber jetzt so viel geredet wird, als ob es wunder was wäre, ja, was ist es denn groß? Eigentlich ist es doch nur altmodisch und die Seide reißt schon, trotzdem ich sie hüte wie meinen Augapfel. Und wegen dieser paar Sachen stöhnst Du und hörst nicht auf zu klagen und verspottest mich wegen meiner Bildung und Feinheit, wie Du zu sagen beliebst. Freilich bin ich feiner als die Leute hier, in meiner Gegend ist man feiner. Willst Du mir einen Vorwurf daraus machen, daß ich nicht wie die Pute, die Quaas bin, die ,mir‘ und ,mich‘ verwechselt und eigentlich noch in den Friesrock gehört und Liebschaften-haben für Bildung hält und sich ,Kätzchen‘ nennen läßt, obschon sie blos eine Katze ist und eine falsche dazu? Ja, mein lieber Hradscheck, wenn Du mir daraus einen Vorwurf machen willst, dann hättest Du mich nicht nehmen sollen, das wäre dann das Klügste gewesen. Besinne Dich. Ich bin Dir nicht nachgelaufen, im Gegentheil, Du wolltest mich partout und hast mich beschworen um mein ‚ja‘. Das kannst Du nicht bestreiten. Nein, das kannst Du nicht, Hradscheck. Und nun dies ewige ‚vornehm‘ und wieder ‚vornehm‘. Und warum? Blos weil ich einen Trumeau wollte, den man wollen muß, wenn man ein bischen auf sich hält. Und für einen Spottpreis ist er fortgegangen.“

„Du sagst Spottpreis, Ursel. Ja, was ist Spottpreis? Auch Spottpreise können zu hoch sein. Ich hatte damals nichts und hab’ es von geborgtem Gelde kaufen müssen.“

„Das hättest Du nicht thun sollen, Abel, das hättest Du mir sagen müssen. Aber da genierte sich der werthe Herr und Gemahl und mußte sich auch genieren. Denn warum war kein Geld da? Wegen der Person drüben. Alte Liebe rostet nicht. Versteht sich.“

„Ach Ursel, was soll das! Es nutzt uns nichts, uns unsere Vergangenheit vorzuwerfen.“

„Was meinst Du damit? Was heißt Vergangenheit?“

„Wie kannst Du nur fragen? Aber ich weiß schon, das ist das alte Lied, das ist Weiberart. Ihr streitet Eurem eignen Liebhaber die Liebschaft ab. Ursel, ich hätte Dich für klüger gehalten. So sei doch nicht so kurz von Gedächtniß. Wie lag es denn? Wie fand ich Dich damals, als Du wieder nach Hause kamst, krank und elend und mit dem Stecken in der Hand, und als der Alte Dich nicht aufnehmen wollte mit Deinem Kind und Du dann zufrieden warst mit einer Schütte Stroh unterm Dach? Ursel, da hab ich Dich gesehn, und weil ich Mitleid mit Dir hatte, nein, nein, erzürne Dich nicht wieder .. weil ich Dich liebte, weil ich vernarrt in Dich war, da hab ich Dich bei der Hand genommen und wir sind hierher gegangen und der Alte drüben, dem Du das Käpsel da nähst, hat uns zusammengethan. Es thut mir nicht leid, Ursel, denn Du weißt, daß ich in meiner Neigung und Liebe zu Dir der Alte bin, aber Du darfst Dich auch nicht aufs hohe Pferd setzen, wenn ich vor Sorgen nicht aus noch ein weiß, und darfst mir nicht Vorwürfe machen wegen der Rese drüben in Neu-Lewin. Was dahin ging, glaube mir, das war nicht viel und eigentlich nicht der Rede werth. Und nun ist sie lange todt und unter der Erde. Nein, Ursel, daher stammt es nicht, und ich schwöre Dir’s, das alles hätt’ ich gekonnt, aber der verdammte Hochmuth, daß es mit uns was sein sollte, das hat es gemacht, das ist es. Du wolltest hoch hinaus und was Apartes haben, damit sie sich wundern sollten. Und was haben wir nun davon? Da stehen die Sachen und das Bauernvolk lacht uns aus.“

„Sie beneiden uns.“

„Nu gut, vielleicht oder wenigstens so lang es vorhält. Aber wenn das alles eines schönen Tages fort ist?“

„Das darf nicht sein.“

„Die Gerichte fragen nicht lange.“

„Das darf nicht sein, sag ich. Alles Andre. Nein, Hradscheck, das darfst Du mir nicht anthun, da nehm’ ich mir das Leben und geh in die Oder, gleich auf der Stelle. Was Jammer und Elend ist, das weiß ich, das hab ich erfahren. Aber gerade deßhalb, gerade deßhalb. Ich bin jetzt aus dem Jammer heraus, Gott sei Dank, und ich will nicht wieder hinein. Du sagst, sie lachen über uns, nein, sie lachen nicht; aber wenn uns was passirte, dann würden sie lachen. Und daß dann ‚Kätzchen‘ ihren Spaß haben und sich über uns lustig machen sollte, oder gar die gute Mietzel, die noch immer in ihrem schwarzen Kopftuch steckt und nicht mal weiß, wie man einen Hut oder eine Haube manierlich aufsetzt, das trüg’ ich nicht, da möcht’ ich gleich todt umfallen. Nein, nein, Hradscheck, wie ich Dir schon neulich sagte, nur nicht arm. Armuth ist das Schlimmste, schlimmer als Tod, schlimmer als ..“

Er nickte. „So denk’ ich auch, Ursel. Nur nicht arm. Aber komm in den Garten! Die Wände hier haben Ohren.“

Und so gingen sie hinaus. Draußen aber nahm sie seinen Arm, hing sich, wie zärtlich, an ihn und plauderte, während sie den Mittelsteig des Gartens auf und ab schritten. Er seinerseits schwieg und überlegte, bis er mit einem Male stehen blieb und, das Wort nehmend, auf die wieder zugeschüttete Stelle neben dem Birnbaum wies. Und nun wurden Ursel’s Augen immer größer, als er rasch und lebhaft, alles was geschehen müsse, herzuzählen und aus einander zu setzen begann.

„Es geht nicht. Schlag’ es Dir aus dem Sinn. Es ist nichts so fein gesponnen ..“

Er aber ließ nicht ab und endlich sah man, daß er ihren Widerstand besiegt hatte. Sie nickte, schwieg und Beide gingen wieder auf das Haus zu.


[551]
4.

Der Oktober ging auf die Neige, trotzdem aber waren noch schöne warme Tage, so daß man sich im Freien aufhalten und die Hradschecksche Kegelbahn benutzen konnte. Diese war in der ganzen Gegend berühmt, weil sie nicht nur ein gutes waagerechtes Laufbrett, sondern auch ein bequemes Kegelhäuschen und in diesem zwei von aller Welt bewunderte buntglasige Kuckfenster hatte. Das gelbe sah auf den Garten hinaus, das blaue dagegen auf die Dorfstraße sammt dem dahinter sich hinziehenden Oderdamm, über den hinweg dann und wann der Fluß selbst aufblitzte. Drüben am andern Ufer aber gewahrte man einen langen Schattenstrich: die neumärkische Haide.

Es war halb vier und die Kugeln rollten schon seit einer Stunde. Der zugleich Kellnerdienste verrichtende Ladenjunge lief hin und her, mal Kaffee, mal einen Kognak bringend, am öftesten aber neugestopfte Thonpfeifen, aus denen die Bauern rauchten und die Wölkchen in die klare Herbstluft hineinbliesen. Es waren ihrer fünf, zwei aus dem benachbarten Kienitz herübergekommen, der Rest ächte Tschechiner: Oelmüller Quaas, Bauer Mietzel und Bauer Kunicke. Hradscheck, der, von Berufs wegen, mit dem Schreib- und Rechenwesen am besten Bescheid wußte, saß vor einer großen schwarzen Tafel, die die Form eines Notenpultes hatte.

„Kunicke steht wieder am besten.“ „Natürlich, gegen den kann keiner.“ „Dreimal acht um den König.“ Und nun begann ein sich Ueberbieten in Kegelwitzen. „Er kann hexen,“ hieß es. „Er hockt mit der Jeschke zusammen.“ „Er spielt mit falschen Karten.“ „Wer soviel Glück hat, muß Strafe zahlen.“ Der, der das von den „falschen Karten“ gesagt hatte, war Bauer Mietzel, des Oelmüllers Nachbar, ein kleines ausgetrocknetes Männchen, das mehr einem Leineweber als einem Bauern glich. War aber doch ein richtiger Bauer, in dessen Familie nur von alter Zeit her der Schwind war.

„Wer schiebt?“

„Hradscheck.“

Dieser kletterte jetzt von seinem Schreibersitz und wartete grad’ auf seine die Lattenrinne langsam herunter kommende Lieblingskugel, als der Landpostbote durch ein auf die Straße hinführendes Thürchen eintrat und einen großen Brief an ihn abgab. Hradscheck nahm den Brief in die Linke, packte die Kugel mit der Rechten und setzte sie kräftig auf, zugleich mit Spannung dem Lauf derselben folgend.

„Sechs!“ schrie der Kegeljunge, verbesserte sich aber sofort, als nach einigem Wackeln und Besinnen noch ein siebenter umfiel.

„Sieben also!“ triumphirte Hradscheck, der sich bei dem Wurf augenscheinlich was gedacht hatte.

„Sieben geht,“ fuhr er fort. „Sieben ist gut. Kunicke, schiebe für mich und schreib’ an. Will nur das Porto zahlen.“

Und damit nahm er den Briefträger unterm Arm und ging mit ihm von der Gartenseite her ins Haus.

Das Kegeln setzte sich mittlerweile fort, wer aber Spiel und Gäste vergessen zu haben schien, war Hradscheck. Kunicke hatte schon zum dritten Male statt seiner geschoben und so wurde man endlich ungeduldig und riß heftig an einem Klingeldraht, der nach dem Laden hineinführte.

Der Junge kam auch.

„Hradscheck soll wieder antreten, Ede. Wir warten ja. Mach’ flink!“

Und sieh, gleich darnach erschien auch der Gerufene, hochroth und aufgeregt, aber, allem Anscheine nach, mehr in heitrer als verdrießlicher Erregung. Er entschuldigte sich kurz, daß er habe warten lassen, und nahm dann ohne Weiteres eine Kugel, um zu schieben.

„Aber Du bist ja gar nicht dran!“ schrie Kunicke. „Himmelwetter, was ist denn los? Und wie der Kerl aussieht! Entweder ist ihm eine Schwiegermutter gestorben, oder er hat das Große Loos gewonnen.“

Hradscheck lachte.

„Nu, so rede doch. Oder sollst Du nach Berlin kommen und ein paar neue Rapspressen einrichten? Hast ja neulich unserm Quaas erst vorgerechnet, daß er nichts von der Oel-Presse verstünde.“

„Hab’ ich, und ist auch so. Nichts für ungut, Ihr Herren, aber der Bauer klebt immer am Alten.“

„Und die Gastwirthe sind immer fürs Neue. Blos daß nicht viel dabei herauskommt.“

„Wer weiß!“

„Wer weiß? Höre, Hradscheck, ich fange wirklich an zu glauben .. Oder is es ’ne Erbschaft?“

„Is so was. Aber nicht der Rede werth.“

„Und von woher denn?“

„Von meiner Frau Schwester.“

„Bist doch ein Glückskind. Ewig sind ihm die gebratnen Tauben ins Maul geflogen. Und aus dem Hildesheim’schen, sagst Du?“

„Ja, da so ’rum.“

„Na, da wird Reetzke drüben froh sein. Er war schon ungeduldig.“

„Weiß; er wollte klagen. Die Neu-Lewiner sind immer ängstlich und Pfennigfuchser und können nich warten. Aber er wird’s nu wohl lernen und sich anders besinnen. Mehr sag ich nicht und paßt sich auch nicht. Man soll den Mund nicht voll nehmen. Und was ist am Ende solch bischen Geld?“

„Geld ist nie ein bischen. Wie viel Nullen hat’s denn?“

„Ach, Kinder, redet doch nicht von Nullen. Das Beste ist, daß es nicht viel Wirthschaft macht und daß meine Frau nicht erst nach Hildesheim braucht. Solche weite Reise, da geht ja gleich die Hälfte drauf. Oder vielleicht auch das Ganze.“

„War es denn schon in dem Brief?“

„I, bewahre. Blos die Anzeige von meinem Schwager und daß das Geld in Berlin gehoben werden kann. Ich schicke morgen meine Frau. Sie versauert hier ohnehin.“

„Versteht sich,“ sagte Mietzel, der sich immer ärgerte, wenn von dem „Versauern“ der Frau Hradscheck die Rede war. „Versteht sich, laß sie nur reisen; Berlin, das ist so was für die Frau Baronin. Und vielleicht bringt sie Dir gleich wieder ein Atlassopha mit. Oder ’nen Trumeau. So heißt es ja wohl? Bei so was Feinem muß unserein immer erst fragen. Der Bauer ist ja zu dumm.“

*               *
*

Frau Hradscheck reiste wirklich ab, um die geerbte Summe von Berlin zu holen, was schon im Voraus das Gerede der ebenso neidischen wie reichen Bauernfrauen weckte, vor allen der Frau Quaas, die sich, ihrer gekrausten blonden Haare halber, ganz einfach für eine Schönheit hielt und aus dem Umstande, daß sie 20 Jahre jünger war als ihr Mann, ihr Recht zu fast eben so vielen Liebschaften herleitete. Was gut aussah, war ihr ein Dorn im Auge, zumeist aber die Hradscheck, die nicht nur stattlicher und klüger war als sie selbst, sondern zum Ueberfluß auch noch in Verdacht stand (wenn auch freilich mit Unrecht), den ältesten Kantorssohn – einen wegen Demagogie relegirten Thunichtgut, der nun bei dem Vater auf der Bärenhaut lag – zu Spottversen auf die Tschechiner und ganz besonders auf die gute Frau Quaas angestiftet zu haben. Es war eine lange Reimerei, drin jeder was wegkriegte. Der erste Vers aber lautete:

Woytasch hat den Schulzen-Stock,
Kunicke ’nen langen Rock,
Mietzel ist ein Hobelspahn,
Quaas hat keinem was gethan,
Nicht mal seiner eignen Frau,
Kätzchen weiß es ganz genau.
Miau, miau.

Dergleichen konnte nicht verziehen werden, am wenigsten solcher Bettelperson wie dieser hergelaufenen Frau Hradscheck, die nun mal für die Schuldige galt. Das stand bei Kätzchen fest.

„Ich wette,“ sagte sie zur Mietzel, als diese denselben Abend noch, an dem die Hradscheck abgereist war, auf der Oelmühle vorsprach, „ich wette, daß sie mit einem Sammthut und einer Straußenfeder wiederkommt. Sie kann sich nie genug thun diese zierige Person, trotz ihrer vierzig. Und alles blos, weil sie ‚Swein‘ sagt und nicht ‚switzen‘ kann, auch wenn sie drei Kannen Fliederthee getrunken. Sie sagt aber nicht Fliederthee, sie sagt Hollunder. Und das soll denn was sein. Ach, liebe Mietzel, es ist zum Lachen.“

„Ja, ja!“ stimmte die Mietzel ein, schien aber geneigt, die größere Schuld auf Hradscheck zu schieben, der sich einbilde, wunder was Feines geheirathet zu haben. Und sei doch blos ’ne Kattolsche gewesen und vielleicht auch ’ne Springerin; wenigstens habe sie so was munkeln hören. „Und überhaupt, der gute [552] Hradscheck,“ fuhr sie fort, „er soll doch nur still sein. In Neu-Lewin reden sie nicht viel Gutes von ihm. Die Rese hat er sitzenlassen. Und mit eins war sie weg, und keiner weiß wie und warum. Und war auch von ausgraben die Rede, bis unser alter Woytasch ’rüberfuhr und alles wieder still machte. Natürlich, er will keinen Lärm haben und is ’ne Suse. Zu Hause darf er ohnehin nicht reden. Oder ob er der Hradschecken nach den Augen sieht? Sie hat so was. Und ich sage blos, wenn wir alles hergelaufene Volk ins Dorf kriegen, so haben wir nächstens auch die Zigeuner hier, und Frau Woytasch kann sich dann nach ’nem Schwiegersohn umsehn. Zeit wird es mit der Rike; dreißig is sie ja schon.“

So ging gleich am ersten Tage das Geklatsch. Als aber eine halbe Woche später die Hradscheck geradeso wieder kam, wie sie gegangen war, das heißt ohne Sammthut und Straußenfeder, und noch ebenso grüßte, ja womöglich noch artiger als vorher, da trat ein Umschlag ein, und man fing an, sie gelten zu lassen und sich einzureden, daß die Erbschaft sie verändert habe.

„Man sieht doch gleich,“ sagte die Quaas, „daß sie jetzt was haben. Sonst sollte das immer was sein, und sie logen einen grausam an, und war eigentlich nicht zum aushalten. Aber gestern war sie anders und sagte ganz klein und bescheiden, daß es nur wenig sei.“

„Wieviel mag es denn wohl sein?“ unterbrach hier die Mietzel. „Ich denke mir so tausend Thaler.“

„O mehr, viel mehr. Wenn es nicht mehr wäre, wäre sie nicht so; da zierte sie sich ruhig weiter. Nein, liebe Mietzel, da hat man denn doch so seine Zeichen, und denken Sie sich, als ich sie gestern frug, ‚ob es ihr nicht ängstlich gewesen wäre, so ganz allein mit dem vielen Geld‘, da sagte sie: ‚nein, es wär’ ihr nicht ängstlich gewesen, denn sie habe nur wenig mitgebracht, eigentlich nicht der Rede werth. Das Meiste habe sie bei dem Kaufmann in Berlin gleich stehen lassen.‘ Ich weiß ganz bestimmt, sie sagte: das Meiste. So wenig kann es also nicht sein.“

*               *
*

Unterredungen wie diese wurden ein paar Wochen lang in jedem Tschechiner Hause geführt, ohne daß man mit Hilfe derselben im Geringsten weiter gekommen wäre, weßhalb man sich schließlich hinter den Postboten steckte. Dieser aber war entweder schweigsam oder wußte nichts, und erst Mitte November erfuhr man von ihm, daß er neuerdings einen rekommandirten Brief bei den Hradschecks abgegeben habe.

„Von woher denn?“

„Aus Krakau.“

Man überlegte sich’s, ob das in irgend einer Beziehung zur Erbschaft stehen könne, fand aber nichts.

Und war auch nichts zu finden. Denn der eingeschriebene Brief lautete:

Krakau, den 9. November 1831 

 Herrn Abel Hradscheck in Tschechin. 0 Oderbruch.
Ew. Wohlgeboren bringen wir hiermit zu ganz ergebenster Kenntniß, daß unser Reisender, Herr Szulski, wie alljährlich so auch in diesem Jahre wieder, in der letzten Novemberwoche bei Ihnen eintreffen und Ihre weitern geneigten Aufträge im Empfang nehmen wird. Zugleich aber gewärtigen wir, daß Sie, hochgeehrter Herr, bei dieser Gelegenheit Veranlassung nehmen wollen, unsre seit drei Jahren anstehende Forderung zu begleichen. Wir rechnen um so bestimmter darauf, als es uns, durch die politischen Verhältnisse des Landes und den Rückschlag derselben auf unser Geschäft, unmöglich gemacht wird, einen ferneren Kredit zu bewilligen. Genehmigen Sie die Versicherung unserer Ergebenheit.

Olszewski-Goldschmidt & Sohn.“ 

Hradscheck, als er diesen Brief empfangen hatte, hatte nicht gesäumt, auch seine Frau mit dem Inhalte desselben bekannt zu machen. Diese blieb anscheinend ruhig, nur um ihre Lippen flog ein nervöses Zittern.

„Wo willst Du’s hernehmen, Abel? Und doch muß es geschafft werden. Und ihm eingehändigt werden … Und zwar vor Zeugen. Willst Du’s borgen?“

Er schwieg.

„Bei Kunicke?“

„Nein. Geht nicht. Das sieht aus nach Verlegenheit. Und die darf es nach der Erbschaftsgeschichte nicht mehr geben. Und giebt auch nicht. Ich glaube, daß ich’s schaffe.“

„Gut. Aber wie?“

„Bis zum 30. hab ich noch die Feuerkassengelder.“

„Die reichen nicht.“

„Nein. Aber doch beinah. Und den Rest deck’ ich mit einem kleinen Wechsel. Ein großer geht nicht, aber ein kleiner ist gut und eigentlich besser als baar.“

Sie nickte.

Dann trennte man sich, ohne daß weiter ein Wort gewechselt worden wäre.

Was zwischen ihnen zu sagen war, war gesagt und jedem seine Rolle zugetheilt. Nur fanden sie sich sehr verschieden hinein, wie schon die nächste Minute zeigen sollte.

Hradscheck, voll Beherrschung über sich selbst, ging in den Laden, der gerade voll hübscher Bauernmädchen war, und zupfte hier der einen am Busentuch, während er der andern die Schürzenbänder aufband. Einer Alten aber gab er einen Kuß. „Einen Kuß in Ehren darf niemand wehren – nich wahr, Mutter Schickedanz?“

Mutter Schickedanz lachte.

Der Frau Hradscheck aber fehlten die guten Nerven, deren ihr Gatte sich rühmen konnte. Sie ging in ihr Schlafzimmer, sah in den Garten und überschlug ihr Leben. Dabei murmelte sie halb unverständliche Worte vor sich hin und schien, den Bewegungen ihrer Hand nach, einen Rosenkranz abzubeten. Aber es half alles nichts. Ihr Athem blieb schwer, und sie riß endlich das Fenster auf, um die frische Luft einzusaugen.

So vergingen Stunden. Und als Mittag kam, kamen nur Hradscheck und Ede zu Tisch.

(Fortsetzung folgt.)

Bilder von der Ostseeküste.[1]

Memel.
Von L. Passarge.

Die deutschen Provinzen Ost- und Westpreußen könnte man die „Niederlande“ des polnisch-russischen Hinterlandes nennen. Sie bilden das Mündungsgebiet zweier großen Ströme, der Weichsel und der Memel, und sind dadurch zur natürlichen kommerziellen Herrschaft über ihr weites Hinterland berufen. In der That beruht die Bedeutung Danzigs fast ganz auf der Ausfuhr des polnischen Weizens und der Wohlstand Memels auf dem Waldreichthum der russisch-polnischen Binnenländer, welche, durch die Memel und einige Kanäle bis in die Nähe von Odessa erschlossen, ihre Hölzer dem Norden zusenden. Königsberg, in der Mitte zwischen Danzig und Memel gelegen. halb eine Getreide-, halb eine Holzhandelsstadt macht sich durch seine Eisenbahnen das südöstliche Hinterland pflichtig. während es die russischen Hölzer auf einem alten Flußkanal erhält, welcher die Memel mit dem Pregel in Verbindung setzt. So darf sich denn keine dieser drei Städte beklagen; jeder ist ihr Theil zugemessen.

Memel ist also die Holzhandelsstadt des deutschen Ostens, und das Holz wird ihr in ungeheueren „Traften“ (offenbar das englische drift) zugeführt, welche die Flößer jedoch „Jallen“ nennen; sie gleichen unübersehbar langen Seeschlangen, darauf oft ein halbes Hundert von Menschen rudert, wohnt, kocht, geigt, tanzt oder sich sonst des Lebens freut. Aber anders erscheint eine solche Jalle auf dem Memelflusse, oder dem Minge-Drawöhne-Kanal und dem Kurischen Haff, wo der Wind zuhause ist und die Wellen sie zerschlagen. Die Bildung solcher Traften die

[553]

Memel. Originalzeichnung von R. Aßmus.

[554] Verbindung der Hölzer und ihre Beförderung ist eine ganz besondere Kunst, die erlernt sein will und ihren Meister fordert. In Memel selbst werden die endlich glücklich angekommenen Hölzer an das Land gezogen, gereinigt, aufgestapelt und zerschnitten. Wohl eine halbe Meile lang ziehen sich in Schmelz, der südlichen Vorstadt Memels, die Holzgärten hin, jeder mit einer Windmühle, deren Flügel die Cirkelsägen bewegen und so das Rohmaterial verladungsfähig machen. Der Wind ist in der That (nächst dem bekannten klingenden nervus rerum) die treibende Kraft in Memel.

Als wir einst in einer binnenländischen Stadt durch die Straßen gingen und der Wind uns die Regenschirme aus der Hand riß, meinte ein Memeler, in seiner Heimath würde man das nur einen Zephyr nennen. Zuweilen staut auch das Wasser auf und tritt über die Ufer der Danje. Als drittes Element könnte man den Sand der Kurischen Nehrung drüben nennen, welcher das Fahrwasser und den Hafen verdirbt und oft in großen Wolken bis in die Straßen von Memel fliegt. Und was, um die Vierzahl der Elemente voll zu machen, das Feuer betrifft, so genügt ein Funke, um in den weiten Holzlagern eine Feuersbrunst zu entzünden, deren Widerschein weit in die See hinein leuchten möchte. Und in der That war es so in dem Schreckenswinter von 1854, gerade damals, als, während des englisch-russischen Krieges, Memel den allein offenen Verbindungshafen mit Rußland bildete, die Magazine mit Waaren überfüllt waren und das Feuer den größten Theil der Stadt in Asche legte.

Seitdem ist sie nun längst wieder groß und schön erstanden. Behaglich breitet sich unser „Klein-London“ an dem Ostufer des Wassers aus, von dem man nicht weiß, soll man es das kurische Haff oder die Memel nennen; schöne Brücken führen über die Danje, welche mitten durch die Stadt fließt und von dem schattigen Tauerlauken kommt. Große Kirchen sind aufgebaut mit hohen Thürmen, die lutherische, reformirte, littauische, katholische und englische Kirche; denn Memel ist, wie Seestädte meist, von vielen Fremden und Andersgläubigen besucht: jeder kann hier nach seiner Façon selig werden, zumal man doch in erster Reihe die Seligkeit nach kaufmännischer Façon erstrebt. Was aber das rein irdische Dasein betrifft, so herrscht hier der englische Ton vor: der Thee hat den Sieg über den Kaffee davongetragen, Portwein und Porter über den französischen Rothwein und das Bier. Zuweilen vereinigen sich alle Interessen in dem sogenannten „Wasserpunsche“, dessen aus dem Holzstapelplatze Ruß importirtes Recept so lautet: Setze einen Kessel mit Portwein aufs Feuer und gieße Kognak langsam nach. Weßhalb aber dieses Getränk Wasserpunsch heißt? Es soll gut sein, ihn auf dem Wasser zu trinken. Der Fremde wird schwer mithalten können, so lange er nicht durch das „Klima“ Memels genügend vorbereitet ist.

Die Memeler sind geborene Geschäftsleute. Darum klagte mir auch ein Buchhändler, der fast ausschließlich mit Papier handelte und trotzdem Bankerott machte, daß hier die schöne Litteratur nur allzu oft durch praktische Handelslitteratur, Wechsel u. dergl. ersetzt werde. Trotzdem sitzen die Kaufleute nicht immer in ihren Komptoirs oder halten sich in der Nähe der Flachswage auf, deren Windfahne aus einem Bündel Flachs besteht. Die Stadt ist reich an den schönsten Spaziergängen, und die Memeler sind ein Wandervölkchen. Ihr schönstes Ziel ist der etwa drei Kilometer entfernte Leuchtthurm, der das „Tief“, die Verbindungsstraße zwischen Haff und See, beleuchtet und dem bedrängten Schiffer den ruhigen Hafen und die Nähe freundlicher Menschen verkündet; ich meine jene tüchtigen, allezeit thätigen Lootsen, welche unausgesetzt von der „Kickbake“ in der Stadt, oder von dem Leuchtthurme schauen und niemals zögern, ihr Leben einzusetzen, wo es gilt, ein gefährdetes Schiff zu erreichen und es durch das Tief in den Hafen zu steuern. Seitdem ich wiederholt mit Lootsen die norwegische Küste umfahren und diese immer ernsten, stillen und freundlichen Menschen beobachtet und liebgewonnen habe – und unsere deutschen Lootsen sind wahrlich nicht weniger zu preisen – will es mir scheinen, daß es keinen Lebensberuf gebe, der eine schwerere, aber auch keinen, der eine so große und dankbare Aufgabe stelle, wie der dieser Männer, deren Todesmuth immer der Rettung fremder, unbekannter Menschen gilt, und die, fast alle verheirathet, Weib und Kind gleichsam gering achten, wenn es die Pflichterfüllung gilt. Und diese Menschen sind alle von hoher Bildung: sie sprechen mehrere Sprachen, verstehen sich auf Mathematik – ein Wissen, das sie sich meist auf der Memeler Navigationsschule angeeignet haben – und blicken dabei so einfach und mild wie mit Kinderaugen.

Es kommt freilich vor, daß selbst die Lootsen nicht auf die See können: da hat der Schiffer sich selbst zu helfen: er muß beim Einlaufen namentlich darauf halten, daß die drei „Baken“, eigenthümliche spitze, aus Eisenstangen oder Holz bestehende thurmartige Gestelle, sich für sein Auge decken. Denn nur so lange, als dieses der Fall, befindet er sich in der sichern Fahrstraße. Eine kleine Verschiebung der Baken bedeutet für ihn Aufrennen und Scheitern. In solchen Augenblicken stehen oft Hunderte von Menschen am Ufer, in der Nähe des Leuchtthurms, oder auf der „Nordermoole“, soweit Sturm und Wogen hier ein Verweilen gestatten, und starren in den schäumenden Aufruhr, durch den der Schiffer seinen Weg zu nehmen hat. Wie viele Schiffe liegen hier nicht im Grunde!

„Wir sahen heute vom Leuchtthurm aus ein unglückliches Schiff scheitern; ein Boot rettete 13 Mann und dann schlug es um, und wir sahen sie alle vor unseren Augen umkommen“ – so schreibt die Gräfin Voß am 11. September 1807, in jenem unglücklichen Jahre, da der preußische Königshof sich in Memel befand und man am Abend die „Geschichte des Dreißigjährigen Krieges“ von Schiller las.

Als es sich im Frühjahr 1855 darum handelte, das abgebrannte Memel wieder aufzubauen, wurden 300 belgische Ziegelarbeiter engagirt; ein Dampfboot sollte sie nach Memel bringen. Aber es lief auf der Nordermoole auf und versank mit Mann und Maus.

Aber solche Katastrophen bilden doch die seltene Ausnahme. Wie prächtig segeln die meisten Schiffe in den ruhigen Hafen ein und lassen Segel nach Segel fallen! Zuweilen stürzen sie, vom Sturmwind gejagt, pfeilschnell dahin. Andere fliehen wie vor einem Wolfe, der sie verfolgt. Ich hatte bei meinem letzten Besuche des Leuchtthurms ein anderes Bild. Ein esthnischer Schmuggler, angeblich von der Insel Oesel, kam durch das Tief gezogen, leicht, elegant, wie eine Möve; ganz bedeckt mit Segeln, als gelte es, auch den kleinsten Windhauch aufzusaugen. Etwas Reizenderes von Schiff habe ich nie gesehen. Ich mußte an einen Schwan denken, der seine Flügel im Winde entfaltet. Und diese Leute kommen viele Meilen weit über die stürmische See gefahren, um sich in Memel mit Spirituosen zu versehen und sie in Rußland einzuschmuggeln. Meist glückt es ihnen, sei es im Dunkel der Nacht, sei es durch Bestechung der dem „Wotki“ und dem Silberklange sehr zugänglichen russischen Zollwächter. Im Falle des Mißlingens kommen sie nach Sibirien. Trifft ein russischer Zollkutter sie auf hoher See, so gilt es, sich schleunigst der Contrebande zu entledigen. Die kostbaren Fässer mit Rum und Portwein werden über Bord geworfen: „man ist vom Sturmwinde verschlagen, treibt seit Tagen steuerlos auf hoher See“. Die Zollbeamten lächeln, fischen die treibenden Fässer auf und – betrinken sich bis zur Sinnlosigkeit. Die unglücklichen Verschlagenen benutzen den ersten besten Moment und machen sich davon. Diese Leute sprechen nur esthnisch, eine Abart des Finnischen; aber in Memel giebt es doch ein paar Leute, welche selbst diese Sprache verstehen.

Ja, wenn die russische Zollgrenze nicht wäre, welche den nördlichen Zipfel Ostpreußens wie eine chinesische Mauer von dem natürlichen Hinterlande abschließt und der Stadt Memel den Athem benimmt! Was ist nicht nach dieser Richtung hin alles gesprochen, gewünscht und geschrieben! Aber Rußland bezieht seine Haupteinnahme aus den Grenzzöllen, und so lange dieses der Fall, wird es sich gegen einen freien Grenzverkehr sträuben und wird auch der preußische Schmuggler nicht aussterben, der trotz aller Hindernisse und fast immer mit Lebensgefahr die zu schmuggelnden Waaren über die Grenze schafft. Jahrelang hat einst die „Rothbrust“ (littauisch raudons kruttinis), so genannt nach seiner rothen Weste, die russischen Zollbeamten und Kosakenpikets an der Nase herumgeführt. Der Schrecken, welchen ein anderer Schmuggler, Adomeit, um sich verbreitete, war so groß, daß sein Name genügte, um eine ganze Truppe in die Flucht zu schlagen. Einst traf er einen Kosakenposten, der auf ihn anlegte. „Weißt Du nicht, daß ich der Adomeit bin?“ rief er ungeduldig. Aber der Soldat schoß ihn todt.

[555] Jetzt ist das „Geschäft“ ganz in den Händen irgend eines Juden, welcher nahe der Grenze einen Krug besitzt, Verträge mit den Kaufleuten abschließt, die Schmuggler besoldet und für Alles aufkommt. Seine Verbindungen auf russischer Seite reichen oft bis zu unnahbaren Höhen.

Ein gewöhnliches Mittel, um die Grenzwächter zu täuschen, ist, daß man eines der längs der Grenze aufgestellten Alarmsignale anzündet. Während die Russen demselben folgen, ziehen die Schmuggler an einer andern Stelle über die entblößte Grenze. Wird die Schmugglerbande betroffen – oft angezeigt von diesseitigen Konkurrenten – so entsteht eine förmliche Schlacht, in welcher die Russen nicht selten unterliegen.

Auch mit einer besonders raffinirten Schlauheit wird operirt. Handelt es sich z. B. darum, einen Ballen feiner Lederhandschuhe über die Grenze zu schaffen, so verpackt man die für die linke und rechte Hand bestimmten in besondere Ballen und bringt sie an verschiedenen Stellen über die Grenze. Wird ein Ballen beschlagen, so kauft ein Eingeweihter die so gut wie werthlose Waare auf und vereinigt später beiderlei Handschuhe zu richtigen Paaren.

Wahrhaftig, was will der „vielgewandte“ Odysseus gegen die Schlauheit dieser Schmuggler sagen, deren Klugheit und Pfiffigkeit alles Aehnliche in den Schatten stellt!

In neuerer Zeit hat sich der Spieß gleichsam umgedreht. Deutschland hat seine Grenze gegen die Einfuhr von Rindvieh und anderen Thieren gesperrt, um das Einschleppen der Rinderpest zu verhüten. Statt Manufakturwaaren nach Rußland hinein schmuggelt man jetzt Vieh aus Rußland hinaus.

Man kann in Memel in kein Geschäft treten, keinen Schritt in seine Umgebung thun, ohne von der russischen Zollgrenze zu hören oder doch an sie zu denken; darum gehört sie auch in ein Bild von Memel hinein. Im Westen hingegen liegt Alles frei und offen da, wogt ernst die See, ziehen die hochbordigen Schiffe aus und ein und füllen ihren Hohlraum mit unzähligen Stäben, Balken, „Wagschoß“ und andern zugerichteten Hölzern, deren Bestimmungsort meist England, oft direkt Australien oder Südamerika ist.

Wie eine große weiße Schlange dehnt sich drüben das schmale Dünenband der Nehrung hin, dessen Strand auch auf unserem Bilde rechts angedeutet ist; eine höchst eigenthümliche Welt des Sandes, in welcher die Dünen bis sechzig Meter Höhe aufragen, immer nach Osten weiter wandern und sich zuletzt in das Haff stürzen („ersäufen“ nennen es die Fischer); wo das Leben todt und der Tod lebendig ist, am Ufer des Haffs aber der goldene Bernstein liegt und von großen Dampfbaggern herauf geholt wird. Nachts leuchtet auch diesen Arbeiten elektrisches Glühlicht.

Wir können auch vom Leuchtturm weiter nach Norden durch die Plantage wandern, wo beim sogenannten Försterhäuschen die Memeler reizende Villen erbaut haben und der flache, sandige Seestrand zum Baden einladet, im Norden aber die „Holländer Mütze“, eine dunkle Waldhöhe, eine weithin sichtbare Schiffermarke bildet.

Eine noch reichere geistige Bewegung findet der Wanderer in dem schattigen Tauerlauken an der Danje, wo einst die preußische Königsfamilie, in den äußersten Winkel der Monarchie zurückgedrängt, Uebermenschliches erduldete und wo die lichte Gestalt der Königin Louise vor unsere Blicke tritt. Wir kehren in Gedanken „mit den Majestäten“ auf der träumerischen, von Weißerlen beschatteten Danje nach Memel zurück und erinnern uns der weitern interessanten Mittheilungen der Gräfin Voß aus jener Zeit, welche bei den jeux d’esprit den esprit vermißte, sich über die jüngern Hofdamen ärgerte und den Lärm der lauten Kinder nicht zu dämpfen vermochte, da die Königin, trotz ihres Leidens, die Kinder immer in ihrer Nähe haben wollte. Diese jungen Prinzen benahmen sich aber auch ganz wie andere Kinder, tanzten, musicirten, fuhren Schlitten und brieten Kartoffeln in der Asche.

Und vielleicht weiß Mancher es nicht, daß eines dieser Kinder der deutsche Kaiser ist.


Seelenideale der Naturvölker.

Ein Rundblick von P. K. Rosegger.

Wie poetisch gegenüber mancher Heuchelei der Halbkultur ist der dem Herzblute entsprungene Gottes- und Seelenglaube bei den Naturvölkern! Ein eben im Erscheinen begriffenes, höchst interessantes Werk: „Kritische Geschichte der Ideale“ von Dr. Adalbert Svoboda (Leipzig, Th. Grieben), lenkt unseren Blick in das religiöse Seelenleben der Natur- und Urvölker; wir begegnen in demselben freilich den wunderlichsten Dingen, die aber für uns bisweilen nicht allein höchst ergötzlich, sondern auch lehrreich und zur Kenntniß der menschlichen Natur wichtig sind.

Naturvölker fassen die Erscheinungen des Lebens in naiver Weise auf, sie unterscheiden die Welt in eine körperliche und in eine geistige. Warum aber auch in eine geistige? Zur Genugthuung, daß die körperliche Welt so hart und trostlos ist, schaffen sie sich die geistige, die ideale nach ihrem Sinne, nach ihren Neigungen und Bedürfnissen.

Diese ideale Welt ist zwar nicht möglich, aber sie ist da, sie wird vorgestellt, darum ist sie; sie wirkt in der Einbildung, als ob sie wäre, sie hat also für ihre Schöpfer und Träger einen realen Werth.

Dem Naturmenschen ist nichts widerlicher als der Tod, er will ewig leben, darum erschuf er sich eine unsterbliche Seele. Und die Natur – als ob sie ganz damit einverstanden wäre – kommt ihm auf halbem Wege entgegen, sie führt ihm heute im Traume Personen lebendig vor, die gestern begraben worden sind. Es giebt Leute, welche ihre Verstorbenen nur dann für wirklich todt halten, wenn sie ihnen im Traume nicht mehr erscheinen. Andere glauben, die im Schlafe erscheinenden Verstorbenen seien noch erlösungsbedürftig und wären erst dann in die ewige Seligkeit eingegangen, wenn sie sich bei ihren Bekannten nicht mehr „anmelden“. In den Alpenländern ist der Glaube an Geistererscheinungen noch viel verbreitet. Die Geister erscheinen nicht allein in menschlicher Gestalt, sondern melden sich in schwarzen Hunden und Katzen, in Vögeln, schwebenden Lichtern, im Aechzen, Wimmern und Gepolter etc. Die geängstigten Seher und Hörer suchen durch Gebete, Beschwörungsformeln und gute Vorsätze den Geist zu beruhigen, glauben aber, daß nach Anmeldung eines Todten in der Gegend bald Jemand sterben müsse.

Dr. Svoboda erzählt von niedrigen Rassen, welche den Glauben hegen, einer lebenden Person, von der man träumt, sei die Seele davon- und dem Träumenden zugeflattert. Turanische Zauberer pflegen sich bisweilen halb zu betäuben, um ihrer Seele einen Flug in das Land der Geister zu ermöglichen, wo sie dann überirdische Herrlichkeiten schauen und kostbare Mittheilungen empfangen. Doch hat dieser Gebrauch der Seele – wie so oft – mehr eine geschäftliche, als eine ideale Seite. Bei anderen Stämmen flieht während des Schlafes, einer Krankheit oder im Wahnsinn die Seele aus dem Körper. Da müssen Priester und Zauberer herbei, um die verlorenen Seelen zu suchen und heimzutreiben. Manche solcher verlaufenen Seelen finden aber den Rückweg nicht. Das erinnert mich an eine Anschauung in Steiermark. Wenn man dort einen Schmetterling flattern sieht, so heißt es: „Eine Schneiderseel’! Die muß man fangen und anblasen, sonst wird ein irgendwo schlafender Schneider nicht mehr wach.“

In einzelnen Gegenden Mitteleuropas sollen, wenn in einem Hause Jemand gestorben ist, sofort die Bäume und Sträucher der nächsten Umgebung geschüttelt werden, um die Seele, die sich etwa darauf gesetzt hätte, wieder zurückzuscheuchen. Vor einiger [556] Zeit noch war es in Mähren Sitte, bei den Leichenwachen Spiel und Kurzweil zu treiben, um die noch anwesende Seele des Verstorbenen zu ergötzen. Noch heute giebt es Gegenden, wo man neben einer Leiche einen Stuhl hinzustellen pflegt und die Seele einladet, darauf niederzusitzen.

Andere Völker des Naturbannes – wie sich unser Philosoph ausdrückt – giebt es, die den vom Körper des Menschen geworfenen Schatten für dessen Seele halten, weßhalb sie auch glauben, daß Leichen keinen Schatten haben. Nach anderen Sagen sind die Menschen des Jenseits bloß Bilder der Personen im Diesseits, oder es werden die Seelen als echoartige Wesen, als Widerhall eines Schalles gedacht.

Der Seelenglaube der Wilden hat – wie Dr. Svoboda trefflich bemerkt – einen besonderen Reiz der Naivetät. Die Seelen der Naturvölker besitzen die Eigenschaften der körperlichen Menschen: sie können verhungern, verdursten, auf der Reise ins Jenseits ertrinken, sie sehnen sich nach sinnlichen Genüssen, sind männlichen und weiblichen Geschlechts, treiben im Jenseits dieselben Geschäfte und Gewohnheiten wie hier, verkehren freundlich oder rücksichtslos mit den Genossen, vermögen sich aber auch zu größerer Macht aufzuschwingen als zur Zeit, da sie noch an Körper gebunden waren. Als böse Geister suchen sie den Menschen auf Erden zu schaden, als Ahnenseelen denkt man sie als Lenker der Völkergeschicke und sie altern sich zu Göttern hinauf.

Da die unsterbliche Seele übertragbar ist, so blasen indianische Medicinmänner aus den Körpern der Sterbenden die Seelen in Kinder hinein. Dunkelhäutige Physiologen lösen das Räthsel der Vererbung und Wesenähnlichkeit der Verwandten, indem sie sagen: Wenn ein Familienmitglied stirbt, so schlüpft dessen Seele in das neugeborene Kind derselben Familie, so daß ein Neffe eine Tantenseele beherbergt und der Enkel dem Wesen nach seine eigene Großmutter sein kann. Nach weitverbreiteten Annahmen haben die Seelen im Jenseits zwar keinen Körper, aber eine Gestalt – beim Gott der Wilden ist eben Alles möglich.

Eine Gruppe von Naturvölkern hält nicht nur Menschen und Thiere, sondern auch Bäume, Früchte, Steine, Waffen und Geräthe für beseelt. Der Geist eines abgenutzten Hammers stellt sich im andern Leben der Seele seines voreinstigen Schmiedemeisters wieder zur Verfügung. Der Geist eines Halsschmuckes schmiegt sich dort wieder um den schönen Nacken der Seele seiner früheren Herrin. Das dem Verstorbenen ins Grab Mitgegebene wird Hausrath für das Jenseits, wo alles Leben ähnlich wie auf Erden wieder fortläuft. Aber Dinge, die in der andern Welt zum Gebrauche wieder sollen auferstehen können, müssen in dieser Welt zertrümmert werden, darum findet man in Amerika und Polynesien, selbst im östlichen Preußen und in Littauen in alten Gräbern zerbrochene Waffen und Geräthe.

Die altägyptische Lehre von der Seelenwanderung ist bekannt, man findet selbst bei unseren Völkern davon noch Spuren. Mir war ein Fuhrmann bekannt, der bildete sich Folgendes ein: führe er sich in diesem Leben schlecht auf, so werde er in jenem ein Pferd, führe er sich hienieden gut auf, so werde er dort ein Postmeister. Er führte sich gut auf. Menschenseelen können nach der Meinung vieler Stämme auch in Thierkörper eintreten und dort je nach ihrer Schädlichkeit oder Nützlichkeit gefürchtet oder vergöttert werden. Ein origineller Glaubenssatz des Animismus, bemerkt Dr. Svoboda, spricht sich in der Wahnvorstellung aus, daß in das Raubthier, welches einen Menschen verzehrt, die Seele des Letzteren übergehe. Manche Vögel, so Eulen, Raben und Spechte, hielt man für allwissend, weil sie hoch fliegen, „in die obere Welt hineinschauen und Alles erfahren können“.

Weil bei niedrigen Rassen angenommen wird, daß auch die Thiere Blutrache üben, so entschuldigen sich die Jäger bei den erlegten Thieren auf das Höflichste, richten feierliche Ansprachen, zumal an Elefanten, nennen sie große Häuptlinge und begraben ihren Rüssel, damit die Elefantenseele zur Ruhe gelangen könne.

Auch in unseren Ländern herrscht hier und da der Glaube, daß man durch den Genuß von Schweine- oder Schildkrötenfleisch die kleinen Augen der Schweine oder Schildkröten bekommen könne. Die indianischen Stämme verehren in ihren Wappenthieren: in Kröten, Schlangen, Erdschweinen, Hasen etc., tapfere Häuptlinge der Vorzeit, deren Seelen in die Wappenthiere übergegangen sind und dort als thierische Schutzheilige von Geschlecht zu Geschlecht übertragen werden. Bei den Azteken gingen die Seelen vornehmer Leute in lieblich singende Vögel oder in andere edle Thiere über, während die Seelen der Armen und Niedrigen in die Thiere geringeren Ranges einzogen. Gewiß eine Lehre, die den Menschen zum unermüdlichen Emporstreben auf dieser Welt aneifern muß. Afrikanische Stämme sind der Meinung, daß große Waldaffen einmal zur menschlichen Gesellschaft gehört haben, wegen unanständigen Benehmens aber ausgestoßen worden seien und hernach das Sprechen verlernt hätten. Andere Stämme nehmen wiederum an, daß der Gorilla sprechen kann, aber nicht will.

Diese Urvölker sind also durchaus nicht so adelsstolz wie wir, geben die Gemeinschaft zwischen Menschen und Thieren zu und machen sich nichts daraus.

Es giebt auch Völker, bei denen der Mensch zwei Seelen hat. Während des Schlafes fliegt die eine Seele davon, beim Tode beide. Bei den Birmanesen fliegt die Seele des Schlafenden als Schmetterling davon; was der Schmetterling auf seinem Fluge sieht, davon träumt der Schlafende.

Ein überaus poetischer Glaube!

Auch der Chinese hat zwei Seelen, beim Tode schwebt die eine Seele zum Himmel, die andere sinkt zur Erde. Die Indianer Amerikas sehen in jeder Stelle des Körpers, die Pulsschlag hat, den Sitz einer besonderen Seele. Die Karaiben haben drei Seelen: eine im Kopf, eine im Herzen, eine in den Armen. Die Seele des Herzens wird nach dem Verlassen des Körpers ein guter Geist, die Seelen des Kopfes und der Arme werden böse Geister. Eine eigenthümliche Versinnbildlichung vom Segen des Gemüthes.

Die Seelen der frommen Araber kommen ins Paradies, wo Milch und Honig fließt, zu schwarzäugigen Frauen, deren Leib aus duftendem Bisam besteht, zum Weine, der nicht berauscht, zur Haschischpfeife, die nicht schlaftrunken macht, und jeder Selige hat 80 000 Sklaven, Die Seele des bösen Arabers hingegen kommt im Jenseits ins Feuer, da sind die Anzüge von Feuer, die Schuhe von Feuer, das Bett, die Nahrung von Feuer. Diese Hölle hat sieben Stockwerke, in deren unterstes jene Heuchler geworfen werden, die einen Glauben bekennen und keinen haben. Genußreich ist der Himmel der alten Inder. Blühende Gärten sind dort mit schattigen, wohlduftenden Lauben, mit lauen Winden, kühlendem Regen, und auf den grünen Weiden schlagen Kühe, wenn sie gemolken werden, mit den Füßen nicht aus! Tafelfreuden überall und singende Vögel.

Bekannt ist, daß bei Jndianerstämmen die Aufnahme der Seelen ins Paradies nicht vom sittlichen Wohlverhalten, sondern von Rang, Wohlstand und Tapferkeit abhängt. Auch der Mohammedaner gewinnt sein Paradies am sichersten, wenn er es kaufen kann, wenn er recht viele Ungläubige erschlägt, oder wenn er nach Mekka pilgert und unterwegs zu Grunde geht.

Die Seelen der Irokesen ziehen sich nach dem Verlassen des Körpers in ihre ursprüngliche Heimath, das Nordlicht zurück, wo sie fröhliche Reigen abhalten.

Bei manchen Völkern sind auch die Sterne, welche sich des Abends auf himmlischem Plane versammeln, Menschenseelen. Die Karaiben verwandeln die Seelen ihrer Helden in Sterne, und so oft ein tapferer Mann stirbt, flammt auf dem Himmel ein neuer Stern auf.

In einzelnen Gegenden unserer Alpen herrscht die Anschauung, daß bei der Geburt eines Kindes dessen Schutzengel am Himmel einen Stern anzünde; wenn ein Mensch stirbt, fällt sein Stern vom Himmel. In der deutschen Altmark schweben die Seelen ungetaufter Kinder in Irrlichtern umher, bestrebt, den Wanderer in Sümpfe zu locken.

Die Volksstämme Südamerikas sehen in der Milchstraße den Weg zum Sternenhimmel. Die Seelen der Inkas sitzen in der Sonne und schauen mit hellen Augen auf die Gräber ihres Volkes herab.

Amerikanische Volksstämme verzehren ihre Angehörigen, trinken die Asche ihrer verstorbenen Häuptlinge, damit sie die seelischen Eigenschaften derselben bekommen. Haben doch auch unsere alten Franken die Asche ihrer verstorbenen Zauberer und Seherinnen im Weine getrunken, damit sie die Weisheit derselben erben.

[557] Bei einigen Negerstämmcn wird am Familientische für die Seele eines Verstorbenen Platz gelassen, weil sie unsichtbar unter den Ihren weilt und mit in die Schüssel greift. Nach dem Glauben der Karaiben kümmern sich die abgeschiedenen Seelen mehr um sich selbst, als um ihre irdische Sippschaft, heirathen im Jenseits unter einander und erzeugen Nachkommen. Bei den Peruanern und anderen Stämmen Amerikas bleiben die Seelen in den gestorbenen Leibern, so lange diese nicht verwesen. Man sorgte daher dort, so wie im alten Aegypten, für die Unverwesbarkeit der Leichen. Die Nadowessier pflegen ihre Kinderleichen an besuchten Landstraßen zu begraben, um den Seelen die Einkehr in neugeborene Kinder zu erleichtern. Die Tahitier setzen an die Gräber ihrer Todten hölzerne Bilder, in welchen die Seelen bescheiden Platz nehmen und warten, bis es Zeit ist, sich mit den Körpern wieder zu vereinigen. Bei einzelnen Negerstämmen müssen heirathslustige Wittwen die Seelen ihrer verstorbenen Gatten erst durch ein Bad von ihren Gliedern spülen.

Das ist freilich gemüthlicher als bei den Inkas, wo dem Gatten oft an tausend Gattinnen und Sonnenjungfrauen lebendig auf den Scheiterhaufen folgen mußten, was sie auch willig thaten, weil die Verweigerung dieses Liebesdienstes einem Ehebruch gleichgehalten wurde. Bei den Indianern Nordamerikas lassen die Männer im Angesichte des nahenden Todes ihre Lieblingsfrauen erwürgen, damit sie bei dem Eintritt ins Jenseits allsogleich von ihnen empfangen werden. Bei dem Tode eines Kindes tödtet man auch dessen Wärterin, damit es im Jenseits nicht allein stehe. Bei den Negerstämmen werden von Zeit zu Zeit Menschen getödtet, damit sie den Fürsten im Jenseits Nachrichten von wichtigen irdischen Begebenheiten bringen können. – Ein grauenhaftes Kapitel aus der Geschichte der Wahnideale! –

Ciociara. Nach dem Oelgemälde von L. Bonnat.
Photographie im Verlag von E. Lecadre u. Comp. in Paris.

Manche Völker nehmen an, daß jeder Mensch tief beleidigt aus dem Leben scheide, darum ist bei Negerstämmen der Brauch, an die Todten feierliche Ansprachen zu halten, sie zu bitten, daß sie ja nicht mehr kommen mögen, um etwa Jemand ein Leid anzuthun. In dieser Meinung geben afrikanische Urstämme den Seelen ihrer Todten Menschenblut zu trinken. Man gießt dort durch trichterförmige Oeffnungen Getränke und Blut in das Grab, um die Seelen zu erfrischen und sie menschlichen Wünschen geneigt zu machen. – Dr. Svoboda erzählt auch von Naturvölkern, welche davon überzeugt sind, daß ein Knabe Seele und Blut nicht vom Vater, sondern vom Oheim, ein Mädchen hingegen Seele und Blut von der Mutter empfange. „Ausnahmsweise,“ setzt der Verfasser hinzu, „hat diese Lehre von der Seelenfortpflanzung keine Frevel im Gefolge, sondern eine positive Anerkennung der Mutter- und Frauenwürde.“ – Bei sehr vielen Völkern werden die Seelen der Verwandten oder sonst nahe- oder hochstehender Personen nach dem Tode als Schutzheilige verehrt. Unter den Wilden Afrikas wird mancher Vater von seinem Sohne nur darum erschlagen, damit er diesem ein mächtiger Schutzgeist werden kann. Wenn aber solche Seelen beleidigt oder bei Gebeten und Opfern übersehen werden, so rächen sie sich, sie machen Gewitter, bringen Feuer, Pest und andere Uebel. Daher müssen derlei Schutzgeister durch Gebete und Opfer in guter Laune erhalten werden, auf daß sie ihre Schützlinge vor Unheil bewahren und mit Segen überschütten. Wir sind jedoch damit den Seelenidealen der Kulturvölker so nahe gerückt, daß wir mit Dr. Svoboda’s Bemerkung, der Egoismus sei der Vater, die Phantasie die Mutter solcher Schutzgeister, abbrechen müssen.

Das überaus gehaltvolle Werk Dr. Adalbert Svoboda’s, welches die positiven und die Wahnideale der Menschheit bis in unsere Zeit herein einerseits mit der scharfen Kritik des Forschers, andrerseits mit der Objektivität und Toleranz eines liebreichen Menschen behandelt, eröffnet uns Tiefblicke in die Herzen der Völker, in die Abgründe der Unkultur, vor denen wir nicht selten zurückschaudern. Andrerseits ist es wieder so reich an freundlichen Oasen, an versöhnenden Bildern, an zuversichtlichen Aufblicken. „Es bewegt sich zwar,“ sagt Svoboda, „der Mensch auf dem Boden selbstgeschaffenen Irrwahns in engen Kreisen herum – sich selbst zum Unheil. Das Gesetz der Entwickelung will es aber so. Auch aus den Irrthümern der Menschen spricht sich das Ringen nach Erkenntniß der Wahrheit, also nach einem idealen Ziele aus. – Pessimisten spotten, daß Mensch sein und ewig irren dasselbe sei. Aber Idealmenschen – die oft verhöhnten, isolirten – glauben an die Möglichkeit, daß die menschliche Gesellschaft ihre Selbstrettung doch einmal vollziehen werde.“


[558]

Unruhige Gäste.

Ein Roman aus der Gesellschaft.
Von Wilhelm Raabe.
(Fortsetzung.)
16.

Es war ziemlich spät in den Abend hinein als Valerie wieder bei den – Ihrigen anlangte. Noch einmal hielt sie in der lauen, doch frischen und wohligen Luft der Höhen, in der tiefen Dunkelheit unter den Tannen des letzten Bergabhanges ihr Thier an auf dem Reitpfade, leise fröstelnd sich zusammenziehend vor dem schon bis hierher aufwärts hallenden Lärme des Thales. Auch die Lichter aus den hohen Fenstern der Säle, die Lichter von den Villen und Ortshäusern leuchteten bis hierher zu ihr auf. Bunte Lampen glänzten aus den Gartenanlagen und Baumgärten, und rothe, grüne und blaue phantastische Feuerwerkskünste erhellten hier und da auf kurze Augenblicke einen Fleck in der Finsterniß. Die große Fontaine trieb fort und fort ihre weiße Säule empor, hoch über die Baumwipfel vor dem Kurhause, und ihr Rauschen war ebenso deutlich zu vernehmen wie die Töne der musikalischen Abendunterhaltung, zu der man „Fräulein Tochter sicher zurück erwarten durfte“, wie Papa am Morgen aus „sicherster Quelle“ erfahren hatte.

Das müde Thier unter der Reiterin rührte sich kaum, auch Valerie saß jetzt regungslos im Sattel, den Ellbogen auf dem Knie, das Kinn mit der Hand stützend.

„Suche Dich zu besinnen!“ murmelte sie. „Wie sie das sagte da oben in ihrer Stille und Herzensruhe – in ihrer harten Sicherheit! Und ich soll zu ihm nicht weiter reden darüber, wie wir über ihn verhandelten?! Das ist nun ihre Meinung und Kenntniß von uns armem Volke! uns hastigen Schwätzern und nervösen Lärmmachern?! Wie sie jetzt im Frieden ihres Gottes sitzen und lächeln wird, nachdem sie sich mit Ruhe ausgeweint hat – wie sie in dem Herrn Mitleid haben wird mit der Welt Fratzen und Aufbegehren – mit der eifersüchtigen, neidischen, schelsüchtigen Thörin – mit dem Kinde, das nach der Tischecke schlug – mit mir! Besinnung, Besinnung! Wie ich sie hasse für den Ton, mit dem sie das Wort aussprach! Ja, was für ein Gesicht er wohl machen würde, wenn ich in einer halben Stunde Besinnung genug wieder gewonnen haben werde, ihm unter den Anderen die Sottise dieses Tages mit Lachen vor die Füße zu schieben? … Vorwärts, Beppo!“

Der Eselstoffel verstand das Wort trotz der Verwechselung seiner Persönlichkeit mit der eines Führers auf südlicheren Bergpfaden sofort.

„Dann weiter, Murjahn,“ brummte er, in seinem dicken Kopfe überlegend, daß er noch nie ein so kurioses Frauenzimmer, wie dieses, so einen Tag über, so über Stock und Stein, durch Wald und Bruch, durch Dick und Dünn habe vor Schaden bewahren müssen – zugleich das Trinkgeld nach der Kuriosität und seinem Verdienst, wie nach der Geduld seines Thieres abmessend und berechnend. „Verrückt sind sie meistens Alle,“ brummte der Eselstoffel, seinerseits die Albernheit dieses Tages in seiner verständigen Seele erwägend, „aber dies war doch die Tollste, die jemalen dem Murjahn und mir aufgesessen ist. Lacht sie oder weint sie, ist sie lustig oder wüthend und giftig, will sie einen Thaler herausholen oder euch mit der Gerte zwischen die Ohren oder um den Buckel hauen, das kriege Einer ’raus. Hört sie auf das hin, was Du ihr über Ortsangelegenheiten berichtest, oder thut sie ihre dummen Fragen nur, um Dich zum Besten zu haben, – der Teufel werde klug daraus. Ja, so sind sie, diese Vornehmen! Unklug sind sie Alle, und bringen die Einen es hier schon mit her, so werden die Andern es hier von unserer gesunden Luft und berühmtem Wasser, und wenn diesejenige es nicht schon lange in ihrer Heimath gewesen ist, so ist sie’s heute hier geworden. Mein Je, nur ihr Verkehr mit dem Fuchsbau im Schneebruch! Na, so soll sie mir aber nicht kommen wollen wie dem Räkel, dem sie nicht ’mal ’nen blutigen Groschen für seine Einladung zu seiner Köhlersuppe geboten hat. Mir soll sie schon ’ran für gute Führung und höfliche Unterhaltung. Mir soll sie schon den Geldbeutel ziehen, und nachher – adje, Fräulein, und schicken Sie mir bald eine Andere von Ihrer Sorte! So, und da sind wir ja wohl wieder ’mal zu Hause, Murjahn. Dir kann’s ja auch wohl egal sein, wer Dir morgen aufhuckt, wenn sie’s nur mit dem Gewicht nicht zu unmenschlich an sich haben.“

Sie hielten nun wieder auf dem Promenadenplatze an dem großen Springbrunnen, und der Knabe vom Berge mußte, seinem Grinsen im Schein der nächsten Laterne nach zu urtheilen, doch einigen Grund haben, mit seinem Honorar in der Hand einen Luftsprung zu thun. Er bezwang sich jedoch, wünschte mit stoischer Verdrossenheit eine wohlzuschlafende Nacht und meinte in seiner menschen- und weltverständigen Seele:

„Nur nicht diesem Volke zeigen, wenn man mit ihm ausnahmsweise zufrieden sein kann. Nichts wird leichter zäher und hartnäckiger und kommt einem armen Menschen infamigter mit der verfluchten Badetaxe vom Bahnhof an bis auf die weiteste schöne Aussicht, als wie die abgefeimte Bande!“ –

„Mein Gott, da ist sie ja!“

„Aber Kind, wo hast Du wieder einmal gesteckt?“

„Gnädigste, wie können Sie dieses verantworten? Totale Sonnenfinsterniß den ganzen Tag über. Allgemeines Trauern in Sack und Asche. Alles ein einziger Schrei nach Licht – unserem Licht, gnädigstes Fräulein!“

„Valerie, wo blieb unser Vertrag? Der Ritter ging umher mit Deinem Handschuh am Helm; aber die Dame hatte ihn diesmal durchaus nicht nöthig gehabt auf ihren Pfaden – wo bist Du gewesen, Cousine?“

„Wo die Welt mit Brettern vernagelt war, lieber Vetter. Selbst Du würdest mir wahrscheinlich dort nicht hindurch und weiter geholfen haben. Was ein harter Kopf vor solcher Wand auszurichten vermag, habe ich selber versucht, und ohne den geringsten Erfolg. Hast Dich aber mit der Rose da in Deinem Knopfloch wohl rasch getröstet, mein Tapferer. Alice wird den Busch wohl kennen, von welchem sie gerupft worden ist. Nun aber, Kinder, liebe Leute, bester Papa, ja, ich bin abwesend gewesen im Körper, und vielleicht auch ein wenig im Geiste, und nun bin ich wieder da, wieder unter Euch, und freue mich, Euch alle so vergnüglich wieder zu sehen, wieder zu finden. Natürlich nichts von Bedeutung vorgefallen während meiner – Abwesenheit, absence – demence?! Onkel Anton, Du bist ein Bibelkundiger; – was bedeutet: Und er macht sie irre auf einem Unwege, da kein Weg ist!? Das Wort soll im Buche Hiob stehen und ist mir heute dort oben in der Wildniß citirt worden; aber ich frage Dich wirklich besser danach, wenn wir Zwei einmal mit einander allein sein werden. Also, Ihr Anderen, nichts Neues unter uns Verständigen?“

„Neues? Vollkommene Oede, Wüste, Leere um uns her. Sämmtliche Fähigkeit, auf das Chaos, die Welt Achtung zu geben, erloschen mit der Verfinsterung der Sonne – unserer Sonne! O Fräulein Valerie, wie konnten Sie so sein? Einer aus unserem Kreise scheint unserem allgemeinen Schicksale ganz speciell gänzlich zum Opfer gefallen zu sein. Nun, Doktor, wie geht es Ihrem Patienten?“

Doktor Hanff, der soeben auf der Terrasse vor dem Kurhause in den Lichtschein, den Geigen- und Flötenklang der musikalischen Soirée und in die Unterhaltung eingetreten war, machte ein Gesicht, welches diesmal nicht völlig zu der Heiterkeit des Kreises paßte. Er zog auch die Schultern ein wenig in die Höhe, als er sagte:

„Ich darf leider den Herrschaften nicht verhehlen. daß mir der Zustand des verehrten Herrn einige Sorge macht. Nun, die erste Diagnose kann so aber nicht maßgebend sein für den Verlauf der Sache. Wir werden eben morgen weiter suchen müssen. Das Fieber ist freilich ziemlich hochgradig. Nun, wie gesagt, ich bitte Excellenz, den Zufall wenigstens nicht sofort von der bedenklichen Seite anzusehen.“

Das Auge Valeriens flog mit dunkler angsthafter Gluth im Kreise ihrer Freunde, Verwandten und Reisegefährten umher.

„Ist Jemand erkrankt?“ fragte sie leise, scheu, mit stockendem Athem.

[559] „Leider, wie es scheint, Dein besonderer persönlicher Gönner und Günstling, Baron Bielow, Kind,“ antwortete der Papa. „Der Doktor spricht von möglichen gastrischen Komplikationen; ich lese da wie immer in solchen Fällen nicht ohne einige Unruhe zwischen den Zeilen. Recht unangenehm! sowohl für den Betroffenen selbst, wie auch für seine nächste Umgebung; unter obwaltenden Umständen also auch für uns in seiner Nachbarschaft, unter Einem Dache mit ihm.“

„Kenne die Symptome noch ziemlich genau von Versailles her, meine Gnädige,“ meinte einer der älteren militärischen Begleiter. „Keine Idee von Sonnenstich, wie Komtesse Alice meinten; – Typhus ganz einfach. Was hatte auch der extravagante Mensch, wie das so allmählich in die Tagesordnung durchsickerte, überall herumzukriechen, um das in die Gesellschaft einzuschleppen? Excellenz haben ganz Recht – im hohen Grade peinlich diese Geschichte! Nicht so, Doktor?“

Doktor Hanff zuckte von Neuem die Achseln; aber Fräulein Valerie, deren Augen während dieser Unterhaltung von einem Gesichte zu dem andern im Kreise ihrer Gefährten umgewandert waren, schien die Betäubung wie in einem Krampfe von sich zu schütteln. Sie trat auf den Arzt zu, faßte seinen Arm und flüsterte ihm zu:

„Kommen Sie – reden Sie zu mir!“

Sie zog ihn einige Schritte abseits. Im Schatten des nächsten Baumes fühlte er ihren Athem heiß an seinem Gesicht:

„Was wurde da erzählt? Ich bitte, verzeihen Sie mir – ich bin den ganzen Tag im Freien gewesen, in der Sonne – dieser Lärm betäubt und verwirrt mich vollkommen. Wovon war da eben die Rede? Wonach fragte man Sie und was wußten Sie diesen Leuten zu sagen? … Was ist das mit dem Mann? Doktor, ich weiß es ja auch schon, wo dieser unbedachtsame Mensch während der letzten Tage herumgekrochen ist, und ich habe heute im Walde mit der Familie Fuchs zu Mittag gegessen, und ich war da oben auf der Vierlingswiese und im Pfarrhause beim Pastor Prudens Hahnemeyer. Ich hielt den Lauf der Stunden hier unten nicht länger aus. Ich habe mir von Ihrer kleinen Beguine aus Schmerzhausen ihren Friedhof und das Grab der Fee zeigen lassen. Nicht wahr, auch äußerst extravagant und absurd? Was ist mit dem Professor Bielow, Doktor Hanff?“

„Wenn mich nicht alle Erfahrung meiner Praxis täuscht, und Sie nicht getäuscht sein wollen, gnädiges Fräulein — das, was in der Familie Fuchs auf der Vierlingswiese seinen Willen gehabt hat! das, weßwegen Gemeinde und Vorsteher im Dorfe dort oben und ich von hier aus den Räkel und die Fee sammt ihren Jungen aus dem Orte in den Wald schafften – das Beste für alle Parteien, was sich thun ließ! Unser armer, braver, unvorsichtiger Herr hat sich meines Erachtens den Typhus – den richtigen Fleckentyphus – exanthematicus – aus der schlechtesten Gesellschaft in die beste mitgenommen. So ein alter Landphysikus weiß auch als ziemlich neugebackener Bade-Arzt bald, mit wem er es zu thun hat, und so sage ich Ihnen, liebes Kind, das jetzt schon offen heraus, was die übrigen hochverehrten Herrschaften leider demnächst auch werden erfahren müssen. Wie Excellenz und der Herr Major ganz richtig bemerkten – höchst peinlich, recht unangenehm für die Saison!“

„Ich danke Ihnen, Doktor,“ sagte Valerie. „Lassen Sie uns gute Freunde bleiben; das heißt, zählen Sie mich auch während unseres ferneren Verkehrs hier am Orte zu den Menschenkindern, die nicht als Unmündige zu behandeln sind.“

Sie gab, ehe sie zu der Gesellschaft zurücktrat, unserem wackeren Freunde Hanff die Hand, und er benutzte selbstverständlich die Gelegenheit, ihr den Puls zu fühlen. Dann ihr aus dem Schatten des Gebüsches in das Lampen- und Laternenlicht der Terrasse nachsehend, brummte er:

„Ziemlich normal! Wirklich ein prächtiges Mädchen! Hm, und da oben ist sie gewesen bei meiner lieben Phöbe und unserem im Herrn verdrossenen Knecht Gottes, Pastor Prudens Hahnemeyer? Mit dem Räkel und seinen Jungen hat sie am Waldfeuer aus Einem Napf gegessen? Die Vierlingswiese hat sie sich angeguckt und das Grab der Fee? Da addire Dir nur mal Allerlei zusammen, Bruder Hanff! Nun, jedenfalls wird sie bei ihrer Bluttemperatur das Ihrige thun, den Schrecken des alten Pan uns so lange als möglich hier von Daphnis und Chloe, Amynt und Solimene fern und die Heerde beisammen zu halten.“

Das Koncert war beendet, die Symphonie Beethoven’s verklungen, und von den glänzend hellen Sälen her erscholl jetzt wieder die Aufforderung zum Tanz lustig und laut. Valerie, durch das Gewühl schreitend, hörte den Räkel am Feuer unter den Windfallhölzern vom Leben und Sterben auf der Vierlingswiese erzählen; sie sah Phöbe auf ihrem Eigenthum in der Abendsonne stehen: „Suche Dich zu besinnen!“ hatte sie gesagt; und zur Rechten und Linken Begrüßungen, freundlichem Wort und Scherz sich neigend, suchte Valerie aus ihrer Verwirrung es herauszudenken, ob und wie auch ihr Bild wohl auf dem Lärm dieser Menschen und dieser Hörner, Pauken und Trompeten in die Fieberträume des erkrankten Freundes in dem großen unruhvollen Gasthause nebenan hineingetragen werde?!


17.

Landphysikus Doktor Hanff hielt wieder vor dem Pfarrhause des Pastors Prudens Hahnemeyer, stieg ächzend, schwerfällig ab, oder kletterte vielmehr herunter von dem geduldigen Berufsgaul, schlang den Zügel in den Ring am Thürpfosten und rief kräftiglich sein: „Holla, Freundschaft!“ aus dem heißen Sonnenschein der Landstraße auf den kühlen dunkeln Hausflur hinein. Da selbstverständlich Niemand antwortete, durchschritt er das Haus und fand im Garten in der Laube an der Kirchhofshecke Bruder und Schwester in gewohnter Weise wortlos einander gegenüber, den Pfarrer über einem Buche, Fräulein Phöbe mit einer weiblichen Arbeit beschäftigt.

„Glück auf!“ sprach der Doktor, als der Erstere emporsah und die Andere sich von ihrer Bank erhob, den alten fröhlichen Bergmannsgruß, der manchen Kurgast da unten so anmuthete, daß der nunmehrige schlaue Bademedikus gern den Leuten den Gefallen that und ihn in seiner sommerlichen Honoratiorenpraxis überall da anwendete, wo er ihm hinzupassen schien; obgleich er sonst allgemach gut genug mit den landläufigeren Formeln der Höflichkeit umzugehen wußte.

„Nur einen Augenblick, liebe Kinder,“ rief er, seinen Strohhut auf den Gartentisch werfend und sich seufzend auf dem nächsten Sitze niederlassend. „Ein Sommer diesmal, wie er gewöhnlich nicht im Buche steht, hier wenigstens bei uns zu Lande. Dazu die ersten Masern- und Scharlachfälle der Saison im Dorfe – enorm die Hitze bergauf – Pflichtgefühl, moralische und sonstige Verantwortlichkeit! Na, Pastore, in Ihrer Gegenwart darf man sich wohl nicht die Andeutung erlauben, daß man mit zunehmenden Jahren und abnehmendem Haarwuchs die Berechtigung erlange, allmählich dafür zu danken?! Ja, ja, man merkt’s allgemach, daß man älter wird! Nun, wie steht’s hier, junges Volk? Wie gewöhnlich? Desto besser. Blut- und Hauttemperatur normal? Kühl bis ans Herz hinan? Jawohl, Fräulein Phöbe, liebste Kollegin, nur nicht lange fragen; auch für einen kühlen Trunk würde ich Ihnen in der That sehr verbunden sein.“

Er bekam, was das Haus zu bieten hatte, und war zufrieden damit.

„Besten Dank, Kollegin. Nun etwas Feuer auf die Pfeife, und wir haben Alles beisammen, was dazu gehört, so einem alten Dorf- und Waldpraktikanten im Schatten unter guten Freunden wieder zum Aufathmen zu helfen. Uebrigens, Kollegin, Mitdorf- und Waldpraktikantin, haben Sie eigentlich eine Ahnung davon, wie sehr sich Unsereiner doch dann und wann zu gratuliren hat, wenn er so einen lieben Puls gleich dem Ihrigen immer noch im regelrechten Takte vorfindet? Da kommt, Gott sei Dank, die alte Erfahrung von Neuem heraus, daß wir vom Handwerk allesammt so ziemlich in der gleichen Weise gefeit sind. Lauter hörnene Siegfriede und Kunigunden, wir Quacksalber und Heilgenossen und Genossinnen mit und ohne Approbation eines hohen Obermedicinalkollegiums! Es sollen eben beiläufige Amateurs die Hände vom Geschäft lassen und ihre Nasen, der malerischen Situationen wegen, nicht in Typhushütten stecken und melodramatische Scenen an Exanthemleichen agiren. Das Ding hat seine Haken, Sporen, wie man das jetzo nennt, und einer davon genügt hier und da, solchen Liebhaber tragischer Touristenerlebnisse scharf bergab zu ziehen, auch aus der besten, liebenswürdigsten und respektabelsten Gesellschaft heraus!“

Mit großen starren Augen sah Phöbe Hahnemeyer auf den Arzt.

[560] „Ja ja,“ fuhr der fort, wie ein Mann, der wohl weiß, wie er eine bedenkliche Botschaft zu hinterbringen hat, „das wären ungefähr so die Augen, die er stellenweise in seinen Phantasien um sich zu sehen glaubt und von denen er uns seltsame Geschichten erzählt. Der Haken sitzt ziemlich tief im Fleisch und hat in gewohnter Weise den Intellekt mitgefaßt. Wir können und sollen eben nicht Alle verlangen, daß Madame Ansteckung und Monsieur Thanatos, auf Deutsch Freund Hain, jedesmal Spaß verstehen oder – den Ernst gelten lassen, wie – bei Unsereinem, Fräulein Phöbe.“

Nun blickte auch der Pfarrer betroffener auf.

„Von wem reden Sie da eigentlich, Doktor?“ rief er. „Bitte, nehmen Sie uns, meine Schwester und mich, für das was wir sind – Leute, die nicht leicht Räthsel rathen.“

„Von wem ich eigentlich rede? Nun, zum Henker, von wem denn sonst, als Eurem intimen Freunde und neulichen Gastfreunde!“ rief Doktor Hanff, nicht ohne einigen Grimm die Faust mit dem Maserpfeifenkopf schwer auf den Tisch fallen lassend. „Räthsel aufgeben? ja wohl, da kommt man mal wieder auf die Kosten seiner Humanität, wenn man die Gefühle seiner guten Bekannten wie rohe Eier anzufassen wünscht! Räthsel rathen? durchaus nicht nöthig. Drunten liegt er, Euer Freund, Kommilitone – was weiß ich, – der Musjeh, wie nennt er sich doch gleich? Freiherr – Doktor – Professor – von Bielow. Wie oft er ungestraft unter Palmen promenirte, ist mir nicht bekannt: aber unter den Tannen der Vierlingswiese hat er jedenfalls nicht straflos gewandelt. Eine recht nette Brühe hat uns der leichtsinnige Mensch da unten an den Braten gegeben – sämmtliche Hautevolée auf die Beine, in die Hôtelwagen und auf die Eisenbahnzüge gebracht – Papiere der Aktiengesellschaft für diesmal um fünfzig Procent gesunken, und meine dito mit – ich danke dem Herrn Baron und Professor aller möglichen Staatswissenschaften ganz gehorsamst.“

Der Pfarrer hatte sich erhoben; Phöbe hatte nur ihre Arbeit auf dem Tische niedergelegt und ihre Hände flach darauf. So saß sie regungslos und blickte mit den Augen, die der Kranke in seinem Fiebertraume vor sich sehen sollte, immerzu auf den schreckensvollen Boten aus dem Säculum, das Wort an ihn der ganzen Welt – jedem Andern lassend.

„Veit Bielow?!“ rief Prudens Hahnemeyer.

„Leider der selbige Herr, den ich meine! Zugleich ein Sänger und ein Held!“ seufzte Doktor Hanff, wirklich bekümmert den Kopf schüttelnd. „Glauben Sie nicht, meine Verehrten, daß ich hier dem Manne Uebles nachzureden wünsche. Im Gegentheil! Der Fall frißt selbst Unsereinem noch durch die Haut. Der brave Kerl hat seine letzten lichten Augenblicke nicht etwa nur dazu nach der gewohnten Art benutzt, seinen Gefühlen Luft zu machen und seine sonstigen Verhältnisse zu ordnen, sondern er hat nach Kräften in Betreff seiner eigenen möglichsten Unschädlichmachung verfügt und seinen Willen hierin sogar auch schriftlich, wenn auch bereits etwas unleserlich und konfus von sich gegeben. Zu der Familie Fuchs wünschte er geschafft zu werden; er redet viel von dem Räkel und der Fee. Auf der Vierlingswiese wollte er in Pflege gegeben sein, und es hat schwer gehalten, ihm begreiflich zu machen, daß das nicht angehe. Er beruft sich immer noch dabei auf Sie, Phöbe, und spricht von seiner Berechtigung hier oben bei Euch! Wohin wollen Sie, Fräulein? nur Ruhe – ruhig Blut. Den Umständen nach haben wir den armen Teufel nach seinen Wünschen bestens versorgt. Pekuniäre Mittel im Ueberfluß zur Verfügung – Zimmer im Hôtel ausgeräuchert, abgekratzt, neu tapeziert – Alles, was dazu gehört, nach dem neuesten Stande der Wissenschaft – Kaliseifenlauge, Karbollösung, Bromdampf. Wollen Desinfektionslehre doch nicht blos in ihrer Anwendung auf die Praxis hier bei Euch studirt haben, Pastore –“

„Und der Kranke selbst?“

„Nun, da traf es sich denn recht angenehm, daß das alte auf Abbruch verkaufte Siechenhaus drunten noch nicht abgebrochen war und also für einen Patienten mit den nöthigen Mitteln zur komfortabeln Einrichtung für den Fall zu freiester Verfügung stand. Ich habe immer in den Gemeindesitzungen und im Kurkommissariat dafür gesprochen, daß man mit dergleichen Nothbehelfen, selbst zum Besten des Ortssäckels, nicht zu leichtfertig umspringen solle – und da haben wir’s nun in deutlichster Weise demonstrirt gekriegt! Wie kommt ein solcher Glanz in meine Mauern? kann heute das alte, ruppige, niederträchtige Gebäu mit Recht fragen. Villa Bielow mag es sich von jetzt an bis zum Ende seiner Tage nennen. Die Uebersiedelung des Kranken ist ohne Anstand vor sich gegangen. Was gute, wenn auch schreckhaft aufgeregte Bekannte an Theilnahme zu bieten hatten, ist geboten worden; für die ersten nothwendigen Bequemlichkeiten brav gesorgt, für die am Ort mangelnden nach allen Richtungen hin geschrieben und telegraphirt. So weit wäre das so ziemlich in Ordnung, und den Umständen nach ist das ja auch wohl immerhin ein Trost. Na, es redet wenigstens Niemand ihm und mir in die Sache hinein, und das ist jedenfalls und unbedingt ein Vorzug, den nicht jedes von Zärtlichkeit und Liebe umgebene Krankenbett sowohl dem Patienten, wie dem behandelnden Arzte bietet.“

Zögernd fragte Phöbe: „Seine Freunde – seine Freunde sind doch um ihn geblieben? sie haben ihn doch nicht allein gelassen in seiner Noth?“

Da aber wies Doktor Hanff’s Gesicht nach einander so ziemlich sämmtliche Affekte, zu deren Darstellung so eine wohl gegerbte alte Landdoktorenphysiognomie noch fähig war, bis sich ein ganz merkwürdiges Gegrinse über alles hinlegte und fest liegen blieb.

„Um ihn geblieben? Ihn nicht in seinem Pech allein gelassen? Kind, Kind, natürlich könnte ich diesen ganzen Sommertag lang von der Komödie im Einzelnen und im Ganzen erzählen! Schade nur, daß man selber zu hauptsächlich drin mit zu spielen hatte, um völlig objektiv und genußfähig bleiben zu können. Eh, Phöbe – gute, kleine, kluge Kollegin aus Halah, meinen Sie wirklich, daß Das aus anderem Teig gewälzt ist, als unsere Leute hier im Dorfe? Der Herr erleuchte Ihre unschuldige Seele, Herzenskind! Wie unsere Leute hier im Dorfe die Fee mit ihrem Räkel und ihren Jungen, so haben jene braven Freunde und Nachbarn den Herrn Professor, Freiherrn Veit von Bielow in die Hand Gottes und auf die Vierlingswiese abgeschoben. Nur mit etwas anderem Pathos! Gedrückt haben sie sich, ausgerissen sind –“

„Alle?“ fragte Phöbe mit bebender, kaum vernehmbarer Stimme „Alle sind sie von ihm gegangen?“

„Nun, gerade wie hier bei Euch im Dorfe, wo auch wohl Einige vorhanden waren, die bei dem Volkmar Fuchs und seiner Fee ausgehalten hätten; aber doch durch die und die Umstände daran verhindert wurden.“

„Alle!“ murmelte Phöbe.

„Da war die liebe, heitere Excellenz. Ich habe selten einen so außer sich gerathenen Menschen gesehen, wie den Herrn Geheimrath da unten! Und der gute Onkel Anton, den unser diesjähriger Stern, das gnädige Fräulein – Fräulein Valerie, aus mir unbekannten Gründen gewöhnlich als ‚meinen Onkel Toby‘ einzuführen pflegte. Ich habe nie einen Mann unter meiner Sommerklientel gehabt, der mir beim Abschiede am Eisenbahnkoupé mit gleichbewegter Hand die Dose präsentirt und mit gleich affektionirter Stimme gesagt hätte: Wir verlassen uns ganz auf Sie, Doktor; – ich bitte Sie um Himmelswillen, thun Sie Ihr Bestes und geben Sie uns jedenfalls Nachricht! Ei, und die Damen! was soll ich Ihnen von den Damen sagen, Phöbe? ‚Aufgelöst‘ ist das einzige Wort, was ich für sie habe; – freilich, Komtesse Alice fand die Art und Weise, wie der Herr von Bielow diese entsetzliche Katastrophe über das ganze reizende und so vom schönen Wetter begünstigte Zusammensein so muthwillig herauf beschworen habe, auch nach meiner Meinung nicht ohne Grund, wenig gerechtfertigt.“

„Es war Eine neulich – vor vier oder fünf Tagen, wahrscheinlich aus jenem Kreise – hier bei uns,“ sagte Pastor Prudens. „Sie kam, ohne recht zu erklären, weßhalb; und einen angenehmen Eindruck hat sie nicht auf mich gemacht, aber sie schien selbstbewußt und willenskräftig im Sinne der Welt, und sie führte sich bei uns ein als meines Jugendfreundes gute Freundin oder Bekannte –“

„Fräulein Valerie selbstverständlich!“ rief Doktor Hanff. „Ich war der Erste, dem sie von ihrem Ausfluge hierher Mittheilung machte, und zwar unter dem Eindrucke meiner Mittheilungen an sie. Ja, ich fühle noch ihren Griff hier am Oberarme, obgleich sie sonst unter allen Umständen recht gut Fassung zu behalten wußte. Ein Prachtmädel! Von Gottes Gnaden dazu geboren, ihren liebsten Verwandten am liebsten die grüne Welt blau, und die rothe gelb vorzuführen! Wie oft habe ich ihretwegen Papa Excellenz seinen Kopf mit beiden Händen halten sehen! wie häufig

[561]

Karl der Fünfte empfängt Franz Pizarro vor der Eroberung Perus.
Nach dem Oelgemälde von Angel Lizcano.
Nach einer Photographie von B. Schlesinger’s Kunstverlag in Stuttgart (J. Laurent u. Comp. in Madrid).

[562] die übrigen Herrschaften vollkommen farbenblind, mit dem Lächeln halb der Rathlosigkeit, halb des Stumpfsinns um sie herum! Ja, hat auch mit fortgemußt, und diesmal ist an ihr die Reihe gewesen, in rathloser Betäubung am Arme des guten Onkels Toby, oder Antonio oder wie sie ihn sonst zu beliebnamen pflegte, beim Einsteigen in den Wagen zu lächeln. Und Sie, Phöbe, läßt sie ganz besonders grüßen – schade, daß ich Ihnen ihr Gesicht nicht dazu mit herauf bringen konnte. Was Sie so ganz speciell mit ihr gehabt haben während ihrer Visite hier oben, wird Ihre Sache bleiben, Fräulein Hahnemeyer. Aber sie hat jedenfalls sich genaue Auskunft holen wollen, wo Professor Bielow im Busch herumgekrochen ist, ehe er sich dem geselligen Flug drüben bei uns wieder anschloß. Also die Dame hat Ihnen recht herzlich mißfallen, Pastore?“

„Sie kam laut, lärmend, geschwätzig – ich kenne sie jedoch nicht weiter und habe sie meiner Schwester gelassen. Phöbe aber will auch wohl die Welt nur in der Farbe sehen, die ihr der Schöpfer von Anbeginn gegeben hat. Wir haben nachher wenig mehr von ihr geredet unter uns. Willst Du dem Doktor sagen, was das Fräulein bei uns, oder sogar im Besonderen bei Dir gesucht hat, Kind?“

„Sie kam, unsern Kirchhof sich von mir zeigen zu lassen – das Grab der armen Anna Fuchs,“ sagte Phöbe Hahnemeyer kaum vernehmbar; und sehr anzuerkennen war’s, daß Landphysikus Doktor Hanff nicht einen langen verständnißvollen Pfiff lautbar werden ließ, sondern ihn nur nach inwendig that; ebenso wie er das Wort: „Meines Patienten Kapitalanlage in liegenden Gründen!“ bei sich behielt.

„Unsern Kirchhof? Das Grab der verstorbenen Frau Fuchs?“ fragte Prudens.

„Die Aussicht von dort ist überraschend, was Sie vielleicht noch nicht einmal bemerkt haben, Pastor,“ sagte Doktor Hanff. „Ich habe es schon häufig für eine angenehme Pflicht gegen Ihre Gemeinde gehalten, meine Leutchen da unten hierauf aufmerksam zu machen.“

„Ich weiß gerade nicht, ob ich Ihnen dafür zu Dank verpflichtet bin,“ murrte Pastor Hahnemeyer. „Uebrigens machte mir jene Dame nicht den Eindruck, als ob sie nur der schönen Aussicht wegen zu uns gekommen sei. Phöbe, Du warst den Abend verstört und unruhig; es fällt mir jetzt nachträglich recht auf. Weßhalb läßt sie Dich im Besondern grüßen? Was hat sie mit Dir gehabt? was hat sie von uns gewollt?“

Bleich, zitternd hatte sich die Schwester aus Halah von der Bank erhoben. Sie ging zu ihrem Bruder und faßte ihn in die Arme, als wolle sie Schutz bei ihm suchen.

„Ich weiß es nicht – ich weiß es – sie wollte das Grab der Fee sehen und den Platz, den Dein Freund für mich und – für sich gekauft hat, um den armen Volkmar Fuchs zu zwingen, sich nicht länger im Zorn gegen uns zu wehren. O, laß uns aber hiervon erst später reden! Er liegt nun krank wie die Anna, und – sie sind Alle, Alle von ihm gegangen und haben ihn allein in seiner Noth gelassen, allein in der Fremde! Auch die, welche kam, um mich zu suchen, um mir Vorwürfe zu machen, ist von ihm gegangen, und ich weiß nicht, wie Gott mir helfen wird!“ …

Wenn je Einer mit sich unzufrieden und rathlos in einem wackern Herzen, auf einem Doktorgaul den Weg zu Thal geritten war, so war’s an jenem Tage Landphysikus Doktor Hanff. Und wenn je Einer rathlos in seiner Seele auf dem zersprungenen Gipsfußboden der Studirstube so vieler Pfarrer des Bergdorfes hin und her geschritten war, so war das der gegenwärtige Pastor und unruhige Gast des Hauses, Prudens Hahnemeyer. Aber Spörenwagen hat am Abend des Tages längere Zeit einen lieben Besuch in seiner Werkstatt bei sich gehabt, und nachdem er denselben in der Dämmerung bis ans Dorf zurück begleitet hatte, hat er noch lange mit untergeschlagenen Armen an seiner Hobelbank gelehnt und zuletzt kopfschüttelnd gemeint:

„Sie hat sich von mir wegen ihrer Verpflichtungen auf der Erde und gegen die Welt Raths holen wollen! Sie!“ …

(Fortsetzung folgt.)

Vor der Eroberung des Goldlandes Peru.

(Mit Illustration S. 561.)

Karl V., in dessen Reich die Sonne niemals unterging, stand eben auf der Höhe seines Ruhmes. Die Schlacht bei Pavia war geschlagen, Frankreich zu Boden geworfen und der ritterliche Franz I. Karl’s Gefangener. Auch Italien mußte sich vor den siegreichen Waffen des spanischen Herrschers beugen, auf dessen Haupt sich Kronen unermeßlicher Reiche vereinigten. Er stand eben im Begriff, sich zum deutschen Kaiser krönen zu lassen, als Ferdinand Cortez ihm das Scepter des alten Aztekenreiches zu Füßen legte und in Sevilla ein Mann landete, der die in der Neuen Welt bereits eroberte Beute zu verzehnfachen und in den Ruhmeskranz Spaniens frische Lorbeerzweige zu winden gedachte.

Dieser Mann war allerdings ein Abenteurer schlimmster Sorte, dessen Vergangenheit mehr dunkle Flecke als lichte Strahlen aufwies. In Sevilla wußte man noch ganz genau, daß Franz Pizarro in seiner Jugend Schweinehirt gewesen – und dazu ein schlechter, der seinem Herrn davonlief. Dann war er gemeiner Söldner in dem nach Italien abgesandten Heere und ward nach Jahren nach Sevilla verschlagen, von wo er, der unersättlichen Lust nach Abenteuern folgend, sich nach der Neuen Welt einschiffte. Was er dort gethan und geleistet, das war noch in unklares Dunkel gehüllt; gewiß aber soll er geraubt und geplündert haben für Drei. Dieser Mann setzte jetzt den Fuß auf den spanischen Boden, um in grenzenloser Vermessenheit den König selbst von Angesicht zu Angesicht zu schauen! Brachte er etwa große Schätze mit, welche der Krone Spaniens stets willkommen waren? Er sah danach nicht aus, aber seine Schulden aus alter Zeit hatte er in Sevilla nicht bezahlt, und so machte man mit dem Angekommenen kurzen Proceß und warf ihn ins Gefängniß.

Doch da kamen Boten des Königs, die ihn frei ließen und nach Toledo, wo der Hof gerade versammelt war, beorderten. Die amtlichen Nachrichten über Pizarro lauteten doch günstiger als sein Ruf, den der Volksmund verbreitete. Oft, bei wichtigen Anlässen war sein Name in den Berichten der Statthalter von Darien, der aufblühenden spanischen Kolonie an der Landenge von Panama, erwähnt worden. Er war Einer jener berühmten Spanier, die von der Spitze eines Hügels zum ersten Mal die unendlichen Wogen des Stillen Oceans mit ihren erstaunten Blicken maßen und mit ihrem Heldenführer Balboa das erste Te deum im Angesicht des neuentdeckten Weltmeeres sangen. In den Kriegs- und Raubzügen gegen die Küstenindianer hatte er sich oft hervorgethan, ein tüchtiger und unermüdlicher Fußgänger, wußte er tagelang die Spur des Feindes im Urwald zu verfolgen und ruhte nicht eher, bis er sein Ziel erreichte. Auch war er mitgewesen auf jenen Schiffen, die jenseit der Neuen Welt die unbekannten Fluthen mit ihrem Kiel theilten, um, gegen den Süden steuernd, das Goldland zu entdecken. Sechs Sonnen von Darien entfernt, so erzählten die Indianer, liege das Land, in dem das Gold wachse und in dem die Mächtigen in großen Palästen wohnen, nur von goldenen und silbernen Schüsseln essen und riesenhafte aus reinem Golde geschmiedete Götterbilder anbeten! Seit der Entdeckung und Eroberung von Mexiko schenkte man solchen Berichten den vollsten Glauben und wartete ungeduldig auf die erste Kunde von der Entdeckung dieses „Goldlandes“ – und die Kunde kam, und Pizarro war der glückliche Pfadfinder: er hatte, wenn auch vorerst aus der Ferne, das gelobte Land der spanischen Abenteurer geschaut. In Anbetracht solcher Verdienste vergaß ihm der Kaiser seine Vergangenheit und gewährte ihm die Gnade einer Audienz.

Welch ein Gegensatz tritt uns in diesen beiden Männern entgegen! Kaiser Karl V., ein hervorragender Staatsmann, der sich mit weitgehenden Plänen befaßt und das Errungene auszubauen und zu erhalten trachtet; Franz Pizarro, ein gleichfalls weithinaus schauender Geist, der jedoch nur Raubzüge plant und Zerstörung brütet. Kaiser Karl, der, von tiefer Religiosität erfüllt, in schönen Künsten und Wissenschaften Erholung sucht und im späten Alter die Geschichte seines großen Lebens niederschreibt; – Pizarro, ein blinder Fanatiker, der nicht einmal seinen Namenszug schreiben gelernt und unter wichtige Aktenstücke elende Krakelfüße setzt!

Und doch wußte Pizarro in den Prunkgemächern des Schlosses zu Toledo, ein geschickter Anwalt seiner Sache, Karl V. so zu rühren, daß der Kaiser Thränen vergoß und auf die Pläne des Emporkömmlings bereitwillig einging. In jener Audienz legte der ehrgeizige Abenteurer den Grundstein, auf dem er sein späteres Wirken aufbaute und jene Geschichte der Eroberung und Vernichtung Perus einleitete, die mit Recht eine teuflische Tragödie im Paradiese genannt wurde.

In der spanischen Kolonie Darien, so etwa lautete der Bericht Pizarro’s, faßte er mit zwei anderen Männern den Plan, das Goldland Peru zu entdecken und für seinen König zu erobern. Almagro, ein Mann ebenfalls dunkler Herkunft, aber kriegerischen und ehrgeizigen Geistes, und Pater Luque, ein in Geschäftssachen bewanderter und vermögender Geistlicher, waren seine Genossen. Alle Drei leisteten den Schwur auf ihr Bündniß und nahmen die dreifach getheilte Hostie, daß sie einander treu beistehen und Mühen und Gewinn redlich theilen wollten.

Um die Mitte November 1524 lichtete das Schiff Pizarro’s im Hafen von Panama die Anker und steuerte nach dem geheimnißvollen Süden. Der Stille Ocean strafte sich selbst Lügen; Stürme folgten auf Stürme, und nur mit unendlicher Mühe, unter fortwährender Lebensgefahr gelang es den Schiffern, das Kap de Piñas, den südlichsten damals bekannten Küstenpunkt, zu umschiffen. Neue Küstenstrecken tauchten auf, aber jeder Landungsversuch brachte Pizarro nur bittere Enttäuschung. Nirgends ein Zeichen der Kultur, überall dichte, sumpfige Wälder, in denen Fiebermiasmen brüteten und unzählige Mückenschwärme hausten! Endlich nach [563] siebzehntägiger Fahrt winkte ein freundlicher Hafen. Hier landete man – aber von der Besatzung des Schiffes waren nur noch achtzig Mann am Leben; vierunddreißig „schliefen bereits den Todesschlaf auf dem Grunde des Meeres“.

Die Nahrungsmittel waren ausgegangen, die Hungersnoth drohte, und so beschloß Pizarro, mit dem größten Theil der Mannschaft an Ort und Stelle zu bleiben und das Schiff nach den Perleninseln zu senden, damit es frische Vorräthe bringe. Siebenundvierzig Tage harrte er auf dessen Rückkehr und kämpfte inzwischen mit den fürchterlichsten Gegnern, mit Hunger und Krankheit, denen wiederum zwanzig Mann erlagen, denn die blendende Pracht der tropischen Natur erwies sich trügerisch und wollte die Fremden nicht nähren. Seethiere, Muscheln, Eidechsen, saure und bittere Früchte bildeten ihre kümmerliche Nahrung – und die Ueberlebenden trennten sich von dem freundlich dreinschauenden Gestade, indem sie es Puerto del hambre, das heißt Hungerhafen, nannten. Endlich wurde ein von kriegerischen Kannibalen bewohntes Dorf erobert und darin einige Goldsachen gefunden, aber schon am nächsten Tage mußten die Spanier unter starken Verlusten der Uebermacht weichen.

Glücklicher war Almagro, der mit dem zweiten Schiffe Pizarro gefolgt und auf Dörfer mit reinlichen Wohnungen gestoßen war, auch etwas mehr Gold erbeutet hatte.

Mit ähnlichen Entbehrungen, aber mit glücklicherem Enderfolg war die zweite Fahrt nach Peru verbunden. Auf der hohen See traf Almagro ein großes Schiff, eigenartig gebaut, aus dicken, rohrartigen Stämmen einer leichten Holzart, welche mittelst Hanfstricken zu einem Floß zusammengefügt waren. Ein Häuschen stand darauf, an dünnen Stämmen waren Segel befestigt, große Steine dienten als Anker. Die Spanier trafen mit peruanischen Händlern aus der Stadt Tumbez zusammen. Die ersten Anzeichen einer eigenartigen Kultur traten ihnen entgegen; reicher Gold- und Silberschmuck, feine wollene oder baumwollene Kleider, in welche prachtvolle farbige Muster eingenäht waren, wurden eingetauscht, und Pizarro konnte sie jetzt seinem König vorlegen. Im Kodex 120 der Wiener Bibliothek ist eine ausführliche Liste jener zum ersten Mal eingetauschten peruanischen Waaren vorhanden.

Und trotzdem drohte dem Unternehmen ein schmachvolles Ende. Die Kunde von den zahllosen Menschenopfern, welche die Expedition forderte, veranlaßte den Gouverneur von Darien zu energischen Maßregeln. Er sandte ein Schiff nach der Gorgo-Insel, auf welcher die Spanier noch schlimmere Noth als in dem Hungerhafen zu dulden hatten, damit es Pizarro und seine Mannschaft zur Rückkehr nach Panama zwinge.

Die Leute Pizarro’s haben jene Insel „die Hölle“ genannt und waren gern bereit, der Aufforderung des Schiffskapitäns zu folgen. Da sprang Pizarro auf, zückte sein Schwert, zeichnete eine Linie auf dem sandigen Boden von West nach Ost und rief nach Süden zeigend: „Castilianer! Dieser Weg führt nach Peru und seinen Schätzen, jener nach Panama und an den Bettelstab. Wählt! Wenn Ihr auch Alle mich verlaßt, ich allein werde das Goldland erobern.“

Er überschritt die Linie; nur dreizehn folgten ihm, und die Geschichte Spaniens nennt sie „die berühmten dreizehn“ (Los trece de la fama).

Endlich wurde der Hafen von Tumbez erreicht. Staunend sahen die Spanier eine große von starker Veste überragte Stadt. „So weit das Auge reichte, erstreckte sich landeinwärts eine grünende, fruchtbare, von wohl angelegten Kanälen bewässerte Ebene, gleich einem Gemüsegarten.“

Gastfreundlich wurden die Fremden empfangen, und nach Begrüßung und Bewirthung eines in der Stadt gerade anwesenden Inka an Bord des spanischen Schiffes ging der Spanier Alonso de Molinas in Begleitung eines Negersklaven ans Land. Nach seiner Rückkehr pries er den Goldreichthum und die Wohlhabenheit der Einwohner, und sein Bericht veranlaßte Pizarro, anderen Tages einen zweiten Kundschafter nach Tumbez zu senden.

„Pedro de Candia, so hieß er, legte sein glänzendes Panzerhemde an, setzte einen funkelnden Helm auf, nahm den blitzenden stählernen Schild an den Arm, gürtete sein Schwert um und bewaffnete sich noch außerdem mit einer Arkebuse.

So ausgerüstet betrat er die Stadt, wo seine Erscheinung begreiflicherweise die höchste Verwunderung hervorrief. Hell leuchteten und blitzten Rüstung und Waffen in den Strahlen der tropischen Sonne: Das war ein Huirakotscha, ein wahrer ‚Sohn des Glanzes‘, den Blitz und Donner in seiner Hand! Pedro de Candia nämlich unterließ nicht, seine Donnerbüchse gegen ein Brett abzufeuern, daß die Holzsplitter umherflogen. Um aber doch den Halbgott näher auf seine himmlische Sendung zu prüfen, ließ man einen Jaguar auf ihn los.

Anstatt den Spanier anzufallen, soll sich der Tiger demüthigst zu seinen Füßen geschmiegt haben. Von nun an unterlag es keinem Zweifel: der Fremdling war ein Sohn des Sonnengottes und mußte als solcher nach dem Tempel seines Vaters geleitet werden.“[2]

Der Bericht Pedro’s de Candia überstieg noch die Mittheilungen des ersten Kundschafters. Der Tempel des Sonnengottes war inwendig von oben bis unten mit Goldplatten getäfelt; in dem Palast des Herrschers, der für seinen zeitweisen Aufenthalt in der Stadt bestimmt war, bestanden sämmtliche Gefäße aus lauterem Gold und Silber, und in dem diesen Palast umgebenden Garten sah man goldene und silberne Menschen- und Thierbildnisse, Bäume und Gesträuche aus gleichem edlen Metall. In der Stadt herrschte überall die trefflichste Ordnung. Durch die reinlichen Straßen zogen sich Wasserkanäle, wohlgepflegte Bäume beschatteten die Plätze. In den Häusern überall Ueberfluß an Nahrungsmitteln und fein gewebten Stoffen! Und Tumbez war nur die Hauptstadt einer entlegenen Provinz des großen Inkareiches.

Es war kein Zweifel mehr: das Goldland, von dem die Indianer fabelten, war entdeckt worden. Mit geheuchelter Freundschaft und geheuchelter Gesittung zogen die Spanier längst der fruchtbaren Küste heimwärts, um bald in größerer Zahl zurückzukehren und die Rechte der Eroberer geltend zu machen.

Auf Grund dieser Berichte erhielt Pizarro von Karl V. die nöthigen Vollmachten und zog drei Jahre später, 1531, an der Spitze von 180 Soldaten und 37 Reitern in Caxamarca ein. Mit dieser Handvoll tollkühner Abenteurer wagte er den Riesenmarsch über die Anden, wagte, den Inka inmitten seines 50000 Mann starken Heeres gefangen zu nehmen, und brachte es fertig, das „Reich der vier Sonnen“ und eine der eigenartigsten Kulturen der Welt im Laufe weniger Jahre zu vernichten. J.     


  1. Vergl. „Gartenlaube“, Jahrgang 1884. S. 624.
  2. Vergl. „Das Inka-Reich“. Von Dr. B. Brehm. Jena, Fr. Mauke’s Verlag.

Wie schützen wir uns vor giftigen Pilzen?

Ein Wort zur Bekämpfung des Küchenaberglaubens. Von Paul Kummer.

Der schlimmste Aberglaube ist derjenige, welcher alle Spuren seines dunklen Ursprungs, alle seine Beziehungen zu dem Teufel und sonstigem Geisterspuk längst abgestreift hat und nur als harmlose Lebensregel oder allgemein anerkannte schlichte Meinung uns entgegentritt. Er ist der schlimmste und gefährlichste zugleich. Ein solcher Aberglaube hat sich seit alter Zeit in unseren Küchen eingenistet und bringt noch heute sehr vielen leider – Tod und Verderben.

„Nur keine Furcht vor Pilzen!“ raunt dieser Kobold mit beruhigendem Tone der gewissenhaften und darum beim Ankauf von Pilzen mit Recht sehr ängstlichen Hausfrau zu, „man muß nur das überaus einfache Merkmal kennen, wodurch beim Kochen die giftigen sich jederzeit kenntlich machen. Thue einen silbernen Löffel hinein und achte sorgsam darauf, ob er beim Kochen durch die Pilze schwarz wird: ist das der Fall, so sind sie giftig, bleibt der Löffel weiß, so sind sie eßbar. Sage, was willst Du noch mehr? Giebt es ein einfacheres Mittel, Gutes und Böses zu unterscheiden? Und ein uraltes Mittel ist es, welches man Dir offen oder geheimnißvoll mittheilte, von Generation zu Generation verkündete es Einer dem Andern.“ Und doch ist dieses Mittel ganz trügerisch und hat den Gläubigen schon gar manches Unheil bereitet. So sagt z. B. der berühmte Chemiker Emil Boudier, welcher sich viel mit der Erforschung der Pilzgifte beschäftigte: „Diese bequemen Recepte sind wahrscheinlich die Ursache eines großen Theiles der Vergiftungen, die noch jedes Jahr zur Beobachtung gelangen.“

Das Schwarz des Löffels ist weiter nichts, als ein ganz harmloser chemischer Vorgang, den all und jeder Pilz bewirken kann, und zwar wird ein silberner Löffel häufig schwarz anlaufen, wenn der betreffende Pilz schon alt und deßhalb verdorben ist. Der schwarze Vorgang beruht nämlich darauf, daß die in jedem Pilze enthaltenen Eiweißstoffe bei verdorbenen Pilzen sich zersetzen und Schwefelwasserstoffgas entwickeln, das im frei gewordenen Zustande sich mit dem Silber zu einem schwärzlichen Stoff verbindet. Mannigfache schlimmste Giftpilze hat man im jugendlichen frischen Zustande versuchsweise zu dem Zwecke gekocht und niemals einen Löffel in der heißen Giftbrühe schwarz werden sehen. Wie nun also, wenn eine Hausfrau ihrem Mittel vertraut? Sie wird, wenn der Löffel sich nicht schwärzt, im besten Glauben solches Giftgericht den Ihren vorsetzen – und das ist öfter als einmal geschehen!

Allerdings ganz ohne schlimme Bedeutung ist die Schwärzung auch nicht, sie deutet uns nämlich in jedem Fall doch an, daß der Pilz, welcher sie verursachte, etwas verdorben und deßhalb nicht mehr zum Genusse geeignet sei; aber ob er giftig sei, das ist eine ganz andere Frage, damit hat die Schwärzung eben gar nichts zu thun.

Aberglaube der schlimmsten Art ist das, und zwar wirklicher Aberglaube! Fragen wir nämlich nach der Herkunft dieser so verderblichen Küchenmeinung, so weist uns die kulturgeschichtliche Antwort auf mittelalterliche Vorstellungen von dem Teufel und seinen argen Werken. In jener finsteren Zeit ahnte man in allen den Menschen schädlichen Vorgängen der Natur das Wesen und Wirken des dunklen Fürsten der Finsterniß. Aber zu einigem Trost der Abergläubigen war er doch vielfach gekennzeichnet, so daß man seine bösen Absichten rechtzeitig entdecken konnte. Vor Allem war das Schwarz die Farbe, welche er trug und oft auch an den Dingen bewirkte; besonders wenn die schwarze Farbe einmal irgendwo plötzlich auftrat, galt es, vor seiner feindlichen Macht auf der Hut zu sein. Wenn nun ein silberner Löffel, in eine Speise gestellt, schwarz anlief, mußte da nicht selbstverständlich des Teufels Hand mit im Spiel sein? Es galt darum für ganz zweifellos, daß solche Pilze, welche das bewirkten, sich als teuflische erwiesen, als giftige Satanspilze, denn alles Gift so gut wie Seuche und Hagelschlag stammte von dem Teufel.

Darum werden auch auf Grund der damaligen Volksauffassung noch heute einige der bekanntesten Giftpilze bezeichnet als Teufelspilz, Teufelsei, Satanspilz, Speiteufel, Hexenpilz etc. Im frischen Zustande sehen sie oft ganz verlockend aus, wie um zu täuschen, aber wenn sie gekocht werden, macht sich ihre Satansnatur jederzeit doch kund. Von dieser Anschauung ausgehend beobachtete man später jede Veränderung, welche irgendwelche Stoffe erlitten, die mit Pilzen gekocht wurden, und jede solche Veränderung galt als Beweis von der Giftigkeit der mitgekochten Pilze; so entstanden unter manchen andern die gleichfalls viel verbreiteten und ebenso unzuverlässigen Recepte, daß die Zwiebel unter giftigen Pilzen schwarz werden und das Eiweiß eine Bleifarbe annehmen soll.

[564] Weg aber mit diesen verhängnißvollen Recepten allen! Mag immerhin mancher andere harmlose Aberglaube des Volkes entschuldigt werden durch eine gewisse Poesie, die er in unser nüchternes, allzu verständiges Leben bringt: aber wo er in das Gebiet der Küche und unserer Ernährung noch immer sich hineindrängt, da muß er rücksichtslos vernichtet werden, als ein Feind des Leibes und Lebens.

Woran soll aber die vorsorgliche Hausfrau erkennen, ob Pilze giftig sind? Nun, da alle Recepte hinfällig geworden sind, freut sie sich wohl, wenn ein gelehrter Naturfreund sie einmal auf die Farbe der frischen Pilze aufmerksam macht und ihr den Rath giebt: „Koche keine grellfarbigen, also keine rothen, blauen, violetten Pilze, denn diese sind giftig!“ Thöricht aber auch das! Diese Meinung stimmt wohl zu dem rothen Fliegenschwamm und den meisten giftigen Täublingen, aber man könnte sich dabei doch an manchen auch schlichtfarbigen Giftpilzen den Tod essen.

Ebenso unzuverlässig sind die oft angepriesenen Merkmale des Wohlgeruchs und Wohlgeschmacks. Giebt es aber kein Mittel, durch welches der Giftstoff im rohen oder gekochten Zustande offenbar wird? Wir müssen entschieden antworten: Nein! Wer dennoch auf ein solches vertrauen wollte, würde stets der größten Gefahr ausgesetzt sein und könnte seinen Küchenaberglauben mit schwerem Leide büßen.

Wollen wir darum die Pilze gänzlich als Speise verwerfen? Auch darauf wiederum wird jeder Verständige mit Nein! antworten. Man möge sich nur bemühen, die eßbaren Sorten selbst kennen zu lernen, und das dürfte eine angenehme Aufgabe der vielen Hausfrauen sein, in deren Haushalte die Pilze ein beliebtes und häufiges Gericht bilden. Wald und Feld locken ja überall ins Freie, und ein Spaziergang ins Grüne wird unterhaltender, wenn Frauenhand eine Blume, einen Feld- und Waldstrauß am Wege gepflückt. Im Spätsommer und Herbst scheiden die letzten Blumen aus Wald und Aue dahin, aber nun tritt die bunte Schaar der Pilze auf. Warum nun nicht diese anstatt der Blumen pflücken und sie bewundern, da in der That kein einziger Pilz so giftig ist, daß man ihn gar nicht anfassen dürfte; warum sie nicht auch einmal mit heimnehmen, um mit Hilfe eines kundigen Freundes oder unter Anleitung eines praktischen Buches auch die besonderen Merkmale der verschiedenen Sorten kennen zu lernen? Warum sollte man sie nicht kennen und unterscheiden lernen wollen mit derselben Klarheit, wie man die Rosen, die Lilien, Veilchen und die Vergißmeinnicht von einander unterscheiden lernte? Bei einiger Aufmerksamkeit auf ihre Eigenthümlichkeiten sind die mannigfachen Pilzsorten in der That fast ebenso verschieden und leicht wieder zu erkennen wie eine jede Blume des Gartens, die schon das Kindesauge sicher unterscheidet. Jeder eßbare Pilz hat wirklich so viel Charakter in seiner äußern Tracht, daß er nur einmal genau erkannt zu werden braucht, um stets sicher wieder erkannt zu werden. Verfasser dieser Zeilen hat vor wenigen Jahren selber ein kleines Büchlein: „Praktisches Pilzbuch für Jedermann, in Fragen und Antworten“ zu Nutz und Frommen lernbegieriger Frauen verfaßt und nicht nur manchen Dank dafür geerntet, sondern auch oftmals vernommen: es sei eine gar reizende Beschäftigung auf Spaziergängen, die Pilze, gleich wie die Blumen, zu beachten und kennen zu lernen und dann mit mancher edlen Sorte ohne Angst und Bangigkeit das im Herbst blumenleere Körbchen zu füllen. Welche Freude, wenn die Sammlerin einen neuen Pilz findet, den sie vordem nicht beachtete, und der sich als eßbar und vielleicht als ganz besonders delikat erweist!

Im Laufe der Zeit wird die Zahl der bekannten Arten ganz erheblich wachsen, denn 15 bis 20 Sorten dürften in jeder Gegend sich auffinden lassen, welche eßbar sind und zugleich durch ihre Menge das Sammeln auch lohnen. Jedes Jahr vermehren so die Waldspaziergänge das Wissen. Die Hausfrau fragt dann nicht mehr nach jenen geheimen Mitteln, welche vordem in Geltung wären; das praktische Wissen machte sie auch frei von dem Küchenaberglauben.


Blätter und Blüthen.

Der Mensch als Schwan. Herr J. Friedrich in Breslau, der Erfinder des nebenstehend abgebildeten Land- und Wasservelocipeds, hat sicherlich Recht, wenn er meint, der Anblick eines Menschen, welcher im Schweiße seines Angesichts die Kurbel eines Velocipeds tritt, sei gerade nicht sehr anmuthig, und es möchte daher ein ästhetisches Bedürfniß sein, dem Zuschauer die Arbeit möglichst zu verbergen, den „Radfahrer“ etwas poetisch aufzustutzen.

Land- und Wasservelociped.

Eine poetischere Gestalt als der Schwan giebt es aber kaum, und so verlieh der Erfinder seinem Gefährt die Gestalt dieser Zierde unserer Gewässer, sowie auch nebenbei die Fähigkeit, sich zu Wasser und zu Lande zu bewegen.

Wie aus der Abbildung ersichtlich, sitzt der Schwan-Velocipedist zwischen den etwas ausgebreiteten Flügeln seines Vogels, den er mit Hilfe der Schnüre lenkt, welche an einem nachgeahmten Baumzweig im Schnabel des Schwanes befestigt sind. Mit den Füßen aber tritt er in gewohnter Weise ein Rad und versetzt damit zwei Schaufelräder in Drehung, welche die Fortbewegung des Gefährts bewirken. So lange der Schwan im Wasser schwimmt, ruht das Ganze auf drei starken scheibenförmigen Gummibällen, die eine Tragkraft von 150 Kilogramm besitzen.

Wie fängt es aber der Schwanfahrer an, wenn er der Abwechselung halber das nasse Element verlassen und sich einmal auf festem Boden ergehen will? Nun, eine eigene Vorrichtung ermöglicht es, die Schaufelräder auszuschalten und das Trittrad mit den drei Gummibällen zu verbinden, welche alsdann die Rolle der Räder bei den gewöhnlichen Tricycles übernehmen.

Das Friedrich’sche Schwan-Velociped erscheint gegen die sonstigen Wasservelocipede der breiten Basis wegen etwas stabiler und dürfte nicht so leicht kentern, wie seine Vorgänger. Aber der Preis? Ein solcher Blechschwan mit den vielen Rädern und den starken Gummibällen dürfte leider nicht ganz billig sein. G. van Muyden.     


Ciociara. (Mit Illustration S. 557.) Wie die nationalen Charaktereigenthümlichkeiten im großen Weltverkehr sich mehr und mehr abschleifen und verwischen, so verschwinden auch die charakteristischen Nationaltrachten und machen der nivellirenden Herrschaft der Mode Platz, bei den beweglichen, für äußere Eindrücke empfänglichen Italienern noch mehr, als unter den zäheren germanischen Rassen. Vergebens sucht heute das Auge des Fremden die große Heerstraße der Touristen entlang nach jenem malerischen Schnitte, nach jenen brennenden Farben, die früher so gut zu dem blauen Himmel und dem satten Kolorit der Landschaft stimmten. Die reizenden oberitalienischen Kostüme fristen nur noch in weltabgeschiedenen Dörfern ein kärgliches Dasein und werden höchstens bei Karnevalsfesten in den Städten sichtbar. Nur die südlichen Provinzen wie Neapel und Calabrien, die von der modernen Kultur noch nicht so gründlich beleckt sind, haben sich das Vorrecht einer künstlerisch-schönen Tracht bewahrt.

Am besten jedoch hat sich die alte Tradition bei den „Ciociaren“ (Bauern aus der Umgegend von Rom) erhalten, denn ihre Mädchen tragen noch alle den malerisch geschürzten Rock, die buntgewirkte Schürze, das farbige Mieder, das anmuthige, glatt auf den Kopf gelegte Tuch und die breit geschnäbelten Schuhe, welche die kleine Italienerin unserer Abbildung schmücken – die Männer dagegen jene zottigen Beinkleider von Ziegenfell, die ihnen ein faunenartiges Aussehen geben, den großen, spitzigen schwarzen Filzhut auf dem struppigen Haar, die kurze, offene Jacke über der rauhen Brust. So kommen sie aus der Campagna, von den Bergen herunter nach der Ewigen Stadt – liebliche und abenteuerliche Gestalten – und lungern Tage lang auf der „Spanischen Treppe“, dem Sammelplatz der Künstlermodelle, wo sie den Vorübergehenden Sträußchen der großen starkduftenden Campagnaveilchen aufdrängen, bis sich Gelegenheit zu besserem Erwerb bietet. Auch unsere Kleine ist eine solche „Ciociara“, die in ihrem Sonntagsstaat von den Eltern in die Stadt geschickt ist, um mit ihrem braunen Rasseköpfchen ein paar Lire zu verdienen – und so hat sie der Künstler vor uns hingestellt, wie sie leibt und lebt, die Hände im Schoß gefaltet, die großen, träumerisch leeren Augen, die so viel sagen und so wenig meinen, gedankenlos ins Blaue gerichtet, ein Bild des Dolce far niente, fast möchte ich sagen ein Sinnbild des träumenden Sonnenlandes, das nicht säen und ernten mag, sondern ruhig im Besitz seiner Schönheit aus der Bewunderung des Fremden die Mittel seines mühelosen Daseins schöpft. I. Kurz.     


Auflösung des Zahlen-Kryptogramms „Der Berg“ in Nr. 33: Man bezeichnet das Alphabet von A–Z mit den Zahlen 1-25. Zieht man nun von der Gesammtanzahl der in einer horizontalen Würfelreihe befindlichen Quadrate die rechtsseitige mit Minus bezeichnete Ziffer ab, so giebt die resultirende Restziffer den betreffenden Buchstaben des Alphabets an. Die linksseitigen römischen Zahlen dagegen zeigen die Ordnung an, in welcher die Querkolonnen abzulesen sind. Man erhält dann das Wort: „Kahlenberg“. S. Atanas.     


Inhalt: [ Verzeichnis zu diesem Heft, hier noch nicht dargestellt. ]



Verantwortlicher Herausgeber Adolf Kröner in Stuttgart. Redacteur Dr. Fr. Hofmann, Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger, Druck von A. Wiede, sämmtlich in Leipzig.