Textdaten
<<< >>>
Autor: Christian Fürchtegott Gellert
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Biene und die Henne
Untertitel:
aus: Sämmtliche Schriften. 1. Theil: Fabeln und Erzählungen, Erstes Buch. S. 69–70
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1769
Verlag: M. G. Weidmanns Erben und Reich und Caspar Fritsch
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
Erstdruck 1746/48
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[index:|Indexseite]]
[69]
Die Biene und die Henne.


Nun Biene, sprach die träge Henne,
Dieß muß ich in der That gestehn,
So lange Zeit, als ich dich kenne:
So seh ich dich auch müßig gehn.

5
Du sinnst auf nichts, als dein Vergnügen;

Im Garten auf die Blumen fliegen,
Und ihren Blüthen Saft entziehn,
Mag eben nicht so sehr bemühn.
Bleib immer auf der Nelke sitzen,

10
Dann fliege zu dem Rosenstrauch.

Wär ich, wie du, ich thät es auch.
Was brauchst du andern viel zu nützen?
Genug, daß wir so manchen Morgen
Mit Eyern unser Haus versorgen.

15
O! rief die Biene, spotte nicht!

Du denkst, weil ich bey meiner Pflicht
Nicht so, wie du bey einem Eye,
Aus vollem Halse zehnmal schreye:
So, denkst du, wär ich ohne Fleiß.

20
Der Bienenstock sey mein Beweis,

Wer Kunst und Arbeit besser kenne,
Ich, oder eine träge Henne?
Denn, wenn wir auf den Blumen liegen,
So sind wir nicht auf uns bedacht;

25
Wir sammeln Saft, der Honig macht,

Um fremde Zungen zu vergnügen.

[70]
Macht unser Fleiß kein groß Geräusch,

Und schreyen wir bey warmen Tagen,
Wenn wir den Saft in Zellen tragen,

30
Uns nicht, wie du im Neste, heisch:

So präge dir es itzund ein:
Wir hassen allen stolzen Schein;
Und wer uns kennen will, der muß in Rost und Kuchen
Fleiß, Kunst, und Ordnung untersuchen.

35
Auch hat uns die Natur beschenkt,

Und einen Stachel eingesenkt,
Mit dem wir die bestrafen sollen,
Die, was sie selber nicht verstehn,
Doch meistern, und verachten wollen:

40
Drum, Henne! rath ich dir, zu gehn.




O Spötter, der mit stolzer Miene,
In sich verliebt, die Dichtkunst schilt;
Dich unterrichtet dieses Bild.
Die Dichtkunst ist die stille Biene;

45
Und willst du selbst die Henne seyn:

So trifft die Fabel völlig ein.
Du fragst, was nützt die Poesie?
Sie lehrt, und unterrichtet nie.
Allein wie kannst du doch so fragen?

50
Du siehst an dir, wozu sie nützt:

Dem, der nicht viel Verstand besitzt,
Die Wahrheit, durch ein Bild, zu sagen.