Die Dreifaltigkeitsbrücke in Florenz

XI. Oxford Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Erster Band (1833) von Joseph Meyer
XII. Die Dreifaltigkeitsbrücke in Florenz
XIII. Der Pavillon zu Brighton in England
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PONTE SANTA TRINITÀ,
FLORENZ.

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XII. Die Dreifaltigkeitsbrücke in Florenz.




Der Zauber, den Florenz auf jeden empfänglichen Menschen ausübt, ist nicht nur in den Eindrücken einer reichen und heitern Gegenwart, sondern auch in den Erinnerungen einer glorreichen Vorzeit, deren Denkmale bei jedem [28] Schritte aufstoßen, zu suchen. Mehr als das Andenken an seine kriegerische Größe, an seine Helden und Staatsmänner in den Zeiten der Republik, beschäftigt den Geist der Gedanke, daß Wissenschaften und Künste hier vor allen andern Orten geblüht und die edelsten Früchte für die Bildung der europäischen Völker getragen haben. Die gefeiertsten Namen der italienischen Literatur, die gepriesensten der Künste sind florentinischen Ursprungs: und Florenz selbst ist gleichsam ein großes Museum, in welchem ihre unvergänglichsten Werke bewahrt sind. Dieß gilt besonders in Beziehung auf seine Architekten. Sie machten Florenz zu einer Stadt von Pallästen, Domen, Kirchen und prachtvollen Bauwerken aller Art – in ihm das schönste in jedem Zweige ihrer Kunst gleichsam wie in einem Fokus zusammen drängend. Auch Michel Angelo, das größte Kunstgenie aller Zeiten, gleich groß als Architekt, wie als Maler und Bildner in Erz und Stein, wählte Florenz, in dessen Nähe er geboren, dem er seine Bildung verdankte, zur Stätte für die Aufrichtung vieler seiner trefflichsten Werke. Unter diese ist auch die Brücke zu zählen, welche unser schönes Bild dem Auge versinnlicht. Zwar ward sie erst einige Jahr nach seinem Tode (1669) vollendet; aber den Plan dazu entwarf er. – Unter allen ähnlichen Bauwerken Italiens, obschon mancher an Größe nachstehend, ist sie von Gestalt die schönste; an Adel, Reinheit und Zierlichkeit ihrer Verhältnisse wird sie von keiner der Erde übertroffen. –

Die Brücke SANTA TRINITA führt über den Florenz in zwei ungleiche Hälften theilenden Arno. Im Innern aus Granit erbaut, besteht ihr Aeußeres ganz aus glänzendweißem Alabaster. Die Verhältnisse sind die schönsten, welche je ein Baukünstler erfunden. Der Adel desselben reißt jeden Beschauer, auch den Rohesten, zur Bewunderung hin. Die kühne Spannung der Bogen, dabei ihre außerordentliche Leichtigkeit und Zierlichkeit im Gegensatz zu der kolossalen Stärke der Pfeiler und Widerlager, welche die Wasserkraft des wilden Arno zu brechen bestimmt sind, bringen eine unbeschreibliche Wirkung hervor. Kurz nach ihrer Vollendung gab man zwar der Befürchtung Raum, das herrliche Werk könne, ohne Nachtheil für seine Dauer, die Erschütterung schwerer Fuhrwerke nicht aushalten und fast 100 Jahre lang war sie bloß Fußgängern offen. Später aber wurde erwiesen, daß ihre Construktion auf die Grundsätze der höchsten Dauer beruhe, und seitdem wird sie von den schwersten Lastwagen befahren. Sie hat sich auch so vortrefflich erhalten, daß man glauben sollte, sie wäre erst vor eben so viel Jahren erbaut, als sie Jahrhunderte nun den Wogen und Lasten trotzt.

Die Betrachtung der merkwürdigsten sonstigen Bauwerke, welche Florenz den Beinamen „die Schöne“ erworben, die Erwähnung der unermeßlichen Kunstschätze, welche sie enthalten, versparen wir auf eine spätere Gelegenheit. Diese ist uns in einem guten Bilde von der Ansicht der Hauptstadt Toskana’s bewahrt, welches eins der nächsten Hefte dieses Buches zu schmücken bestimmt ist.