Die Drellfabrik von Kämmels Erben und Comp. in Groß-Schönau

Textdaten
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Autor: Diverse
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Titel: Die Drellfabrik von Kämmels Erben und Comp. in Groß-Schönau
Untertitel:
aus: Album der Sächsischen Industrie Band 1, in: Album der Sächsischen Industrie. Band 1, Seite 56–57
Herausgeber: Louis Oeser
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Louis Oeser
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Erscheinungsort: Neusalza
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Quelle: Commons und SLUB Dresden
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Drell-Fabrik von Kämmels Erben u. Comp. in Gross-Schönau.

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Die Drellfabrik von Kämmels Erben und Comp. in Groß-Schönau.
(Mit Abbildung.)


Dem Lauf der in Böhmen bei dem Dorfe Ehrenberg entspringenden Mandau folgend, zieht sich eine fast sechs Stunden lange Häuserreihe hin, welche bald auf sächsischem, bald auf böhmischem Gebiet liegt und zu den bevölkertsten und gewerbfleißigsten ländlichen Gegenden nicht nur Deutschlands, sondern der ganzen Erde gehört. Hauptsächlich ragen hervor die beiden sächsischen Dörfer Groß-Schönau und Seifhennersdorf, sowie das in Bezug auf seine industrielle Regsamkeit durch die ganze österreichische Monarchie berühmte Warnsdorf und die gleichfalls böhmische Stadt Rumburg. Wohin man bei einer Wanderung durch diese endlos scheinende Häuserkette auch schaut, überall sieht man Zeichen des Gewerbfleißes, Alt und Jung, Groß und Klein ist bei der Fabrikation thätig und der lebendigste Verkehr herrscht von früh bis spät auf allen Straßen.

In dieser Häuserkette ist auf sächsischem Gebiet das ansehnlichste Glied das Dorf Groß-Schönau, eins der größten Sachsens, denn es zählt mit dem dazu gehörigen Neu-Schönau gegenwärtig in 643 Gebäuden 5485 Einwohner. Von Zittau – dessen Rath sich seit 1587 im Besitz dieses Dorfes befindet – ist es zwei Stunden entfernt, von Herrnhut drei. Auf der einen Seite von Hainewalde, auf der andern von Warnsdorf begränzt, liegt Groß-Schönau an den Ufern der hier durch das Flüßchen Lausur und das Pochwasser verstärkten Mandau in einem von verschiedenen Hügeln durchschnittenen anmuthigen Thal, gebildet durch die Bertsdorfer und Johnsdorfer Berge, die Vorberge der 2433 Fuß hohen, eine herrliche Rundschau gewährenden Lausche, dem Nesselberge, sowie die Höhen bei Spitzkunnersdorf und Hainewalde, und es bietet in dieser romantischen Umgebung mit seinen vielen wohlgebauten, zum Theil selbst palastartigen Häusern einen überaus freundlichen Anblick, wobei man auch die Wahrzeichen industrieller Betriebsamkeit, die hohen Dampfessen nicht vermißt.

Groß-Schönau ist der altberühmte Hauptsitz der Damastweberei, hat sich aber seit einiger Zeit auch der Wollenfabrikation zugewendet und zählt in beiden Branchen großartige Etablissements. Ueber die Damastweberei werden wir uns in dem nächsten Heft ausführlicher zu sprechen Gelegenheit haben, für jetzt wählen wir zu näherer Betrachtung die rühmlich bekannte Drellfabrik von Kämmels Erben u. C.

Die Gebäude dieser Firma zerfallen in zwei Complexe. Diejenigen, in welchen sich hauptsächlich der Geschäftsbetrieb findet, liegen in dem Mitteldorfe an der Lausur und bestehen aus

einem Hauptgebäude, in dem sich das Comptoir, die Weberexpedition, Muster- und Packstube, das Lager roher und zugerichteter Waare, und das Garnlager befinden;
einem zweiten Hauptgebäude, enthaltend die Färberei, Garntrockenstuben und Scheerstuben.

Außerdem gehören noch Stallungen, Remisen für Wagen und Feuerungsmaterial, sowie ein großer Garten dazu.

In Nieder-Groß-Schönau liegt an dem Pochwasser das Mühlengrundstück, welches die Firma zur Hälfte besitzt, (Eigenthümer der zweiten Hälfte sind die Herren C. G. Härtig und E. Paul). Dasselbe besteht aus

einem ansehnlichen neuerbauten, durchaus massiven Hauptgebäude, welches die Müllerei, Twisterei, Räume für die nächstens einzurichtende mechanische Weberei, sowie verschiedene Wohnungen, enthält, und

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einem Nebengebäude, in dem sich die Appretur, zwei holländische Mangeln, Senge- und Waschmaschinen, so wie Stallungen u.s.w. befinden.

Zu diesem Besitzthum gehören noch Gärten, Wiesen und Aecker.

Als Branchen umfaßt das Etablissement die Fabrikation baumwollener, leinener und halbleinener Rock- und Hosenzeuge, vorzüglich die jetzigen Jacquards; Haupterzeugnisse sind leinene und halbleinene Hosendrells, welche auch den berühmtesten und gangbarsten Artikel bilden.

Ihren Hauptabsatz finden die Fabrikate auf den Messen zu Leipzig und Frankfurt an der Oder, sowie nach sämmtlichen deutschen Staaten und nach Nord- und Südamerika, und hat das Etablissement sowohl in Leipzig als Hamburg Commissionslager.

Im Betrieb befindet sich ein Dampfkessel von acht Pferdekraft, welcher zur Trockenmaschine benutzt wird. Die zwei Mangeln, Waschmaschine und Twisterei werden durch Wasserkraft betrieben, welche ohngefähr zwanzig Pferdekraft beträgt.

Beschäftigt werden hier außer 3 Comptoiristen, 3 Reisenden, 2 Maschinisten, 2 Faktoren, 4 Färbern und 14 Fabrikarbeitern im Hause, zum Expediren, Waarenlegen und Musterschneiden, noch 800–1000 Personen, mit Einschluß der Scheerer, Treiber und Twister. Ferner sind sowohl in Hamburg als Bremen Agenten für die Fabrik thätig.

Besitzer des Etablissements sind Herr Carl Heinrich Schiffner und Herr Carl Eduard Friedrich.

Bereits seit einer langen Reihe von Jahren betrieb Herr C. G. Kämmel in Waltersdorf die Fabrikation von Jacquards sehr lebhaft und mit großem Erfolg, bis zu seinem am 13. Dezember 1849 erfolgten Tod, worauf dessen Sohn, Herr Carl Ernst Eduard Kämmel das Etablissement in Groß-Schönau gründete und als alleiniger Inhaber der Firma es bis zum 31. August 1854 betrieb. Den 1. September 1854 associirte sich Herr Kämmel mit seinem Schwager, Herrn Carl Heinrich Schiffner und Herrn Carl Eduard Friedrich. Die vereinigten Kräfte wirkten nun zur möglichsten Hebung und Vervollkommnung des Geschäfts; die zahlreichen geschäftlichen Verbindungen, welche bereits von Herrn C. G. Kämmel in Waltersdorf eingeleitet waren, wurden nach allen Richtungen erweitert und stets neue Absatzwege eröffnet, wodurch das Etablissement einen immer schöneren Aufschwung nahm. Doch schon am 25. April 1855 erlitt das Geschäft durch den Tod des Gründers, Herrn C. E. E. Kämmel einen empfindlichen Verlust, ohne daß jedoch in dem Betrieb eine Störung eingetreten wäre; das Geschäft behielt seinen ruhigen und festen Gang zu weiterer und schönerer Entwickelung. Die Erben des verstorbenen Herrn Kämmel blieben Theilhaber an dem Geschäft, welches nun von den Herren Schiffner und Friedrich allein und in der Weise fortgeführt wird, daß Erstgenannter die innere Leitung, Herr Friedrich aber das Auswärtige zu besorgen hat.