Textdaten
Autor: Johann Gottfried Herder
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Titel: Die Göttergabe
Untertitel:
aus: Friedrich Schiller:
Musen-Almanach für das Jahr 1797, S. 72 - 74
Herausgeber: Friedrich Schiller
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1797
Verlag: J. G. Cotta
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Erscheinungsort: Tübingen
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Quelle: HAAB Weimar, Kopie auf Commons
Kurzbeschreibung: Die Chiffre W. wird Johann Gottfried Herder zugeschrieben.
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[72]
Die Göttergabe.

Hört, mit welcher holden Gabe
Mich die Liebe jüngst beglückt.
Wenn ich nie entzückt gesungen habe,
Sing’ ich jetzt von ihr entzückt.

5
Amor, als im schönsten Liede

Ich des Gottes Siege sang,
Trat zu mir und bot mit Gruß und Friede,
Was er hatte, mir zum Dank.

„Amor, sprach ich, deine Schwingen,

10
Und dein Köcher und dein Pfeil

Sollen fürder keinen Sieg mir bringen,
Seit mir Chloe ward zu Theil.

[73]

Keine Herzen mehr verwunden
Will ich, bleibet Sie nur mein.

15
Alle meines Lebens Tag’ und Stunden

Will ich ihr Gefangner seyn.

Deine Fackel? ach die Liebe
Fliehet ein zu helles Licht.
Wie? wenn Chloe mir nicht Chloe bliebe?

20
Amor, nein! Die Fackel nicht! –


„Nun, du Sohn der Täuschereien,
Nimm die Binde dann von mir;
Mehr als Alles wird sie dich erfreuen,
Vieles schenk’ ich dir mit ihr.

25
Süßen Trug und holdes Wähnen,

Das für mehr als Wahrheit gilt,
Und ein immer wachsend neues Sehnen,
Das die Seele hebt und füllt.

[74]

Träume sind in ihr verborgen,

30
Freund, du kennest sie noch kaum.

Hoffnungen, mit jedem neuen Morgen
Dir ein neuer Jugendtraum.

Weise Blindheit, nicht zu sehen,
Was du froh nicht sehen willt:

35
Nüchternheit, nicht Fehler aufzuspähen,

Die der Liebreiz dir verhüllt.

Schonung lieget in der Binde,
Ruh und Warten und Geduld
Nimm sie, und sei selig gleich dem Kinde,

40
Oder – es ist deine Schuld.


Seit mit dieser Göttergabe
Amor mich zum Gott entzückt,
Ist sie wechselnd mein’ und Chloens Habe,
Und wir tragen sie beglückt.

W.