Deutschland. Ein Wintermährchen
Deutschland. Ein Wintermährchen erschien erstmals 1844 in dem Gedichtband Neue Gedichte. In dieser Ausgabe gibt es kein Vorwort. Ebenfalls 1844 erschien die zensierte Separatausgabe Deutschland. Ein Wintermährchen. In dieser gibt es ein Vorwort.
Editionsrichtlinien:
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Im traurigen Monat November war’s,
Die Tage wurden trüber,
Der Wind riß von den Bäumen das Laub,
Da reist’ ich nach Deutschland hinüber.
Da fühlt ich ein stärkeres Klopfen
In meiner Brust, ich glaube sogar
Die Augen begunnen zu tropfen.
Und als ich die deutsche Sprache vernahm,
Ich meinte nicht anders, als ob das Herz
Recht angenehm verblute.
Ein kleines Harfenmädchen sang.
Sie sang mit wahrem Gefühle
Gerühret von ihrem Spiele.
Sie sang von Liebe und Liebesgram,
Aufopfrung und Wiederfinden
Dort oben, in jener besseren Welt,
Sie sang vom irdischen Jammerthal,
Von Freuden, die bald zerronnen,
Vom Jenseits, wo die Seele schwelgt
Verklärt in ew’gen Wonnen.
Das Eyapopeya vom Himmel,
Womit man einlullt, wenn es greint,
Das Volk, den großen Lümmel.
Ich kenne die Weise, ich kenne den Text,
Ich weiß, sie tranken heimlich Wein
Und predigten öffentlich Wasser.
Ein neues Lied, ein besseres Lied,
O Freunde, will ich Euch dichten!
Das Himmelreich errichten.
Wir wollen auf Erden glücklich seyn,
Und wollen nicht mehr darben;
Verschlemmen soll nicht der faule Bauch
Es wächst hienieden Brod genug
Für alle Menschenkinder,
Auch Rosen und Myrthen, Schönheit und Lust,
Und Zuckererbsen nicht minder.
Sobald die Schooten platzen!
Den Himmel überlassen wir
Den Engeln und den Spatzen.
Und wachsen uns Flügel nach dem Tod,
Dort oben, und wir wir essen mit Euch
Die seligsten Torten und Kuchen.
Ein neues Lied, ein besseres Lied,
Es klingt wie Flöten und Geigen!
Die Sterbeglocken schweigen.
Die Jungfer Europa ist verlobt
Mit dem schönen Geniusse
Der Freiheit, sie liegen einander im Arm,
Und fehlt der Pfaffenseegen dabei,
Die Ehe wird gültig nicht minder –
Es lebe Bräutigam und Braut,
Und ihre zukünftigen Kinder!
Das bessere, das neue!
In meiner Seele gehen auf
Die Sterne der höchsten Weihe –
Begeisterte Sterne, sie lodern wild,
Ich fühle mich wunderbar erstarkt,
Ich könnte Eichen zerbrechen!
Seit ich auf deutsche Erde trat
Durchströmen mich Zaubersäfte –
Und es wuchsen ihm neu die Kräfte.
Während die Kleine von Himmelslust
Getrillert und musiciret,
Ward von den preußischen Douanièrs
Mein Koffer visitiret.
In Hemden, Hosen, Schnupftüchern;
Sie suchten nach Spitzen, nach Bijouterien,
Auch nach verbotenen Büchern.
Ihr Thoren, die Ihr im Koffer sucht!
Die Contrebande, die mit mir reist,
Die hab’ ich im Kopfe stecken.
Hier hab’ ich Spitzen, die feiner sind
Als die von Brüssel und Mecheln,
Sie werden Euch sticheln und hecheln.
Im Kopfe trage ich Bijouterien,
Der Zukunft Krondiamanten,
Die Tempelkleinodien des neuen Gotts,
Und viele Bücher trag’ ich im Kopf!
Ich darf es Euch versichern,
Mein Kopf ist ein zwitscherndes Vogelnest
Von konfiszirlichen Büchern.
Kann es nicht schlimmere geben;
Sie sind gefährlicher noch als die
Von Hoffmann von Fallersleben! –
Ein Passagier, der neben mir stand,
Jetzt vor mir den preußischen Zollverein,
Die große Douanenkette.
„Der Zollverein“ – bemerkte er –
„Wird unser Volksthum begründen,
Zu einem Ganzen verbinden.
„Er giebt die äußere Einheit uns,
Die sogenannt materielle;
Die geistige Einheit giebt uns die Censur,
„Sie giebt die innere Einheit uns,
Die Einheit im Denken und Sinnen;
Ein einiges Deutschland thut uns Noth,
Einig nach Außen und Innen.“
Zu Aachen, im alten Dome, liegt
Carolus Magnus begraben.
(Man muß ihn nicht verwechseln mit Carl
Mayer, der lebt in Schwaben.)
Als Kaiser zu Aachen im Dome;
Weit lieber lebt’ ich als kleinster Poet
Zu Stukkert am Neckarstrome.
Zu Aachen langweilen sich auf der Straß’
Gieb uns einen Fußtritt, o Fremdling, das wird
Vielleicht uns zerstreuen ein wenig.
Ich bin in diesem langweilgen Nest
Ein Stündchen herumgeschlendert.
Hat sich nicht sehr verändert.
Es sind die grauen Mäntel noch,
Mit dem hohen, rothen Kragen –
(Das Roth bedeutet Franzosenblut,
Noch immer das hölzern pedantische Volk,
Noch immer ein rechter Winkel
In jeder Bewegung, und im Gesicht
Der eingefrorene Dünkel.
So kerzengrade geschniegelt,
Als hätten sie verschluckt den Stock
Womit man sie einst geprügelt.
Ja, ganz verschwand die Fuchtel nie,
Das trauliche Du wird immer noch
An das alte Er erinnern.
Der lange Schnurbart ist eigentlich nur
Des Zopfthums neuere Phase:
Der hängt jetzt unter der Nase.
Nicht übel gefiel mir das neue Costum
Der Reuter, das muß ich loben,
Besonders die Pikkelhaube, den Helm,
Das ist so ritterthümlich und mahnt
An der Vorzeit holde Romantik,
An die Burgfrau Johanna von Montfaucon,
An den Freyherrn Fouquè, Uhland, Tieck.
An Edelknechte und Knappen,
Die in dem Herzen getragen die Treu
Und auf dem Hintern ein Wappen.
Das mahnt an Kreuzzug und Turney,
An die ungedruckte Glaubenszeit,
Wo noch keine Zeitung erschienen.
Ja, ja, der Helm gefällt mir, er zeugt
Vom allerhöchsten Witze!
Es fehlt nicht die Pointe, die Spitze!
Nur fürcht’ ich, wenn ein Gewitter entsteht,
Zieht leicht so eine Spitze
Herab auf Euer romantisches Haupt
Zu Aachen, auf dem Posthausschild,
Sah ich den Vogel wieder,
Der mir so tief verhaßt! Voll Gift
Schaute er auf mich nieder.
Mir in die Hände fallen,
So rupfe ich dir die Federn aus
Und hacke dir ab die Krallen.
Du sollst mir dann, in luft’ger Höh,
Und ich rufe zum lustigen Schießen herbei
Die Rheinischen Vogelschützen.
Wer mir den Vogel herunterschießt,
Mit Zepter und Krone belehn’ ich
Und rufen: es lebe der König!
Zu Cöllen kam ich spät Abends an,
Da hörte ich rauschen den Rheinfluß,
Da fächelte mich schon deutsche Luft,
Da fühlt’ ich ihren Einfluß –
Dort Eierkuchen mit Schinken,
Und da er sehr gesalzen war
Mußt ich auch Rheinwein trinken.
Der Rheinwein glänzt noch immer wie Gold
Und trinkst du etwelche Schoppen zu viel,
So steigt er dir in die Nase.
In die Nase steigt ein Prickeln so süß,
Man kann sich vor Wonne nicht lassen!
In die wiederhallenden Gassen.
Die steinernen Häuser schauten mich an,
Als wollten sie mir berichten
Legenden aus altverschollener Zeit,
Ja, hier hat einst die Clerisey
Ihr frommes Wesen getrieben,
Hier haben die Dunkelmänner geherrscht,
Die Ulrich von Hutten beschrieben.
Getanzt von Nonnen und Mönchen;
Hier schrieb Hochstraaten, der Menzel von Cölln,
Die giftgen Denunziaziönchen.
Die Flamme des Scheiterhaufens hat hier
Die Glocken wurden geläutet dabei
Und Kyrie Eleison gesungen.
Dummheit und Bosheit buhlten hier
Gleich Hunden auf freier Gasse;
An ihrem Glaubenshasse. –
Doch siehe! dort im Mondenschein
Den kolossalen Gesellen!
Er ragt verteufelt schwarz empor,
Er sollte des Geistes Bastille sein,
Und die listigen Römlinge dachten:
In diesem Riesenkerker wird
Die deutsche Vernunft verschmachten!
Sein großes „Halt!“ gesprochen -
Seit jenem Tage blieb der Bau
Des Domes unterbrochen.
Er ward nicht vollendet – und das ist gut.
Macht ihn zum Denkmahl von Deutschlands Kraft
Und protestantischer Sendung.
Ihr armen Schelme vom Domverein,
Ihr wollt mit schwachen Händen
Und die alte Zwingburg vollenden!
O thörichter Wahn! Vergebens wird
Geschüttelt der Klingelbeutel,
Gebettelt bei Ketzern und Juden sogar;
Vergebens wird der große Franz Lißt
Zum Besten des Doms musiziren,
Und ein talentvoller König wird
Vergebens deklamiren!
Obgleich die Narren in Schwaben
Zu seinem Fortbau ein ganzes Schiff
Voll Steine gesendet haben.
Er wird nicht vollendet, trotz allem Geschrey
Die, alterthümlich gesinnt, so gern
In hohen Kirchthürmen weilen.
Ja, kommen wird die Zeit sogar
Wo man, statt ihn zu vollenden,
Für Pferde wird verwenden.
„Und wird der Dom ein Pferdestall,
Was sollen wir dann beginnen
Mit den heil’gen drey Kön’gen, die da ruhn
So höre ich fragen. Doch brauchen wir uns
In unserer Zeit zu geniren?
Die heil’gen drey Kön’ge aus Morgenland,
Sie können wo anders logiren.
In jene drey Körbe von Eisen,
Die hoch zu Münster hängen am Thurm,
Der Sankt Lamberti geheißen.
Fehlt etwa einer vom Triumvirat,
Ersetzt den König des Morgenlands
Durch einen abendländschen.
Und als ich an die Rheinbrück kam,
Wohl an die Hafenschanze,
Da sah ich fließen den Vater Rhein
Im stillen Mondenglanze.
Wie ist es mir ergangen?
Ich habe oft an dich gedacht,
Mit Sehnsucht und Verlangen.
So sprach ich, da hört’ ich im Wasser tief
Wie Hüsteln eines alten Manns,
Ein Brümmeln und weiches Gestöhne:
„Willkommen, mein Junge, das ist mir lieb,
Daß du mich nicht vergessen;
Mir ging es schlecht unterdessen.
„Zu Biberich hab’ ich Steine verschluckt,
Wahrhaftig sie schmeckten nicht lecker!
Doch schwerer liegen im Magen mir
„Er hat mich besungen als ob ich noch
Die reinste Jungfer wäre,
Die sich von niemand rauben läßt
Das Kränzlein ihrer Ehre.
Dann möcht ich mir zerraufen
Den weißen Bart, ich möchte fürwahr
Mich in mir selbst ersaufen!
„Daß ich keine reine Jungfer bin,
Sie haben mit meinem Wasser so oft
Vermischt ihr Siegergewässer.
„Das dumme Lied und der dumme Kerl!
Er hat mich schmählich blamiret,
Politisch kompromittiret.
„Denn kehren jetzt die Franzosen zurück,
So muß ich vor ihnen erröthen,
Ich, der um ihre Rückkehr so oft
„Ich habe sie immer so lieb gehabt,
Die lieben kleinen Französchen –
Singen und springen sie noch wie sonst?
Tragen noch weiße Höschen?
Doch fürcht’ ich die Persifflage,
Von wegen des verwünschten Lieds,
Von wegen der Blamage.
„Der Alphred de Müsset, der Gassenbub,
Vielleicht als Tambour, und trommelt mir vor
All seine schlechten Witze.“
So klagte der arme Vater Rhein,
Konnt sich nicht zufrieden geben.
Um ihm das Herz zu heben:
O, fürchte nicht, mein Vater Rhein,
Den spöttelnden Scherz der Franzosen;
Sie sind die alten Franzosen nicht mehr,
Die Hosen sind roth und nicht mehr weiß,
Sie haben auch andere Knöpfe,
Sie singen nicht mehr, sie springen nicht mehr,
Sie senken nachdenklich die Köpfe.
Von Kant, von Fischte und Hegel,
Sie rauchen Tabak, sie trinken Bier,
Und manche schieben auch Kegel.
Sie werden Philister ganz wie wir
Sie sind keine Voltairianer mehr,
Sie werden Hengstenberger.
Der Alphred de Müsset, das ist wahr,
Ist noch ein Gassenjunge;
Die schändliche Spötterzunge.
Und trommelt er dir einen schlechten Witz,
So pfeifen wir ihm einen schlimmern,
Wir pfeifen ihm vor was ihm passirt
Gieb dich zufrieden, Vater Rhein,
Denk’ nicht an schlechte Lieder,
Ein besseres Lied vernimmst du bald –
Leb wohl, wir sehen uns wieder.
Den Paganini begleitete stets
Ein Spiritus Familiaris,
Manchmal als Hund, manchmal in Gestalt
Des seligen Georg Harris.
Vor jedem wicht’gen Ereigniß.
Sokrates hatte seinen Dämon,
Das war kein Hirnerzeugniß.
Ich selbst, wenn ich am Schreibtisch saß
Zuweilen einen vermummten Gast
Unheimlich hinter mir stehen.
Unter dem Mantel hielt er etwas
Verborgen, das seltsam blinkte
Ein Richtbeil, zu seyn mir dünkte.
Er schien von untersetzter Statur,
Die Augen wie zwey Sterne;
Er störte mich im Schreiben nie,
Seit Jahren hatte ich nicht gesehn
Den sonderbaren Gesellen,
Da fand ich ihn plötzlich wieder hier
In der stillen Mondnacht zu Cöllen.
Da sah ich ihn hinter mir gehen,
Als ob er mein Schatten wäre, und stand
Ich still, so blieb er stehen.
Blieb stehen, als wartete er auf was,
Dann folgte er wieder. So kamen wir
Bis auf des Domplatz Mitte.
Es ward mir unleidlich, ich drehte mich um
Und sprach: Jetzt steh’ mir Rede,
Hier in der nächtlichen Oede?
Ich treffe dich immer in der Stund,
Wo Weltgefühle sprießen
In meiner Brust und durch das Hirn
Du siehst mich an so stier und fest –
Steh’ Rede: was verhüllst du
Hier unter dem Mantel, das heimlich blinkt?
Wer bist du und was willst du?
Sogar ein bischen phlegmatisch:
„Ich bitte dich, exorzire mich nicht,
Und werde nur nicht emphatisch!
„Ich bin kein Gespenst der Vergangenheit,
Und von Rhetorik bin ich kein Freund,
Bin auch nicht sehr philosophisch.
„Ich bin von praktischer Natur,
Und immer schweigsam und ruhig.
Das führ’ ich aus, das thu’ ich.
„Und gehn auch Jahre drüber hin,
Ich raste nicht, bis ich verwandl
In Wirklichkeit was du gedacht;
„Du bist der Richter, der Büttel bin ich,
Und mit dem Gehorsam des Knechtes
Vollstreck’ ich das Urtheil, das du gefällt,
Und sey es ein ungerechtes.
Zu Rom, in alten Tagen.
Auch du hast deinen Liktor, doch wird
Das Beil dir nachgetragen.
„Ich bin dein Liktor, und ich geh’
Richtbeile hinter dir – ich bin
Die That von deinem Gedanken.“
Ich ging nach Haus und schlief als ob
Die Engel gewiegt mich hätten.
Man ruht in deutschen Betten so weich,
Denn das sind Federbetten.
Des vaterländischen Pfühles,
Wenn ich auf harten Matratzen lag,
In der schlaflosen Nacht des Exiles!
Man schläft sehr gut und träumt auch gut
Hier fühlt die deutsche Seele sich frey
Von allen Erdenketten.
Sie fühlt sich frey und schwingt sich empor
Zu den höchsten Himmelsräumen.
In deinen nächtlichen Träumen!
Die Götter erbleichen wenn du nah’st!
Du hast auf deinen Wegen
Gar manches Sternlein ausgeputzt
Franzosen und Russen gehört das Land,
Das Meer gehört den Britten,
Wir aber besitzen im Luftreich’ des Traums
Die Herrschaft unbestritten.
Hier sind wir unzerstückelt;
Die andern Völker haben sich
Auf platter Erde entwickelt. – –
Und als ich einschlief, da träumte mir,
Mondschein die hallenden Straßen entlang,
In dem alterthümlichen Cöllen.
Und hinter mir ging wieder einher
Mein schwarzer, vermummter Begleiter.
Doch immer gingen wir weiter.
Wir gingen weiter. Mein Herz in der Brust
War klaffend aufgeschnitten,
Und aus der Herzenswunde hervor
Ich tauchte manchmal die Finger hinein,
Und manchmal ist es geschehen,
Daß ich die Hausthürpfosten bestrich
Mit dem Blut im Vorübergehen.
Bezeichnet in solcher Weise,
Ein Sterbeglöckchen erscholl fernher,
Wehmüthig wimmernd und leise.
Am Himmel aber erblich der Mond,
Gleich schwarzen Rossen jagten an ihm
Die wilden Wolken vorüber.
Und immer ging hinter mir einher
Mit seinem verborgenen Beile
Wohl eine gute Weile.
Wir gehen und gehen, bis wir zuletzt
Wieder zum Domplatz gelangen;
Weit offen standen die Pforten dort,
Es herrschte im ungeheuren Raum
Nur Tod und Nacht und Schweigen;
Es brannten Ampeln hie und da,
Um die Dunkelheit recht zu zeigen.
Und hörte nur die Tritte
Von meinem Begleiter, er folgte mir
Auch hier bey jedem Schritte.
Wir kamen endlich zu einem Ort,
Und blitzendes Gold und Edelstein;
Das war die Drey-Königs-Kapelle.
Die heil’gen drey Könige jedoch,
Die sonst so still dort lagen,
Auf ihren Sarkophagen.
Drey Todtengerippe, phantastisch geputzt,
Mit Kronen auf den elenden
Vergilbten Schädeln, sie trugen auch
Wie Hampelmänner bewegten sie
Die längstverstorbenen Knochen;
Die haben nach Moder und zugleich
Nach Weihrauchduft gerochen.
Und hielt eine Rede, sehr lange;
Er setzte mir auseinander warum
Er meinen Respekt verlange.
Zuerst weil er ein Todter sey,
Und drittens weil er ein Heil’ger sey, –
Das alles rührte mich wenig.
Ich gab ihm zur Antwort lachenden Muths:
Vergebens ist deine Bemühung!
Gehörst in jeder Beziehung.
Fort! fort von hier! im tiefen Grab,
Ist Eure natürliche Stelle.
Das Leben nimmt jetzt in Beschlag
Der Zukunft fröhliche Cavallerie
Soll hier im Dome hausen.
Und weicht Ihr nicht willig, so brauch ich Gewalt,
Und laß’ Euch mit Kolben lausen!
Da sah ich furchtbar blinken
Des stummen Begleiters furchtbares Beil –
Und er verstand mein Winken.
Er nahte sich, und mit dem Beil
Skelette des Aberglaubens, er schlug
Sie nieder ohn’ Erbarmen.
Es dröhnte der Hiebe Wiederhall
Aus allen Gewölben, entsetzlich, –
Und ich erwachte plötzlich.
Von Cöllen bis Hagen kostet die Post
Fünf Thaler sechs Groschen Preußisch.
Die Diligence war leider besetzt
Und ich kam in die offene Beyschais’.
Im Schlamme keuchte der Wagen;
Doch trotz des schlechten Wetters und Wegs
Durchströmte mich süßes Behagen.
Das ist ja meine Heimathluft!
Und dieser Landstraßenkoth, er ist
Der Dreck meines Vaterlandes!
Die Pferde wedelten mit dem Schwanz
So traulich wie alte Bekannte,
Wie die Aepfel der Atalante!
Wir fuhren durch Mühlheim. Die Stadt ist nett,
Die Menschen still und fleißig.
War dort zuletzt im Monat May
Damals stand alles im Blüthenschmuck
Und die Sonnenlichter lachten,
Die Vögel sangen sehnsuchtvoll,
Und die Menschen hofften und dachten –
Wird bald von hinnen reisen,
Und der Abschiedstrunk wird ihnen kredenzt
Aus langen Flaschen von Eisen!
„Und die Freiheit kommt mit Spiel und Tanz,
Vielleicht holt sie sogar aus dem Grab
Den Bonaparte, den Todten!“
Ach Gott! die Ritter sind immer noch hier,
Und manche dieser Gäuche,
Die haben jetzt dicke Bäuche.
Die blassen Canaillen, die ausgesehn
Wie Liebe, Glauben und Hoffen,
Sie haben seitdem in unserm Wein
Und die Freiheit hat sich den Fuß verrenkt,
Kann nicht mehr springen und stürmen;
Die Trikolore in Paris
Schaut traurig herab von den Thürmen.
Doch die englischen Würmer haben
Aus ihm einen stillen Mann gemacht,
Und er ließ sich wieder begraben.
Hab’ selber sein Leichenbegängniß gesehn,
Und die goldenen Siegesgöttinnen drauf,
Die den goldenen Sarg getragen.
Den Elisäischen Feldern entlang,
Durch des Triumphes Bogen,
Kam langsam der Zug gezogen.
Mißtönend schauerlich war die Musik.
Die Musikanten starrten
Vor Kälte. Wehmüthig grüßten mich
Die Menschen schauten so geisterhaft
In alter Erinn’rung verloren –
Der imperiale Mährchentraum
War wieder herauf beschworen.
Die Thränen in’s Auge gekommen,
Als ich den verschollenen Liebesruf,
Das Vive l’Empereur! vernommen.
Von Cöllen war ich drei Viertel auf Acht
Des Morgens fortgereiset;
Wir kamen nach Hagen schon gegen Drey,
Da wird zu Mittag gespeiset.
Die altgermanische Küche.
Sey mir gegrüßt, mein Sauerkraut,
Holdselig sind deine Gerüche!
Gestofte Kastanien im grünen Kohl!
Ihr heimischen Stockfische seid mir gegrüßt!
Wie schwimmt Ihr klug in der Butter!
Jedwedem fühlenden Herzen bleibt
Das Vaterland ewig theuer –
Die Bücklinge und Eyer.
Wie jauchzten die Würste im spritzelnden Fett!
Die Krammetsvögel, die frommen
Gebratenen Englein mit Apfelmuß,
Willkommen, Landsmann, – zwitscherten sie –
Bist lange ausgeblieben,
Hast dich mit fremdem Gevögel so lang
In der Fremde herumgetrieben!
Ein stilles, gemüthliches Wesen.
Sie hat vielleicht mich einst geliebt,
Als wir beide noch jung gewesen.
Sie blickte mich an so bedeutungsvoll,
Besaß eine schöne Seele gewiß,
Doch war das Fleisch sehr zähe.
Auch einen Schweinskopf trug man auf
In einer zinnernen Schüssel;
Mit Lorbeerblättern den Rüssel.
Dicht hinter Hagen ward es Nacht,
Und ich fühlte in den Gedärmen
Ein seltsames Frösteln. Ich konnte mich erst
Zu Unna, im Wirthshaus, erwärmen.
Die schenkte mir freundlich den Punsch ein;
Wie gelbe Seide das Lockenhaar,
Die Augen sanft wie Mondschein.
Den lispelnd westphälischen Accent
Viel süße Erinnerung dampfte der Punsch,
Ich dachte der lieben Brüder,
Der lieben Westphalen womit ich so oft
In Göttingen getrunken,
Und unter die Tische gesunken!
Ich habe sie immer so lieb gehabt,
Die lieben, guten Westphalen,
Ein Volk so fest, so sicher, so treu,
Wie standen sie prächtig auf der Mensur,
Mit ihren Löwenherzen!
Es fielen so grade, so ehrlich gemeint,
Die Quarten und die Terzen.
Und wenn sie die Hand dir reichen,
Zum Freundschaftsbündniß, dann weinen sie;
Sind sentimentale Eichen.
Der Himmel erhalte dich, wackres Volk,
Bewahre dich vor Krieg und Ruhm,
Vor Helden und Heldenthaten.
Er schenke deinen Söhnen stets
Ein sehr gelindes Examen,
Unter die Haube – Amen!
Das ist der Teutoburger Wald,
Den Tacitus beschrieben,
Das ist der klassische Morast,
Wo Varus stecken geblieben.
Der Hermann, der edle Recke;
Die deutsche Nationalität,
Die siegte in diesem Drecke.
Wenn Hermann nicht die Schlacht gewann,
So gäb’ es deutsche Freiheit nicht mehr,
Wir wären römisch geworden!
In unserem Vaterland herrschten jetzt
Nur römische Sprache und Sitten,
Die Schwaben hießen Quiriten!
Der Hengstenberg wär’ ein Haruspex
Und grübelte in den Gedärmen
Von Ochsen. Neander wär’ ein Augur,
Birch-Pfeifer söffe Terpentin,
Wie einst die römischen Damen.
(Man sagt, daß sie dadurch den Urin
Besonders wohlriechend bekamen.)
Er wäre ein röm’scher Lumpazius.
Der Freiligrath dichtete ohne Reim,
Wie weiland Flaccus Horazius.
Der grobe Bettler, Vater Jahn,
Me hercule! Maßmann spräche Latein,
Der Marcus Tullius Maßmanus!
Die Wahrheitsfreunde würden jetzt
Mit Löwen, Hyänen, Schakalen,
Mit Hunden in kleinen Journalen.
Wir hätten Einen Nero jetzt
Statt Landesväter drey Dutzend.
Wir schnitten uns die Adern auf,
Der Schelling wär’ ganz ein Seneka,
Und käme in solchem Conflikt um.
Zu uns’rem Cornelius sagten wir:
Kakatum non est piktum.
Die Römer wurden vertrieben,
Varus mit seinen Legionen erlag,
Und wir sind Deutsche geblieben!
Wir blieben deutsch, wir sprechen deutsch,
Der Esel heißt Esel, nicht asinus,
Die Schwaben blieben Schwaben.
Der Raumer blieb ein deutscher Lump
In unserm deutschen Norden.
Ist kein Horaz geworden.
Gottlob, der Maßman spricht kein Latein,
Birch-Pfeifer schreibt nur Dramen,
Und säuft nicht schnöden Terpentin,
O Hermann, dir verdanken wir das!
Drum wird dir, wie sich gebühret,
Zu Dettmoldt ein Monument gesetzt;
Hab’ selber subskribiret.
Im nächtlichen Walde humpelt dahin
Die Chaise. Da kracht es plötzlich –
Ein Rad ging los. Wir halten still.
Das ist nicht sehr ergötzlich.
In’s Dorf, und ich verweile
Um Mitternacht allein im Wald.
Ringsum ertönt ein Geheule.
Das sind die Wölfe, die heulen so wild,
Wie Lichter in der Dunkelheit
Die feurigen Augen glimmen.
Sie hörten von meiner Ankunft gewiß,
Die Bestien, und mir zu Ehre
Und singen sie ihre Chöre.
Das ist ein Ständchen, ich merke es jetzt,
Ich soll gefeyert werden!
Ich warf mich gleich in Positur
„Mitwölfe! Ich bin glücklich heut
In Eurer Mitte zu weilen,
Wo so viel edle Gemüther mir
Mit Liebe entgegenheulen.
Empfinde, ist unermeßlich;
Ach! diese schöne Stunde bleibt
Mir ewig unvergeßlich.
„Ich danke Euch für das Vertraun,
Und das Ihr in jeder Prüfungszeit
Durch treue Beweise bewähret.
„Mitwölfe! Ihr zweifeltet nie an mir,
Ihr ließet Euch nicht fangen
Zu den Hunden übergegangen,
„Ich sey abtrünnig und werde bald
Hofrath in der Lämmerhürde –
Dergleichen zu widersprechen war
„Der Schaafpelz, den ich umgehängt
Zuweilen, um mich zu wärmen,
Glaubt mir’s, er brachte mich nie dahin
Für das Glück der Schaafe zu schwärmen.
Kein Hofrath und kein Schellfisch –
Ich bin ein Wolf geblieben, mein Herz
Und meine Zähne sind wölfisch.
„Ich bin ein Wolf und werde stets
Ja, zählt auf mich und helft Euch selbst,
Dann wird auch Gott Euch helfen!“
Das war die Rede, die ich hielt,
Ganz ohne Vorbereitung;
In der Allgemeinen Zeitung.
Die Sonne ging auf bey Paderborn,
Mit sehr verdross’ner Gebehrde.
Sie treibt in der That ein verdrießlich Geschäft –
Beleuchten die dumme Erde!
Und bringt sie mit strahlender Eile
Der andern ihr Licht, so verdunkelt schon
Sich jene mittlerweile.
Der Stein entrollt dem Sysiphus,
Wird nie gefüllt, und den Erdenball
Beleuchtet vergeblich die Sonne! – –
Und als der Morgennebel zerrann,
Da sah ich am Wege ragen,
Der an das Kreuz geschlagen.
Mit Wehmuth erfüllt mich jedesmahl
Dein Anblick, mein armer Vetter,
Der du die Welt erlösen gewollt,
Sie haben dir übel mitgespielt,
Die Herren vom hohen Rathe.
Wer hieß dich auch reden so rücksichtslos
Von der Kirche und vom Staate!
Noch nicht in jenen Tagen
Erfunden; Du hättest geschrieben ein Buch
Ueber die Himmelsfragen.
Der Censor hätte gestrichen darin
Und liebend bewahrte dich die Censur
Vor dem Gekreuzigtwerden.
Ach! hättest du nur einen andern Text
Zu deiner Bergpredigt genommen,
Und konntest schonen die Frommen!
Geldwechsler, Banquièrs, hast du sogar
Mit der Peitsche gejagt aus dem Tempel –
Unglücklicher Schwärmer, jetzt hängst du am Kreuz
Ein feuchter Wind, ein kahles Land,
Die Chaise wackelt im Schlamme,
Doch singt es und klingt es in meinem Gemüth:
Sonne, du klagende Flamme!
Das oft meine Amme gesungen –
„Sonne, du klagende Flamme!“ das hat
Wie Waldhornruf geklungen.
Es kommt im Lied ein Mörder vor,
Man findet ihn endlich im Walde gehenkt,
An einer grauen Weide.
Des Mörders Todesurtheil war
Genagelt am Weidenstamme;
Sonne, du klagende Flamme!
Die Sonne war Kläger, sie hatte bewirkt,
Daß man den Mörder verdamme.
Otilie hatte sterbend geschrien:
Und denk ich des Liedes, so denk’ ich auch
Der Amme, der lieben Alten;
Ich sehe wieder ihr braunes Gesicht,
Mit allen Runzeln und Falten.
Und wußte, in großer Menge,
Gespenstergeschichten, grausenhaft,
Und Mährchen und Volksgesänge.
Wie pochte mein Herz, wenn die alte Frau
Die einsam auf der Heide saß
Und die goldnen Haare strählte.
Die Gänse mußte sie hüten dort
Als Gänsemagd, und trieb sie
Gar traurig stehen blieb sie.
Denn angenagelt über dem Thor
Sah sie ein Roßhaupt ragen,
Das war der Kopf des armen Pferds,
Die Königstochter seufzte tief:
O, Falada, daß du hangest!
Der Pferdekopf herunter rief:
O wehe! daß du gangest!
Wenn das meine Mutter wüßte!
Der Pferdekopf herunter rief:
Ihr Herze brechen müßte!
Mit stockendem Athem horchte ich hin,
Zu sprechen begann und vom Rothbart sprach,
Von unserem heimlichen Kaiser.
Sie hat mir versichert, er sey nicht todt,
Wie da glauben die Gelehrten,
Mit seinen Waffengefährten.
Kiffhäuser ist der Berg genannt,
Und drinnen ist eine Höhle;
Die Ampeln erhellen so geisterhaft
Ein Marstall ist der erste Saal,
Und dorten kann man sehen
Viel tausend Pferde, blankgeschirrt,
Die an den Krippen stehen.
Jedoch von diesen Rossen
Kein einziges wiehert, kein einziges stampft,
Sind still, wie aus Eisen gegossen.
Im zweiten Saale, auf der Streu,
Viel tausend Soldaten, bärtiges Volk,
Mit kriegerisch trotzigen Zügen.
Sie sind gerüstet von Kopf bis Fuß,
Doch alle diese Braven,
Sie liegen fest und schlafen.
Hochaufgestapelt im dritten Saal
Sind Schwerter, Streitäxte, Speere,
Harnische, Helme, von Silber und Stahl,
Sehr wenig Kanonen, jedoch genug
Um eine Trophee zu bilden.
Hoch ragt daraus eine Fahne hervor,
Die Farbe ist schwarz-roth-gülden.
Schon seit Jahrhunderten sitzt er
Auf steinernem Stuhl, am steinernen Tisch,
Das Haupt auf den Armen stützt er.
Sein Bart, der bis zur Erde wuchs,
Zuweilen zwinkert er mit dem Aug’,
Zieht manchmal die Braunen zusammen.
Schläft er oder denkt er nach?
Man kann’s nicht genau ermitteln;
Wird er gewaltig sich rütteln.
Die gute Fahne ergreift er dann
Und ruft: zu Pferd’! zu Pferde!
Sein reisiges Volk erwacht und springt
Ein jeder schwingt sich auf sein Roß,
Das wiehert und stampft mit den Hufen!
Sie reiten hinaus in die klirrende Welt,
Und die Trompeten rufen.
Sie haben ausgeschlafen.
Der Kaiser hält ein strenges Gericht,
Er will die Mörder bestrafen –
Die Mörder, die gemeuchelt einst
Goldlockigte Jungfrau Germania –
Sonne, du klagende Flamme!
Wohl mancher, der sich geborgen geglaubt,
Und lachend auf seinem Schloß saß,
Dem Zorne Barbarossas! – – –
Wie klingen sie lieblich, wie klingen sie süß,
Die Mährchen der alten Amme!
Mein abergläubisches Herze jauchzt:
Ein feiner Regen prickelt herab,
Eiskalt, wie Nähnadelspitzen.
Die Pferde bewegen traurig den Schwanz,
Sie waten im Koth und schwitzen.
Ich kenne das alte Getute –
„Es reiten drey Reiter zum Thor hinaus!“ –
Es wird mir so dämmrig zu Muthe.
Mich schläferte und ich entschlief,
Daß ich mich in dem Wunderberg
Beim Kaiser Rothbart befände.
Er saß nicht mehr auf steinernem Stuhl,
Am steinernen Tisch, wie ein Steinbild;
Wie man sich gewöhnlich einbild’t.
Er watschelte durch die Sääle herum
Mit mir im trauten Geschwätze.
Er zeigte wie ein Antiquar
Im Saale der Waffen erklärte er mir
Wie man sich der Kolben bediene,
Von einigen Schwertern rieb er den Rost
Mit seinem Hermeline.
Und reinigte vom Staube
Gar manchen Harnisch, gar manchen Helm,
Auch manche Pickelhaube.
Die Fahne stäubte er gleichfalls ab,
Daß noch keine Motte die Seide zerfraß,
Und auch kein Wurm im Holz ist.“
Und als wir kamen in den Saal,
Wo schlafend am Boden liegen
Der Alte sprach mit Vergnügen:
„Hier müssen wir leiser reden und gehn,
Damit wir nicht wecken die Leute;
Wieder verflossen sind hundert Jahr
Und siehe! der Kaiser nahte sich sacht
Den schlafenden Soldaten,
Und steckte heimlich in die Tasch’
Jedwedem einen Dukaten.
Als ich ihn ansah verwundert:
„Ich zahle einen Dukaten per Mann,
Als Sold, nach jedem Jahrhundert.“
Im Saale wo die Pferde stehn
Da rieb der Kaiser sich die Händ’,
Schien sonderbar sich zu freuen.
Er zählte die Gäule, Stück vor Stück,
Und klätschelte ihnen die Rippen;
Bewegten sich seine Lippen.
„Das ist noch nicht die rechte Zahl“ –
Sprach er zuletzt verdrossen –
„Soldaten und Waffen hab’ ich genung,
„Roßkämme hab’ ich ausgeschickt
In alle Welt, die kaufen
Für mich die besten Pferde ein,
Hab’ schon einen guten Haufen.
Dann schlag’ ich los und befreye
Mein Vaterland, mein deutsches Volk,
Das meiner harret mit Treue.“
So sprach der Kaiser, ich aber rief:
Schlag’ los, und hast du nicht Pferde genug,
Nimm Esel an ihrer Stelle.
Der Rothbart erwiederte lächelnd: „Es hat
Mit dem Schlagen gar keine Eile,
Gut Ding will haben Weile.
„Wer heute nicht kommt, kommt morgen gewiß,
Nur langsam wächst die Eiche,
Und chi va piano va sano, so heißt
Das Stoßen des Wagens weckte mich auf,
Doch sanken die Augenlieder
Bald wieder zu, und ich entschlief
Und träumte vom Rothbart wieder.
Durch alle die hallenden Sääle;
Er frug mich dies, er frug mich das,
Verlangte, daß ich erzähle.
Er hatte aus der Oberwelt
Wohl seit dem siebenjährigen Krieg,
Kein Sterbenswort erfahren.
Er frug nach Moses Mendelssohn,
Nach der Karschin, mit Intresse
Des fünfzehnten Ludwigs Maitresse.
O Kaiser, rief ich, wie bist du zurück!
Der Moses ist längst gestorben,
Nebst seiner Rebekka, auch Abraham,
Der Abraham hatte mit Lea erzeugt
Ein Bübchen, Felix heißt er,
Der brachte es weit im Christenthum,
Ist schon Capellenmeister.
Auch die Tochter ist todt, die Klenke;
Helmine Chesy, die Enkelin,
Ist noch am Leben, ich denke.
Die Dübarry lebte lustig und flott,
Der fünfzehnte nämlich, sie war schon alt
Als man sie guillotinirte.
Der König Ludwig der fünfzehnte starb
Ganz ruhig in seinem Bette,
Mit der Königin Antoinette.
Die Königin zeigte großen Muth,
Ganz wie es sich gebührte,
Die Dübarry aber weinte und schrie
Der Kaiser blieb plötzlich stille stehn,
Und sah mich an mit den stieren
Augen und sprach: „Um Gotteswill’n,
Was ist das, guillotiniren?“
Ist eine neue Methode,
Womit man die Leute jeglichen Stands
Vom Leben bringt zu Tode.
Bey dieser Methode bedient man sich
Die hat erfunden Herr Guillotin,
Drum nennt man sie Guillotine.
Du wirst hier an ein Brett geschnallt; –
Das senkt sich; – du wirst geschoben
Ein dreyeckig Beil ganz oben; –
Man zieht eine Schnur, dann schießt herab
Das Beil, ganz lustig und munter; –
Bey dieser Gelegenheit fällt dein Kopf
Der Kaiser fiel mir in die Red:
„Schweig still, von deiner Maschine
Will ich nichts wissen, Gott bewahr’,
Daß ich mich ihrer bediene!
Geschnallt! an einem Brette!
Das ist ja gegen allen Respekt
Und alle Etiquette!
„Und du, wer bist du, daß du es wagst
Warte, du Bürschchen, ich werde dir schon
Die kecken Flügel stutzen!
„Es regt mir die innerste Galle auf,
Wenn ich dich höre sprechen,
Und Majestätsverbrechen!“
Als solchermaßen in Eifer gerieth
Der Alte und sonder Schranken
Und Schonung mich anschnob, da platzten heraus
Herr Rothbart – rief ich laut – du bist
Ein altes Fabelwesen,
Geh’, leg’ dich schlafen, wir werden uns
Auch ohne dich erlösen.
Sehn sie an unserer Spitze
So ein Gespenst mit Zepter und Kron’;
Sie rissen schlechte Witze.
Auch deine Fahne gefällt mir nicht mehr,
Mir schon in der Burschenschaft die Lust
An den schwarz-roth-goldnen Farben.
Das Beste wäre du bliebest zu Haus,
Hier in dem alten Kiffhäuser –
So brauchen wir gar keinen Kaiser.
Ich habe mich mit dem Kaiser gezankt
Im Traum, im Traum versteht sich, –
Im wachenden Zustand sprechen wir nicht
Mit Fürsten so widersetzig.
Wagt ihnen der Deutsche zu sagen
Die deutsche Meinung, die er so tief
Im treuen Herzen getragen.
Als ich erwacht’ fuhr ich einem Wald
Der nackten hölzernen Wirklichkeit
Verscheuchte meine Träume.
Die Eichen schüttelten ernsthaft das Haupt,
Die Birken und Birkenreiser
Vergieb mir, mein theurer Kaiser!
Vergieb mir, o Rothbart, das rasche Wort!
Ich weiß, du bist viel weiser
Als ich, ich habe so wenig Geduld –
Behagt dir das Guillotiniren nicht,
So bleib bey den alten Mitteln:
Das Schwert für Edelleute, der Strick
Für Bürger und Bauern in Kitteln.
Den Adel hängen, und köpfe
Ein bischen die Bürger und Bauern, wir sind
Ja alle Gottesgeschöpfe.
Stell’ wieder her das Halsgericht,
Und theile wieder ein das Volk
Nach Ständen, Gilden und Zünften.
Das alte heilige römische Reich,
Stell’s wieder her, das ganze,
Mit allem Firlifanze.
Das Mittelalter, immerhin,
Das wahre, wie es gewesen,
Ich will es ertragen – erlöse uns nur
Von jenem Kamaschenritterthum,
Das ekelhaft ein Gemisch ist
Von gothischem Wahn und modernem Lug,
Das weder Fleisch noch Fisch ist.
Und schließe die Schauspielhäuser,
Wo man die Vorzeit parodirt –
Komme du bald, o Kaiser!
Minden ist eine feste Burg,
Hat gute Wehr’ und Waffen!
Mit preußischen Festungen hab’ ich jedoch
Nicht gerne was zu schaffen.
Die Planken der Zugbrück stöhnten
So schaurig, als wir hinübergerollt;
Die dunklen Gräben gähnten.
Die hohen Bastionen schauten mich an,
Das große Thor ging rasselnd auf,
Ward rasselnd wieder geschlossen.
Ach! meine Seele ward betrübt
Wie des Odysseus Seele,
Den Felsblock schob vor die Höhle.
Es trat an den Wagen ein Corporal
Und frug uns: wie wir hießen?
Ich heiße Niemand, bin Augenarzt
Im Wirthshaus ward mir noch schlimmer zu Muth,
Das Essen wollt mir nicht schmecken.
Ging schlafen sogleich, doch schlief ich nicht,
Mich drückten so schwer die Decken.
Gardinen von rothem Damaste,
Der Himmel von verblichenem Gold,
Mit einem schmutzigen Quaste.
Verfluchter Quast! der die ganze Nacht
Er hing mir, wie des Damokles Schwert,
So drohend über dem Haupte!
Schien manchmal ein Schlangenkopf zu seyn,
Und ich hörte ihn heimlich zischen:
Du kannst nicht mehr entwischen!
O, daß ich wäre – seufzte ich –
Daß ich zu Hause wäre,
Bey meiner lieben Frau in Paris,
Ich fühlte, wie über die Stirne mir
Auch manchmal etwas gestrichen,
Gleich einer kalten Censorhand,
Und meine Gedanken wichen –
Ein weißes Spukgewirre,
Umringte mein Bett, ich hörte auch
Unheimliches Kettengeklirre.
Ach! die Gespenster schleppten mich fort,
An einer steilen Felsenwand;
Dort war ich festgebunden.
Der böse schmutzige Betthimmelquast!
Ich fand ihn gleichfalls wieder,
Mit Krallen und schwarzem Gefieder.
Er glich dem preußischen Adler jetzt,
Und hielt meinen Leib umklammert;
Er fraß mir die Leber aus der Brust,
Ich jammerte lange – da krähte der Hahn,
Und der Fiebertraum erblaßte.
Ich lag zu Minden im schwitzenden Bett,
Der Adler ward wieder zum Quaste.
Und schöpfte freyen Odem
Erst draußen in der freien Natur,
Auf Bükkeburgschem Boden.
O, Danton, du hast dich sehr geirrt
Und mußtest den Irthum büßen!
Mitnehmen kann man das Vaterland
An den Sohlen, an den Füßen.
Blieb mir an den Stiefeln kleben;
So lehmigte Wege habe ich wohl
Noch nie gesehen im Leben.
Zu Bückeburg stieg ich ab in der Stadt,
Wo mein Großvater geboren ward;
Die Großmutter war aus Hamburg.
Ich kam nach Hannover um Mittagzeit,
Und ließ mir die Stiefel putzen.
Ich reise gern mit Nutzen.
Mein Gott! da sieht es sauber aus!
Der Koth liegt nicht auf den Gassen.
Viel’ Prachtgebäude sah ich dort,
Besonders gefiel mir ein großer Platz,
Umgeben von stattlichen Häusern;
Dort wohnt der König, dort steht sein Palast,
Er ist von schönem Aeußern.
Zu jeder Seite ein Schildhaus.
Rothröcke mit Flinten halten dort Wacht,
Sie sehen drohend und wild aus.
Mein Cicerone sprach: „Hier wohnt
Hochtoryscher Lord, ein Edelmann,
Sehr rüstig für sein Alter.
„Idyllisch sicher haust er hier,
Denn besser als alle Trabanten
Von unseren lieben Bekannten.
„Ich seh’ ihn zuweilen, er klagt alsdann
Wie gar langweilig das Amt sey,
Das Königsamt, wozu er jetzt
„An großbritanisches Leben gewöhnt,
Sey es ihm hier zu enge,
Ihn plage der Spleen, er fürchte schier,
Er halt’ es nicht aus auf die Länge.
Am Camin, in der Morgenstunde;
Er kochte höchstselbst ein Lavement
Für seine kranken Hunde.“
Von Harburg fuhr ich in einer Stund’
Nach Hamburg. Es war schon Abend.
Die Sterne am Himmel grüßten mich,
Die Luft war lind und labend.
Erschrak sie fast vor Freude;
Sie rief „mein liebes Kind!“ und schlug
Zusammen die Hände beide.
„Mein liebes Kind, wohl dreyzehn Jahr
Du wirst gewiß sehr hungrig seyn –
Sag’ an, was willst du essen?
„Ich habe Fisch und Gänsefleisch
Und schöne Apfelsinen.“
Und schöne Apfelsinen.
Und als ich aß mit großem Ap’tit,
Die Mutter ward glücklich und munter,
Sie frug wohl dies, sie frug wohl das,
„Mein liebes Kind! und wirst du auch
Recht sorgsam gepflegt in der Fremde?
Versteht deine Frau die Haushaltung,
Und flickt sie dir Strümpfe und Hemde?“
Doch muß man ihn schweigend verzehren;
Man kriegt so leicht eine Grät’ in den Hals,
Du darfst mich jetzt nicht stören.
Und als ich den braven Fisch verzehrt,
Die Mutter frug wieder wohl dies, wohl das,
Mitunter verfängliche Fragen.
„Mein liebes Kind! in welchem Land
Läßt sich am besten leben?
Wirst du den Vorzug geben?“
Die deutsche Gans, lieb Mütterlein,
Ist gut, jedoch die Franzosen,
Sie stopfen die Gänse besser als wir,
Und als die Gans sich wieder empfahl,
Da machten ihre Aufwartung
Die Apfelsinen, sie schmeckten so süß,
Ganz über alle Erwartung.
Zu fragen sehr vergnüglich,
Nach tausend Dingen, mitunter sogar
Nach Dingen die sehr anzüglich.
„Mein liebes Kind! wie denkst du jetzt?
Die Politik? Zu welcher Parthey
Gehörst du mit Ueberzeugung?“
Die Apfelsinen, lieb Mütterlein,
Sind gut, und mit wahrem Vergnügen
Und ich lasse die Schaalen liegen.
Die Stadt, zur Hälfte abgebrannt,
Wird aufgebaut allmählig;
Wie’n Pudel, der halb geschoren ist,
Sieht Hamburg aus, trübselig.
Die ich nur ungern vermisse –
Wo ist das Haus, wo ich geküßt
Der Liebe erste Küsse?
Wo ist die Druckerey, wo ich
Wo ist der Austerkeller, wo ich
Die ersten Austern schluckte?
Und der Dreckwall, wo ist der Dreckwall hin?
Ich kann ihn vergeblich suchen!
Gegessen so manchen Kuchen?
Wo ist das Rathhaus, worin der Senat
Und die Bürgerschaft gethronet?
Ein Raub der Flammen! Die Flamme hat
Die Leute seufzten noch vor Angst,
Und mit wehmüth’gem Gesichte
Erzählten sie mir vom großen Brand
Die schreckliche Geschichte:
Man sah nur Rauch und Flammen!
Die Kirchenthürme loderten auf
Und stürzten krachend zusammen.
„Die alte Börse ist verbrannt,
Und mit einander Jahrhunderte lang
So redlich als möglich gehandelt.
„Die Bank, die silberne Seele der Stadt,
Und die Bücher wo eingeschrieben
Gottlob! sie sind uns geblieben!
„Gottlob! man kollektirte für uns
Selbst bei den fernsten Nazionen –
Ein gutes Geschäft – die Collekte betrug
„Aus allen Ländern floß das Geld
In unsre offnen Hände,
Auch Victualien nahmen wir an,
Verschmähten keine Spende.
Auch Brod und Fleisch und Suppen!
Der König von Preußen wollte sogar
Uns schicken seine Truppen.
„Der materielle Schaden ward
Jedoch den Schrecken, unseren Schreck,
Den kann uns niemand ersetzen!“
Aufmunternd sprach ich: Ihr lieben Leut,
Ihr müßt nicht jammern und flennen,
Und mußte doch verbrennen.
Baut Eure Häuser wieder auf
Und trocknet Eure Pfützen,
Und schafft Euch bess’re Gesetze an,
Gießt nicht zu viel Cajenne-Piment
In Eure Mokturtelsuppen,
Auch Eure Karpfen sind Euch nicht gesund,
Ihr kocht sie so fett mit den Schuppen.
Doch hütet Euch vor der Tücke
Des Vogels, der sein Ey gelegt
In des Bürgermeisters Perücke. – –
Wer dieser fatale Vogel ist,
Denk’ ich an ihn, so dreht sich herum
Das Essen in meinem Magen.
Noch mehr verändert als die Stadt
Sind mir die Menschen erschienen,
Sie geh’n so betrübt und gebrochen herum,
Wie wandelnde Ruinen.
Noch fetter sind die feisten,
Die Kinder sind alt, die Alten sind
Kindisch geworden, die meisten.
Gar manche, die ich als Kälber verließ,
Gar manches kleine Gänschen ward
Zur Gans mit stolzem Gefieder.
Die alte Gudel fand ich geschminkt
Und geputzt wie eine Syrene;
Und blendend weiße Zähne.
Am besten hat sich konservirt
Mein Freund der Papierverkäufer;
Sein Haar ward gelb und umwallt sein Haupt,
Den **** den sah ich nur von fern,
Er huschte mir rasch vorüber;
Ich höre, sein Geist ist abgebrannt
Und war versichert bey Biber.
Ich wieder. Im Nebel, gebücket,
Begegnet’ er mir auf dem Gänsemarkt,
Schien sehr darnieder gedrücket.
Wir schüttelten uns die Hände, es schwamm
Wie freute er sich, mich wieder zu sehn!
Es war eine rührende Scene. –
Nicht alle fand ich. Mancher hat
Das Zeitliche gesegnet.
Bin ich nicht mehr begegnet.
Der Edle hatte ausgehaucht
Die große Seele so eben,
Und wird als verklärter Seraph jetzt
Vergebens suchte ich überall
Den krummen Adonis, der Tassen
Und Nachtgeschirr von Porzelan
Feil bot in Hamburgs Gassen.
Ein großer Verlust! Ich wette,
Daß Campe lieber ein ganzes Schock
Schriftsteller verloren hätte. – –
Die Populazion des Hamburger Staats
Aus Juden und Christen; es pflegen auch
Die letztren nicht viel zu verschenken.
Die Christen sind alle ziemlich gut,
Auch essen sie gut zu Mittag,
Noch vor dem letzten Respittag.
Die Juden theilen sich wieder ein
In zwey verschiedne Partheyen;
Die Alten gehn in die Synagog’
Die Neuen essen Schweinefleisch,
Zeigen sich widersetzig,
Sind Demokraten; die Alten sind
Vielmehr aristokrätzig.
Doch schwör’ ich, beim ewigen Gotte,
Ich liebe gewisse Fischchen noch mehr,
Man heißt sie geräucherte Sprotte.
Als Republik war Hamburg nie
So groß wie Venedig und Florenz,
Doch Hamburg hat bessere Austern; man speist
Die besten im Keller von Lorenz.
Mich hinbegab mit Campen;
Wir wollten mit einander dort
In Rheinwein und Austern schlampampen.
Auch gute Gesellschaft fand ich dort,
Manch alten Genossen, z. B. Chaufepié,
Auch manche neue Brüder.
Da war der Wille, dessen Gesicht
Ein Stammbuch, worin mit Hieben
Recht leserlich eingeschrieben.
Da war der Fucks, ein blinder Heid,
Und persönlicher Feind des Jehovah,
Glaubt nur an Hegel und etwa noch
Mein Campe war Amphytrio
Und lächelte vor Wonne;
Sein Auge stralte Seligkeit,
Wie eine verklärte Madonne.
Und dachte in meinem Gemüthe:
„Der Campe ist wirklich ein großer Mann,
Ist aller Verleger Blüthe.
„Ein andrer Verleger hätte mich
Der aber giebt mir zu trinken sogar;
Werde ihn niemals verlassen.
„Ich danke dem Schöpfer in der Höh’,
Der diesen Saft der Reben
Den Julius Campe gegeben!
„Ich danke dem Schöpfer in der Höh’,
Der, durch sein großes Werde,
Die Austern erschaffen in der See
„Der auch Citronen wachsen ließ,
Die Austern zu bethauen –
Nun laß mich, Vater, diese Nacht
Das Essen gut verdauen!“
Und löst jedwedes Zerwürfniß
In meiner Brust, entzündet darinn
Der Menschenliebe Bedürfniß.
Es treibt mich aus dem Zimmer hinaus,
Die Seele sucht eine Seele und späh’t
Nach zärtlich weißen Gewändern.
In solchen Momenten zerfließe ich fast
Vor Wehmuth und vor Sehnen;
Die Weiber alle Helenen. – – –
Und als ich auf die Drehbahn kam,
Da sah ich im Mondenschimmer
Ein hehres Weib, ein wunderbar
Ihr Antlitz war rund und kerngesund,
Die Augen wie blaue Turkoasen,
Die Wangen wie Rosen, wie Kirschen der Mund,
Auch etwas röthlich die Nase.
Von weißem gesteiftem Linnen,
Gefältelt wie eine Mauerkron’,
Mit Thürmchen und zackigen Zinnen.
Sie trug eine weiße Tunika,
Und welche Waden! Das Fußgestell
Zwey dorischen Säulen gleichend.
Die weltlichste Natürlichkeit
Konnt man in den Zügen lesen;
Verrieth ein höheres Wesen.
Sie trat zu mir heran und sprach:
„Willkommen an der Elbe,
Nach dreyzehnjähr’ger Abwesenheit –
„Du suchst die schönen Seelen vielleicht,
Die dir so oft begegen’t
Und mit dir geschwärmt die Nacht hindurch,
In dieser schönen Gegend.
Die hundertköpfige Hyder’;
Du findest nicht die alte Zeit
Und die Zeitgenössinnen wieder!
„Du findest die holden Blumen nicht mehr,
Hier blühten sie – jetzt sind sie verwelkt,
Und der Sturm hat sie entblättert.
„Verwelkt, entblättert, zertreten sogar
Von rohen Schicksalsfüßen –
Von allem Schönen und Süßen!“
Wer bist du? – rief ich – du schaust mich an
Wie’n Traum aus alten Zeiten –
Wo wohnst du, großes Frauenbild?
Da lächelte das Weib und sprach:
„Du irrst dich, ich bin eine feine,
Anständ’ge, moralische Person;
Du irrst dich, ich bin nicht so Eine.
So eine welsche Lorettinn –
Denn wisse: ich bin Hammonia,
Hamburgs beschützende Göttinn!
„Du stutzest und erschreckst sogar,
Willst du mich noch begleiten jetzt?
Wohlan, so zög’re nicht länger.“
Ich aber lachte laut und rief:
Ich folge auf der Stelle –
Und ging’ es in die Hölle!
Wie ich die enge Sahltrepp’ hinauf
Gekommen, ich kann es nicht sagen;
Es haben unsichtbare Geister mich
Vielleicht hinaufgetragen.
Verflossen mir schnell die Stunden.
Die Göttinn gestand die Sympathie,
Die sie immer für mich empfunden.
„Siehst du“ – sprach sie – „in früherer Zeit
Der Sänger, der den Messias besang
Auf seiner frommen Leyer.
„Dort auf der Commode steht noch jetzt
Die Büste von meinem Klopstock,
Nur noch als Haubenkopfstock.
„Du bist mein Liebling jetzt, es hängt
Dein Bildniß zu Häupten des Bettes;
Und siehst du, ein frischer Lorbeer umkränzt
„Nur daß du meine Söhne so oft
Genergelt, ich muß es gestehen,
Hat mich zuweilen tief verletzt;
Das darf nicht mehr geschehen.
Von solcher Unart geheilet,
Und dir eine größere Toleranz
Sogar für Narren ertheilet.
„Doch sprich, wie kam der Gedanke dir
In solcher Jahrzeit? Das Wetter ist
Schon winterlich geworden!“
O, meine Göttin! – erwiederte ich –
Es schlafen tief im Grunde
Erwachen zur unrechten Stunde.
Es ging mir äußerlich ziemlich gut,
Doch innerlich war ich beklommen,
Und die Beklemmniß täglich wuchs –
Die sonst so leichte französische Luft,
Sie fing mich an zu drücken;
Ich mußte Athem schöpfen hier
In Deutschland, um nicht zu ersticken.
Nach deutschem Tabaksdampfe;
Es bebte mein Fuß vor Ungeduld,
Daß er deutschen Boden stampfe.
Ich seufzte des Nachts, und sehnte mich,
Die alte Frau, die am Dammthor wohnt;
Das Lottchen wohnt in der Nähe.
Auch jenem edlen alten Herrn,
Der immer mich ausgescholten
Hat mancher Seufzer gegolten.
Ich wollte wieder aus seinem Mund
Vernehmen den „dummen Jungen!“
Das hat mir immer wie Musik
Ich sehnte mich nach dem blauen Rauch,
Der aufsteigt aus deutschen Schornsteinen,
Nach niedersächsischen Nachtigall’n,
Nach stillen Buchenhainen.
Nach jenen Leidensstazionen,
Wo ich geschleppt das Jugendkreuz
Und meine Dornenkronen.
Ich wollte weinen wo ich einst
Ich glaube Vaterlandsliebe nennt
Man dieses thörigte Sehnen.
Ich spreche nicht gern davon; es ist
Nur eine Krankheit im Grunde.
Dem Publiko meine Wunde.
Fatal ist mir das Lumpenpack,
Das, um die Herzen zu rühren,
Den Patriotismus trägt zur Schau
Schamlose schäbbige Bettler sind’s,
Almosen wollen sie haben –
Ein’n Pfennig Popularität
Für Menzel und seine Schwaben!
In weicher Stimmung gefunden;
Bin etwas krank, doch pfleg’ ich mich,
Und ich werde bald gesunden.
Ja ich bin krank, und du könntest mir
Durch eine gute Tasse Thee;
Du mußt ihn mit Rum vermischen.
Die Göttin hat mir Thee gekocht
Und Rum hineingegossen;
Sie selber aber hat den Rum
Ganz ohne Thee genossen.
Ihr Haupt, (die Mauerkrone,
Die Mütze, ward etwas zerknittert davon)
Und sie sprach mit sanftem Tone:
„Ich dachte manchmal mit Schrecken dran,
Paris so ganz ohne Aufsicht lebst,
Bei jenen frivolen Franzosen.
„Du schlenderst dort herum, und hast
Nicht mahl an deiner Seite
Als Mentor warne und leite.
„Und die Verführung ist dort so groß,
Dort giebt es so viele Sylphiden,
Die ungesund, und gar zu leicht
„Geh’ nicht zurück und bleib’ bei uns;
Hier herrschen noch Zucht und Sitte,
Und manches stille Vergnügen blüht
Auch hier, in unserer Mitte.
Jetzt besser als eh’mals munden;
Wir schreiten fort, du hast gewiß
Den Fortschritt selbst gefunden.
„Auch die Censur ist nicht mehr streng,
Und streicht nicht mehr mit Jugendzorn
Dir deine Reisebilder.
„Du selbst bist älter und milder jetzt,
Wirst dich in manches schicken,
In besserem Lichte erblicken.
„Ja, daß es uns früher so schrecklich ging,
In Deutschland, ist Uebertreibung;
Man konnte entrinnen der Knechtschaft, wie einst
„Gedankenfreiheit genoß das Volk,
Sie war für die großen Massen,
Beschränkung traf nur die g’ringe Zahl
Derjen’gen, die drucken lassen.
Dem schlimmsten Demagogen
Ward niemals ohne Urtheilspruch
Die Staatskokarde entzogen.
„So übel war es in Deutschland nie,
Glaub’ mir, verhungert ist nie ein Mensch
In einem deutschen Gefängniß.
„Es blühte in der Vergangenheit
So manche schöne Erscheinung
Jetzt herrscht nur Zweifel, Verneinung.
„Die praktische äußere Freiheit wird einst
Das Ideal vertilgen,
Das wir im Busen getragen – es war
„Auch unsre schöne Poesie
Erlischt, sie ist schon ein wenig
Erloschen; mit andern Königen stirbt
Auch Freiligraths Mohrenkönig.
Doch nicht in beschaulicher Stille;
Es poltert heran ein Spektakelstück,
Zu Ende geht die Idylle.
„O, könntest du schweigen, ich würde dir
Ich ließe dir spätere Zeiten seh’n
In meinen Zauberspiegeln.
„Was ich den sterblichen Menschen nie
Gezeigt, ich möcht’ es dir zeigen:
Doch ach! du kannst nicht schweigen!“
Mein Gott, o Göttin! – rief ich entzückt –
Das wäre mein größtes Vergnügen,
Laß mich das künftige Deutschland sehn –
Ich will dir schwören jeden Eid,
Den du nur magst begehren,
Mein Schweigen zu verbürgen dir –
Sag an, wie soll ich schwören?
In Vater Abrahams Weise,
Wie er Eliesern schwören ließ,
Als dieser sich gab auf die Reise.
„Heb’ auf das Gewand und lege die Hand
Und schwöre mir Verschwiegenheit
In Reden und in Schriften!“
Ein feierlicher Moment! Ich war
Wie angeweht vom Hauche
Nach uraltem Erzväterbrauche.
Ich hob das Gewand der Göttin auf,
Und legte an ihre Hüften
Die Hand, gelobend Verschwiegenheit
Die Wangen der Göttinn glühten so roth,
(Ich glaube in die Krone
Stieg ihr der Rum) und sie sprach zu mir
In sehr wehmüthigem Tone:
Am Tage von Hamburgs Begründung.
Die Mutter war Schellfischköniginn
Hier an der Elbe Mündung.
„Mein Vater war ein großer Monarch,
Er war noch mächt’ger und klüger sogar
Als Friedrich der Große von Preußen.
„Der Stuhl ist zu Aachen, auf welchem er
Am Tage der Krönung ruhte;
Den erbte die Mutter, die gute.
„Die Mutter hinterließ ihn mir,
Ein Möbel von scheinlosem Aeußern,
Doch böte mir Rothschild all’ sein Geld,
„Siehst du, dort in dem Winkel steht
Ein alter Sessel, zerrissen
Das Leder der Lehne, von Mottenfraß
Zernagt das Polsterkissen.
Das Kissen von dem Sessel,
Du schaust eine runde Oeffnung dann,
Darunter einen Kessel –
„Das ist ein Zauberkessel worin
Und steckst du in die Ründung den Kopf,
So wirst du die Zukunft schauen –
„Die Zukunft Deutschlands erblickst du hier,
Gleich wogenden Phantasmen,
Aufsteigen die Miasmen!“
Sie sprach’s und lachte sonderbar,
Ich aber ließ mich nicht schrecken,
Neugierig eilte ich den Kopf
Was ich gesehn, verrathe ich nicht,
Ich habe zu schweigen versprochen,
Erlaubt ist mir zu sagen kaum,
O Gott! was ich gerochen! – – –
An jene schnöden, verfluchten
Vorspielgerüche, das schien ein Gemisch
Von altem Kohl und Juchten.
Entsetzlich waren die Düfte, o Gott!
Es war als fegte man den Mist
Aus sechs und dreißig Gruben. – – –
Ich weiß wohl was Saint-Just gesagt
Weiland im Wohlfahrtsausschuß:
Mit Rosenöl und Moschus –
Doch dieser deutsche Zukunftsduft
Mocht alles überragen
Was meine Nase je geahnt –
Mir schwanden die Sinne, und als ich aufschlug
Die Augen, saß ich an der Seite
Der Göttin noch immer, es lehnte mein Haupt
An ihre Brust, die breite.
Es zuckten die Nüstern der Nase,
Bachantisch umschlang sie den Dichter und sang
Mit schauerlich wilder Extase:
„Bleib bei mir in Hamburg, ich liebe dich,
Den Wein und die Austern der Gegenwart,
Und die dunkle Zukunft vergessen.
„Den Deckel darauf! damit uns nicht
Der Mißduft die Freude vertrübet –
Einen deutschen Poeten geliebet!
„Ich küsse dich, und ich fühle wie mich
Dein Genius begeistert;
Es hat ein wunderbarer Rausch
„Mir ist, als ob ich auf der Straß’
Die Nachtwächter singen hörte –
Es sind Hymeneen, Hochzeitmusik,
Mein süßer Lustgefährte!
Mit üppig lodernden Fackeln,
Sie tanzen ehrbar den Fackeltanz,
Sie springen und hüpfen und wackeln.
„Es kommt der hoch- und wohlweise Senat,
Der Bürgermeister räuspert sich
Und will eine Rede halten.
„In glänzender Uniform erscheint
Das Corps der Diplomaten;
Im Namen der Nachbarstaaten.
„Es kommt die geistliche Deputazion,
Rabiner und Pastöre –
Doch ach! da kommt der Hoffmann auch
„Die Scheere klirrt in seiner Hand,
Es rückt der wilde Geselle
Dir auf den Leib – Er schneidet in’s Fleisch –
Es war die beste Stelle.“
Was sich in jener Wundernacht
Des Weitern zugetragen,
Erzähl’ ich Euch einandermahl,
In warmen Sommertagen.
Verschwindet Gott sey Dank heut,
Es sinkt allmählig in’s Grab, es stirbt
An seiner Lügenkrankheit.
Es wächst heran ein neues Geschlecht,
Mit freien Gedanken, mit freier Lust –
Dem werde ich Alles verkünden.
Schon knospet die Jugend, welche versteht
Des Dichters Stolz und Güte,
An seinem Sonnengemüthe.
Mein Herz ist liebend wie das Licht,
Und rein und keusch wie das Feuer;
Die edelsten Grazien haben gestimmt
Es ist dieselbe Leyer, die einst
Mein Vater ließ ertönen,
Der selige Herr Aristophanes,
Der Liebling der Kamönen.
Den Paisteteros besungen,
Der um die Basileia gefreyt,
Mit ihr sich emporgeschwungen.
Im letzten Capitel hab’ ich versucht
Den Schluß der „Vögel“, die sind gewiß
Das beste von Vaters Dramen.
Die „Frösche“ sind auch vortrefflich. Man giebt
In deutscher Uebersetzung
Zu königlicher Ergetzung.
Der König liebt das Stück. Das zeugt
Von gutem antiquen Geschmacke;
Den Alten amüsirte weit mehr
Der König liebt das Stück. Jedoch
Wär’ noch der Autor am Leben,
Ich riethe ihm nicht sich in Person
Nach Preußen zu begeben.
Dem ginge es schlecht, dem Armen;
Wir würden ihn bald begleitet sehn
Mit Chören von Gensd’armen.
Der Pöbel bekäm’ die Erlaubniß bald
Die Polizei erhielte Befehl
Zu fahnden auf den Edeln.
O König! Ich meine es gut mit dir,
Und will einen Rath dir geben:
Doch schone die da leben.
Beleid’ge lebendige Dichter nicht,
Sie haben Flammen und Waffen,
Die furchtbarer sind als Jovis Blitz,
Beleid’ge die Götter, die alten und neu’n,
Des ganzen Olymps Gelichter,
Und den höchsten Jehovah obendrein –
Beleid’ge nur nicht den Dichter!
Des Menschen Missethaten,
Das Höllenfeuer ist ziemlich heiß,
Dort muß man schmoren und braten –
Doch Heilige giebt es, die aus der Glut
An Kirchen und Seelenmessen wird
Erworben ein hohes Verwenden.
Und am Ende der Tage kommt Christus herab
Und bricht die Pforten der Hölle;
Entschlüpfen wird mancher Geselle.
Doch giebt es Höllen aus deren Haft
Unmöglich jede Befreiung;
Hier hilft kein Beten, ohnmächtig ist hier
Kennst du die Hölle des Dante nicht,
Die schrecklichen Terzetten?
Wen da der Dichter hineingesperrt,
Den kann kein Gott mehr retten –
Aus diesen singenden Flammen!
Nimm dich in Acht, daß wir dich nicht
Zu solcher Hölle verdammen.