Textdaten
Autor: Martin Deinzer
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Titel: Die Entrückung
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Auflage: 2
Entstehungsdatum: 1917
Erscheinungsdatum: 1917
Verlag: Verlag des Missionshauses
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Erscheinungsort: Neuendettelsau
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Die Entrückung
Betrachtung


über


1. Thessalonicher 4 Vers 17


von


K. Kirchenrat M. Deinzer
Missionsdirektor



II. Auflage
Preis: 10 Pfennig
Herausgegeben Dezember 1917.


Neuendettelsau
Verlag des Missionshauses.


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Die Entrückung.


1. Thess. 4, 17. 


 Über die Entrückung, welche die auf die Zukunft des HErrn überbleibenden Gläubigen erleben sollen, indem sie zur Begegnung des HErrn in Wolken hingerückt werden sollen in die Luft, um dann allezeit mit dem HErrn zusammen zu sein, herrscht in gläubigen Kreisen Unklarheit; und ganz phantastische Anschauungen tauchen auf, die man bei forschenden Bibellesern gar nicht erwarten sollte. Aber so rächt sich die Geringschätzung des kirchlichen Unterrichtes in Katechismus und kirchlichem Bekenntnis überhaupt; wozu wären von Anfang an in der Kirche (Eph. 4, 11) Lehrer vorhanden gewesen, wenn jeder beliebige Christ sich selbst aus der Schrift genügend unterrichten konnte? Es ist ein wild gewordener Protestantismus, der da auf dem wichtigsten und schwierigsten Gebiet sein Spiel treibt.

 Es wird alles darauf ankommen, daß der Begriff der Entrückung und die Aussage darüber nicht aus seinem Zusammenhang herausgerissen wird.

 Fest steht nach Kap. 4, 13—17, daß die Entrückung der auf die Zukunft des HErrn lebend übergebliebenen Christen verbunden ist mit der Auferstehung der in Christo Entschlafenen, und die Auferstehung der letzteren hängt zusammen mit der Wiederkunst des HErrn.

 Es fragt sich nun, um welche Auferstehung es sich handelt, ob um die sogenannte allgemeine Auferstehung am Jüngsten Tag oder um eine frühere; denn auch in der Frage der Zukunft des HErrn ist ein Doppeltes zu unterscheiden: die Zukunft zur Vernichtung des Antichrists und die letzte Zukunft, zu richten die Lebendigen und die Toten. Es ist wohl keine Frage, daß hier nur die| allgemeine Auferstehung verstanden werden kann, daher auch nur die Zukunft des HErrn zum Jüngsten Gericht; und daher muß auch die Entrückung, von der hier die Rede ist, verlegt werden an das Ende. Dies geht deutlich hervor aus Vs. 13: Die Christen sollen nicht traurig sein wegen des Geschickes der von ihnen durch den Tod Hinweggenommenen. Sie würden in dieser ihrer Trauer denen gleichen, welche dem Tod hoffnungslos gegenüberstehen, d. h. den Heiden würden sie gleichen, die sich nach dem Tod nur ein schattenhaftes Fortleben der Verstorbenen denken konnten. Aber so verhält sich’s mit den verstorbenen Christen nicht, denn so gut und so gewiß JEsus selber nach dem Tod wieder eine Auferstehung erlebt hat, sagt der 14. Vs., so gewiß werden auch die in Ihm Entschlafenen eine solche wieder erleben. Für die auf die Zukunft des HErrn Überbleibenden verstand es sich gewissermaßen von selber, daß der wiederkehrende HErr sich ihrer würde annehmen und sie in seine Gemeinschaft aufnehmen, Joh. 14, 3. Aber, wie gesagt: die Lage der Verstorbenen gab noch Ursache zu fragen. Wir sehen, daß der Apostel den Thessalonichern gegenüber die Wahrheit der Auferstehung von einem anderen Gesichtspunkt aus betonen mußte als fünf Jahre später, 1. Kor. 15, den Korinthern gegenüber. Die Korinther wußten den Trost und den Wert der Auferstehung für das ganze christliche Leben in ihrem philosophischen Dünkel nicht zu schätzen; umgekehrt waren die Thessalonicher des Trostes, der für alle Christen in der Gewißheit der Auferstehung liegt, recht bedürftig. Es kam ihnen gar nicht darauf an, mit welchen künftigen Ereignissen die Auferstehung ihrer Toten verbunden sei; sie wußten ja auch nichts von einer ersten und zweiten Auferstehung, wie sie auch von einer ersten und zweiten Wiederkunft des HErrn noch keine klare Vorstellung dürften gehabt haben. Ihnen lag vor allem daran, die Gewißheit zu haben, daß ihre Toten auferstünden, um aus dem Zustand der Hoffnungslosigkeit, wie er die Heiden, wenn sie an ihre Verstorbenen denken, kennzeichnet, herausgehoben zu werden.

 Nach dem Zusammenhang haben wir also die allgemeine Auferstehung am Ende der Welt hier zu verstehen, und so fällt auch die Entrückung an das Ende der Welt.

 Die sogenannte historische Auslegung der Schrift, die ja sonst ihre nicht geringen Verdienste hat, hat in unsrer Stelle etwas in den Text hineingelesen, statt daß sie sich von dem Text hätte leiten lassen; sie meinte, es habe den Thessalonichern bezüglich ihrer Toten| leid getan, daß sie des Triumphes, welcher für die Gläubigen mit der Wiederkunft des HErrn verbunden sein würde, sollten beraubt sein; aber davon ist überall im Text nicht die Rede, sondern es handelt sich lediglich um jene Auferstehung, die wir im 3. Glaubensartikel bekennen und die auch unsere Hoffnung ist. Dieser Darlegung entspricht auch ganz die Ausführung, welche der Apostel im 15. Kap. des 1. Korinther-Briefes gibt. Am Schluß derselben kommt er auf ein Geheimnis, welches er mit dem Wort „Entrückung“ im 1. Thess.-Brief nur kurz berührt hat: „Siehe, wir sagen Euch ein Geheimnis: Entschlafen werden wir nicht Alle, verwandelt aber werden wir Alle, plötzlich, in einem Augenblick, bei der letzten Posaune; es wird nämlich die Posaune ertönen, und die Toten werden auferstehen unverweslich, und wir werden verwandelt werden. Es muß nämlich dies Verwesliche anziehen Unverweslichkeit und dies Sterbliche anziehen Unsterblichkeit. Wenn aber dies Verwesliche wird angezogen haben Unverweslichkeit und dies Sterbliche wird angezogen haben Unsterblichkeit, dann wird sich erfüllen das Wort, das geschrieben steht: ‚Verschlungen ist der Tod in den Sieg, Tod, wo ist dein Stachel, Hölle, wo ist dein Sieg?‘“ – Jene Entrückung, 1. Thess. 4, die ja durch die Luft geschehen soll und zu immerwährender Gemeinschaft mit dem verklärten HErrn dienen soll, ist natürlich nicht zu denken ohne die hier genannte Verwandlung, d. h. Verklärung der Leiblichkeit. Daß aber der ganze Vorgang nach 1. Kor. 15 an das letzte Ende der Welt fällt, ist unmittelbar aus den Worten klar ersichtlich. Daß die Thessalonicher mit großem Ernst und heiliger Begierde auf das Kommen des HErrn warteten, geht aus dem ganzen ersten Brief hervor. Sie betätigten damit in besonderer Weise einen Charakterzug, der überhaupt die erste Christenheit auszeichnet; diese führte ihr Leben in beständiger Erwartung der Wiederkunft des HErrn. Die Apostel gingen darin ihren Gemeinden voran. Eigentlich war dieses Warten für die Christen der apostolischen Zeit etwas Selbstverständliches; denn allzuoft hatte der HErr von der Nähe seines Kommens gesprochen, und die Apostel unter diejenigen, die es mit erleben sollten, eingeschlossen, doch war ein Unterschied zwischen dem apostolischen Warten und dem der Gemeinde zu Thessalonich. Die Apostel warteten in Nüchternheit, die Gemeinde in Thessalonich dagegen geriet in schwärmerische Aufregung, wollte gewissermaßen der Wiederkunft des HErrn entgegenstürmen, so daß der Apostel genötigt war, auf diesem ihren Weg ihnen ein starkes Hindernis| entgegenzustellen, daß sie sich wieder in Ruhe fassen und sammeln konnte. „Der HErr kommt nicht“, – sagt er 2. Thess. 2, 3, – „es komme denn zuvor der Abfall und werde geoffenbart der Mensch der Sünde und das Kind des Verderbens“, d. h. der Antichrist.
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 Übrigens sehen wir, wie in der Erwartung der Wiederkunft des HErrn eine leise Wandlung sich vollzieht; es schiebt sich für sie die Wiederkunft des HErrn mit der Zeit in größere Ferne hinaus, besonders deutlich tritt das hervor im 2. Brief Petri, Kap. 3, wo der Apostel diejenigen bekämpfen muß, die da sagen: „Was ist’s mit der Wiederkunft des HErrn? Seitdem die Väter entschlafen sind, bleibt alles, wie es von Anfang der Kreatur gewesen ist.“ Der Apostel begegnet diesem Einwurf der Spötter mit den Worten: „Der HErr verzieht nicht die Verheißung, wie es Etliche für einen Verzug halten, sondern Er hat Geduld mit uns, denn er will nicht, daß Jemand verloren werde, sondern daß sich Jedermann zur Buße kehre.“ Daran aber, daß die Erscheinung des HErrn in nächster Zukunft stattfinden könnte, hält er gleichwohl fest, indem er sagt: „Eins aber, ihr Lieben, sei euch unverborgen, daß bei dem HErrn tausend Jahre sind wie ein Tag und ein Tag wie tausend Jahre“. Und weiter hält er daran fest, daß auch sie, die noch leben, die Wiederkunft des HErrn erleben könnten, denn er sagt: „So denn dieses (die jetzt bestehende Welt) alles soll zergehen, wie sollt ihr denn geschickt sein mit heiligem Wandel und gottseligem Wesen, daß ihr wartet und eilet zu der Zukunft des Tages des HErrn, in welchem die Himmel vom Feuer zergehen und die Elemente vor Hitze zerschmelzen werden“. Und ähnlicher Auffassung scheint auch der Apostel Paulus zu sein, wenn er sagt 1. Tim. 6: „Ich gebiete dir, Timotheus, vor Gott... daß du haltest das Gebot bis auf die Erscheinung unseres Herrn Jesu Christi, welche wird zeigen zu seinen Zeiten der Selige und allein Gewaltige, der König aller Könige und HErr aller HErren“. (V. 13–15.) Hier ist bemerkenswert das Wort: „zu seinen Zeiten“, das scheint mehrere Möglichkeiten offen zu lassen von näherer und fernerer Zukunft. Bemerkenswert ist, daß in den Evangelien neben jener Anschauung, welche die Zukunft des HErrn in nächster Nähe eintreten läßt, als z. B.: „Ihr werdet die Städte Judäas und Galiläas nicht ausrichten, bis daß des Menschen Sohn kommen wird“, eine andere Richtung nebenher geht, die eine längere Zeit in Aussicht nimmt, nämlich Lucä 21, 20–24. Wenn Ihr aber sehen werdet Jerusalem| belagert mit einem Heer, so merket, daß herbei kommen ist ihre Verwüstung... und sie werden fallen durch des Schwertes Schärfe und gefangen geführt werden unter alle Völker, und Jerusalem wird zertreten werden von den Heiden, bis daß der Heiden Zeit erfüllet wird.“ Das scheint doch das Verstreichen einer längeren Zeit bis zur Wiederkunft des HErrn vorauszusetzen. Wir finden so in den Reden des HErrn selber bald die eine, bald die andere Anschauung. Den Jüngern blieb zunächst in Erinnerung, was Er von einer möglichen baldigen Wiederkunft sagte. Das geht aus dem Ev. Matthäi hervor, welches das erste Evangelium ist, das geschrieben wurde. Lukas ist viel später geschrieben; da hat sich bereits eine Wandlung der Anschauung vollzogen. Daß in den Reden des HErrn uns bald die eine, bald die andere Anschauung entgegentritt, dürfte seinen Grund darin haben, daß auch die Zerstörung Jerusalems als herbeigeführt durch eine Art Wiederkunft des HErrn dargestellt wird.

 Aus dem Vorstehenden dürfte klar sein, daß die Schrift von einer Entrückung der lebend auf die Zukunft des HErrn Übergebliebenen vor seinem Kommen zum Weltgericht nichts weiß noch wissen will. Und dies hat auch einen Anhalt in den Worten des HErrn selbst, Matth. 13, im Gleichnis von dem Unkraut auf dem Acker; denn da heißt es von der Zeit der Ernte: „Gleichwie man nun das Unkraut ausjätet und mit Feuer verbrennt, so wird’s auch am Ende dieser Welt gehen: des Menschen Sohn wird seine Engel senden, und sie werden sammeln aus seinem Reich alle Ärgernisse und die da Unrecht tun, und werden sie in den Feuerofen werfen, da wird sein Heulen und Zähneklappen. Dann werden die Gerechten leuchten wie die Sonne in ihres Vaters Reich“. (V. 40–43.)

 Das ist eine ähnliche Ehre wie das Hingerücktwerden in die Wolken zur Begegnung mit dem HErrn. Und wie wir uns das Hingerücktwerden nach 1. Kor. 15 nicht anders denken können als unter Verklärung der Hingerückten, so können wir umgekehrt es uns auch nicht anders denken, als daß die wie die Sonne leuchtenden Gerechten ihrem verklärten HErrn werden zugeführt werden.

 Dies ist die Lehre der Heiligen Schrift über die letzten Vorgänge am Ende der Welt, welche im Leben der lebend übergebliebenen Gläubigen stattfinden werden. Es ist nichts verkehrter als irgend eine dieser Stellen aus ihrem Zusammenhänge reißen und eigene Gedanken daran anknüpfen zu wollen. Wir wollen diese einzelne| Stelle nicht anders als im Zusammenhang des Ganzen ansehen, dann werden, wir auf der rechten Bahn bleiben, weder zur Linken noch zur Rechten vom Wege abirren. Alle selbstgemachten Gedanken sind törichte Einbildungen, die auch nicht wahrhaft trösten können. Aber der Trost, den unser Bekenntnis auf Grund der Schrift ausspricht, daß am Ende der Tage, so Viele ihrer entschlafen sind, durch die Stimme des HErrn aus den Gräbern hervorgerufen werden, und zwar: die da gutes getan haben, zur Auferstehung des Lebens, dieser Trost steht fest, und an demselben haben sich jene Christen in Thessalonich auch ohne Zweifel voll genügen lassen, und er ist ihnen ein Antrieb geworden, als Kinder des Tages zu wandeln: „Angetan mit dem Panzer des Glaubens und der Liebe und mit dem Helm der Hoffnung des Heils zu unserer Seligkeit. Denn Gott hat uns nicht gesetzt zum Zorn, sondern die Seligkeit zu besitzen, durch unsern HErrn JEsum Christum, der für uns gestorben ist, auf daß, wir wachen oder schlafen, wir zugleich mit ihm leben sollen“.

 Wohl dem luth. Christen, der an der schlichten Einfalt seines kirchlichen Bekenntnisses festhält! Der Herr behütet die Einfältigen.! Ps. 116, 6. –

M. Deinzer, Kirchenrat,
Missionsdirektor.