Die Braut von Corinth (1798)
Romanze.
Nach Corinthus von Athen gezogen
Kam ein Jüngling, dort noch unbekannt.
Einen Bürger hofft er sich gewogen,
Beyde Väter waren gastverwandt,
Töchterchen und Sohn
Braut und Bräutigam, in Ernst, genannt.
Aber wird er auch willkommen scheinen
Wenn er theuer nicht die Gunst erkauft?
Und sie sind schon Christen und getauft.
Keimt ein Glaube neu,
Wird oft Lieb und Treu
Wie ein böses Unkraut ausgerauft.
Vater, Töchter, nur die Mutter wacht,
Sie empfängt den Gast mit bestem Willen
Gleich ins Prunkgemach wird er gebracht
Wein und Essen prangt
So versorgend wünscht sie gute Nacht.
Aber bey dem wohlbestellten Essen
Wird die Lust der Speise nicht erregt,
Müdigkeit läßt Speis’ und Trank vergessen,
Und er schlummert fast,
Als ein seltner Gast
Sich zur offnen Thür hereinbewegt.
Denn er sieht, bey seiner Lampe Schimmer
Sittsam still ein Mädchen in das Zimmer
Um die Stirn ein schwarz und goldnes Band,
Wie sie ihn erblickt,
Hebt sie, die erschrickt,
Bin ich, rief sie aus, so fremd im Hause
Daß ich von dem Gaste nicht vernahm?
Ach! so hält man mich in meiner Klause!
Und nun überfällt mich hier die Schaam.
Auf dem Lager dort
Und ich gehe schnell so wie ich kam.
Bleibe schönes Mädchen! ruft der Knabe,
Rafft von seinem Lager sich geschwind,
Und du bringst den Amor liebes Kind.
Bist für Schrecken blaß,
Liebe komm und laß
Laß uns sehn, wie froh die Götter sind.
Ich gehöre nicht den Freuden an
Schon der letzte Schritt ist, ach! geschehen,
Durch der guten Mutter kranken Wahn,
Die genesend schwur;
Sey dem Himmel künftig unterthan.
Und der alten Götter bunt Gewimmel
Hat sogleich das stille Haus geleert,
Unsichtbar wird einer nur im Himmel,
Opfer fallen hier,
Weder Lamm noch Stier,
Aber Menschenopfer unerhört.
Und er fragt und wäget alle Worte,
Ist es möglich? daß am stillen Orte
Die geliebte Braut hier vor mir steht!
Sey die meine nur!
Unsrer Väter Schwur
Mich erhältst du nicht, du gute Seele,
Meiner zweyten Schwester gönnt man dich,
Wenn ich mich in stiller Klause quäle,
Ach! in ihren Armen denk an mich,
Die sich liebend kränkt,
In die Erde bald verbirgt sie sich.
Nein! bey dieser Flamme seys geschworen,
Gütig zeigt sie Hymen uns voraus,
Kommst mit mir in meines Vaters Haus.
Liebchen bleibe hier,
Feyre gleich mit mir
Unerwartet unsern Hochzeitschmaus.
Golden reicht sie ihm die Kette dar,
Und er will ihr eine Schale reichen,
Silbern, künstlich wie nicht eine war.
Die ist nicht für mich,
Eine Locke gieb von deinem Haar.
Eben schlug die dumpfe Geisterstunde
Und nun schien es ihr erst wohl zu seyn.
Gierig schlürfte sie mit blassem Munde
Doch vom Waizenbrot
Was er freundlich bot,
Nahm sie nicht den kleinsten Bissen ein.
Und dem Jüngling reichte sie die Schale,
Liebe fordert er beym stillen Mahle,
Ach! sein armes Herz war Liebekrank,
Doch sie widersteht,
Wie er immer fleht,
Und sie kommt und wirft sich zu ihm nieder:
Ach! wie ungern seh ich dich gequält!
Aber ach! berührst du meine Glieder,
Fühlst du schaudernd was ich dir verheelt.
Aber kalt wie Eis
Ist das Liebchen, das du dir erwählt.
Heftig faßt er sie mit starken Armen
Von der Liebe Jugendkraft durchmannt:
Wärst du selbst mir aus dem Grab gesandt!
Wechselhauch und Kuß!
Liebesüberfluß!
Brennst du nicht und fühlest mich entbrannt?
Thränen mischen sich in ihre Lust,
Gierig saugt sie seines Mundes Flammen
Eins ist nur im andern sich bewußt;
Seine Liebeswuth
Doch es schlägt kein Herz in ihrer Brust.
Unterdessen schleichet auf dem Gange
Häuslich spät die Mutter noch vorbey,
Horchet an der Thür und horchet lange,
Klag und Wonne Laut,
Bräutigams und Braut,
Und des Liebestammelns Raserey.
Unbeweglich bleibt sie an der Thüre
Und sie hört die höchsten Liebesschwüre
Lieb und Schmeichelworte mit Verdruß –
Still der Hahn erwacht
Aber Morgennacht
Länger hält die Mutter nicht das Zürnen
Oefnet das bekannte Schloß geschwind –
Giebt es hier im Hause solche Dirnen
Die dem Fremden gleich zu Willen sind? –
Bey der Lampe Schein
Sieht sie, Gott! sie sieht ihr eigen Kind.
Und der Jüngling will im ersten Schrecken
Mit des Mädchens eignem Schleyerflor,
Doch sie windet gleich sich selbst hervor;
Wie mit Geists Gewalt
Hebet die Gestalt,
Lang und langsam sich im Bett’ empor.
So mißgönnt ihr mir die schöne Nacht!
Ihr vertreibt mich von dem warmen Orte,
Bin ich zur Verzweiflung nur erwacht?
Ists euch nicht genug;
Daß ihr früh mich in das Grab gebracht?
Aber aus der schwerbedeckten Enge
Treibet mich ein eigenes Gericht,
Eurer Priester summende Gesänge,
Salz und Wasser kühlt
Nicht wo Jugend fühlt,
Ach die Erde kühlt die Liebe nicht.
Dieser Jüngling war mir erst versprochen,
Mutter habt ihr doch das Wort gebrochen
Weil ein fremd, ein falsch Gelübd euch band!
Doch kein Gott erhört,
Wenn die Mutter schwört
Aus dem Grabe werd ich ausgetrieben,
Noch zu suchen das vermißte Gut,
Noch den schon verlohrnen Mann zu lieben,
Und zu saugen seines Herzens Blut.
Muß nach andern gehn
Und das junge Volk erliegt der Wuth.
Schöner Jüngling, kannst nicht länger leben,
Du versiechest nun an diesem Ort,
Deine Locke nehm ich mit mir fort.
Sieh sie an genau,
Morgen bist du grau,
Und nur braun erscheinst du wieder dort.
Einen Scheiterhaufen schichte du,
Oefne meine bange kleine Hütte,
Bring in Flammen Liebende zur Ruh.
Wenn der Funke sprüht,
Eilen wir den alten Göttern zu.