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Autor: Verschiedene
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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Entstehungsdatum: 1853
Erscheinungsdatum: 1853
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[569]

No. 52. 1853.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familien-Blatt. – Verantwortlicher Redakteur Ferdinand Stolle.


Wöchentlich ein ganzer Bogen mit Illustrationen.
Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 10 Ngr. zu beziehen.


Aus dem Müglitzthale.

Eine historische Erzählung aus den letzten Jahren des siebzehnten Jahrhunderts.
Von Eduard Gottwald.
(Schluß.)


Die Vernünftigeren der anwesenden Gäste wollten jedoch davon nichts wissen, schüttelten bei des Feldmeisters Erzählung ungläubig den Kopf und entfernten sich aus dem Gasthause. Der schwarze Mattheus und Urban Fleck aber voll Haß und Wuth gegen Antonio, schenkten dieser Erzählung vollen Glauben und zogen mit einer nicht geringen Anzahl bewaffneter Bürger aus Glashütte, an welche sich leichtgläubige und beutegierige Bauern aus Dittersdorf und Rückenhain anschlossen in aller Stille des Tages darauf in vereinzelten Trupps in die Nähe der genannten Mühle, um die sich dort versammelnden fremden verdächtigen Gäste während der Nacht zu überfallen.

Schnell wie ein Lauffeuer verbreitete sich am Morgen nach jenem während der Nacht auch wirklich ausgeführten Ueberfall die Nachricht bis Fürstenwalde und in die Bärenmühle, daß man eine Räuberbande in der Trebnitzmühle gefangen genommen, als diese eben im Begriff gewesen sei, sich in ihren Raub zu theilen, und daß der Anführer derselben kein Anderer gewesen sei, als der beim Bärenmüller wohnende Fremde, der mit dessen Tochter Buhlschaft treibe.

Wie ein Blitz aus heiterm Himmel traf diese Schreckensnachricht den Müller und dessen Tochter, obwohl Beide fest überzeugt waren, daß Antonio gewiß mit Verbrechern nicht in Bündniß gestanden habe, und das Ganze eher ein Bubenstück ihrer Feinde sei. Aber die Angst um den Geliebten erfüllte Agathen mit Entsetzen, als der Mühlknappe, welcher diese Nachricht mit nach Hause gebracht hatte, erzählte, daß Antonio nebst vielen andern fremden Gesellen gebunden in die Kerker des Schlosses Lauenstein abgeführt worden sei. Weinend und verzweiflungsvoll die Hände ringend, trieb sie ihren Vater zum Amtsschösser Zapfe, in dessen Händen das Loos ihres Antonio jetzt lag, und einen der Knappen sendete sie als Eilbote nach dem Superintendent Dr. Schwerdtner nach Pirna, um diesem Nachricht zu geben, von der seinem Schützling betroffenen [570] Schmach, sicher hoffend, daß das Ansehen des allgemein hochgeachteten Pfarrherrn hinreichen werde, Antonio zu retten.

Leichten Herzens und fest überzeugt von des Geliebten Unschuld, erwartete sie nun den Vater zurück, welcher unterdeß in Lauenstein angelangt war und nicht ohne bange Besorgniß und bittere Kränkung beim Amtsschösser sich melden ließ, denn über den Markt weg bis an’s Schloß hatte die versammelte Volksmenge ihn mit Schimpfgeschrei und Lästerungen verfolgt.

Dieser kam ihm freundlich entgegen, und als der Bärenmüller seinen und seiner Tochter Kummer und Schmerz über diese neue ihnen auferlegte so harte Prüfung ausgesprochen, und inständigst gebeten, ihm doch ja nicht zu verschweigen, ob es wirklich mit dem Antonio so schlimm stehe, als allgemein erzahlt werde, da entgegnete der Amtsschösser mit wohlwollender Theilnahme:

„Ich kann es Euch nicht verargen, daß Ihr bitterlich betrübt seid, über diesen Euren Gast betroffenen Unfall, von dem ich ebenfalls so Böses nicht glaube, als das Volk sich von diesen Fremden erzählt, und kann Euch, jedoch nur im Vertrauen, sagen, daß ich das Ganze für nichts mehr halte, als für einen Schalksnarrenstreich, zu welchem der Haß und Groll des schwarzen Mattheus und des geizigen Urban Fleck die Glashütter und Rückenhainer Dummköpfe verleitet hat und die vielleicht gar dem Leben der Fremdlinge Gefahr gebracht hätten, wenn nicht die Bauern aus Dittersdorf diese gegen Mißhandlungen in Schutz genommen. Denn von Raub und Mord wollen die Gefangenen nichts wissen und lehnen entrüstet solchen schweren Verdacht ab. Waffen haben sie auch nicht bei sich getragen, und als sie überfallen wurden, haben alle lachend erklärt, man solle sie nur vor Gericht bringen, da würde ihre Unschuld sich sattsam erweisen, und von Gold und Silber hat man auch nichts bei ihnen gefunden, als was sie in ihren Geldbeuteln für den täglichen Bedarf gebraucht, wohl aber eine Menge seltsam Gestein und leimige Flußerde, und ich hätte die wunderlichen Gesellen sofort wieder auf freien Fuß gesetzt, wenn sie nicht so halsstarrig wären, die Aussage zu verweigern, welchen Zweck überhaupt ihr Herumtreiben in hiesiger Gegend gehabt, denn es liegt weiter nichts Verdächtiges gegen sie vor, und ihre Papiere als Bürger der freien Schweiz sind in bester Ordnung.“

„Gott lohne Euch diese Trostesworte!“ rief neuermuthigt der Bärenmüller. „Ja, ich und Agathe wußten wohl, daß der Antonio unschuldig und solch’ verbrecherischen Treibens nicht fähig, als ihn jetzt die ganze Umgegend beschuldigt, aber ich am allerwenigsten hätte ihn vertheidigen dürfen gegen das böse und dumme Volk, welches auf seinen Fang ausgezogen und von nichts als von Mord- und Brandthaten spricht, die jene Fremden verübt haben sollen. Denn überall, wo ich mich auf dem Wege hierher sehen ließ, schrie die wilde, bethörte Menge mir zu: „Da geht er, der Helfershelfer der Strolche und Wegelagerer, da geht er, der sein Kind verkuppelt an den Räuberhauptmann!“

„Hört, Bärenmüller,“ entgegnete hierauf der Amtsschösser: „Wollt Ihr Freundes Rath befolgen, so reist mit dem Antonio, so wie dieser wieder auf freiem Fuße ist, und dies wird binnen wenigen Tagen der Fall sein, fort aus hiesiger Gegend, denn hier dürfte Euch wenig Freude mehr erwachsen an guten Nachbarn und desgleichen, und das Gericht nicht immer die Macht haben, Euch vor der Tücke und Rohheit Eurer Feinde zu schützen.“

„Dies habe ich auch schon gedacht,“ sprach hierauf wehmüthig der Bärenmüller, „und es wird wohl auch nicht anders werden, obgleich es mir recht schwer werden wird, die Mühle, die ich gleichsam zum zweiten Male wieder geerbt, und die mir nun wieder lieb geworden, zu verlassen und in ein wild-fremdes Land hinauszuziehen.“

„Nun, überlegt es Euch, und fragt den Hochwürdigen Pfarrherrn in Pirna um Rath, wenn Ihr vielleicht glaubt, daß Ihr und ich zu schwarz sehen in dieser Angelegenheit,“ rief der Amtsschösser. „Jetzt aber eilt, daß Ihr zu Eurer Tochter kommt und dieser Trost bringt. Sprechen könnt Ihr den Antonio jetzt nicht, denn das Verhör beginnt sogleich wieder, aber fest versichern könnt Ihr dem liebekranken Mägdlein, daß binnen hier und drei Tagen der Antonio wohlbehalten wieder bei Euch eintrifft.“

„Das will ich mit Freuden hinterbringen, gestrenger Herr Amtsschösser,“ entgegnete der Bärenmüller und verließ nochmals dankend für Trost und Rath das Schloß. Und wieder auf seinem Heimwege rief ihn der Spott und Hohn des von dem schwarzen Mattheus und dem Kratzhammerwerksbesitzer aufgewiegelten Volkes die schmählichsten Schimpfreden nach.

Mit fieberhafter Ungeduld harrte Agathe des Vaters Heimkehr, obwohl in ihrem Innern den Antonio, rein und schuldlos, nicht der leiseste Hauch eines Verdachtes traf, aber schon seine Gefangennahme war Grund genug, sie mit Furcht und Bangen um den Geliebten zu erfüllen, aber als der Müller des Weges daher eilte, und von fern schon als Zeichen froher Botschaft die Mütze hoch in die Luft schwang, da athmete sie wieder freier und froher auf, und hörte begierig auf jedes der Trostworte, welche der Vater heim brachte. Der Müller aber wandelte mit schwerem Herzen den ganzen Tag in Mühle und Hof umher und nahm schweigend Abschied von Allem, was er wieder sein genannt, denn er fühlte gar wohl, daß der Amtsschösser nicht unrecht gehabt, und daß er auf Glück und Segen hier nicht mehr bauen dürfe, wo so viele ihm aufsässige Feinde in seiner Abgeschiedenheit und Einsamkeit ihm schaden konnten an Eigenthum und Leben, aus Habgier und Rache, abgesehen vom Trennungsschmerz, wenn die geliebte Tochter mit dem Antonio fortgezogen wäre, und ihm seinen Willen gelassen hätten, allein mit den Mühlknappen in seiner Väter Erbe zu bleiben.

Denselben Tag noch traf der Superintendent Schwerdtner von Pirna in Lauenstein ein, mit diesem zugleich aber auch nach erhaltener Meldung von Seiten des Gerichts der Graf Rudolph von Bünau, der Dicke genannt, churfürstlicher Amtshauptmann der Aemter Dippoldiswalde, Grüllenburg und Altenberg. – Beide Männer hatten lange in geheimer Unterredung [571] sich besprochen, nach deren Beendigung der Amtsschösser beauftragt wurde, die Gefangenen vorzuführen.

Mit einem Ausruf freudiger Ueberraschung eilte Antonio dem wackern Pfarrherrn entgegen, der ihn mit väterlichem Wohlwollen in die Arme schloß und ihn dann dem Grafen von Bünau vorstellte, welcher zum nicht geringen Staunen der anwesendem Gerichtspersonen und zum Schrecken des schwarzen Mattheus und Urban Fleck’s, welche Beide mit vorgeladen worden waren, sich auf das Freundlichste mit dem als Räuberhauptmann verdächtigten Fremden unterhielt und sodann die sofortige Freilassung sämmtlicher Gefangenen anbefahl; den bei dem nächtlichen Streifzug betheiligten Bürgern und Bauern aus Glashütte, Rückenhain und Dittersdorf nebst deren Anführern Mattheus und Fleck aber wurde angedeutet, daß sie wegen unbefugter, durch nichts gerechtfertigter Gefangennahme dieser unbescholtenen Fremdlinge, auf welche nicht der geringste Verdacht geheimer verbrecherischer Umtriebe zu bringen sei, die auf solche Gewaltstreiche gesetzlich stehende Strafe an Geld und Freiheit noch besonders zu erwarten hätten, sobald von den Gerichten die von den Fremden gegen sie anhängig gemachte Beschwerde genügend geprüft und für begründet gefunden worden sei.

Als nun bald darauf der Graf von Bünau sich entfernte, nachdem er nochmals freundlich von Antonio Abschied genommen, kehrte auch der Superintendent Schwerdtner nach Pirna zurück, von sämmtlichen, nun wieder auf freien Fuß gesetzten Gefährten des Antonio bis zur schwerfälligen Pfarrherrncarrosse begleitet, welche den wackern Dr. Schwerdtner wieder nach Pirna zurücktrug. Antonio aber eilte mit all’ seinem Freunden nach der Bärenmühle, deren Bewohner von der erfolgten Befreiung der Verhafteten durch vorausgesendete Boten schon unterrichtet worden waren.

Dort gab Antonio, nachdem er die ihm unter Freudenthränen entgegengeeilte Geliebte herzlich umarmt und geküßt und Agathen und dem Bärenmüller seine Freunde vorgestellt, diesen den Abschiedsschmaus, denn der Tag der Trennung war gekommen, und diese durch jenen Ueberfall um so bestimmter herbeigeführt. Als nun die Becher hell erklangen auf Antonio’s und Agathen’s Glück und Wohl, und Alle auch des Bärenmüllers unter lautem Jubelruf gedachten und ihm Glück wünschten zur Reise in die neue Heimath, da ließ es diesen nicht länger Ruhe und zu der fröhlichen Gesellschaft sich wendend, begann er:

„Nun aber, Ihr wunderlichen Leute, die Ihr selbst von Seiner hochgräflichen Gnaden, dem churfürstlichen Amtshauptmann von Bünau, unserm braven dicken Gutsherrn, in Schutz genommen worden seid gegen Eure und meine Widersacher, die Ihr nun hier zum letzten Male versammelt seid und dann Euch trennt, Jeder seines Weges nach der Heimath zusteuernd auf geheimen Wegen, wie ich wohl vernommen aus Eurem Geplauder, und Du vor Allem, mein Antonio, mein lieber theurer Sohn, nun dächt’ ich doch, wär’ es endlich an der Zeit, daß der alte Bärenmüller und Agathe auch erfahren, warum Ihr hier gehauset und wie die Kobolde in allen Schlupfwinkeln und Abgründen dieser Berge Euch herumgetrieben, und von denen Niemand erkundschaftet, was Ihr dort vor Euch gebracht; jetzt könnt Ihr uns doch wohl mit in das Geheimniß ziehen, um das der Hochwürdige Herr Superintendent Dr. Schwerdtner gewiß auch gewußt und dessen Ansehen und Machtwort Euch so schnell wieder in die freie Luft gesetzt hat?“

„Ja, heute sollt Ihr, Vater Bär, und auch Du, meine herzinnig geliebte Braut, dies erfahren,“ entgegnete ernst aber freundlich Antonio. „Seht,“ fuhr er nun fort, nachdem er die Gläser voll zu schenken befohlen, „ich und meine Freunde hier sind wohlhabender Eltern Söhne und trieben bis jetzt ein Geschäft, was den Wohlstand unserer Väter begründet, und was diese so geheim gehalten wie wir, die wir durch ein Gelübde gebunden, dasselbe nie eher an Uneingeweihete zu verrathen, als bis wir zum letzten Male diese Berge und Thäler verlassen sollten. Dies ist nun jetzt der Fall. Wir Alle kehren nicht wieder hierher zurück, theils weil das Geschäft von Jahr zu Jahr an Ausbeute weniger gegeben, theils weil Haß, Aberglaube und Habgier der hiesigen Bewohner uns nicht länger friedlich hier hätte verkehren lassen. Aber all’ unsern und unserer Eltern Wohlstand hat uns diese Gegend verschafft, die Steine Eurer Felsen und der Flußsand Eurer Gewässer!“

„Also doch richtig errathen!“ rief triumphierend der Bärenmüller. „Mit den Steinen in Eurem Ränzel – Ihr wißt doch noch, Antonio – hing das Geheimniß zusammen, nur begreife ich noch nicht, wie!“

„Vater,“ bat Agathe, „schweigt doch davon still.“

„Ihr habt recht,“ fuhr Antonio fort, ohne weiter auf die Hindeutung an jenen Abend einzugehen. „Aber wenn Euch dies noch nicht klar ist, so will ich es Euch jetzt begreiflich machen. In jenem rohen Gestein waren Edelsteine enthalten, die nach kunstvoller Ausscheidung und Schleifung uns theuer bezahlt wurden; in jenem leimigen Flußsand der Müglitz waren reine Goldkörner enthalten, die wir jedesmal, sobald die Frühlingsgewässer sich in Euren Bergen verlaufen hatten, dort reichlich vorfanden; aber wohl bald ausgespült mag nun die leicht zu Tage gelegene Goldader sein, denn nur wenig noch gab dies mühsame Suchen nach Gold in den letzten Jahren Ausbeute; was wir aber täglich in unsern Ränzeln gesammelt, das wurde bei Nacht in Kisten und Kasten gebracht und ging aus unserm geheimsten Versteck auf unscheinbaren Frachtkarren nach Teplitz und von da auf weiten Umwegen in die Schweiz. Gesichert aber waren wir und unsere Fuhrleute, die ebenfalls durch dies Geheimniß uns verbündete Freunde waren, durch gültige Dokumente und fürstliche Geleitscheine, und sichergestellt bei jeder Landesbehörde als Naturforscher gegen falschen Verdacht, denn als solche hatte der große Rath der Eidgenossenschaft uns in unsern Pässen ausgegeben. Dies ist das ganze Geheimniß.“

„Herr Gott im Himmel droben, hier uns auf der Nase Gold und Edelsteine! das hätte ich nimmer gedacht!“ rief staunend der Bärenmüller. „Nun wird mir freilich klar, warum Ihr Euch nimmer ausfragen [572] ließet, denn wäre dies bekannt geworden, so hättet Ihr bald nichts mehr finden sollen.“

„Dies wäre den unwissenden Leuten wohl nicht so leicht geworden, denn auch dies Gold- und Edelsteinsuchen setzt tiefere Kenntniß voraus,“ bemerkte lächelnd Antonio.

„Aber wie bist Du so vertraut geworden mit dem Superintendenten zu Pirna, der wie ein Sohn Dich liebt und hochachtet?“ frug nun Agathe.

Dr. Schwerdtner erkrankte vor zehn Jahren auf der Heimreise nach Deutschland, aus Verona kommend in meiner Eltern Hause zu Lucarno, und genaß durch die sorgfältige und liebevolle Pflege, welche ihm von unserer Familie zu Theil ward, schneller als wir geglaubt. Meine damals noch lebenden Eltern zogen den so kenntnisreichen und verschwiegenen Mann nach mehrfacher Prüfung in ihr Geheimniß und baten ihn, mir, der ich das Jahr darauf zum ersten Male als Bube von vierzehn Jahren mit meinem ältern Bruder die Reise nach Deutschland machte, wo ich es nöthig hätte, seinen Schutz und seine Hülfe zu gewähren; und dies hat der edle Mann auch redlich gethan.“

„Also bist Du oft schon in hiesiger Gegend gewesen?“ frug neugierig Agathe.

„Hier früher nicht, sondern erst seit drei Jahren, aber wohl in Böhmen und im Fichtelgebirge,“ entgegnete Antonio. „Aber eben hier,“ fuhr er zärtlich fort und drückte Agathen liebeglühend an sein Herz, „hier habe ich Dich, den schönsten und seltensten Edelstein dieser Berge gefunden.“

„Und ich in Dir reines lauteres Gold!“ rief lieblich erröthend Agathe, seinen Kuß erwiedernd.

„Und nun zum Aufbruch, Freunde und Gefährten!“ sprach Antonio ernst und feierlich, sein Glas erhebend. „Auf glückliche Heimreise und freudiges baldiges Wiedersehen an den heitern Gestaden des Lago Maggiore!

Da klangen die Becher hell an einander, und Abschied nehmend in herzlicher Umarmung, tönte dem Brautpaar noch ein freudiges Hoch, dann griffen die Gefährten Antonio’s zu Ränzel und Wanderstab und verließen, von den Segenswünschen der Zurückbleibenden begleitet, die Mühle.

In Pirna aber segnete zwei Tage darauf der Superintendent Dr. Schwerdtner den Antonio Carelli, Bürger zu Lucarno im Canton Tessin, mit Agathe, der Tochter Gottlob Bär’s, Besitzer der Mühle bei Fürstenwalde, als Neuvermählte ein, und des andern Tages darauf fuhr ein leichter Planwagen vom Städtchen Lauenstein der böhmischen Grenze zu, in welchem Antonio, Agathe, der Müller nebst der alten Magd der neuen schönen Heimath zuzogen. Die Mühle aber übernahm käuflich von Gottlob Bär durch des wackern Gerichtsschösser Zapfe freundschaftliche Mitwirkung die Commun zu Fürstenwalde.


Noch lange Jahre erfreute sich der Bärenmüller des ungetrübten Glückes seiner Kinder, an den Superintendenten in Pirna aber und an den Amtsschösser zu Lauenstein gelangten nach Verlauf einiger Monate werthvolle Geschenke von freundlichen Bittschreiben begleitet, des Antonio und der frühern Bewohner der Bärenmühle auch in der Ferne wohlwollend zu gedenken. Dem Grafen Adolph von Bünau aber übersendete Antonio ein aus Müglitzgold kunstvoll gefertigtes Lamm zum Andenken, welches dieser dem Kurfürsten von Sachsen als Geschenk für das Dresdner Kunstkabinet überreichte.




Traum eines Lesers der Gartenlaube.


     Geehrter Herr Redacteur!

Erlauben Sie mir, Ihnen in wenigen Zeilen eine Erscheinung mitzutheilen, die Sie gewissermaßen hervorgerufen haben, und zwar durch die Gartenlanbe, deren eifrigster Leser ich bin.

Im traulich-warmen Bette, die dampfende Cigarre im Munde, hatte ich wieder das neueste Heft Ihrer Zeitschrift studirt und ließ nun, die feinen Wölkchen nach oben blasend, noch einmal den Inhalt des Gelesenen an mir vorübergleiten. Es war schon spät um Mitternacht und die sonst so belebte Straße todtenstill. Das Licht war verloschen; ich fühlte wie mein Auge allmälig schwerer und müder ward.

Da mit einem Male war mein Zimmer in eine hellerleuchtete Laube verwandelt, deren lebendige Seitenwände sich an der Decke schlossen. Erschrocken blickte ich umher. Mit jedem Augenblicke ward das Licht glänzender und traten die einzelnen Gegenstände deutlicher hervor. Plötzlich erscholl auf der linken Seite ein entsetzliches Klirren und Geschrei und als ich auffahrend meine Blicke dorthin wendete, sah ich, wie ein gewaltiger lebensmuthiger Bock unter einen Haufen dürrer Doctoren und dickbäuchiger Arzneiflaschen fuhr und Alles zu Boden stürzte, was sich ihm entgegenstellte. Entsetzt liefen vor diesem Anprall die Verwahrer der Tropfen und Mixturen davon, unter ihnen der unglückliche Eßlöffel, der, seinen „zweistündigen“ Dienst verlierend, die Hände vor Wuth und Verzweifelung über dem Kopfe zusammenschlug. Wohl richteten einige ergrimmte Medici ihre Geschosse nach dem Bock, aber ohne Erfolg, der tapfere Streiter brauchte seinen Kopf so wacker und räumte nach und nach so vollkommen auf, daß selbst die Kranken oben jubelten und der Tod ein verdrießliches Gesicht schneidend, sich langsam entfernte.

Ganz in der Nähe des Kampfes und wie mir schien, im Zusammenhange mit diesem, war eine Art Geschoß aufgestellt. War es Täuschung oder Wirklichkeit,

[573]

Der Traum eines Lesers der Gartenlaube.

[574] das Geschoß nahm nach und nach die Gestalt eines Mikroskops an, ohne aber seine Eigenschaft als Wurfgeschoß aufzugeben. Aus dieser Kanone der Wissenschaft, die nur mit Gedanken und Thatsachen schießt, sprühten im schönsten Feuer die wunderbarsten Figuren und Gestalten heraus, die lachend und jubelnd durch die Luft fuhren und in ihren wunderbar merkwürdigen Formen als die Geschöpfe einer neuen unbekannten Welt erschienen. Unzweifelhaft unterstützte das Geschoß den Kampf des Bockes, denn deutlich konnte ich bemerken, wie die Flaschen und Doctoren auch vor diesem erschrocken und wuthentbrannt, als sähen sie ihre eigene Schande verkörpert, zurückwichen.

Noch erstaunt über die neue Welt der Wunder, die sich im Mikroskope entfaltete und als klare Thatsache an das Tageslicht geschleudert ward, mußte ich schon wieder erschrocken meine Blicke nach Rechts wenden, von wo sich ein lautes Pusten und Knarren hören ließ. Eine sonderbar komische Gesellschaft wälzte sich da heran. Maschinen mit Menschengesichtern und dürren Spindelbeinen polterten einher, ein Dampfwagen rannte wie ein Pferd davon, eine Locomotive segelte durch die Lüfte, während eine Art Windofen, die Arme in die Seite gestemmt, nach Holz schrie. Die compakte Masse rückte unaufhaltsam vorwärts, wie viel Hindernisse sich auch entgegenstemmten, und je weiter sie vorwärts drangen, desto größer ward ihre Zahl, desto gewaltiger ihre Wirkung.

     War mir von alledem so dumm.
     Als ging mir ein Mühlrad im Kopfe herum,

so athmete ich wieder freier auf, und das süße Gefühl des Wohlbehagens kam über mich, als ich meine Blicke nach Oben richtete. Dort, wie in weiter Ferne, lag das Land der Romantik, das schöne Thüringen mit seinen Bergen und Burgen und von dort herauf kam ein mir wohlbekannter Storch geflogen, Blüthen und Früchte bringend in wunderbarer Schöne, wie sie jetzt immer seltener werden. Mit dieser Aussicht zugleich öffnete sich ein weiter Horizont und als ob in der phantastischen Laube Alles verkörpert werden müßte, was die gedruckte während eines ganzen Jahres geschildert, so entwickelten sich aus dem Dunstkreis das weite, weite Meer mit seinen Klippen und Schiffen, die transatlantischen Gestade mit ihren Alligatoren und kühnen Jägern, das ferne Australien mit seiner Zeltenwelt.

Im Vordergrunde aber und im weiten Talare saß der lorbeerumkränzte Barde, und wie seine Harfe erklang und seinem Munde sinnige Lieder entströmten, verschwanden nach und nach die Gebilde und nur im letzten Augenblicke, als die Schatten der Nacht schon wieder mein trautes Zimmerchen bedeckten, sah ich noch, wie ein kleiner Gnome auf meinem Bette kauzte, der mit kunstfertigem Griffel die gespenstigen Gebilde auf das Papier hinzauberte und sich dann empfahl.

Andern Morgens als ich erwachte, lag die beifolgende Zeichnung auf meinem Nachttische.




Blätter und Blüthen.

Zuchthaus-Industrie. Auf einem Schranke des Kammergerichts zu Berlin steht noch jetzt ein kleines hölzernes Werkzeug, in welchem der zufällig auf das Geräth fallende Blick eine Presse nach Art der Kartenpressen erkennt. Unbeachtet steht sie da, hoch mit Staub bedeckt, und dennoch legt dieses unscheinbare Ding Zeugniß dafür ab, bis zu welcher unglaublichen Höhe der menschliche Erfindungsgeist die Industrie treiben kann. Denn diese Presse hatte zur Fabrikation falscher Kassenanweisungen gedient, welche – im Zuchthause zu Brandenburg von den dortigen Züchtlingen angefertigt worden waren. – Die Sache klingt so unglaublich, daß wir uns veranlaßt finden, zum Beweise für den oben aufgestellten Satz von dem menschlichen Erfindungsgeiste alle die näheren Umstände anzuführen, welche die Untersuchung über diese höchst merkwürdige Falschmünzerei ergab. –

In dem Zuchthause zu Brandenburg saß ein Individuum seine Strafe für die Verfertigung falscher Kassenanweisungen ab. Dieser kunstfertige Mensch lag in dem großen Schlafsaal mit etwa 60 Genossen beisammen. Ganz natürlich kam bei der allgemeinen Unterhaltung, die trotz aller Verbote und strenger Aufsicht sehr häufig während der Nacht stattfand, die Rede auf die Veranlassung seiner Bestrafung, und ohne dieselbe zu bemänteln, rühmte er sich vielmehr einer so großen Geschicklichkeit, daß er sagte, er getraute sich, aus freier Hand die Kassenanweisungen mit der täuschendsten Aehnlichkeit nachzumachen, wenn er nur das nöthige Material hätte, zumal da es ihm glücklich gelungen wäre, das Hauptrequisit zu der ganzen Fabrikation – ein Fläschchen mit der Tinktur zur Nachahmung des Wasserzeichens – mit sich herein zu bringen. Durch diese Mittheilung wurde schnell der Gedanke erweckt, unter allgemeiner Mitwirkung sämmtlicher Schlafgenossen und auf allgemeine Rechnung – also nach den Gesetzen des Communismus – falsche Kassenanweisungen zu machen. Die Vortrefflichkeit des Gedankens leuchtete sogleich Allen ein, eben so aber auch die Schwierigkeit der Ausführung, denn es fehlte dazu nicht weniger als Alles, und wie sollte man sich die Platten zur Gravirung, die Grabstichel, das Holz zu der Presse, ganz besonders aber das erforderliche Papier verschaffen. Doch für dies Alles wurde bald Rath geschafft. – Indem Jeder aus dem Boden seines zinnernen Trinkbechers ein unbemerkbares Wenig abschabte, gewann man das Blei zu der Platte. – Durch Reibung von Holz wurde Feuer angezündet, das man mit Stroh aus den Strohsäcken unterhielt und bei welchem man das Blei in Platten goß. Diese wurden an den Maschinen glatt geschliffen. Windeisen, die man vor den geflochtenen Drahtgittern abbrach und ebenfalls an den Maschinen schliff, gaben die Grabstichel her. Aus dem Bretterboden der Bettstellen wurde die oben erwähnte Presse gefertigt, wobei Glasscherben die Stelle des Messers und Hobels versahen.

Während alle diese Vorbereitungen vor sich gingen, was der nöthigen Vorsicht wegen natürlich nur mit bedeutendem Zeitverlust möglich war, trachteten sämmtliche Theilnehmer mit dem emsigsten Fleiße danach, sich Papierstückchen zu verschaffen, groß genug zu dem berüchtigten Zwecke, und es gelang auch in der That, davon auf den verschiedenartigsten und sinnreichsten Wegen eine solche Quantität herbeizuschaffen, daß der Druck sogleich begonnen werden konnte, als sämmtliche Maschinen-Geräthschaften dazu fertig waren. Die erste Probe fiel sehr günstig aus, und nach einigen kleinen Verbesserungen ließ das Fabrikat nichts zu wünschen übrig.

Geld hatte die Gesellschaft des großen Schlafsaales nun mehr als sie gebrauchen konnte, denn die Verausgabung [575] mußte natürlich mit der größten Vorsicht geschehen; aber wie war sie überhaupt zu bewirken, wo konnte man die erforderlichen Mittelspersonen finden, einen ganzen Thaler zu wechseln, da den Züchtlingen nicht einmal der Besitz eines Groschens erlaubt war? Aber auch diese fanden sich in einfältigen oder bestechlichen Personen, mit denen die Züchtlinge in Berührung kamen, und so verschafften sich diese nicht nur manche verbotene Genüsse, sondern es sammelte sich auch allmälig ein kleiner Schatz an baarem Gelde und falschen Kassenanweisungen, aus denen, nach allgemeinem Abkommen, eine Unterstützungskasse für die Abgebenden, sowie ein allgemeiner Reservefond gebildet werden sollte. So war das Geschäft im blühendsten Gange, als es plötzlich durch ein ganz unerwartetes Ereigniß gestört wurde. – Unter den Züchtlingen in dem großen Schlafsaale befand sich auch ein junger Bursche von 16 bis 17 Jahren, der wegen Pferdediebstahles saß. Seine gute Aufführung und seine unverkennbare Reue bewirkten seine Begnadigung, ohne daß er sich bis dahin die geringste Hoffnung darauf gemacht hatte, und in der Dankbarkeit seines Herzens gab er die Fabrikation an, worauf man außer den sämmtlichen Gerätschaften nicht weniger als 500 einthälerige Kassenanweisungen nebst einer ganz anständigen Summe baaren Geldes fand.


Zucker und Wolle als Mittel gegen die Auszehrung. Englische Aerzte schicken jetzt ihre Lungenkranken und Auszehrenden in Wollmühlen, weil sie gefunden haben wollen, daß die Ausdünstungen der verarbeiteten Wolle vor Lungenschwindsucht bewahren und deshalb auch sie heilen könne. Amerikanische Aerzte wollen dies bei den Zuckerausdünstungen gefunden haben und senden deshalb ihre Kranken jeden Tag einige Stunden in eine Zuckerfabrik. –




„The Critic, London Litterary Journal“ enthält in Nr. 364 (vom 1. December) eine Kritik des Romans von F. Stolle: „Napoleon in Aegypten“, worin es unter Anderem heißt: „Napoleon’s Abenteuer sind niemals mit größerem Geschmack („zest“) geschildert worden, als von diesem Schriftsteller; niemals wurden Napoleon’s Begleiter mit besserm Effect um ihn herum gruppirt im Schatten ihres berühmten Meisters, und niemals lieferte das Land der Pyramiden malerischere und unterhaltendere Scenen“ u. s. w.

Es werden dann mehrere Scenen aus dem Romane in Uebersetzung mitgetheilt, besonders ausführlich die Geschichte des Professors Larossossinier bis zu seinem lebendigen Grabe mit den unfreiwilligen Ohrringen.




Die große Republik. Das ist der Name des größten amerikanischen Segelschiffs, welches eben aus der Anstalt von Donald und M’Kay vom Stapel gelaufen ist. Es ist über 700 Fuß lang und läßt sich an 4 Masten von 20,000 Ellen Segeltuch treiben. Für das Aufziehen von Segeln und andere schwere Arbeit innerhalb des Schiffes sorgt eine Dampfmaschine von 16 Pferdekraft.




Der neue chinesische Kalender. Die Rebellen haben einen neuen, eigenen Kalender ganz nach europäischer Zeitbestimmung einrichten und in mehr als 700,000 Exemplaren verbreiten lassen. Alle Dämonologie, Astrologie und „hundertjährige Kalenderei“ ist ausgeschlossen. Ihr Jahr fängt am 7. (nach der alten Dynastie am 4.) Februar an. Sie bestimmen einen Tag in jeder Woche zum Ruhetag, schließen alle andern Feste aus, theilen das Jahr in 12 Monate von 30 und 31 Tagen und beweisen dem Volke, daß es zu seinem Vortheile gereiche, sich der Revolution anzuschließen. Taiping ist als Gottgesandter an die Spitze der „Erlösung“ gestellt, und zuletzt werden die Titel und Aemter seiner hauptsächlichsten Beamten mitgetheilt. Einer dieser Beamten ist angestellt, „den Himmel stets für das Heil aller Unglücklichen anzurufen.“ Eine besondere „Kirche“ wird nicht gestattet.




Spitznamen. Die republikanischen Amerikaner halten bekanntlich viel auf Titel und lassen sich besonders gern mit militärischen Ehrenbezeichnungen anreden. Neben diesen Titeln sind sodann die Spitznamen in Amerika sehr beliebt. Sie sind selten bösartiger Natur, es spricht sich vielmehr meist eine gutgemeinte Ironie darin aus. Es ist kein hervorragender Mann in den Vereinigten Staaten, welcher nicht einen Spitznamen trüge, denn das ist der „Adelstitel,“ welchen die Nation verleiht. General Jackson wird wegen seines unbeugsamen Willens der „alte Hickory“ (Wallnußbaum) genannt, und sein diplomatischer Nachfolger „im weißen Hause“, Martin van Büren, war der „kleine Hexenmeister.“ Johann van Büren heißt bis auf den heutigen Tag noch „der Prinz.“ General Harrison war der „alte Tip;“ er hatte bei Tippecano die Indianer unter ihrem Propheten, dem Bruder Tekumseh, geschlagen. Den General Zacharias Taylor nannte man den alten „Zack, rough and ready“ (derb und stets bereit) und den Staatsmann Henry Clay „the millboy of the Slaches“ (der narbige Müllerbursche); Webster wird der „große Gesetz-Ausleger“ oder einfach „black Dan“ (der schwarze Daniel) genannt, und den Finanzminister Corvin kennt man unter dem Namen „waggonboy“ (Karrenjunge); Douglas der demokratische Senator von Illinois, kaum größer als Louis Blanc oder Thiers, ist der „kleine Riese,“ und General Winfield Scott erhielt seinen Namen „Chippewa“ durch seinen Sieg über die Engländer in dem letzten Kriege; „hasty plate ol soup, hastige Suppe“, nennt man ihn von einem Ausdruck in einem seiner Bulletins, das hastig auf dem Platze geschrieben wurde, wo er die Mexikaner schlug. General Houston, der vormalige Präsident von Texas, erhielt seinen Namen „San Jacinto“ von einem Schlachtfelde, auf welchem er den General Santa Anna und seine ganze Armee zu Gefangenen machte. General Caß, der berühmte Senator von Michigan, wird der große „Michiganer“ (Michi - Gänserich) genannt. Gouverneur Wilhelm H. Seward, der einflußreichste Parteiführer in den Reihen der Whigs, ist als der „Little Billy“ überall bekannt, weil er einst den Gouverneur Marci in Newyork besiegte, indem er die Ausgabe von kleinen Banknoten (Bills) vertheidigte, während der demokratische Marci, seinen Parteiprinzipien getreu, die deshalbige Gesetzvorlage bekämpfte.




Ein freiwilliger vierzigtägiger Todeschlaf. Erich von Schönberg erzählt in seiner neuesten Reisebeschreibung (Leipzig, Brockhaus): Es war in Amritser, als ein Hindostaner, ein Fakir, etwa vierzig Jahre alt, bei Runjit-Singh im Derbar sich einfand und erklärte, daß er sich auf Wunsch begraben lassen wolle, und nach vierzig Tagen bei Oeffnung des Grabes in das Leben zurücktreten werde. Runjit-Singh nahm den Vorschlag an, und ließ zwischen seinem Gartenhause und dem Fort von Amritser auf einer freien Ebene ein Haus mit nur einem, aber sehr festem Thore erbauen. Zur anberaumten Zeit fand sich der Fakir ein, und bat nur, daß man ihn bei seinem Todesschlafe, und dem nachmaligen Erwachen, von seinem Diener, der des nöthigen Verfahrens kundig sei, behandeln lassen möge. Er hatte, als Vorhereitung zu dem Todesschlafe, zwanzig Tage hindurch (während welcher Zeit ihn Runjit-Singh stets hatte beobachten lassen, nur Milch genossen, und angeblich so viele Abführungsmittel genommen, daß Nichts in seinen Eingeweiden zurückgeblieben sei. Im Derbar angelangt, unter den Augen sämmtlicher ersten Sirdars des Hofes, schritt der Fakir zur Ausführung, indem alle Oeffnungen seines Körpers, Ohren, Nase u. s. w. mit Wachs geschlossen wurden – vom Munde wußte General Ventura, der mir diese Thatsache als Augenzeuge verbürgte, sich nichts zu erinnern – und begann darauf den Athem nach innen zu ziehen. Nachdem er dies einige Male wiederholt, fiel er um, und lag mit geschlossenen Augen, wie ein Todter da, mit allen Zeichen eines Verstorbenen, nur auf der Mitte des [576] Kopfes war er brennend heiß anzufühlen, und hier schien das Blut so heftig zu schlagen, daß es der aufgelegten Hand gleichsam widerstand; der übrige Kopf war kalt. Man legte den Fakir dann in den Sarg, befestigte den Deckel darauf und senkte den Sarg in das zu diesem Behufe in der Mitte des oben erwähnten Hauses bereitete Grab, belegte ihn mit Brettern, schüttete das Grab mit Erde zu, und säete Weizen und Reis darauf. Die Thüre des Hauses wurde verschlossen mit zwei Schlössern, von welchen der eine Schlüssel dem Großschatzmeister der andere dem General Ventura übergeben wurde. Auch ließ Runjit-Singh das Grab von Zeit zu Zeit in seinem Beisein untersuchen, bemerkte aber nie die geringste Veränderung daran. Am vierzigsten Tage ward es geöffnet, und man fand den Fakir ganz so im Sarge liegend wie er hineingelegt worden war, nur etwas gelber vielleicht. Der Diener begann nun seine Behandlung; er buk ein zwei Finger dickes Rutibrot nach der Landesitte, und legte es dem Fakir brennend heiß auf den Scheitel, der noch eben so warm war, wie am Begräbnißtage; nachdem er hierauf alle Glieder durchrieben, öffnete er die verstopften Oeffnungen des Körpers, und der Fakir schlug die Augen auf, jedoch, dem Anschein nach, seiner Besinnung nicht mächtig; diese erlangte er erst in einem heißen Bade wieder, so daß er sich von selbst aufrichtete. Runjit verließ nun den Schauplatz der wunderbaren Begebenheit, und am Abend erschien der Fakir im Derbar, vollkommen von demselben Ansehen, wie er zuerst sich dargestellt hatte. Die Mittheilung dieses Vorfalles,“ schließt Schönberg, „war mir, außer dem General Ventura, schon vorher im Pendschab von den verschiedensten und anscheinend glaubwürdigsten Personen gemacht worden. Alle sprachen von dieser Begebenheit als von einer Thatsache, und ihre Erzählungen stimmten bis auf wenige unbedeutende Abweichungen vollkommen überein!“


Das Häuschen, in welchem einst Peter der Große wohnte, als er Petersburg aus dem Nichts hervorzurufen begann, steht noch, dicht an der Newa, rechts von der Festung. Man hat ein auf Pfeilerbogen ruhendes Dach darüber gestellt und das Ganze mit Fenstern umschlossen, damit der Regen den Bau nicht zerweiche und das Wetter ihn nicht zerbröckle. Dies kleine Kaiserhaus, welches in holländischem Geschmacke gezimmert und so angestrichen ist, als bestände es aus unbetünchten Ziegelsteinen, ist die Mutter Petersburgs. Es enthält zwei kleine Stuben mit niedrigen Fenstern, ein enges Vorhaus und ein einfaches Betzimmer.


Literatur und Kunst. Von Albert Franckel, dem Verfasser der „Wiener Gräber,“ ist so eben in Weimar ein erzählendes Gedicht: der Tannhäuser, erschienen, das einige sehr schöne Episoden enthält und schon um des Stoffes willen sicher jetzt viel gelesen werden wird. – Liebhabern salopper und lüderlicher Lektüre empfehlen wir den so eben erschienenen 28. Band der „Geschichte der deutschen Höfe“ von Vehse, der den Weimarischen Hof, zum größten Theil aber die Dichterperiode Weimars behandelt. Von einer Geschichte ist überhaupt in diesem Buche nicht die Rede; aus den unzuverlässigsten und anerkannt falschesten Quellen werden Anekdoten und Liebschaften der Dichter und Hofherren erzählt, die längst bekannt und widerlegt sind. Das wenige Gute ist aus den Briefwechseln der Weimarischen Heroen entnommen, aber auch diese Auswahl ist eine so lüderliche, daß es den Autor gar nicht genirt, dieselben Briefe zwei Mal an ganz verschiedenen Stellen abzudrucken. Es ist ein Skandal, daß solche Skandalbücher einen Verleger finden. E. K.     




Nicht zu übersehen!

Mit der heutigen Nummer schließt das 4. Quartal und gleichzeitig der erste Jahrgang unserer Zeitschrift. Die Bestellungen auf das nächste Quartal bitten wir sofort aufzugeben, damit die regelmäßige Zusendung nicht unterbrochen wird.

Es ist uns ein Vergnügen, unsern vielen Freunden heute mittheilen zu können, daß in Folge des Aufschwunges, den unser noch so junges Blatt genommen hat, wir genöthigt sind, die Gartenlaube vom nächsten Jahre ab

in vergrößertem Formate

und mit vermehrten Illustrationen, aber ohne Preisaufschlag, erscheinen zu lassen. Die vortrefflichen Beiträge, welche von allen Seiten herbeiströmen und deren Vorenthaltung ein Verbrechen an unsern Freunden wäre, zwingen uns zu dieser Erweiterung, die mit großen Opfern verknüpft ist. Wir können dieser Mittheilung noch die zweite hinzufügen, daß vom 4. Januar ab außer den gewöhnlichen Illustrationen zu den beschreibenden und wissenschaftlichen Artikeln die

Düsseldorfer und Dresdner

Künstler unsere Leser mit gut ausgeführten Illustrationen deutscher Originalgedichte überraschen, und so auch den artistischen Werth der Gartenlaube erhöhen werden.

Die Gartenlaube bringt auch im nächsten Jahre: Gute Novellen und Erzählungen von anerkannten deutschen Autoren, wie Ludwig Storch, E. Willkomm, Monecke, A. Bölte, Beta etc. (keine Uebersetzungen) – Schilderungen aus dem Volksleben und der Sittengeschichte. – Belehrende Erläuterungen zu den Begebenheiten und Persönlichkeiten des Tages. – Biographien und Lebensskizzen hervorragender Zeitgenossen. – Populär-naturwissenschaftliche Mittheilungen von den bekannten Naturforschern Bock und Roßmäßler und andern tüchtigen Autoren. – Beiträge zur Kenntniß des menschlichen Körpers und einer vernünftigen Gesundheitslehre. – Briefe aus der Gewerbswelt. – Originalberichte über Amerika und dessen Zustände. – Blätter und Blüthen. bestehend aus den interessantesten Notizen aus dem Bereiche der Erfindungen, Physik, Literatur aller Länder, Geschichte etc. –

Die Gartenlaube ist und bleibt ein ächtes Familienblatt, das auf populäre und ernst-gemüthliche Weise Unterhaltung und Belehrung bietet.

Leipzig, im December 1853. Redaktion und Verlagshandlung. 

Alle Buchhandlungen und Postämter nehmen Bestellungen an.




Titel und Inhaltsverzeichniß zum Jahrgang 1853 erscheinen im Monat Januar 1854.



Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.