Die Ausbeutung des Rübensyrups

Textdaten
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Autor: Dr. Franz Döbereiner
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Titel: Die Ausbeutung des Rübensyrups
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 25, S. 362-363
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1858
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Die Ausbeutung des Rübensyrups.
Von Dr. Franz Döbereiner.


Allgemein ist der Unterschied bekannt, der zwischen dem bei der Verarbeitung des Zuckerrohrsaftes und der des Rübensaftes auf Zucker abfallenden Syrup, zwischen dem indischen (holländischen oder Hamburger) und dem Rübensyrup stattfindet. Beide Syruparten enthalten zwar annähernd dieselben Quantitäten Rohr-, Trauben- und Schleimzucker, unterscheiden sich aber auffallend in dem Geschmack, denn während dieser bei dem indischen Syrup höchst intensiv süß und schwach brenzlig ist, zeigt er sich bei dem Rübensyrup nur sehr wenig süß, sondern mehr brenzlig und zugleich auffallend salzig und höchst widerlich rübenartig, was dadurch bedingt wird, daß der letztere neben den genannten Zuckerarten ziemlich viel Salze und die eigenthümlich schmeckenden (und riechenden) Rübenbestandtheile enthält. Diese Beimischungen und der durch sie veranlaßte Geschmack und Geruch des Rübensyrups machen ihn als Versüßungsmittel wenig brauchbar und vermindern seinen Werth so sehr, daß er bei den jetzigen Handelsverhältnissen kaum 1/8 des Preises des indischen Syrups hat; seine Verwendung beschränkt sich auf die zur Bereitung von Stiefelwichse und auf Spiritusbrennerei, und die Rübenzuckerfabrikanten sind nicht selten in Verlegenheit, sich seiner zu den billigsten Preisen zu entledigen und ziehen es dann vor, ihn als Viehfutter oder Düngematerial zu benutzen oder durch Verbrennen und Einäschern auf Pottasche, Soda und schwefelsaure Salze zu verarbeiten.

Die Menge des in dem Rübensyrup enthaltenen wirklichen Zuckers, d. h. des kiystallisirbaren Rohrzuckers, ist nicht unbedeutend, denn sie beträgt gegen 40 Procent. Bedenkt man, daß für den Augenblick der Centner Rübensyrup aus den Fabriken für 20 Silbergroschen verkauft wird, der Fabrikpreis des Zuckers – wie er jetzt gewöhnlich in den Fabriken dargestellt und zur weiteren Reinigung an die Raffinerieen abgegeben wird – aber 11 Thaler ist und der Centner Syrup 44 Pfund eines solchen Zuckers enthält, so findet man, daß den Rübenzuckerfabrikanten ein großer Verlust beim Verkauf des Syrups treffen muß, denn er läßt die 44 Pfund Zucker, die er abgeschieden für 4 Thlr. 12 Sgr. verwerthen würde, zu 20 Sgr. ab. Wenn während einer Campagne, d. h. während der zwischen dem September und März liegenden Betriebszeit einer Rübenzuckerfabrik 2000 Centner Rübensyrup abfallen, so hat der Fabrikant daraus nur eine Einnahme von 1333 1/3 Thalern; würde er daraus den ganzen krystallisirbaren Zucker abscheiden, also nach obiger Annahme davon 800 Centner erhalten, so müßte er daraus 8800 Thaler entnehmen, wenn er keine Abscheidungskosten zu berechnen hätte, worüber weiter unten zu vergleichen ist.

Die verschiedenen in dem Rübensyrup vorkommenden ursprünglichen (und auch während der Bearbeitung des Rübensaftes entstandenen) Stoffe verhindern die Krystallisation des darin enthaltenen Rohrzuckers, denn wenn jener auch sehr lange bei einer niedrigen Temperatur sich überlassen bleibt, so scheidet sich eine verhältnißmäßig um sehr geringe Menge von diesem in Krystallen aus und die größte Menge desselben bleibt in der dickflüssigen Mischung. Der Weg der Krystallisation ist also für die Ausscheidung des Zuckers unzulässig und man setzt den Syrup in den Fabriken nur deshalb der Wintertemperatur aus, weil dann noch ganz ohne Kosten etwas krystallisirter Zucker erhalten werden kann; der dann übrig bleibende Syrup ist eben die Handelswaare mit 40 Procent Zucker. Zuckerfabrikanten wie Chemiker suchten auf einem anderen Wege zum Ziele zu kommen und gelangten auch zum Theil insofern dahin, daß sie den ganzen Zucker oder den größten Theil desselben aus dem durch Krystallisation nicht mehr zu trennenden Syrup abschieden, aber die aufgefundenen oder angewandten Mittel und Wege waren entweder wegen der Höhe der Scheidungskosten oder aus anderen Gründen für die fabrikmäßige Befolgung nicht zulässig und der Rübensyrup blieb die Last der Fabrikanten.

So lange die Zuckerrüben noch zu mäßigen Preisen zu kaufen oder zu bauen waren, das Tagelohn und das Heizmaterial sich in den hergebrachten Preisen hielten und die Rübensteuer nur wenige Groschen für den Centner betrug, so lange war auch der unverhältnißmäßig billige Preis des Rübensyrups ohne wesentlichen Einfluß auf den Ertrag der Rübenzuckerindustrie, insofern nur der gewonnene Zucker gut verwerthet wurde, was bis vor einigen Jahren fast durchgehends der Fall war. Jetzt aber, wo die Rüben um das Doppelte im Preise gestiegen sind oder für den zu ihrem Anbau dienenden Boden eine hohe Rente zu berechnen ist, wo ferner Arbeitslohn und der Preis des Heizmaterials sich um 1/3 bis 1/2 erhöht haben und endlich die Rübensteuer wesentlich gesteigert werden soll, außerdem aber der Zucker sehr niedrig im Preise steht und nur unsichere Hoffnungen auf bessere Verwerthung vorhanden sind, da hängt die Zukunft der Rübenzuckerindustrie von der höchsten Ausbeute an Zucker ab, welche nur dadurch erzielt werden kann, daß entweder die ganze Zuckerfabrikation eine durchgreifende, allen im Safte enthaltenen Zucker umfassende Verbesserung erfährt oder – wenn diese nicht zu erzielen – der jetzt abfallende Syrup möglichst ausgebeutet werden muß.

Den letzteren Theil, die Zuckerausbeutung des Rübensyrups, habe ich seit mehreren Monaten auf dem Wege des Experimentes verfolgt und bin nach einer Reihe von Versuchen endlich zu dem Ziele gelangt, die Verhältnisse kennen zu lernen, unter denen beinahe [363] der ganze im Syrup enthaltene Zucker auf eine billige Weise gewonnen und das Verfahren fabrikmäßig ausgeführt werden kann. Ich habe nämlich bei Anwendung dieses Verfahrens in der Verarbeitung eines und desselben Syrups stets 37 bis 37 1/2 Procent körnig krystallinischen Zucker erhalten, welcher ohne irgend eine Reinigung durch Knochenkohle oder ein anderes Mittel von hellbräunlich gelber Farbe und von rein süßem, vollkommen rübenfreiem Geschmack ist; zugleich gewinne ich dabei ein viel gebrauchtes und daher leicht und gut zu verwerthendes Nebenproduct, ohne daß der Abfall von dem verarbeiteten Syrup seinen Werth als Material zum Düngen oder zur Gewinnung von Pottasche und dergleichen verliert.

Da nur Zahlen die richtigen Anhaltepunkte für die Rentabilität irgend einer commerciellen und industriellen Unternehmung geben, so will ich auch hier über mein Verfahren die betreffenden Data anführen. Bei einer Bearbeitung von zehn Centnern Syrup, diesen zu dem jetzigen Preise von 20 Sgr. für den Centner veranschlagt, betragen die Kosten für Syrup, Scheidungsmaterialien und Feuerung, ausschließlich des Arbeitslohnes, nahe 35 Thaler der Ertrag hingegen, wenn der gewonnene Zucker zu 11 Thaler für den Centner berechnet wird, ergibt nahezu 54 Thaler. Abstrahirt man von der Gewinnung des angedeuteten Nebenproducts, so stellen sich zwar die Kosten für die Bearbeitung von zehn Centnern Syrup nur auf etwas über 28 Thaler, dagegen gewährt der Ertrag aber auch nur etwas über 41 Thaler. Die Arbeitslöhne für erstes Bearbeitungsweise zu drei, für letztere zu zwei Thaler angeschlagen, sind gewiß nicht zu niedrig berechnet und es ergibt sich dann für ersteren Fall ein Gewinn von 16, für letzteren von 11 Thalern, ein Gewinn, der für einen Abfall von 2000 Centnern Syrup während einer Campagne zu einer beträchtlichen Summe, zu 3200 Thalern in dem einen und zu 2200 Thalern in dem anderen Falle steigt, so daß also jene 2000 Ctr. Syrup statt zu 1333 1/3, sich zu 4533 1/3, resp. zu 1/3 Thaler verwerthen, wobei noch nicht der Werth in Anschlag gebracht ist, den der Syrupsabfall als Düngematerial oder für die Verwendung zur Gewinnung von Pottasche und dergleichen behält.

Für die Einführung meines Verfahrens in den Rübenzuckerfabriken spricht noch der Umstand ein bedeutungsvolles Wort, daß mit Ausnahme einer wenig kostenden Vorrichtung die Lokalitäten und Utensilien, die bereits vorhanden, brauchbar sind und diese zu einer Zeit, wo die Rübensaftbearbeitung ruht, für die Ausbeutung des während der Campagne abgefallenen Syrups benutzt werden können. Ist die Quantität des in einer Zuckerfabrik vorkommenden Syrups nicht so bedeutend, um volle Beschäftigung während des Frühjahres und Sommers in einem den vorhandenen Utensilien und den Arbeitskräften entsprechenden Verhältniß und in Folge dessen mit der möglichst großen Ertragsfähigkeit zu gewähren, so mögen mehrere benachbarte Fabriken zur gemeinschaftlichen Ausbeutung des Syrups zusammentreten. Aber auch die Begründung eines besonderen Etablissements, das sich einzig und allein mit der Ausbeutung des Syrups nebst der Bereitung des angedeuteten Nebenproductes und der Verwendung des Syrupabfalles zu Fabrikation von künstlichem Dünger oder Pottasche und dergleichen befaßt, würde den Unternehmern eine sehr hohe Rente gewähren.

Die auf allgemeine Unterhaltung und Belehrung basirte Tendenz dieser Blätter gestattet den Abdruck der obigen Mittheilungen, ohne auf das Specielle derselben weiter einzugehen, worüber ich auf mündliche oder schriftliche Anfragen bereitwillig Auskunft geben werde.