Textdaten
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Autor: Max Haushofer
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Titel: Regensburg
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aus: Die Gartenlaube, Heft 4, S. 72–73, 76–79
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1896
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Serie: Deutsche Städtebilder
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[72]

Stadtwappen und Erker am Rathaus. Turm von St. Emmeram. 
Die Neue Pfarre. Herzogshof am alten Kornmarkt.

Regensburg.

Palais der Fürsten von Thurn und Taxis. Die königliche Villa. 
Porta Prätoria. Klösterl bei Kelheim. Dom. Kloster Weltenburg. Der Rathausplatz.

Nach einer Originalzeichnung von R. Püttner.

[76]

Deutsche Städtebilder.

Regensburg.
Von Max Haushofer. Mit Abbildungen von Richard Püttner.


Die Walhalla.
Ruine der
Burg Stauf.


Die Donau! Ein rosiges Plaudermäulchen ruft’s in dem rastlos hinrollenden Wagen. Wir heben den Blick von dem Buche, das unsere Aufmerksamkeit bisher gefesselt hat, und sehen zur Rechten und zur Linken breite flimmernde Wasserflut, von der Morgensonne beglänzt. Nach Osten zu schweift der Blick an einem blauen Höhenzug entlang. Wo derselbe in schöner Linie zum Strome sich senkt, erhebt sich duftumflossen, wie aus einer klassischen Sage hierher versetzt, ein hochragender hellenischer Tempelbau mit schimmernden Säulen – die Walhalla. Gegen Westen zu aber zeigt sich ein Häusermeer mit altersgrauen Türmen, hoch überragt von den mächtigen Pyramiden der beiden Domtürme, die rötlich wie poliertes Kupfer im Morgenlicht strahlen. Und unter diesem Städtebild wälzt sich breit und glänzend die Donau thalab, während die Brücke, über welche unser Zug eben hinführt, stöhnt und dröhnt.

Das ist der erste Anblick von Regensburg. Und gleich nachdem wir ihn genossen, knirschen die Bremsen, die Wagen erzittern, und langsam, gebändigt, fährt unser Zug zwischen langen Wagenreihen in den Bahnhof ein.

Der erste Eindruck, den man empfängt, wenn man vom Bahnhofe der Stadt zuwandert, ist der einer anmutigen Provinzialstadt. In der That ist das Regensburg von heute nichts andres. Unter den acht Kreisen des Königreichs Bayern ist die „obere Pfalz“ der ärmste. Ein rauhes Ländchen, teils den südwestlichen Abhang des Böhmerwaldgebirgs, teils die von der Natur auch nur spärlich ausgestattete Pfälzische Platte, teils die steinigen Ausläufer des Juragebirgs umfassend, schaut es nur mit seiner Südspitze in das gesegnete getreideschwere Donauthal herein. Hier aber erwuchs in ihm ein geschichtliches Kleinod: die einst hochberühmte, prächtige und wehrhafte Reichsstadt Regensburg.

Schon die Landschaft von Regensburg hat durchaus große Züge. Die Donau, die hier mit weitem Bogen den nördlichsten Teil ihres Laufes erreicht, wälzt, durch wasserreiche Alpenströme gesättigt, schon eine gewaltige Flutmasse nach Osten. Breit ist ihr Thal, von Höhenzügen gesäumt. Während in ihrer Niederung fruchtbare und wohlhabende Gefilde sich ausbreiten, schweift der Blick hier gern nach dem Berglande, wo dunkler Wald und schimmernde Felshänge der Landschaft einen mächtigen Charakter aufprägen.

Durch neue Stadtteile, wo zwischen Gärten und Alleebäumen moderne Häuser stehen, kommen wir bald in das alte Regensburg, in dessen dunkle vom Edelrost vieler Jahrhunderte geschwärzte Mauern überall der Griffel der Geschichte geschrieben hat. Die Erinnerungen dieser Stadt reichen bis in die Römerzeiten hinauf: eine blühende Kolonialstadt scheint sie schon im Jahrhundert vor Christus gewesen zu sein. Die Stürme der Völkerwanderung überdauerte sie kraftvoller als die andern Römerstädte.

Nachdem die bayrischen Herzöge aus dem uralten Stamm der Agilolfinger durch fränkische Gewaltpolitik gestürzt waren, [77] ward Regensburg Jahre hindurch eine Lieblingsresidenz Karls des Großen, wie späterhin Ludwigs des Deutschen. Reichstage versammelten sich hier, fremde Gesandtschaften und fürstliche Gäste erschienen, Staatsaktionen spannen sich ab, große Kirchenfeste wurden gefeiert. Als der schwertfrohe König Arnulf, siegreich aus dem Normannenkriege heimgekehrt, 891 die Stadt besuchte, war sie, von schwerem Brandunglück verheert, fast völlig zur Ruinenstadt geworden, aber nur, um sich in wenigen Jahren prächtiger aus dem Schutte zu erheben.

Dreihundert Jahre lang, im zehnten, elften und zwölften Jahrhundert, blieb Regensburg die bedeutendste Stadt des Deutschen Reiches. Seine Lebensader war der Donaustrom, auf welchem der Handelsverkehr westwärts nach Ulm, ostwärts nach Ungarn und den andern Donautieflanden ging. Aber bis nach Rußland und über die Alpenpässe nach Italien reichten die Handelsverbindungen, bis späterhin die Stadt durch Wien im Osten, durch Augsburg und die Rheinstädte im Westen, durch Magdeburg im Norden wirtschaftlich überflügelt ward.

An der alten Steinernen Brücke in Regensburg.

Politische Größe behielt sie noch lange. Wiederholte Kämpfe der bayrischen, hier hausenden Herzöge gegen die Träger der Reichskrone führten unter den Königen Konrad I., Heinrich I. und Otto I. Reichsheere wider die alten Wälle von Regensburg, wobei auch die Bürger der Stadt ihren Waffenmut aufs glänzendste erwiesen. Nach schwerer Kriegsnot lebte die Stadt unter den Kaisern Heinrich II., Heinrich III. und Heinrich IV. neu auf, dafür wahrte sie auch dem Letzteren in drangsalreicher Zeit die edelste Treue. Im Jahre 1147 sammelten sich hier auf zahllosen Donauschiffen die Kreuzfahrer zu dem unglücklichen Kreuzzuge König Konrads III.; und auf einem Reichstage zu Regensburg ward 1180 Heinrich der Löwe des bayrischen Herzogtums entsetzt.

So stand unter den Hohenstaufen Regensburg auf der Höhe seiner politischen Bedeutung und behielt diese Bedeutung auch noch bis zum Interregnum. Vom Ende des vierzehnten Jahrhunderts an aber schwanden Wohlstand und politische Macht. Hussitenkämpfe, Judenverfolgungen, innere Zwistigkeiten der Bürgerschaft, Streitigkeiten zwischen den bayrischen Herzögen und dem Reiche trugen dazu bei, das Ansehen Regensburgs nach und nach zerbröckeln zu lassen. Wohl ward in den folgenden Jahrhunderten noch mancher Reichstag hier abgehalten; aber nichts vermochte den Rückgang der Stadt zu hemmen. Die Drangsal des Spanischen Erbfolgekrieges und der Franzosenkriege vollendeten diesen Niedergang. Um die Neige des vorigen Jahrhunderts war die einst so stolze freie Reichsstadt nur noch ein Schatten ihrer einstigen Größe.

Erst während der letzten achtzig Jahre erfolgte wieder allmählich ein Aufschwung. Die Bürgerschaft bemühte sich, mit der Thatkraft anderer Städte zu wetteifern; die bayrische Staatsregierung that das Ihre dazu. Aber gewisse Triebkräfte, die der Stadt zu ihrer einstigen Größe verholfen hatten, waren eben unwiderbringlich verloren: die Gunst der Kaiser, die politische Stellung als Mittelpunkt eines großen Reiches, die Kreuzung von Welthandelswegen. Das war dahin und läßt sich nicht mehr schaffen!

Die Geschichten längstvergangener Zeiten umgaukeln uns mit ihren Bildern, während wir uns dem Herzen der Stadt nähern. Bald stehen wir, auf dem Alten Kornmarkt (vgl. Abbildung S. 72 u. 73), tief im Mittelalter, das uns aus den Fenstern des Herzogshofes, eines burgähnlichen Bauwerks, träumerisch anschaut. Die Sage führt diesen Bau bis auf das uralte Herzogsgeschlecht der Agilolfinger zurück; die Geschichte läßt ihn als ein Besitztum Kaiser Ottos III. erscheinen. Der hart neben ihm stehende gewaltige „Römerturm“ aber stammt nicht aus Römertagen, sondern aus frühmittelalterlicher Zeit.

Riesenhaft schauen über die alten Gassen und Plätze der Stadt die beiden Domtürme herein und der ganze schöne Bau dieses [78] Münsters, an welchem zweihundertfünfzig Jahre gebaut wurde. Bei Abbach an der Donau, wenige Meilen oberhalb von Regensburg, brach man den prächtigen grüngelben Sandstein für den Dom, einen der schönsten in ganz Deutschland (vgl. Abbildung S.72 u. 73). Die Regensburger Dombauhütte ward aber auch zu einer Meisterschule für das Zeitalter der Gotik. Die Außenseite des Baues ist überaus reich mit ihrem prachtvollen Hauptportal, ihrem fünfeckigen Chor und dem üppigen Schmuck von Skulpturen; einfach und edel wirkt das Innere mit dem Farbenzauber seiner Glasmalereien und seinen Denkmälern. Der Domschatz, obwohl während der Schwedenzeit durch Bernhard von Weimar geplündert, enthält noch manches wertvolle Stück. Wie das Ulmer Münster und der Kölner Dom ist auch dieses Bauwerk bis in die jüngste Zeit unvollendet geblieben; die beiden Pyramiden der Türme konnten erst in den Jahren 1859–69 ihren Ausbau erleben.

Wir setzen unsere Wanderung durch die Stadt fort. Aelter noch als die Kirchenbauten sind manche Privathäuser, die vordem alten Patriziergeschlechtern gehörten und burgartig mit ihren Mauern, Thoren und Türmen in den Gassen stehen.

Wir suchen uns aber gleich das älteste unter den Bauwerken Regensburgs: die Porta praetoria (Abbildung S. 72 u. 73), ein Thor mit einem nebenstehenden Türmchen, beide noch aus römischer Zeit. Es war wohl in den Tagen des Kaisers Domitian, als hier schon die Festung Reginum oder Castra regina stand, deren gewaltige Grundmauern an manchen Plätzen in den Kellern der Regensburger Häuser noch sichtbar sind, vielfach auch das Steinmaterial für spätere Bauten geliefert haben. Dieses Thor, durch welches einst der gleichmäßige Schritt römischer Kohorten tönte, hat eine zweitausendjährige Geschichte, die aus seiner dämmerig kühlen Wölbung weht. So stimmungsvoll ist dieses Bauwerk, daß man meint, jeden Augenblick müsse aus ihm ein Legionssoldat heraustreten, mit verwundertem Blick die Kinder eines späten Jahrhunderts betrachtend. Uebrigens finden sich nicht nur in der Stadt selbst die gigantischen Mauerreste der römischen Baumeister verbreitet; sondern auch in ihrer Umgebung, wo man unter anderm ein ansehnliches römisches Bad aus dem Schutte gegraben hat.

Wir setzen unsere Wanderung fort. Sie führt uns jetzt durch stille Gassen an die Ostseite der Stadt und hinaus an die Donau, wo hinter grauen Mauern und rauschenden Bäumen die Königliche Villa (Abbildung S. 72 u. 73) steht, ein eleganter gotischer Palast, 1853 erbaut. Am Ufer der Donau wandern wir wieder stromabwärts. Hier liegen hochgeschnäbelte schwarze Donauschiffe, an dicken Tauen festgebunden. Das erinnert an längstvergangene Jahrhunderte, in welchen Regensburg die erste deutsche Handelsstadt war, die ihre Verkehrsfäden bis ins Schwarze Meer, nach Kiew und nach Venedig spann; an jene Zeiten, da an diesen Ufern die Flotten sich sammelten, in welchen die Kreuzfahrer donauabwärts zogen. Auch Friedrich Barbarossas hohe Kaisergestalt tritt vor unser inneres Auge; war’s doch hier, wo er jenen unglücklichen Kreuzzug antrat, aus dem er nicht wiederkehrte. Und wieder zweihundert Jahre später klirrten hier die Waffen jener Scharen, die zum Kreuzzug gegen Sultan Bajazet sich vereinten. Siegfreudig wehten ihre Paniere, um vor den Mauern von Nikopolis in den Staub zu sinken!

Jeder Schritt in dieser Stadt gemahnt an großes Ereignis, an die Schatten gewaltiger Heldengestalten. So erreichen wir, stromabwärts schlendernd, die altersbranue, S. 77 abgebildete Steinerne Brücke. Es ist kein Brückenbau im deutschen Lande, der so wie dieser vom Volkslied und von der Sage mit goldnen Fäden umsponnen wäre. Schon Karl der Große hatte hier eine Schiffsbrücke erbauen lassen; der Bau der Steinbrücke dagegen ward 1135 während eines infolge des heißen Sommers außerordentlich niedrigen Wasserstandes begonnen und in 11 Jahren vollendet. Damals galt die nur 7 Meter breite und 318 Meter lange Brücke mit ihren 16 Bogen für ein wahres Weltwunder der Baukunst. Drei trotzige Türme bewachten die Zugänge zu der Brücke, heute steht nur noch einer von ihnen, der lange Zeit als Schuldturm diente. Einst war es hier dem gefangnen Schuldner gestattet, die Vorübergehenden aus seiner Zelle heraus um Geld zur Bezahluug seiner Schulden anzusprechen – eine nette und gemütliche Rechtsinstitution, die sich leider nicht erhalten konnte, weil heutzutage die Schuldner viel zu zahlreich und die Schulden viel zu groß geworden sind. Ueber die durch die Insel in zwei Arme geteilte Donau führt die Brücke nach der nördlichen Vorstadt Regensburgs, Stadtamhof genannt, hinüber. Unter dem mancherlei Bildwerk, das die Brücke ziert, ist das interessanteste das Brückenmännchen, ein nackter, auf einem Pfeilergiebel reitender Jüngling. Dies Männchen ist, so erzählt die Volkssage, der Baumeister der Brücke, welcher mit seinem Lehrer, dem Dombaumeister, gewettet hatte, sein Werk eher zu vollenden. Mit Hilfe des Teufels soll ihm dies auch gelungen sein, worauf sich der Dombaumeister von seinem Bau in die Tiefe stürzte. Daß die Brücke um hundertfünfzig Jahre früher begonnen ward als der Dom, verschweigt diese Sage. Uebrigens ist auch das alte Brückenmännchen, nachdem ihm der Sturm der Jahrhunderte Arme und Beine geraubt hatte, in ein Museum gebracht und durch sein jetziges Ebenbild ersetzt worden.

Unser Weg führt uns von der Brücke durch dämmerige Gassen wieder stadteinwärts zum Rathause (Abbildung S. 72 u. 73), das mit seinem reichverzierten Portal, seinem gotischen Erker und seinen hohen Zackengiebeln einen durchaus mittelalterlichen Eindruck macht, welcher noch verstärkt wird, wenn man sich vergegenwärtigt, daß der Bau bis in das Jahr 1330 zurückreicht. Das ganze Treiben reichsstädtischer Macht, ihrer Blüte und ihres Verfalls steigt wieder vor unseren Augen empor, wenn wir diesen Bau betrachten, wo in dem großen Reichssaale der „immerwährende Reichstag“ von 1663 bis 1806 tagte, um während dieser langen Zeit macht- und freudlos das langsame Hinsterben des alten Deutschen Reiches zu erleben.

Unfern vom Rathausplatze liegt der Haidplatz, rings von gediegenen alten Patrizierhäusern umgeben. Da steht, einer mittelalterlichen Burg vergleichbar, der ehrwürdige Gasthof „Zum goldenen Kreuz“, eine alte Kaiserherberge. Hier war’s, wo die schöne Regensburgerin Barbara Blombergh in Kaiser Karls des Fünften verdüsterte Seele noch einmal einen hellen Glanz von Liebesglück zu zaubern wußte; in einem Turmzimmer dieses Hauses gebar sie den herrlichen Seehelden Don Juan d’Austria, den Sieger von Lepanto. Drunten auf dem Haidplatze aber war’s, wo viele Jahrhunderte früher ein andrer Regensburger Held, Ritter Dollinger, in Gegenwart Kaiser Heinrichs des Finklers den riesenhaften Hunnen Krako beim Turnier vom Rosse stach, die Ehre deutscher Ritterschaft zu retten.

Durch alle Gassen Regensburgs flüstern alte Geschichten und Sagen. So auch um die „Neue Pfarre“ (Abbildung S. 72 u. 73), ehedem hieß sie die Kirche „Zur schönen Maria“, deren Grundmauern aus den alten Grabsteinen des ehemaligen Judenfriedhofs aufgeführt wurden, nachdem man im Jahre 1519 die Juden aus Regensburg vertrieben, ihre Häuser und ihre Synagoge zerstört hatte.

Von all den eigenartigen Bauwerken der Stadt, die noch ungenannt blieben, dürfen wir eines nicht vergessen, das ehrwürdige Stift St. Emmeram (Abbildung S. 72 u. 73). Schon unter dem sagenhaften Agilolfingerherzog Theodo war’s, daß der heilige Emmeram in den bayrischen Gauen das Christentum verkündete. Ihn erschlug ein Sohn des Herzogs bei Helfendorf, weil Verleumdung den frommen Mann eines bösen Vergehens gegen eine Herzogstochter bezichtigt hatte. Zur Sühne für die Blutthat erbaute der Herzog das Kloster im achten Jahrhundert. Immer reicher aufblühend, ward dasselbe unter Kaiser Adolf von Nassau zum fürstlichen Reichsstift erhoben. Nach fast zwölfhundertjähriger glänzender Geschichte ward das Kloster am Anfang unseres Jahrhunderts säkularisiert; seine ausgedehnten Bauten erwarb das fürstliche Haus von Thurn und Taxis und schuf sich daraus eine der stolzesten Residenzen, die das Deutsche Reich aufzuweisen hat (Abbildung S. 72 u. 73).

Zu dem aber, was die Geschichte vieler Jahrhunderte aus Regensburg gemacht hat, fügte ein kunstsinniger Fürst der jüngsten Vergangenheit, König Ludwig I. von Bayern, noch zwei Kleinodien hinzu, einzig in ihrer Art und von märchenhafter Schönheit.

Fährt man eine halbe Stunde mit dem Dampfer von Regensburg stromabwärts, so sieht man in der Höhe droben auf umbuschtem Hügel die Reste der Burg Stauf (Abbildung S. 76). Sie erinnern an jene Jahrhunderte, da hier trotziges Rittertum seine schwindende Macht gegen das aufblühende reichsstädtische Bürgertum zu wahren suchte, bis jenem der Streitkolben aus der geharnischten Faust gewunden und seine Zinnen und Verließe gebrochen wurden. Aber nicht diese Burgtrümmer sind’s, die unseren Blick hier gefangen nehmen, sondern ein leuchtendes Werk moderner Kunst und Gesittung, das von der Höhe eines prächtig bewaldeten Hügels schaut: die Walhalla. Wie eine rechte Heimat Unsterblicher [79] grüßt diese lichte Säulenhalle von ihrem gigantischen Unterbau herab auf den breit hinflutenden Strom, auf das weite fruchtbare Land, und nach Süden bis zu den fernen Eiszinnen der Hochalpen. Königliche Begeisterung für deutsche Kraft, für deutsche Geistesthat und deutschen Ruhm hat diesen Bau errichtet, in dessen schweigender Halle die Steinbilder unserer größten und besten Männer eine Heimstatt gefunden haben.

Donauufer und Befreiungshalle.
Die Befreiungshalle.

Andere Bilder erschließen sich, wenn wir Regensburg in der Richtung nach Westen verlassen. Eine stundenlange Fahrt mit dem Bahnzuge führt uns im breiten Donauthale aufwärts, unter schönen Ortschaften vorüber.

An der Sonnenseite des Stromthales liegen steinige Gehänge, wo einst, in den Tagen des Mittelalters, Weinbau getrieben ward. Jetzt ist er längst aufgegeben. Höher werden die Stromufer; wo in die Donau das in vielen Windungen einen beträchtlichen Teil von Bayern durchziehende Altmühl-Flüßchen sich ergießt, liegt die stille Landstadt Kelheim am Ausgang einer Felsenschlucht, durch welche die Donau sich ihren Weg gebahnt hat. In der Tiefe dieser Schlucht liegen mönchische Ansiedlungen: das stattliche Kloster Weltenburg (Abbildung S. 72 u. 73) und, ins felsige Stromufer wie ein Spielzeug eingeschmiegt, das Klösterl (Abbildung ebenda), ein Eremitenheim aus dem fünfzehnten Jahrhundert. Hoch droben aber, auf sonniger, waldumrauschter Höhe, weit über Thäler und Hügel schauend, ragt ein Bauwerk, das an stiller Größe, an reinem Adel seiner Formen noch über der Walhalla steht: die neben stehend abgebildete Befreiungshalle. König Ludwig I. von Bayern erbaute sie zur Erinnerung an die Befreiungskämpfe, die das deutsche Volk im Beginn unseres Jahrhunderts ausgefochten hat, und als dauernde Mahnung zur Eintracht. Schon die ganze Landschaft, über welche dieser mächtige Tempelbau hinschaut, ist von ergreifender Schönheit. Vereinen sich doch hier die grüne geheimnisvolle Poesie endlos sich hindehnender Wälder, in deren Dunkel Trümmer aus römischer Vorzeit liegen, die Tiefen romantischer Felsschlünde, durch welche die Sage hingeistert, ferne Ritterburgen auf felsigen Höhen, ein breites mächtiges Stromthal und endlich der wunderbare Blick in unendlich weite Fernen, wo kaum mehr sichtbare Bergketten traumhaft sich aufbauen! Im Innenraume dieses Baues aber grüßen uns überirdisch schöne Marmorgestalten; heilige Schauer wehen durch die mächtige Halle, in welcher menschliche Eitelkeit und Alltagsgedanken verstummen. Wer aus diesem Raume wieder hinaustritt in den Sonnenglanz, in dem das Donauthal tief drunten sich hinstreckt und die fernen Wälder duftig vergehen, der vergißt nie wieder den unbeschreiblichen Zauber dieser einsamen, weißen, von den edelsten Gedanken bewohnten Geisterburg.